Grönländischer Eisschild: Unterschied zwischen den Versionen

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=== Grönland im frühen Eem und späten Pliozän ===
=== Grönland im frühen Eem und späten Pliozän ===
Interessant sind in diesem Zusammenhang auch Studien über die Verhältnisse in früheren Warmzeiten, die ähnliche Klimaverhältnisse aufweisen, wie sie durch den anthropogenen Klimawandel für das 21. Jahrhundert und später erwartet werden. Der Gegenwart am nächsten liegt dabei das [[Eem]], die Warmzeit vor der letzten Eiszeit, die von 130 000 bis 115 000 Jahre vh. dauerte. Die globalen Temperaturen lagen ca. 2 °C über den vorindustriellen. Über große Teile der Arktischen Landgebiete war es in dieser Zeit 4-5 °C wärmer als heute, im Norden Grönlands sogar bis zu 8 °C. Die Eisdicke auf Grönland wurde im frühen Eem auf 130 m niedriger als heute geschätzt, der Meeresspiegel auf 2 bis 4 m höher, woran wahrscheinlich auch die Antarktis ihren Anteil hatte. Die Ergebnisse von Modellrechnungen zum Anteil Grönlands liegen jedoch mit 0,4-5,6 m weit auseinander. Ebenso zeigen die Modelle große Unterschiede bei der Ausdehnung des Grönländischen Eisschildes.<ref name="Plach 2019">Plach, A., Nisancioglu, K. H., Langebroek, P. M., Born, A., and Le clec'h, S. (2019): Eemian Greenland ice sheet simulated with a higher-order model shows strong sensitivity to surface mass balance forcing, The Cryosphere, 13, 2133–2148, https://doi.org/10.5194/tc-13-2133-2019</ref><ref name="Plach 2018">Plach, A., Nisancioglu, K. H., Le clec'h, S., Born, A., Langebroek, P. M., Guo, C., Imhof, M., and Stocker, T. F. (2018): Eemian Greenland SMB strongly sensitive to model choice, Clim. Past, 14, 1463–1485, https://doi.org/10.5194/cp-14-1463-2018</ref>  
Interessant sind in diesem Zusammenhang auch Studien über die Verhältnisse in früheren Warmzeiten, die ähnliche Klimaverhältnisse aufweisen, wie sie durch den anthropogenen Klimawandel für das 21. Jahrhundert und später erwartet werden. Der Gegenwart am nächsten liegt dabei das [[Eem]], die Warmzeit vor der letzten Eiszeit, die von 130 000 bis 115 000 Jahre vh. dauerte. Die globalen Temperaturen lagen ca. 2 °C über den vorindustriellen. Über große Teile der Arktischen Landgebiete war es in dieser Zeit 4-5 °C wärmer als heute, im Norden Grönlands sogar bis zu 8 °C. Die Eisdicke auf Grönland wurde im frühen Eem auf 130 m niedriger als heute geschätzt, der Meeresspiegel auf 2 bis 4 m höher, woran wahrscheinlich auch die Antarktis ihren Anteil hatte. Die Ergebnisse von Modellrechnungen zum Anteil Grönlands liegen jedoch mit 0,4-5,6 m weit auseinander. Ebenso zeigen die Modelle große Unterschiede bei der Ausdehnung des Grönländischen Eisschildes.<ref name="Plach 2019">Plach, A., Nisancioglu, K. H., Langebroek, P. M., Born, A., and Le clec'h, S. (2019): Eemian Greenland ice sheet simulated with a higher-order model shows strong sensitivity to surface mass balance forcing, The Cryosphere, 13, 2133–2148, https://doi.org/10.5194/tc-13-2133-2019</ref><ref name="Plach 2018">Plach, A., Nisancioglu, K. H., Le clec'h, S., Born, A., Langebroek, P. M., Guo, C., Imhof, M., and Stocker, T. F. (2018): Eemian Greenland SMB strongly sensitive to model choice, Clim. Past, 14, 1463–1485, https://doi.org/10.5194/cp-14-1463-2018</ref>
 
