Klimaänderungen in Europa: Unterschied zwischen den Versionen

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[[Bild:2015 winter summer.jpg|thumb|620px|Abb. 3a: Temperaturabweichungen 2015 im Winter und Sommer vom Mittel 1981-2010 in °C]]  
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Die Temperaturen in Europa sind zwischen 1991 und 2021 um 0,5 °C pro Jahrzehnt angestiegen und damit mehr als doppelt so stark wie das globale Mittel. Europa ist damit der Kontinent, der sich am stärksten erwärmt hat. Die höchste Temperaturabweichung im Jahr 2021 vom Mittel der Jahre 1981-2010 hatten einige Gebiete Grönlands, vor allem im Norden und Nordwesten, und Spitzbergen mit über 2 °C zu verzeichnen.<ref name="WMO 2022">WMO (2022): [https://public.wmo.int/en/our-mandate/climate/wmo-statement-state-of-global-climate/Europe State of the Climate in Europe 2021]</ref>  Besonders stark haben sich in den letzten Jahren die Sommer erwärmt. Der Sommer 2022 war mit 1,4 °C über dem Mittel sogar der wärmste bisher gemessene Sommer. Im Südwesten und Westen Europas gab es bis zu 30% mehr warme Tage als im Durchschnitt. In Großbritannien wurden zum ersten Mal über 40 °C gemessen. Auch in anderen Teilen Westeuropas lagen die Höchsttemperaturen oft 10 °C über den typischen Maximumtemperaturen im Sommer.<ref>Copernicus Climate Change Service (2023): [https://climate.copernicus.eu/esotc/2022/european-state-climate-2022-summary European State of the Climate 2022]</ref>  
Die Temperaturen in Europa sind zwischen 1991 und 2021 um 0,5 °C pro Jahrzehnt angestiegen und damit mehr als doppelt so stark wie das globale Mittel. Europa ist damit der Kontinent, der sich am stärksten erwärmt hat. Die höchste Temperaturabweichung im Jahr 2021 vom Mittel der Jahre 1981-2010 hatten einige Gebiete Grönlands, vor allem im Norden und Nordwesten, und Spitzbergen mit über 2 °C zu verzeichnen.<ref name="WMO 2022">WMO (2022): [https://public.wmo.int/en/our-mandate/climate/wmo-statement-state-of-global-climate/Europe State of the Climate in Europe 2021]</ref>  Besonders stark haben sich in den letzten Jahren die Sommer erwärmt. Der Sommer 2022 war mit 1,4 °C über dem Mittel sogar der wärmste bisher gemessene Sommer. Im Südwesten und Westen Europas gab es bis zu 30% mehr warme Tage als im Durchschnitt. In Großbritannien wurden zum ersten Mal über 40 °C gemessen. Auch in anderen Teilen Westeuropas lagen die Höchsttemperaturen oft 10 °C über den typischen Maximumtemperaturen im Sommer.<ref>Copernicus Climate Change Service (2023): [https://climate.copernicus.eu/esotc/2022/european-state-climate-2022-summary European State of the Climate 2022]</ref> Ein Blick auf die langfristige Veränderung der Sommertemperaturen zeigt, dass die Sommer der drei Jahrzehnte 1986-2015 die wärmsten Sommer der letzten 2000 Jahre waren. Der Trend zu immer wärmeren Sommern in den letzten Jahrzehnten war häufig von Hitzewellen begleitet.<ref name="Luterbacher 2016">Luterbacher, J., J.P. Werner, J.E. Smerdon et al. (2016): European summer temperatures since Roman times. Environmental, Research Letters, 11(2), 024001. https://iopscience.iop.org/article/10.1088/1748-9326/11/2/024001 </ref> 


