Nordatlantische Oszillation

Aus Klimawandel
Abb. 1: Druckverhältnisse, Strömungen und Wetterlagen bei einem positiven NAO-Index im Winter

Die Nordatlantischen Oszillation (NAO) ist ein Bestandteil der Atmosphärischen Zirkulation, der vor allem im Nordatlantikraum einen großen Einfluss auf das Wetter ausübt.

Bedeutung und zeitliche Variation

Die Bedeutung der NAO für das nordatlantische Klima

Unter der Nordatlantischen Oszillation versteht man die Schwankungen des Luftdruck-Gegensatzes zwischen dem Azorenhoch im Süden und dem Islandtief im Norden des Nordatlantiks. Im nordatlantischen Raum ist die NAO das dominierende Muster der winterlichen Klimavariabilität. Die NAO beeinflusst entscheidend Wetter- und Klimaschwankungen über dem östlichen Nordamerika, dem Nordatlantik und Europa. Ihre Auswirkungen reichen von der Ostküste der USA bis nach Sibirien und von der Arktis bis in den nördlichen subtropischen Atlantik. Ihr Einfluss ist besonders stark auf das europäische Winterklima. Nach dem amerikanischen NAO-Experten Hurrell[1] ist die NAO für 31% der Schwankungen der winterlichen Oberflächentemperaturen über der nördlichen Hemisphäre nördlich von 20° N verantwortlich, und sie steht für 40 % der winterlichen Luftdruckschwankungen in der Troposphäre.[2] Die NAO ist daher nicht nur prägend für den Nordatlantik-Raum, sondern für die Nordhalbkugel insgesamt.

Beobachtungen und Computersimulationen lassen vermuten, dass ein nicht unbedeutender Teil der Erwärmung der Nordhemisphäre in den letzten Jahrzehnten durch eine verstärkte NAO-Phase zu erklären ist. Inwieweit der Eingriff des Menschen in das Klimasystem die NAO beeinflusst, ist Gegenstand wissenschaftlicher Diskussion.

Abb. 2: Druckverhältnisse, Strömungen und Wetterlagen bei einem negativen NAO-Index im Winter

Zur Bestimmung des Luftdruckgegensatzes zwischen dem Azorenhoch im Süden und dem Islandtief werden meistens die Druckwerte im Dezember bis März von Lissabon (Portugal) und Stykkisholmur (Island) zugrunde gelegt. Neben diesem von J.W. Hurrell definierten NAO-Index, werden auch andere Messpunkte benutzt, so Reykjavik im Norden und Gibraltar oder Ponta Delgada (Azoren) im Süden. In jüngster Zeit wird der Zwei-Punkte-Index zunehmend kritisch gesehen, da die Zentren von Islandtief und Azorenhoch nicht stationär sind. Neuere Ansätze legen auch Luftdruckgegensätze größerer Gebiete zugrunde. [3]

Ist der Luftdruckgegensatzes zwischen dem Azorenhoch im Süden und dem Islandtief im Norden durch einen sehr tiefen Druck über Island und einen sehr hohen Druck über den Azoren höher als im Mittel, spricht man von einem positiven NAO-Index. Über dem Nordatlantik zwischen 40° und 60° nördlicher Breite gibt es dann eine starke Westwindzirkulation, die für milde Winter und reichliche Niederschläge über Europa bis nach Sibirien und an der amerikanischen Ostküste sorgt, während über dem Mittelmeerraum bis in den vorderen Orient Trockenheit und relativ kalte Winter herrschen. Bei einem negativen NAO-Index ist der Druckgegensatz zwischen Island-Tief und Azoren-Hoch deutlich abgeschwächt, die Westwinde sind schwächer und bescheren dem Mittelmeerraum relativ milde und feuchte Winter, während es über Europa und an der amerikanischen Ostküste kalt und trocken ist. Dabei ist die Situation in Europa mit einer blockierenden Wetterlage (einem stationären Hoch) von Osteuropa bis nach Mittel- und Westeuropa verbunden. Besonders ausgeprägt ist die Korrelation zwischen den Wintertemperaturen und der NAO in Westgrönland und Europa. Ein hoher NAO-Index ist verbunden mit kalten Wintern in Westgrönland und warmen Wintern in Europa, bei einem niedrigen NAO-Index ist es umgekehrt.[2]