Ähnlich wird auch die warme Periode des mittleren Pliozäns (3,3-3,0 Mio. Jahre vh.) als Vergleich herangezogen.<ref name="IPCC 2013">IPCC (2013): Climate Change 2013, Working Group I: The Science of Climate Change, 5.6.1</ref> Die Temperaturen waren 2-3 °C höher als vor der Industrialisierung und die CO<sub>2</sub>-Konzentration lag bei 450 ppm.<ref name="Dolan 2015">Dolan, A. M., Hunter, S. J., Hill, D. J., et al. (2015): Using results from the PlioMIP ensemble to investigate the Greenland Ice Sheet during the mid-Pliocene Warm Period, Clim. Past, 11, 403–424, https://doi.org/10.5194/cp-11-403-2015</ref> Nach AR5 lag während besonders warmer Perioden der Meeresspiegel um bis zu 20 m höher als gegenwärtig. Modellsimulationen des Grönländischen Eischilds zeigen ein breites Spektrum von fast heutiger Ausdehnung bis zu einem eisfreien Grönland. Mittelwerte über alle Modelle ergeben einen stark reduzierten Eisschild, der sich über den Nordosten der Insel ausbreitet, verbunden mit einem Meeresspiegelanstieg von ca. 4 m.<ref name="Dolan 2015" />


== Einzelnachweise ==
== Einzelnachweise ==

Version vom 26. August 2020, 13:26 Uhr

Abb. 1: Gletscherzunge der Auslassgletscher Karal und Knut Rasmussen an der Ostküste Grönlands
Abb. 2: Eisverlust nach GRACE-Messungen in cm Wasseräquivalent pro Jahr

Anders als bei der Antarktis ist das aufgrund der geographischen Lage um 10-15 °C wärmere Klima Grönlands eher fremdbestimmt und wird stark durch die nordamerikanische und eurasische Landmasse und vor allem den Nordatlantik beeinflusst. Einerseits sind daher die Niederschläge deutlich höher als über der Antarktis, andererseits gibt es im Sommer umfangreiche Schmelzvorgänge an der Oberfläche, die sich über nahezu die Hälfte des Eisschildes erstrecken können und deren Wasser größtenteils ins Meer abfließt. Ein anderer Teil des Eises geht auch durch Kalben und Gletscherabflüsse ins Meer verloren. Während der antarktische Eisschild mit Ausnahme einiger Randgebiete der Westantarktis nur sehr verzögert auf Klimaänderungen reagiert, zeigt der Eisschild auf Grönland deutlich stärker die Folgen des aktuellen Klimawandels.

Abb. 3: Die Abbildungen zeigen die Veränderung des Eisabflusses (links) und der Eismasse (rechts) des Grönländischen Eisschilds im Zeitraum 1972-2018. Links: Rote Farben zeigen eine Zunahme des Eisabflusses, blau eine Abnahme des Eisabflusses in % an. Die Größe der Kreise zeigt die Veränderung pro Jahr in Gt. Rechts: Rote Farben zeigen eine Abnahme der Eismasse, blau eine Zunahme an. Die Größe der Kreise zeigt die Größenordnung der Veränderung seit 1972. Grönland ist hier in sieben Regionen eingeteilt: SW=Südwesten, CW=Zentralwesten, NW=Nordwesten, NO=Norden, NE=Nordosten, CE=Zentralosten und SE=Südosten.
Abb. 2b: Oberflächen-Massenbilanz (SMB=Surface Mass Balance) in Gt/Jahr (blau), Eisabfluss (D=Discharge) in Gt/Jahr (rot) und gesamte Massenbilanz (SMB-D) in Gt/Jahr (lila).