Betrachtet man die besonders starke Erwärmung der ca. letzten 30 Jahre im Hinblick auf die Sommer- und Winterentwicklung, so fällt ein Trend auf, wie er ähnlich auch für die [[Klima im 21. Jahrhundert in Europa|nächsten 100 Jahre]] projiziert wird:  Im Winter findet sich die stärkste Erwärmung in Skandinavien und Nordosteuropa, im Sommer im Mittelmeerraum. Für die ungewöhnlich starke Erwärmung im Norden spielt der [[Eis-Albedo-Rückkopplung|Eis-/Schnee-Albedo-Effekt]] die entscheidende Rolle: Der Rückgang von Schnee- und Eisflächen führt zu einer höheren Strahlungsabsorption. Die starke Erwärmung im Osten und Nordosten Europas 2015 mit bis zu 5 °C gegenüber 1981-2010 in Finnland war aber auch durch eine starke NAO bedingt. Dagegen nahmen in Südeuropa die Temperaturen vor allem im Sommer zu. So lagen die Temperaturen in Teilen Italiens, aber auch im südlichen Mitteleuropa im Sommer 2015 um ca. 3 °C über dem Mittel von 1981 bis 2010.<ref name="Besselaar 2016">van den Besselaar, E., R. Cornes, C. Photiadou, G.van der Schrier, G. Verver, A. Klein Tank, A. Squintu (2016): [http://cib.knmi.nl/mediawiki/index.php/2015:_joint_warmest_year_on_record_in_Europe 2015: joint warmest year on record in Europe]</ref> Die sommerliche Erwärmung im Mittelmeerraum ist primär durch die Niederschlagsdefizite und ausgetrockneten Böden bedingt, die die Evapotranspiration und damit deren Abkühlungseffekt stark einschränken.
Betrachtet man die besonders starke Erwärmung der ca. letzten 30 Jahre im Hinblick auf die Sommer- und Winterentwicklung, so fällt ein Trend auf, wie er ähnlich auch für die [[Klima im 21. Jahrhundert in Europa|nächsten 100 Jahre]] projiziert wird:  Im Winter findet sich die stärkste Erwärmung in Skandinavien und Nordosteuropa, im Sommer im Mittelmeerraum. Für die ungewöhnlich starke Erwärmung im Norden spielt der [[Eis-Albedo-Rückkopplung|Eis-/Schnee-Albedo-Effekt]] die entscheidende Rolle: Der Rückgang von Schnee- und Eisflächen führt zu einer höheren Strahlungsabsorption. Die starke Erwärmung im Osten und Nordosten Europas 2015 mit bis zu 5 °C gegenüber 1981-2010 in Finnland war aber auch durch eine starke NAO bedingt. Dagegen nahmen in Südeuropa die Temperaturen vor allem im Sommer zu. So lagen die Temperaturen in Teilen Italiens, aber auch im südlichen Mitteleuropa im Sommer 2015 um ca. 3 °C über dem Mittel von 1981 bis 2010.<ref name="Besselaar 2016">van den Besselaar, E., R. Cornes, C. Photiadou, G.van der Schrier, G. Verver, A. Klein Tank, A. Squintu (2016): [http://cib.knmi.nl/mediawiki/index.php/2015:_joint_warmest_year_on_record_in_Europe 2015: joint warmest year on record in Europe]</ref> Die sommerliche Erwärmung im Mittelmeerraum ist primär durch die Niederschlagsdefizite und ausgetrockneten Böden bedingt, die die Evapotranspiration und damit deren Abkühlungseffekt stark einschränken.
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Allgemein haben die Niederschläge in Europa im 20. Jahrhundert um 6-8 % zugenommen. Regional zeigt sich dabei eine deutliche Zweiteilung. Die Zunahme findet sich hauptsächlich mit 10-40 % in Nordeuropa, während sie im Mittelmeerraum und in Teilen Südosteuropas um bis zu 20 % abgenommen haben.<ref>European Environment Agency (EEA) (2008): [http://www.eea.europa.eu/publications/eea_report_2008_4 Impacts of Europe's changing climate - 2008 indicator-based assessment], 5.2.3</ref> Die Trends bei drei Stationen in Norwegen (Barkestad), Deutschland (Frankfurt) und Italien (Mailand) sind exemplarisch für die jeweilige Region: In Norwegen nehmen die Niederschläge deutlich zu, in Deutschland zeigt sich keine auffälliger Trend, und in Italien findet sich eine Abnahme der Niederschläge. Dabei sind die Niederschläge in Nord- und Westeuropa zwischen 1951 und 2000 mit 20-40 % vor allem im Winter angestiegen. In Südeuropa nahmen die Niederschläge sowohl im Sommer wie im Winter um 20 % und mehr ab, im östlichen Spanien und südlichen Italien sogar über 40 %. Deutliche Niederschlagsabnahmen finden sich im Sommer aber auch in Mitteleuropa.<ref>Schönwiese, C.-D. Janoschitz, R. (2008): [http://www.geo.uni-frankfurt.de/fb/fb11/iau/klima/PDF_Dateien/Inst_Ber_7.pdf Klima-Trendatlas Europa 1901-2000]. Bericht Nr. 7, Inst. Atmosph. Umwelt, Univ. Frankfurt/Main</ref>
Allgemein haben die Niederschläge in Europa im 20. Jahrhundert um 6-8 % zugenommen. Regional zeigt sich dabei eine deutliche Zweiteilung. Die Zunahme findet sich hauptsächlich mit 10-40 % in Nordeuropa, während sie im Mittelmeerraum und in Teilen Südosteuropas um bis zu 20 % abgenommen haben.<ref>European Environment Agency (EEA) (2008): [http://www.eea.europa.eu/publications/eea_report_2008_4 Impacts of Europe's changing climate - 2008 indicator-based assessment], 5.2.3</ref> Die Trends bei drei Stationen in Norwegen (Barkestad), Deutschland (Frankfurt) und Italien (Mailand) sind exemplarisch für die jeweilige Region: In Norwegen nehmen die Niederschläge deutlich zu, in Deutschland zeigt sich keine auffälliger Trend, und in Italien findet sich eine Abnahme der Niederschläge. Dabei sind die Niederschläge in Nord- und Westeuropa zwischen 1951 und 2000 mit 20-40 % vor allem im Winter angestiegen. In Südeuropa nahmen die Niederschläge sowohl im Sommer wie im Winter um 20 % und mehr ab, im östlichen Spanien und südlichen Italien sogar über 40 %. Deutliche Niederschlagsabnahmen finden sich im Sommer aber auch in Mitteleuropa.<ref>Schönwiese, C.-D. Janoschitz, R. (2008): [http://www.geo.uni-frankfurt.de/fb/fb11/iau/klima/PDF_Dateien/Inst_Ber_7.pdf Klima-Trendatlas Europa 1901-2000]. Bericht Nr. 7, Inst. Atmosph. Umwelt, Univ. Frankfurt/Main</ref>