In Übereinstimmung mit den NAO-Schwankungen verändern sich die Wintertemperaturen über dem ganzen eurasischen Kontinent vom Atlantik zum Pazifik. Das weist darauf, dass die NAO eng mit einer hemisphärischen Variabilität verbunden ist, die als Arktische Oszillation (AO) bekannt ist. NAO und AO sind zwar nicht identisch, aber eng miteinander verbunden in dem Sinne, dass die NAO als regionaler, nordatlantischer Teil der AO angesehen werden kann. Die arktische Oszillation wird verstanden als Ausdruck des Luftdruckgegensatzes zwischen den polaren und den mittleren Breiten rund um die Nordhemisphäre.

Zeitliche Schwankungen

Abb. 3: Winter-NAO-Index (Dez.-März) nach Hurrell 1860-2011

Als primär freie Schwingung der Atmosphäre, in der viele Bewegungsprozesse interagieren und zufällige Variationen hervorbringen, kann die NAO große Veränderungen von Jahr zu Jahr und innerhalb einzelner Jahre von Monat zu Monat und auf noch kürzeren Zeitskalen aufweisen. Es gibt aber auch Schwankungen, die sich über größere Zeiträume erstrecken. Rekonstruktionen der NAO über die letzten 500 Jahre zeigen vor 1900 relativ geringe Schwankungen, während die NAO im 20. Jahrhundert deutlich stärkere Amplituden aufweist.[4] Ende des 19. Jahrhunderts waren positive und negative NAO-Werte ungefähr ausgeglichen. Vom Beginn des Jahrhunderts bis in die 1930er Jahre herrschte ein positiver NAO-Index vor. Ab 1950 und besonders in den 1960er Jahren zeigen sich immer deutlicher negative Werte, die in den 1980er und 1990er Jahren durch ein sehr stark positiven NAO-Index abgelöst werden. Seit Mitte der 1990er Jahre wird der NAO-Index wieder schwächer mit besonders negativen Werten in den Wintern 2009/10 und 2010/11, die zu den negativsten NAO-Werten der letzten 150 Jahre gehörten.[2]

Während die kurzfristigen NAO-Schwankungen als Ausdruck der atmosphärischen Dynamik mit ihren zufälligen und chaotischen Prozessen gelten, lassen die Schwankungen auf Zeitskalen von Jahren und Jahrzehnten andere Einflussfaktoren vermuten. Diskutiert werden Interaktionen der nordatlantischen Atmosphäre mit langsamer agierenden Komponenten des Klimasystems wie dem Ozean, der Stratosphäre oder dem durch den Menschen bedingten Anstieg von Treibhausgasen.

Zum Verständnis der NAO-Dynamik

Eine atmosphärische Dynamik

Die NAO-Variabilität wird anders als die pazifische ENSO-Schwankung, an der atmosphärische wie ozeanische Prozesse etwa gleich stark beteiligt sind, offensichtlich im Wesentlichen durch interne atmosphärische Prozesse verursacht. Modellrechnungen lassen es als sehr wahrscheinlich erscheinen, dass die Grundstruktur der NAO aus der nichtlinearen Dynamik der Atmosphäre selbst resultiert. Die beobachteten räumlichen Muster der NAO auf Zeitskalen von weniger als einem Jahr werden gut durch reine Atmosphären-Modelle mit vorgegebenen Randbedingungen (Meeresoberflächentemperatur, Meereisbedeckung, Schneedecke, Landoberfläche und fixe Werte für Treibhausgase) und deren saisonalen Schwankungen simuliert und können als Antwort auf Eigenschaften der troposphärischen Zirkulation verstanden werden. Eine wichtige Rolle zur Aufrechterhaltung der NAO spielen offensichtlich stationäre und kurzlebige Wirbel in der oberen Troposphäre. Eine Kopplung z.B. mit dem Ozean ist anscheinend nicht notwendig, um die grundlegenden Schwankungen der NAO (wie der AO) auf diesen kürzeren Zeitskalen zu verstehen.[5]