Aktuelle Veränderungen

Eine in jüngster Zeit angewandte Art, die Massenbilanz eines Eisschildes zu bestimmen, ist die geodätische Methode, bei der die Höhenänderungen der Eisoberfläche über einen bestimmten Zeitraum bestimmt werden. Dazu werden die Oberflächenhöhen durch Satellitenmessungen erfasst. Die Satellitendaten müssen jedoch durch Bodenmessungen überprüft und bei Bedarf korrigiert werden, da die Eisoberfläche sich auch durch Dichteschwankungen im Firneis oder durch isostatische Bewegungen des Untergrundes verändern kann. Ein Problem bei diesen Messungen sind u.a. die kurzen Zeitreihen, da Satellitenmessungen nicht weit zurückreichen.

Eine weitere Methode ebenfalls durch Satelliten sind Schwerefeldmessungen, die seit 2002 in dem deutsch-amerikanische Projekt GRACE[1] durchgeführt werden und Veränderungen der Eismasse bestimmen. 2018 wurde das Projekt durch GRACE-Follow-On ersetzt.[2] Abb.2 stellt den Eisverlust des Grönlandeisschildes zwischen 2003 und 2012 durch Messungen von Schwereanomalien auf der Erde durch Satelliten des GRACE-Projekts in cm Wasseräquivalent pro Jahr dar. Die Daten zeigen starke Verluste von bis zu 10 cm jährlich vor allem im Süden und Westen der Insel.[3] Im Landesinnern im Nordosten herrscht eine nahezu ausgeglichene Massenbilanz aufgrund von höherem Schneefall im Vergleich zum Abschmelzen. Eine positive Massenbilanz wie noch in den 1990er Jahren ist auf der ganzen Insel nicht zu erkennen. Die Messungen zeigen u.a., dass sich der Massenverlust des Eisschildes auf Grönland von 137 Gt/Jahr im Zeitraum 2002-2003 auf 286 Gt/Jahr im Zeitraum 2007-2009 mehr als verdoppelt hat.[4]

Die Eisschmelze im Jahr 2012 übertraf dann aber alle früheren Rekorde der Satellitenära. Im Juli 2012 kam es auf Grönland zu einem extremen Schmelzereignis, wie es nur alle 150 Jahre auftritt. Satellitenbeobachtungen zeigten am 12. Juli 2012, dass auf 98,6 % der 1,71 Mio km2 großen Fläche Grönlands das Eis schmolz. Normal wären zu dieser Zeit Schmelzvorgänge auf 40-50 % der Fläche.[5] Sogar auf den höchsten Teilen des Eisschildes in ca. 3000 m Höhe schmolz der Schnee des letzten Winters. Die Eisschmelze im Juli 2012 war durch ungewöhnlich warme Wetterverhältnisse bedingt. Die durch ein ausgedehntes Hochdruckgebiet verursachten hohen Temperaturen, die ca. 2 °C über dem Mittel von 1981-2010 lagen, hielten den ganzen Sommer über bis zum September an. Insgesamt gab es im Jahr 2012 in geringen Höhenlagen entlang der Südwestküste mehr als 120 Schmelztage und mehr als 100 Schmelztage weit im Norden und an der Südostküste.[6]

Gemittelt über die Satellitenära 1992-2018 hat der Grönländische Eisschild -148 Gt/Jahr an Eismasse verloren. Im neuen Jahrhundert (2003-2016) steigerte sich dieser Wert auf -255 Gt/Jahr. 2017 und 2018 ging der Verlust allerdings auf ca. -100 Gt/Jahr zurück. 2019 zeigte jedoch mit -532 Gt/Jahr einen Rekordverlust an Eismasse, der auch den des bisherigen Rekordjahres 2012 (464 Gt/Jahr) noch übertraf. In beiden Jahren waren die jeweiligen Eisverluste durch Schmelzwasserabfluss und Eisabfluss etwa gleich groß. 2019 fiel jedoch ca. 100 Gt weniger Schnee. Im Zeitraum zwischen 1949 und 2019 lagen die fünf Jahre mit den höchsten Massenverlusten des Grönländischen Eisschildes alle im letzten Jahrzehnt; der Rangfolge nach waren es 2019, 2012, 2010, 2011 und 2016. Der Beitrag zum Meeresspiegelanstieg durch den Eisverlust Grönlands betrug im 20. Jahrhundert (1900-1983) lediglich 0,21 mm/Jahr. Zwischen 2005 und 2017 erhöhte er sich jedoch auf 0,76 mm/Jahr (von 3,5 mm/Jahr insgesamt) und war damit etwa gleich groß wie der aller Gletscher auf der Erde zusammen.[7]