== Verschiebung der Klimazonen ==
== Ursachen der Klimaänderung ==
Angesichts der Klimaänderungeen in Europa stellt sich vor allem die Frage, welches die Gründe für die starke jährliche Erwärmung im Jahresmittel und im Sommer sind. Als wesentlicher Grund gilt der anthropogene Treibhauseffekt, der durch die Emission von Kohlendioxid, Methan und anderen Treibhausgasen verursacht wird. Da die wichtigsten dieser Treibhausgase mindestens mehrere Jahre und zum Teil noch wesentlich länger in der Atmosphäre verbleiben, sind sie fast gleichmäßig über den Globus verteilt.  Besonderheiten der europäischen Temperaturentwicklung können daher nicht durch den globalen anthropogenen Treibhauseffekt erklärt werden. Allerdings können Rückkopplungseffekte der globalen Erwärmung mit regionalen Klimakomponenten eine Erklärung sein. So spielt etwa der Eis-/Schnee-Albedo-Effekt für die starke Erwärmung in Skandinavien und Nordosteuropa im Winterhalbjahr die entscheidende Rolle. Das Abschmelzen von Schnee- und Eisflächen hat zur Folge, dass weniger Sonnenstrahlen reflektiert werden und so den Boden aufheizen, der wiederum durch die Abgabe von langwelliger Wärmestrahlung die darüber liegende Luft erwärmt, die wiederum zu mehr Schneeschmelze führt usw. Eine ähnliche positive Rückkopplung zwischen Atmosphäre und Boden erklärt auch die starke sommerliche Erwärmung besonders in Südeuropa im Sommer. Geringe Niederschläge, ein klarer Himmel und eine starke Einstrahlung lassen hier Boden und Pflanzen austrocknen. Die Folge ist eine ausbleibende Verdunstung und damit ein damit verbundener fehlender Abkühlungseffekt, wodurch der Boden weiter erwärmt wird, aber Wolkenbildung kaum noch stattfindet, mit der Konsequenz stärkerer Einstrahlung und steigender Temperatur, wodurch sich der Boden noch weiter erwärmt usw.<ref name="Tuel 2021">Tuel, A., and E.A.B. Eltahir (2021): Mechanisms of European Summer Drying under Climate Change, Journal of Climate 34, 22, 8913-8931, https://doi.org/10.1175/JCLI-D-20-0968.1</ref> 