Nun ist allerdings die Atmosphäre auch in höheren Breiten kein isoliertes System, sondern tauscht Energie, Feuchtigkeit und Bewegung mit dem Ozean, dem Land und der Kryosphäre aus wie auch mit den Tropen an ihrem Südrand. Alle diese Wechselwirkungen können auf bestimmten Zeitskalen auch die NAO beeinflussen. Die längerfristigen NAO-Schwankungen über mehrere Jahre oder Jahrzehnte lassen sich denn auch aus einer rein troposphärischen Schwankung nicht direkt ableiten. Das gilt insbesondere für die ungewöhnliche NAO-Amplitude in den letzten 30 Jahren. Obwohl also die NAO prinzipiell ein Modus der internen Variabilität der Atmosphäre ist, können externe Faktoren wie die Veränderungen der Meeresoberflächentemperatur, vermittelnde Einflüsse der Stratosphäre oder Veränderungen der Konzentration von Treibhausgasen ihre Phasen und Amplituden vor allem über größere Zeitskalen mitbestimmen.

Abb. 4: Tripolare Wärmestruktur des Nordatlantiks bei einem positiven NAO-Index

Wechselwirkungen mit dem Ozean

Da die NAO sich über dem nordatlantischen Ozean entwickelt, stehen ihre Schwankungen auch in einem Wechselverhältnis mit dem Ozean. Dabei gibt es einen direkten wechselseitigen Temperatureinfluss zwischen Atmosphäre und Ozean. Temperaturveränderungen in der Atmosphäre teilen sich unmittelbar der ozeanischen Deckschicht mit. Typisch ist eine tripolare Struktur der Wärmereaktion des nordatlantischen Ozeans. Während einer positiven NAO-Phase zeigt der nordwestliche Atlantik von Island bis Neufundland relativ kühle Temperaturen, der mittlere Nordatlantik von Florida bis zur Nordsee relativ warme und der südliche Nordatlantik von der westafrikanischen Küste Richtung Antillen wieder relativ kühle Temperaturen. Bei einer negativen NAO-Phase drehen sich die Verhältnisse um: Der mittlere Nordatlantik ist relativ kühl, die beiden anderen Regionen sind relativ warm.[6]

Der langsamer reagierende Ozean speichert die aufgenommene Energie über längere Zeiträume als die Atmosphäre, was auf die darüber liegende Atmosphäre zurückwirkt und so die stärkeren atmosphärischen Schwankungen dämpft bzw. Zustände der Atmosphäre über längere Zeiträume erhält. Eine Rolle dabei spielt auch die Bildung einer dünnen sommerlichen ozeanischen Deckschicht, die die im Winter von der Atmosphäre aufgenommenen Temperaturen von der Atmosphäre isoliert und so bis zum nächsten Winter konserviert. Im Spätherbst beseitigen und vermischen stärkere Winde die sommerliche Deckschicht, so dass die winterlichen Temperaturen des Vorjahres mit der Atmosphäre wieder in Kontakt treten. Im frühen Winter zeigt sich entsprechend der Einfluss der Meeresoberflächentemperatur auf die NAO.[7] Allerdings wird der Einfluss der Rückwirkung des Ozeans auf die NAO auf Zeitskalen von Jahr zu Jahr als relativ schwach beurteilt und auf nicht mehr als 10-20 % der NAO-Schwankungen geschätzt.[6]

Eine stärkere Wechselwirkung zwischen NAO und Ozean besteht auf Zeitskalen von Jahrzehnten.[8] Wie Abb.5 zeigt, gibt es eine Korrelation zwischen der NAO und der Intensität des Nordatlantikstroms (bzw. der Meridionalen Umwälzzirkulation MOC[9]). Dabei gehen Veränderungen der NAO solchen der MOC um etwa ein Jahrzehnt voraus. Als Ursache werden Änderungen der Konvektion in der Labradorsee durch die NAO angenommen, die sich auf die MOC auswirken. Davon werden die Oberflächentemperaturen des Atlantiks beeinflusst, die wiederum zurück auf die NAO wirken.