Nach einer Untersuchung aus dem Jahr 2019[8] hat Grönland zwischen 1972 und 2018 fast 5000 Gt Eis verloren und damit den globalen Meeresspiegel um 13,7 mm ansteigen lassen. Von den sieben Regionen Grönlands hat der Nordwesten mit 1578 Gt seit 1972 bzw. einem Beitrag zum Meeresspiegelanstieg von 4,4 mm den größten Nettoverlust an Eis aufzuweisen. Über den gesamten Zeitraum von 1972 bis 2018 wurde der grönländische Eisverlust mit 66 % eindeutig durch die Eisdynamik (den Eisabfluss über Auslassgletscher) dominiert, während die Oberflächen-Massenbilanz dazu nur mit 34 % beitrug. 2018 hatte Grönland zwar eine deutlich positive Oberflächen-Massenbilanz (die durch die Differenz von Schneefall und Abtauen an der Eisoberfläche gebildet wird) von 449 Gt zu verzeichnen, der Eisabfluss betrug jedoch 555 Gt und sorgte damit für einen Netto-Eisverlust von 105 Gt.

Ursachen

Die Ausdünnung des Eises in den tieferen Lagen ist weitgehend konsistent mit den ansteigenden Sommertemperaturen der letzten Jahre. Gerade in den Jahren nach 2009 kam es zu Wetterlagen, die das Abschmelzen des grönländischen Eises weiter beschleunigten. Die mit einer schwachen NAO verbundenen besonders kalten Winter 2009/10 und 1010/11 in Europa bedeutete vor allem für Westgrönland besonders warme Verhältnisse. Schon während der gesamten 2000er Jahre lag der NAO-Sommer-Index um 2,4 Standardabweichungen unter dem Mittel von 1970-1999. Dadurch strömte zunehmend warme Luft von Süden entlang des westlichen Eisschildes. Zugleich bewirkte Hochdruckwetter über Grönland einen klaren Himmel mit geringer Bewölkung und starker Einstrahlung. Hinzu kam ein geringer Schneefall.[9] Die Folge waren ungewöhnlich warme Temperaturen vor allem über Westgrönland. Vom Winter 2009/10 bis hin zum Sommer 2010 wurden in Westgrönland die höchsten Temperaturen seit Beginn der Messungen im Jahre 1873 gemessen. Vereinzelt lagen die Werte im Winter um 7 °C über dem Mittel der Jahre 1971-2000.[10]

Die zunehmend längere Schmelzsaison und die hohen Temperaturen trugen zum Abschmelzen der Schneedecke aus dem letzten Winter bei, so dass das nackte Eis zum Vorschein kam mit der Konsequenz einer starken Reduktion der Oberflächenalbedo. Hinzu kam, dass der sommerliche Schneefall deutlich unter dem Mittel lag.[11] Die mittlere Albedo des Eisschildes verringert sich im Jahresverlauf von 0,84 im April auf 0,71 Mitte Juli. 2010 lag die Albedo in der Schmelzsaison um mehr als 2 Standardabweichungen unter dem Mittel von 2000-2011. Noch niedriger war sie im Juni und Juli 2011. Insgesamt sank die Albedo von 0,72 in 2000 auf 0,63 in 2011. Dadurch dehnten sich die Flächen von nacktem Eis zunehmend aus, wodurch die Albedo reduziert wurde. Die Folge war ein positiver Rückkopplungseffekt, da die dunkleren Eisflächen mehr Strahlung absorbierten, wodurch die Eisschmelze weiter angetrieben und die dunkleren Eisflächen sich noch mehr ausbreiteten. Über den Schmelzgebieten hat die positive Eis-Albedo-Rückkopplung in den Jahren 2010 und 2011 mehr als die Hälfte der Zunahme der Eisschmelze bewirkt.[9]