Die Veränderungen von Temperatur und Niederschlag im 20. Jahrhundert haben auch zu einer merkbaren Verschiebung von [[Klimazonen]] in Europa geführt.<ref>Vgl. Gerstengabe, F.-W., und P.C. Werner (2009): A short update on Koeppen climate shifts in Europe between 1901 and 2003, Climatic Change 92, 99-107</ref>  Bemerkenswert sind dabei
Ein anderer Erklärungsansatz für die starke Erwärmung Europas im Zuge des Klimawandels sind dynamische Prozesse in der Atmosphäre wie im Nordatlantik. Er läuft darauf hinaus, dass sich die vom Nordatlantik nach Osten ziehenden Tiefdruckbahnen, die für Mittel und Nordeuropa im Sommer, für den Mittelmeerraum im Winter die Niederschläge bringen, nach Norden verschoben haben. Als Ursache wird das sog. „Erwärmungsloch“ südlich von Grönland gesehen, wo die Meeresoberflächentemperatur sich in den letzten Jahrzehnten nicht erwärmt, sondern abgekühlt hat. Von einigen Autoren wird dieses Phänomen auf die Abschwächung der Nordatlantischen Umwälzzirkulation (früher Thermohaline Zirkulation) zurückgeführt. Ob die Ursache dieser Abschwächung auf den Klimawandel beruht oder natürlichen Dekaden-Schwankungen unterliegt, ist jedoch in der Forschung nicht endgültig geklärt.<ref name="IPCC AR6 WGI 2021">IPCC AR6 WGI (2021): Climate Change 2021: The Physical Science Basis, Ch. 2.3.3.4</ref> Als Folge dieser Abkühlung im Nordatlantik werden von Tuel & Eltahir (2021)<ref name="Tuel 2021" /> ungewöhnliche Hochdrucklagen westlich der Britischen Inseln angeführt, die feuchte Luftmassen vom Atlantik nach Norden ablenken, so dass sie Mitteleuropa kaum noch erreichen.
# eine größere Ausdehnung der Trockenklimate gegen Ende des 20. Jahrhunderts. So hat sich das  im spanischen Südosten verbreitete Steppenklima gegenüber den 1950er und 1960er Jahren in seiner Ausdehnung fast verdoppelt.
# eine deutliche Ausdehnung des gemäßigten ozeanischen gegenüber dem gemäßigten kontinentalen Klima. So sind weite Teile Mittel- und Südosteuropas, aber auch des südlichen Skandinaviens, unter stärkeren ozeanischen Einfluss geraten.
# eine deutliche Ausdehnung des borealen ozeanischen gegenüber dem borealen kontinentalen Klima im mittleren und nördlichen Skandinavien. Das Gebiet des Tundrenklimas in den höheren Lagen Skandinaviens hat sich deutlich verringert.
[[Bild:Europa_hitzewellen.jpg|thumb|320px|Abb. 4: Veränderung der Dauer von sommerlichen Hitzeperioden<ref> Eine Hitzeperiode ist hier definiert durch mindestens sechs aufeinander folgende Tage mit einer Temperatur von 5 °C über der mittleren Temperatur des Zeitraums 1961-1990</ref> in Europa 1976 bis 2006]]