Abb. 5: Entwicklung des NAO-Index im Winter (Dez.-März) als Maß für die Stärke von Westwinden und Wärmetransport im Nordatlantik (blaue Kurve: 11-Jahresmittel); Entwicklung des Temperaturgegensatzes zwischen der Meeresoberflächentemperatur im Nord- (relativ warm) und im Südatlantik (relativ kalt) als Maß für die Stärke der MOC (rot: Jahreswerte, lila: 11-Jahresmittel)

Der im Nordatlantik in der Labrador See als auch im Europäischen Nordmeer stattfindende vertikale Wasseraustausch wird maßgeblich durch Schwankungen der NAO beeinflusst. Durch die in den letzten beiden Jahrzehnten überwiegend positiven NAO-Lagen ist es zu einer verstärkten Tiefenwasserbildung im Nord-West Atlantik gekommen. Diese ist mit den verhältnismäßig kalten Wintertemperaturen korreliert, die aufgrund der positiven NAO-Lage an der Ostküste Kanadas auftreten. Dabei trägt die konvektive Erneuerung mittlerer und tiefer Wasserschichten der Labrador See zur Produktion und Transport des Nordatlantischen Tiefenwassers bei und hält so die weltweite thermohaline Zirkulation in Gange. Die Intensität der im Nordatlantik stattfindenden Konvektionsströme wird dabei weniger durch jahreszeitliche als durch Schwankungen der NAO, die sich über Jahrzehnte erstrecken, beeinflusst. So ist die in der Labradorsee stattfindende Konvektion in den späten 1960er-Jahren wesentlich schwächer und somit flacher ausgeprägt gewesen als es heute der Fall ist. Seitdem ist das Wasser der Labrador See um einiges kälter und salzärmer geworden, mit stark zugenommenden Konvektionsströmen bis in über 2300 Meter Tiefe. Dagegen wird die Konvektion im Europäischen Nordmeer in den letzten Jahren eher unterdrückt und zeichnet sich durch wärmere und salzreichere Tiefengewässer aus.

Eventuell könnte auch der eigenständige Energietransport durch den Nordatlantikstrom aufgrund der trägen Reaktion des Ozeans die Schwankungen der Nordatlantischen Oszillation auf längeren Zeitskalen von Jahren bis Jahrzehnten nachhaltig prägen und damit entsprechend prognostizierbar machen.[10]

In jüngster Zeit wird auch ein Einfluss des tropischen Pazifiks und des Indischen Ozeans auf die NAO diskutiert und teilweise sogar als bedeutender als der Einfluss des Atlantiks eingeschätzt.[6] Neben einem eher schwachen Einfluss des ENSO-Phänomens auf die NAO werden vor allem die Meeresoberflächentemperaturen im westlichen tropischen Pazifik und im Indischen Ozean als prägend für die Dekaden-Schwankung der NAO angenommen. Das soll insbesondere für die Verstärkung des NAO-Index in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts gelten.[11] Die Verbindung zwischen dem Indischen und Pazifischen Ozean auf der einen und dem Nordatlantik auf der anderen Seite wird durch Fernwirkungen über die atmosphärische Zirkulation und ihre planetarischen Wellen angenommen.

Insgesamt erklären die ozeanischen Einflüsse aber nur einen verhältnismäßig geringen Teil der dekadischen NAO-Schwankungen. Als weiterer Faktor wurde daher eine Wechselwirkung mit der Stratosphäre untersucht.

Die Beteiligung der Stratosphäre

Nach Auffassung einiger Forscher lässt sich die auffällige Intensivierung des NAO-Index in den letzten 30 Jahren möglicherweise auch aus Veränderungen in der Stratosphäre erklären,[12] die durch eine Zunahme der Treibhausgase in der Troposphäre und Abnahme des stratosphärischen Ozons verursacht sein könnten. Die Zusammenhänge sind kompliziert. Zunächst einmal besteht ein dynamischer Einfluss der Troposphäre auf die Stratosphäre in höheren Breiten. Aber auch eine umgekehrte Wirkung der Stratosphäre auf das Klima der Troposphäre ist inzwischen in der Forschung Konsens.[13] Der Einfluss der Troposphäre auf die Stratosphäre zeigt sich in der Auswirkung der NAO auf den stratosphärischen Polarwirbel, einer gegen den Uhrzeigersinn drehenden Strömung in 10-15 km Höhe, die durch den im Winter besonders großen Luftdruckgradienten an der Polarfront bedingt ist. Eine Erhöhung des NAO-Index bewirkt nach etwa vier Tagen eine Verstärkung des Polarwirbels in der Stratosphäre, eine Verringerung des NAO-Index hat den umgekehrten Effekt.