Neben Abschmelzprozessen spielen dynamische Veränderungen des Eisabflusses eine wichtige Rolle. Von dem Eisverlust von 60 km3 (Kubikkilometer) pro Jahr Mitte der 1990er Jahre waren etwa 24 km3 dynamisch bedingt; um das Jahr 2000 gingen von den 80 km3 Eisverlust pro Jahr bereits 34 km3 auf das Konto des verstärkten Eisabflusses. Davon wurden allein 10 km3 pro Jahr durch die Abflussveränderungen eines einzigen Gletschers, des Jakobshavn Isbrae an der Westküste, verursacht, dessen Abflussgeschwindigkeit sich in wenigen Jahren (1997-2002) von 7 auf 12 Kubikkilometer pro Jahr erhöhte.[12] In den letzten Jahren sind zwei Gletscher an der Ostküste mit ähnlichem Verhalten hinzugekommen, der Kangerdlugssuaq und der Helheim-Gletscher.[13]

Abb. 4: Rückzug des Jakobshavn Isbrae 1851-2010 an der Westküste Grönlands

Die unmittelbaren Ursachen für die stärkere Dynamik der Eisströme sind vielfältig und noch keineswegs ganz verstanden. Mit hoher Wahrscheinlichkeit liegen ihnen aber die höheren Luft- und Wassertemperaturen seit Mitte der 1990er Jahre zugrunde. Entgegen dem globalen Trend erlebte Grönland eine Abkühlung von den 1930ern bis zur Mitte der 1990er Jahre, seitdem aber einen deutlichen Temperaturanstieg, der allerdings die außergewöhnliche Erwärmung der 1930er Jahre noch nicht erreicht hat. In jedem Fall zeigen die Beobachtungen der letzten 10 Jahre aber, dass ein relativ mäßiger Temperaturanstieg von ca. 1 °C erhebliche Folgen für die Massenbilanz des Eisschildes haben kann.[14]

Eine wichtige Folge der Erwärmung ist das Abschmelzen und Zerbrechen des vorgelagerten Eisschelfs, das zur Instabilität der an der Küste mündenden Auslassgletscher führt. Eine ähnliche Folge ist die Destabilisierung von Gletscherzungen, die direkt ins Meer münden. Wahrscheinlich sind diese Prozesse hauptsächlich angetrieben durch wärmeres Ozeanwasser, das bis zur Aufsetzlinie unterhalb der schwimmenden Gletscherzunge vordringt und dort zu Abschmelzprozessen führt und die Aufsetzlinie, wie in Abb.4 gezeigt, immer weiter zurückverlegt.[15] Berechnungen an einzelnen Gletschern haben gezeigt, dass die submarinen Abschmelzprozesse wesentlich größer sind als die Eisschmelze an der Oberfläche. Bei einer Erwärmung des Ozeanwassers von 3 °C ist damit zu rechnen, dass einige hundert Meter der ins Meer mündenden Eiszungen pro Jahr abgeschmolzen werden. Auch das Kalben von Eis wird durch submarines Abschmelzen höchstwahrscheinlich stark beschleunigt.[16]