== Änderungen der Extreme ==
Eine dritte Erklärung bezieht sich auf anthropogene Emissionen, die nicht eine Erwärmung, sondern eine Abkühlung zur Folge haben. Gemeint sind durch menschliche Aktivitäten entstehende Aerosole, und zwar vor allem Sulphataerosole (SO4), die ähnlich wie Kohlendioxid durch die Verbrennung fossiler Energieträger in die Atmosphäre gelangen. Nach dem 2. Weltkrieg bis ca. 1980 hat die Aerosolbelastung in Europa stark zugenommen, eine Phase die wegen der Abschirmung der Solareinstrahlung als „globale Verdunkelung“ (engl. „global dimming“) bezeichnet wird. Als Folge sind die Temperaturen in Europa und besonders in Nordamerika trotz zunehmender Treibhausgasemissionen kaum gestiegen. Danach wurde durch politische Entscheidungen zur Luftreinhaltung die Emission von Aerosolen mehr und mehr verringert. Es begann die Phase der „globalen Aufhellung“ (engl. „global brightening“), in der sich die Wirkung der steigenden Treibhausgaskonzentration und einer erhöhten Sonneneinstrahlung in einer zunehmenden Erwärmung zeigten. Die Abnahme der Aerosol-Konzentration von 1979 bis 2020 machte sich wegen der höheren Solarstrahlung besonders im Sommer bemerkbar. Allein die Abnahme der Aerosol-Konzentration führte zu einer Erwärmung der jährlichen Mitteltemperatur um etwa 1 °C. Insgesamt betrug die Temperaturzunahme in Europa seit den 1980er Jahren jedoch das Doppelte der globalen Erwärmung, weil sich zusätzlich der Treibhauseffekt auswirkte, der durch die Aerosolbelastung maskiert worden war.<ref name="Glantz 2022">Glantz, P., O. G. Fawole, J. Ström, M. Wild, K. J. Noone (2022): Unmasking the Effects of Aerosols on Greenhouse Warming Over Europe, Journal of Geophysical Research: Atmospheres, 10.1029/2021JD035889, 127, 22 </ref>
 
Mit den Mittelwerten ändern sich in der Regel auch Häufigkeit und Dauer [[Wetterextreme|extremer Wetterereignisse]]. So hat sich wegen der allgemeinen Erwärmung die Zahl extrem kalter Tage sichtlich verringert, während heiße Tage und [[Hitzewellen]] deutlich zugenommen haben. Die mittlere Länge von sommerlichen Hitzewellen hat sich zwischen 1880 und 2005 verdoppelt und die Häufigkeit von heißen Tagen verdreifacht.<ref>European Environment Agency (EEA) (2008): [http://www.eea.europa.eu/publications/eea_report_2008_4 Impacts of Europe's changing climate - 2008 indicator-based assessment], 5.2.4</ref>  Der [[Hitzewellen Europa|Hitzesommer 2003]] hat möglicherweise einen Vorgeschmack davon gegeben, wie künftige Sommer bei einer weiteren globalen Erwärmung in Europa aussehen könnten. In Frankreich lagen die Augusttemperaturen bis zu 14 °C über den mittleren Werten dieses Monats. In Deutschland kletterten die Temperaturen an einigen Orten über 40 °C.
 
Auch die Zahl der Tage mit [[Starkniederschläge und Hochwasser|extremen Niederschlägen]] hat in den meisten Gebieten in Europa zugenommen. Die extremen Niederschläge sind außerdem stärker geworden, und zwar auch in solchen Regionen, in denen die mittleren Niederschläge abgenommen haben, wie im Mittelmeerraum und in Mitteleuropa. Als Beispiel können hier die extremen Niederschläge über dem Einzugsgebiet der Elbe im Sommer 2002 angeführt werden, durch die es zu einer katastrophalen Hochwasserkatastrophe in Deutschland und der tschechischen Republik kam. Noch häufiger kam es zu Hochwasserereignissen durch starke Niederschläge allerdings in den Wintermonaten, verbunden mit einer Häufung von zyklonalen [[Großwetterlagen]] und der Abnahme kontinentaler Hochdrucklagen.


== Kalte Winter in Europa ==
== Kalte Winter in Europa ==

Version vom 28. April 2023, 19:18 Uhr

Abb. 1: Bodennahe Jahresmitteltemperatur in Europa für die Zeit 1961 bis 1990 in °C

Das europäische Klima reicht von den Subtropen im Süden über das gemäßigte Klima in der Mitte bis zum borealen und Tundrenklima im Norden (Abb. 1). Es steht im Westen unter starkem Einfluss des Atlantischen Ozeans und wird nach Osten zunehmend kontinentaler. Westwinde und die sie begleitenden Sturmbahnen und Tiefdruckgebiete sind das wichtigste Klimamuster in Europa, das die täglichen und jährlichen Schwankungn bestimmt. Im Winter hat das Sibirische Hoch mit Kaltlufteinbrüchen einen starken Einfluss. Vom Mittelmeer bis nach Skandinavien bestimmt die Nordatlantische Oszillation die saisonalen klimatischen Schwankungen, besonders im Winter.[1] Ein weiteres wichtiges Klimaphänomen sind blockierende Wetterlagen, die durch den Jetstream gesteuert werden. Der Nordatlantikstrom sorgt, als Fortsetzung des Golfstroms, vor allem im Winter bis weit in den hohen Norden hinein insgesamt für ein sehr mildes Klima.