Abb. 6: Schematische Darstellung des Einflusses der planetarischen Wellen des Polarjets auf den stratosphärischen Polarwirbel

Hintergrund ist die Beziehung zwischen der Verteilung von Kontinenten und Ozean auf der Nordhalbkugel, dem Jetstream der polaren Frontalzone und dem stratosphärischen Polarwirbel. Durch die unterschiedliche Wärmekapazität von Land und Wasser kommt es in den höheren Breiten der Nordhalbkugel zu starken Temperatur- und Luftdruckunterschieden, die den polaren Jet zur Bildung von großräumigen Mäandern bzw. planetarischen Wellen veranlassen, was durch meridional verlaufende Gebirgszüge (Rocky Mountains, Ural) noch verstärkt wird. Abspaltungen dieser planetarischen Wellen breiten sich nach oben bis in die Stratosphäre aus und transportieren Luftmassen aus mittleren Breiten Richtung Äquator auf der einen und bis in das Polargebiet auf der anderen Seite. Hier stören sie den stratosphärischen Polarwirbel und machen ihn instabil.

Bei niedrigem NAO-Index pflanzen sich die Mäander stärker Richtung Pol fort und schwächen den stratosphärischen Polarwirbel, bei hohem NAO-Index stärker Richtung Äquator, was eine relativ geringe Störung des stratosphärischen Polarwirbels zur Folge hat.[14] Die in den letzten Jahrzehnten beobachtete deutliche Zunahme des NAO-Index hat danach eine Verstärkung des stratosphärischen Polarwirbels zur Folge und damit eine zunehmende Abkühlung der höheren Atmosphäre über der Arktis.[13]

Offensichtlich gibt es aber auch eine "Abwärts-Kontrolle" der NAO durch den stratosphärischen Polarwirbel, auch wenn die Forschung im Verständnis der Mechanismen noch in den Anfängen steckt.[15] Beobachtungen haben ergeben, dass die Folgen von auffälligen klimatischen Ereignissen in der Stratosphäre wie eine plötzliche Erwärmung nach großen Vulkanausbrüchen etwa drei Wochen später in der Troposphäre nachweisbar sind. Bis in die Stratosphäre geschleuderte vulkanische Aerosole absorbieren Solarstrahlung nur in den von der Sonne beschienenen Gebieten, nicht jedoch in der Polarnacht über den Polen. Das führt im Nordwinter zu einem verstärkten Temperatur- und Luftdruckgradienten zum Pol hin und in der Folge zu einer Verstärkung des stratosphärischen Polarwirbels, die sich nach unten bis in die Troposphäre fortsetzt.

Als Erklärung für einen Einfluss des stratosphärischen Polarwirbels auf die NAO werden ein indirekter Mechanismus über Auswirkungen auf die planetarischen Wellen, der dann Rückwirkungen auf die NAO hat, und ein direkter Einfluss stratosphärischer Dynamik auf die Nordatlantische Oszillation diskutiert.

Untersuchungen verschiedener Modellsimulationen haben gezeigt, dass nur Modelle mit einer realitätsnahen Präsentation der Stratosphäre jüngste Veränderungen des troposphärischen Klimas in den höheren und mittleren Breiten der Nordhalbkugel, insbesondere die NAO-Verstärkung der letzten Jahrzehnte, adäquat darstellen. Das lässt auf eine nicht zu vernachlässigende Wirkung der Stratosphäre auf klimatische Veränderungen in der Troposphäre und die NAO schließen. Diese Zusammenhänge sind auch für die Frage von Bedeutung, ob die jüngste Zunahme des NAO-Index eventuell eine Folge anthropogener Treibhausgasemissionen ist.[13]

Gibt es anthropogene Einflüsse?