Ein weiterer Antrieb liegt in dem zunehmenden Eindringen von Schmelzwasser in Eisspalten bis auf den Grund, wo es unter dem Eis eine Art Schmierfilm bilden und damit die Abflussgeschwindigkeit der Gletscher beschleunigen kann. Die beobachtete Beschleunigung der Gletscherströme sind allerdings noch zu jung und die Datenreihen zu kurz, um mit Sicherheit zu entscheiden, ob es sich um eine kurzfristige Schwankung oder einen längeren Trend handelt.[17] Untersuchungen zum jahreszeitlichen Verhalten der Schmelzprozesse lassen allerdings vermuten, dass in einem wärmeren Klima das Wasser noch weiter im Inland unter den Eisschild gelangt und die Bewegung der Eismassen beschleuinigen könnte.[18]

Abb. 5: Der grönländische Eisschild bei einer CO2-Konzentration von 1000 ppm und einem langfristigen Temperaturanstieg von 8 °C

Projektionen

Wie sehen die Projektionen von Eismodellen für die Zukunft des grönländischen Eisschildes aus? Bis zum Ende des 21. Jahrhunderts wird es nach konservativen Modellberechnungen keine größeren Veränderungen geben. Der Massenverlust durch Schmelzen und Kalben von Eisbergen wird die Akkumulation zunehmend, aber nur langsam übertreffen, bei einem durchschnittlichen Beitrag zum Meeresspiegelanstieg von 0,4 mm/Jahr.[17] Allerdings berücksichtigen Modellrechnungen die Eisdynamik nicht, so dass diese Einschätzungen von anderen Autoren als deutlich zu niedrig eingestuft werden.[19] Bei einer längerfristigen Temperaturzunahme von 3 °C und mehr wird auch nach Modellsimulationen das Abschmelzen der Oberfläche die Akkumulation deutlich übersteigen und der Eisschild wird sich verkleinern und letztlich verschwinden.

Abb. 6: Dicke des grönländischen Eisschilds im Eem in m

Wird die atmosphärische CO2-Konzentration in den nächsten 200-300 Jahren auf 1000 ppm steigen und sich auf diesem Niveau stabilisieren (so die Projektion des höchsten IPCC-Szenarios A1Fl), wird die Temperatur um 8 °C zunehmen, was in den nächsten 1000 Jahren zum völligen Abschmelzen des Grönlandeises und einem Meeresspiegelanstieg um 7 m führen wird. Dieses Ergebnis wird wahrscheinlich irreversibel sein. Denn ohne Eisschild wird sich das Klima auf Grönland wegen der wesentlichen geringeren Albedo der nicht mehr vom Eis bedeckten Landoberfläche deutlich erwärmen. Außerdem würde die Oberfläche Grönlands durch das Abschmelzen des Eispanzers in niedrigere und damit wärmere Höhenlagen absinken, was ebenfalls das weitere Abschmelzen beschleuinigen würde. Auch wenn die Konzentration der Treibhausgase und die globalen Klimaverhältnisse wieder zu den vorindustriellen Bedingungen zurückkehren sollten, wird sich der grönländische Eisschild daher wahrscheinlich nicht wieder aufbauen.[20]

Eine neuere Modellstudie kommt sogar zu dem Ergebnis, dass eine wesentlich geringere Erwärmung ausreichen würde, um den grönländischen Eisschild völlig abschmelzen zu lassen.[21] Schon bei einer längerfristigen Erwärmung von 0,8-3,2 °C, bei einer besten Schätzung von 1,6 °C, über dem vorindustriellen Mittelwert könnte es auf lange Sicht zum kompletten Abschmelzen des Eisschildes mit den Folgen eines Meeresspiegelanstiegs um mehrere Meter kommen. Wann es dazu kommt, hängt vom Tempo der Erwärmung ab. Bei der gegenwärtigen Zunahme der Treibhausgaskonzentration steuern die Temperaturen über Grönland auf 8 °C zu. Ein vollständiger Eisverlust könnte dann bereits in 2000 Jahren eintreten. Würde die Erwärmung bei 4 °C liegen, würde es 8000 Jahre dauern und bei 2 °C Erwärmung über dem vorindustriellen Wert sogar 50 000 Jahre, bis Grönland eisfrei wäre. Die Gefahr, dass der Abschmelzprozess unumkehrbar wird und damit einen sogenannten Kipppunkt darstellt, besteht aber auch schon bei einer geringen Erwärmung von 1,6 °C.