Veränderung der Temperatur

Abb. 2: Änderung der Temperatur in Mitteleuropa 1000-2006 im Vergleich zum Gesamtzeitraum

Ein Rückblick der Temperaturentwicklung in Mitteleuropa bis in das Mittelalter zeigt grob gesehen drei Klimaepochen, die mit der Entwicklung auf der gesamten Nordhalbkugel übereinstimmen :

  1. die Mittelalterliche Warmzeit,
  2. die Kleine Eiszeit,
  3. die Warmphase der letzten ca. 100 Jahre.

Von 1000 bis ungefähr 1300 nimmt die Temperatur bei starken Schwankungen von Jahr zu Jahr kontinuierlich zu. Danach zeigt sich von ca. 1400 bis 1900 eine relativ kühle Phase, mit besonders niedrigen Temperaturen im 16. und 17. Jahrhundert, die sog. Kleine Eiszeit. Ab 1900 nehmen die Temperaturen ungewöhnlich stark zu und liegen in den letzten 30 Jahren deutlich über den höchsten Temperaturen der mittelalterlichen Warmzeit (Abb. 2).

Abb. 3: Mittlere Temperaturveränderung in Europa und global 1850-2007 als Abweichung vom Mittel des Gesamtzeitraumes
Abb. 3a: Temperaturabweichungen 2015 im Winter und Sommer vom Mittel 1981-2010 in °C

Die Temperaturen in Europa sind zwischen 1991 und 2021 um 0,5 °C pro Jahrzehnt angestiegen und damit mehr als doppelt so stark wie das globale Mittel. Europa ist damit der Kontinent, der sich am stärksten erwärmt hat. Die höchste Temperaturabweichung im Jahr 2021 vom Mittel der Jahre 1981-2010 hatten einige Gebiete Grönlands, vor allem im Norden und Nordwesten, und Spitzbergen mit über 2 °C zu verzeichnen.[2] Besonders stark haben sich in den letzten Jahren die Sommer erwärmt. Der Sommer 2022 war mit 1,4 °C über dem Mittel sogar der wärmste bisher gemessene Sommer. Im Südwesten und Westen Europas gab es bis zu 30% mehr warme Tage als im Durchschnitt. In Großbritannien wurden zum ersten Mal über 40 °C gemessen. Auch in anderen Teilen Westeuropas lagen die Höchsttemperaturen oft 10 °C über den typischen Maximumtemperaturen im Sommer.[3] Ein Blick auf die langfristige Veränderung der Sommertemperaturen zeigt, dass die Sommer der drei Jahrzehnte 1986-2015 die wärmsten Sommer der letzten 2000 Jahre waren. Der Trend zu immer wärmeren Sommern in den letzten Jahrzehnten war häufig von Hitzewellen begleitet.[4]

Betrachtet man die besonders starke Erwärmung der ca. letzten 30 Jahre im Hinblick auf die Sommer- und Winterentwicklung, so fällt ein Trend auf, wie er ähnlich auch für die nächsten 100 Jahre projiziert wird: Im Winter findet sich die stärkste Erwärmung in Skandinavien und Nordosteuropa, im Sommer im Mittelmeerraum. Für die ungewöhnlich starke Erwärmung im Norden spielt der Eis-/Schnee-Albedo-Effekt die entscheidende Rolle: Der Rückgang von Schnee- und Eisflächen führt zu einer höheren Strahlungsabsorption. Die starke Erwärmung im Osten und Nordosten Europas 2015 mit bis zu 5 °C gegenüber 1981-2010 in Finnland war aber auch durch eine starke NAO bedingt. Dagegen nahmen in Südeuropa die Temperaturen vor allem im Sommer zu. So lagen die Temperaturen in Teilen Italiens, aber auch im südlichen Mitteleuropa im Sommer 2015 um ca. 3 °C über dem Mittel von 1981 bis 2010.[5] Die sommerliche Erwärmung im Mittelmeerraum ist primär durch die Niederschlagsdefizite und ausgetrockneten Böden bedingt, die die Evapotranspiration und damit deren Abkühlungseffekt stark einschränken.