Der Trend zur Verstärkung des NAO-Index in den letzten Jahrzehnten hat schon früh die Vermutung aufkommen lassen, dass daran die durch die Zunahme von Treibhausgasen verursachte globale Erwärmung beteiligt sei. Allerdings hat die Abschwächung der NAO nach 1995 daran auch wieder Zweifel geweckt. Die Beantwortung dieser Frage ist vor allem vor dem Hintergrund von Bedeutung, dass die NAO-Verstärkung in den letzten 30 Jahren für etwa ein Drittel der Schwankungen der Oberflächentemperaturen auf der Nordhalbkugel in den Winterhalbjahren verantwortlich ist.[1] Falls das NAO-Verhalten der jüngsten Zeit allein in der natürlichen atmosphärischen Variabilität begründet liegt, hätte ein Großteil der gegenwärtigen Erwärmung über Europa und Sibirien nichts mit der Zunahme der Konzentration von Treibhausgasen zu tun. Wenn sich aber ein Einfluss der höheren Treibhausgaskonzentration auf die NAO nachweisen lässt, könnte auch dieser Teil der Temperaturzunahme über dem eurasischen Kontinent als weitgehend anthropogen angesehen werden. Ob sich die beobachteten Beziehungen zwischen NAO und dem europäischen Klima allerdings auch in Zukunft fortsetzen werden, ist ungewiss.

Ein Einfluss der globalen Erwärmung auf die NAO im 21. Jahrhundert lässt sich nur mit Modellrechnungen abschätzen. Modelle sind allerdings nur begrenzt in der Lage die NAO-Schwankungen im 20. Jahrhundert richtig wiederzugeben.[16] So hat keines von 18 untersuchten Modellen den starken NAO-Trend zwischen den 1960er und den 1990er Jahren reproduziert. Alle Modelle zeigen jedoch, dass bei einer Zunahme der Kohlendioxidkonzentration der Atmosphäre auch die Intensität der NAO zunimmt, allerdings nur in geringem Ausmaß. Möglicherweise besitzen die Modelle eine zu geringe Auflösung oder berücksichtigen bestimmte Antriebsfaktoren wie Änderungen der Stratosphäre zu wenig. Was alle Modelle übereinstimmend aber auch zeigen, ist der recht geringe Einfluss der NAO auf das europäische Klima im 21. Jahrhundert. Allerdings werden regionale Effekte wie stärkere Stürme vor den britischen Inseln, eine Zunahme von Starkregen im Mittelmeerraum oder ein Einfluss auf die nordatlantische Tiefenzirkulation durchaus für möglich gehalten.[17]

Der letztgenannte Einfluss ist über eine Zunahme der Windgeschwindigkeit über dem nordatlantischen Ozean denkbar. Veränderungen der nordatlantischen Westwinde, die durch Schwankungen der NAO verursacht werden, wirken sich auch auf die Oberflächenströmungen der ozeanischen Deckschicht aus und beeinflussen so die Meeresoberflächentemperatur, mit Folgen für die Meridionalen Umwälzzirkulation (MOC). So könnte die von den meisten Modellen berechnete Schwächung der MOC infolge der globalen Erwärmung durch die Intensivierung der NAO um 30-40 Jahre verzögert werden, da die stärkeren Westwinde über dem Nordatlantik dem Oberflächenwasser in den Absinkzonen der MOC mehr Wärme entziehen, es dadurch abkühlen und seine Dichte erhöhen. Das wiederum würde die Tiefenzirkulation verstärken bzw. erhalten.[18]