Grönland im frühen Eem und späten Pliozän

Interessant sind in diesem Zusammenhang auch Studien über die Verhältnisse in früheren Warmzeiten, die ähnliche Klimaverhältnisse aufweisen, wie sie durch den anthropogenen Klimawandel für das 21. Jahrhundert und später erwartet werden. Der Gegenwart am nächsten liegt dabei das Eem, die Warmzeit vor der letzten Eiszeit, die von 130 000 bis 115 000 Jahre vh. dauerte. Die globalen Temperaturen lagen ca. 2 °C über den vorindustriellen. Über große Teile der Arktischen Landgebiete war es in dieser Zeit 4-5 °C wärmer als heute, im Norden Grönlands sogar bis zu 8 °C. Die Eisdicke auf Grönland wurde im frühen Eem auf 130 m niedriger als heute geschätzt, der Meeresspiegel auf 2 bis 4 m höher, woran wahrscheinlich auch die Antarktis ihren Anteil hatte. Die Ergebnisse von Modellrechnungen zum Anteil Grönlands liegen jedoch mit 0,4-5,6 m weit auseinander. Ebenso zeigen die Modelle große Unterschiede bei der Ausdehnung des Grönländischen Eisschildes.[22][23]

Ähnlich wird auch die warme Periode des mittleren Pliozäns (3,3-3,0 Mio. Jahre vh.) als Vergleich herangezogen.[24] Die Temperaturen waren 2-3 °C höher als vor der Industrialisierung und die CO2-Konzentration lag bei 450 ppm.[25] Nach AR5 lag während besonders warmer Perioden der Meeresspiegel um bis zu 20 m höher als gegenwärtig. Modellsimulationen des Grönländischen Eischilds zeigen ein breites Spektrum von fast heutiger Ausdehnung bis zu einem eisfreien Grönland. Mittelwerte über alle Modelle ergeben einen stark reduzierten Eisschild, der sich über den Nordosten der Insel ausbreitet, verbunden mit einem Meeresspiegelanstieg von ca. 4 m.[25]