Änderungen des Niederschlags

Allgemein haben die Niederschläge in Europa im 20. Jahrhundert um 6-8 % zugenommen. Regional zeigt sich dabei eine deutliche Zweiteilung. Die Zunahme findet sich hauptsächlich mit 10-40 % in Nordeuropa, während sie im Mittelmeerraum und in Teilen Südosteuropas um bis zu 20 % abgenommen haben.[6] Die Trends bei drei Stationen in Norwegen (Barkestad), Deutschland (Frankfurt) und Italien (Mailand) sind exemplarisch für die jeweilige Region: In Norwegen nehmen die Niederschläge deutlich zu, in Deutschland zeigt sich keine auffälliger Trend, und in Italien findet sich eine Abnahme der Niederschläge. Dabei sind die Niederschläge in Nord- und Westeuropa zwischen 1951 und 2000 mit 20-40 % vor allem im Winter angestiegen. In Südeuropa nahmen die Niederschläge sowohl im Sommer wie im Winter um 20 % und mehr ab, im östlichen Spanien und südlichen Italien sogar über 40 %. Deutliche Niederschlagsabnahmen finden sich im Sommer aber auch in Mitteleuropa.[7]

Ursachen der Klimaänderung

Angesichts der Klimaänderungeen in Europa stellt sich vor allem die Frage, welches die Gründe für die starke jährliche Erwärmung im Jahresmittel und im Sommer sind. Als wesentlicher Grund gilt der anthropogene Treibhauseffekt, der durch die Emission von Kohlendioxid, Methan und anderen Treibhausgasen verursacht wird. Da die wichtigsten dieser Treibhausgase mindestens mehrere Jahre und zum Teil noch wesentlich länger in der Atmosphäre verbleiben, sind sie fast gleichmäßig über den Globus verteilt. Besonderheiten der europäischen Temperaturentwicklung können daher nicht durch den globalen anthropogenen Treibhauseffekt erklärt werden. Allerdings können Rückkopplungseffekte der globalen Erwärmung mit regionalen Klimakomponenten eine Erklärung sein. So spielt etwa der Eis-/Schnee-Albedo-Effekt für die starke Erwärmung in Skandinavien und Nordosteuropa im Winterhalbjahr die entscheidende Rolle. Das Abschmelzen von Schnee- und Eisflächen hat zur Folge, dass weniger Sonnenstrahlen reflektiert werden und so den Boden aufheizen, der wiederum durch die Abgabe von langwelliger Wärmestrahlung die darüber liegende Luft erwärmt, die wiederum zu mehr Schneeschmelze führt usw. Eine ähnliche positive Rückkopplung zwischen Atmosphäre und Boden erklärt auch die starke sommerliche Erwärmung besonders in Südeuropa im Sommer. Geringe Niederschläge, ein klarer Himmel und eine starke Einstrahlung lassen hier Boden und Pflanzen austrocknen. Die Folge ist eine ausbleibende Verdunstung und damit ein damit verbundener fehlender Abkühlungseffekt, wodurch der Boden weiter erwärmt wird, aber Wolkenbildung kaum noch stattfindet, mit der Konsequenz stärkerer Einstrahlung und steigender Temperatur, wodurch sich der Boden noch weiter erwärmt usw.[8]

Ein anderer Erklärungsansatz für die starke Erwärmung Europas im Zuge des Klimawandels sind dynamische Prozesse in der Atmosphäre wie im Nordatlantik. Er läuft darauf hinaus, dass sich die vom Nordatlantik nach Osten ziehenden Tiefdruckbahnen, die für Mittel und Nordeuropa im Sommer, für den Mittelmeerraum im Winter die Niederschläge bringen, nach Norden verschoben haben. Als Ursache wird das sog. „Erwärmungsloch“ südlich von Grönland gesehen, wo die Meeresoberflächentemperatur sich in den letzten Jahrzehnten nicht erwärmt, sondern abgekühlt hat. Von einigen Autoren wird dieses Phänomen auf die Abschwächung der Nordatlantischen Umwälzzirkulation (früher Thermohaline Zirkulation) zurückgeführt. Ob die Ursache dieser Abschwächung auf den Klimawandel beruht oder natürlichen Dekaden-Schwankungen unterliegt, ist jedoch in der Forschung nicht endgültig geklärt.[9] Als Folge dieser Abkühlung im Nordatlantik werden von Tuel & Eltahir (2021)[8] ungewöhnliche Hochdrucklagen westlich der Britischen Inseln angeführt, die feuchte Luftmassen vom Atlantik nach Norden ablenken, so dass sie Mitteleuropa kaum noch erreichen.