Einzelnachweise

  1. 1,0 1,1 Eine zusammenfassende Darstellungen findet sich in dem Buch J. W. Hurrell et al.(2003): The North Atlantic Oscillation: Climate Significance and Environmental Impact. American Geophysical Union Monograph Vol. 134. Das erste Kapitel An Overview of the North Atlantic Oscillation ist auch im Internet verfügbar.
  2. 2,0 2,1 2,2 Pinto, J.G.,∗C.C. Raible (2011): Past and recent changes in the North Atlantic oscillation, WIREs Clim Change 2011. doi: 10.1002/wcc.150
  3. Vgl. Luterbacher, J. u.a. (2008): Historische Entwicklung der NAO-Forschung, promet 34, H.3-4, 79-88
  4. Spangehl, T., und C.C. Raible (2008): Variationen der NAO auf Basis von langen Zeitreihen, Datenrekonstruktionen und Simulationen der letzten 500 Jahre, promet 34, H.3-4, 101-107
  5. Greatbach, J.R. (2000): The North Atlantic Oscillation, Stochastic Environmental Research and Risk Assesssment 14, 213-242; Jung, T., u.a. (2008): Wechselwirkung der NAO mit dem Ozean und Meereis, promet 34, H.3-4, 113-121 – Vgl. Auch den Abschnitt “Wechselwirkungen mit dem Ozean”
  6. 6,0 6,1 6,2 Jung, T., u.a. (2008): Wechselwirkung der NAO mit dem Ozean und Meereis, promet 34, H.3-4, 113-121
  7. Czaja, A., C. Frankignoul (2002): Observed Impact of Atlantic SST on the North Atlantic Oscillation, Journal of Climate 15, 606-623
  8. Müller, W.A., C. Appenzeller und M. Latif: NAO und Vorhersagbarkeit, promet 34, H.3-4, 130-137
  9. Der Begriff "meridionale Umwälzzirkulation" (abgekürzt MOC nach engl. Meridional Overturning Circulation) hat in den letzten Jahren in der Wissenschaft den Begriff "thermohalinen Zirkulation" weitgehend abgelöst. Grund ist die Erkenntnis, dass das Globale Förderband, auch in seinem nordatlantischen Abschnitt, nicht nur durch Temperatur- und Salzgehaltsunterschiede angetrieben wird, sondern dass u.a. auch der Wind eine wichtige Rolle spielt.
  10. Latif, M. et al. (2006): A review of predictability studies of Atlantic sector climate on decadal time scales, Journal of Climate 19, 5971-5987
  11. Stutton, R.T., D.L.R. Hodson (2003): Influence of the Ocean on North Atlantic Climate Variability 1871-1999, Journal of Climate 16, 3296-3313
  12. Scaife, A. A., J. R. Knight, G. K. Vallis, and C. K. Folland, 2005: A stratospheric influence on the winter NAO and North Atlantic surface climate. Geophys. Res. Lett., 32, L18715, doi:10.1029/2005GL023226.
  13. 13,0 13,1 13,2 Langematz, U. et al. (2008): Stratosphäre, Vulkanismus und die NAO/AO, promet 34, H.3-4, 122-129
  14. Ambaum, M.H.P., and B.J. Hoskins (2002): The NAO Troposphere-Stratosphere Connection, Journal of Climate 15, 1969-1978
  15. Black, R.X. (2002): Stratospheric Forcing of Surface Climate in the Arctic Oscillation, Journal of Climate 15, 268-277; Ambaum, M.H.P., and B.J. Hoskins (2002): The NAO Troposphere-Stratosphere Connection, Journal of Climate 15, 1969-1978; Hartmann, D.L., J.M. Wallace, V. Limpasuvan, D.W.J. Thompson, and J.R. Holten (2000): Can ozon depletion and global warming interact to produce rapid climate change?, PNAS 97, 1412-1417
  16. Stephenson, D.B., et al. (2006): North Atlantic Oscillation response to transient greenhouse gas forcing and the impact on European winter climate: A CMIP2 multi-model assessment. Climate Dynamics, 27, 401–420; IPCC (2007): Climate Change 2007, Working Group I: The Science of Climate Change, 10.3.5.6
  17. Ulbrich, U., u.a. (2008): Veränderungen der NAO im anthropogen beeinflussten Klima, promet 34, H.3-4, 138-142
  18. Delworth, T.L., and K.W. Dixon (2000): Implications of the Recent Trend in the Arctic/North Atlantic Oscillation for the North Atlantic Thermohaline Circulation, Journal of Climate 13, 3721-3727

Literatur

  • Die Nordatlantische Oszillation (NAO), promet 34, Heft 3/4, 2008

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