Einzelnachweise

  1. GRACE steht für Gravity Recovery And Climate Experiment; vgl. Die Infoseite bei der Deutschen Luft- und Raumfahrtgesellschaft DLR
  2. DLR: GRACE-Follow-On
  3. IPCC (2013): Climate Change 2013, Working Group I: The Science of Climate Change, 4.4.2
  4. Velicogna, I. (2009): Increasing rates of ice mass loss from the Greenland and Antarctic ice sheets revealed by GRACE, Geophysical Research Letters, VOL. 36, L19503, doi:10.1029/2009GL040222
  5. Nghiem, S.V., et al. (2012): The extrem melt across the Greenland ice sheet in 2012, Geophysical Research Letters 39, doi:10.1029/2012GL053611
  6. National Snow and Ice Data Center (2012): An intense Greenland melt season: 2012 in review
  7. Sasgen, I., Wouters, B., Gardner, A.S. et al. Return to rapid ice loss in Greenland and record loss in 2019 detected by the GRACE-FO satellites. Commun Earth Environ 1, 8. https://doi.org/10.1038/s43247-020-0010-1
  8. Jérémie Mouginot, Eric Rignot, Anders A. Bjørk, Michiel van den Broeke, Romain Millan, Mathieu Morlighem, Brice Noël, Bernd Scheuchl, and Michael Wood (2019): Forty-six years of Greenland Ice Sheet mass balance from 1972 to 2018, PNAS, https://doi.org/10.1073/pnas.1904242116
  9. 9,0 9,1 Box, J.E., et al. (2012): Greenland ice sheet albedo feedback: thermodynamics and atmospheric drivers, The Cryosphere, 6, 821–839
  10. Blunden, J., D.S. Arndt, and M. O. Baringer, Eds. (2011): State of the Climate in 2010. Bulletin of the American Meteorological Society, 92 (6), S1–S266
  11. Tedesco, M., et al. (2011): The role of albedo and accumulation in the 2010 melting record in Greenland, Environmental Research Letters 6, doi:10.1088/1748-9326/6/1/014005
  12. Krabill, W., Hanna, E.; Huybrechts, P., Abdalati, W., Cappelen, J., Csatho, B., Frederick, E., Manizade, S., Martin, C., Sonntag, J., Swift, R., Thomas, R., Yungel, J. (2004): Greenland Ice Sheet: Increased coastal thinning, Geophys. Res. Lett., Vol. 31, No. 24, L24402 10.1029/2004GL021533
  13. Luckman, A., T. Murray, R. de Lange, E. Hanna (2006): Rapid and synchronous ice-dynamic changes in East Greenland, Geophys. Res. Lett., Vol. 33, No. 3, L03503, doi:10.1029/2005GL025428
  14. Joughin, I. (2006): Greenland Rumbles Louder as Glaciers Accelerate, Science 311, 1719-1720
  15. Bindschadler, R. (2006): Hitting the Ice Sheets Where It Hurts, Science 311, 1720-1721
  16. Rignot, E., et al. (2010): Rapid submarine melting of the calving faces of West Greenlands glaciers, Nature geoscience 3, 187-191
  17. 17,0 17,1 Alley, R., P.U. Clark, P. Huybrechts and I. Joughin (2005): Ice-sheets and sea-level changes, Science 310, 456-460
  18. Bartholomew, I., et al.(2010): Seasonal evolution of subglacial drainage and acceleration in a Greenland outlet glacier, Nature Geoscience 3, 408–411
  19. Rignot, E., and P. Kanagaratnam (2006): Changes in the Velocity Structure of the Greenland Ice Sheet, Science 311, 986-990
  20. Gregory, J.M., P. Huybrechts, and S.C.B. Raper (2004): Threatened loss of the Greenland ice-sheet. Nature 428, 616
  21. Robinson, A., Calov, R., Ganopolski, A. (2012): Multistability and critical thresholds of the Greenland ice sheet. Nature Climate Change, doi:10.1038/nclimate1449
  22. Plach, A., Nisancioglu, K. H., Langebroek, P. M., Born, A., and Le clec'h, S. (2019): Eemian Greenland ice sheet simulated with a higher-order model shows strong sensitivity to surface mass balance forcing, The Cryosphere, 13, 2133–2148, https://doi.org/10.5194/tc-13-2133-2019
  23. Plach, A., Nisancioglu, K. H., Le clec'h, S., Born, A., Langebroek, P. M., Guo, C., Imhof, M., and Stocker, T. F. (2018): Eemian Greenland SMB strongly sensitive to model choice, Clim. Past, 14, 1463–1485, https://doi.org/10.5194/cp-14-1463-2018
  24. IPCC (2013): Climate Change 2013, Working Group I: The Science of Climate Change, 5.6.1
  25. 25,0 25,1 Dolan, A. M., Hunter, S. J., Hill, D. J., et al. (2015): Using results from the PlioMIP ensemble to investigate the Greenland Ice Sheet during the mid-Pliocene Warm Period, Clim. Past, 11, 403–424, https://doi.org/10.5194/cp-11-403-2015

Literatur

  • Mayer, C. & H.Oerter (2006): Die Massenbilanzen des grönländischen und antarktischen Inlandeises und der Charakter ihrer Veränderungen, in: José L. Lozán / Hartmut Graßl / Hans-W. Hubberten / Peter Hupfer / Ludwig Karbe / Dieter Piepenburg (Hrsg.): Warnsignale aus den Polarregionen. Wissenschaftliche Auswertungen, Hamburg, 92-96); Online-Version


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