Eine dritte Erklärung bezieht sich auf anthropogene Emissionen, die nicht eine Erwärmung, sondern eine Abkühlung zur Folge haben. Gemeint sind durch menschliche Aktivitäten entstehende Aerosole, und zwar vor allem Sulphataerosole (SO4), die ähnlich wie Kohlendioxid durch die Verbrennung fossiler Energieträger in die Atmosphäre gelangen. Nach dem 2. Weltkrieg bis ca. 1980 hat die Aerosolbelastung in Europa stark zugenommen, eine Phase die wegen der Abschirmung der Solareinstrahlung als „globale Verdunkelung“ (engl. „global dimming“) bezeichnet wird. Als Folge sind die Temperaturen in Europa und besonders in Nordamerika trotz zunehmender Treibhausgasemissionen kaum gestiegen. Danach wurde durch politische Entscheidungen zur Luftreinhaltung die Emission von Aerosolen mehr und mehr verringert. Es begann die Phase der „globalen Aufhellung“ (engl. „global brightening“), in der sich die Wirkung der steigenden Treibhausgaskonzentration und einer erhöhten Sonneneinstrahlung in einer zunehmenden Erwärmung zeigten. Die Abnahme der Aerosol-Konzentration von 1979 bis 2020 machte sich wegen der höheren Solarstrahlung besonders im Sommer bemerkbar. Allein die Abnahme der Aerosol-Konzentration führte zu einer Erwärmung der jährlichen Mitteltemperatur um etwa 1 °C. Insgesamt betrug die Temperaturzunahme in Europa seit den 1980er Jahren jedoch das Doppelte der globalen Erwärmung, weil sich zusätzlich der Treibhauseffekt auswirkte, der durch die Aerosolbelastung maskiert worden war.[10]

Kalte Winter in Europa

In den letzten Jahren kam es in weiten Teilen Europas in den Wintermonaten, im Jahr 2013 sogar noch im meteorologischen Frühlungsmonat März, zu starken Kälteeinbrüchen. Das hat in der Öffentlichkeit Zweifel am Klimawandel genährt und in der Wissenschaft die Suche nach Erklärungen angetrieben.

Einzelnachweise

  1. IPCC AR6 WGI (2021): Atlas, 8.1.1
  2. WMO (2022): State of the Climate in Europe 2021
  3. Copernicus Climate Change Service (2023): European State of the Climate 2022
  4. Luterbacher, J., J.P. Werner, J.E. Smerdon et al. (2016): European summer temperatures since Roman times. Environmental, Research Letters, 11(2), 024001. https://iopscience.iop.org/article/10.1088/1748-9326/11/2/024001
  5. van den Besselaar, E., R. Cornes, C. Photiadou, G.van der Schrier, G. Verver, A. Klein Tank, A. Squintu (2016): 2015: joint warmest year on record in Europe
  6. European Environment Agency (EEA) (2008): Impacts of Europe's changing climate - 2008 indicator-based assessment, 5.2.3
  7. Schönwiese, C.-D. Janoschitz, R. (2008): Klima-Trendatlas Europa 1901-2000. Bericht Nr. 7, Inst. Atmosph. Umwelt, Univ. Frankfurt/Main
  8. 8,0 8,1 Tuel, A., and E.A.B. Eltahir (2021): Mechanisms of European Summer Drying under Climate Change, Journal of Climate 34, 22, 8913-8931, https://doi.org/10.1175/JCLI-D-20-0968.1
  9. IPCC AR6 WGI (2021): Climate Change 2021: The Physical Science Basis, Ch. 2.3.3.4
  10. Glantz, P., O. G. Fawole, J. Ström, M. Wild, K. J. Noone (2022): Unmasking the Effects of Aerosols on Greenhouse Warming Over Europe, Journal of Geophysical Research: Atmospheres, 10.1029/2021JD035889, 127, 22

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