Grönländischer Eisschild

Aus Klimawandel
Abb. 1: Gletscherzunge der Auslassgletscher Karal und Knut Rasmussen an der Ostküste Grönlands
Abb. 2: Eisverlust nach GRACE-Messungen in cm Wasseräquivalent pro Jahr

Der Grönländische Eisschild ist nach dem Antarktischen Eisschild der zweite heute noch existierende Eisschild auf der Erde. Seine Fläche beträgt 1,71 Mio km2. Sein Volumen von 2,93 x 106 km3 würde nach neueren Berechnungen bei einem vollständigen Abschmelzen den globalen Meeresspiegel um 7,42 m ansteigen lassen[1] (die Antarktis um 58,3 m).

Anders als bei der Antarktis ist das aufgrund der geographischen Lage um 10-15 °C wärmere Klima Grönlands eher fremdbestimmt und wird stark durch die nordamerikanische und eurasische Landmasse und vor allem den Nordatlantik beeinflusst. Einerseits sind daher die Niederschläge deutlich höher als über der Antarktis, andererseits gibt es im Sommer umfangreiche Schmelzvorgänge an der Oberfläche, die sich über nahezu die Hälfte des Eisschildes erstrecken können und deren Wasser größtenteils ins Meer abfließt. Ein anderer Teil des Eises geht auch durch Kalben und Gletscherabflüsse ins Meer verloren. Während der antarktische Eisschild mit Ausnahme einiger Randgebiete der Westantarktis nur sehr verzögert auf Klimaänderungen reagiert, zeigt der Eisschild auf Grönland deutlich stärker die Folgen des aktuellen Klimawandels.

Abb. 3a: Oberflächen-Massenbilanz (SMB=Surface Mass Balance) in Gt/Jahr (blau), Eisabfluss (D=Discharge) in Gt/Jahr (rot) und gesamte Massenbilanz (SMB-D) in Gt/Jahr (lila).
Abb. 3b: Die Abbildungen zeigen die Veränderung des Eisabflusses (links) und der Eismasse (rechts) des Grönländischen Eisschilds im Zeitraum 1972-2018. Links: Rote Farben zeigen eine Zunahme des Eisabflusses, blau eine Abnahme des Eisabflusses in % des Volumens an. Die Größe der Kreise zeigt die Veränderung pro Jahr in Gt. Rechts: Rote Farben zeigen eine Abnahme der Eismasse, blau eine Zunahme an. Die Größe der Kreise zeigt die Veränderung der Massenbilnz in Gt seit 1972. Grönland ist hier in sieben Regionen eingeteilt: SW=Südwesten, CW=Zentralwesten, NW=Nordwesten, NO=Norden, NE=Nordosten, CE=Zentralosten und SE=Südosten.

Aktuelle Veränderungen

Eine in jüngster Zeit angewandte Art, die Massenbilanz eines Eisschildes zu bestimmen, ist die geodätische Methode, bei der die Höhenänderungen der Eisoberfläche über einen bestimmten Zeitraum bestimmt werden. Dazu werden die Oberflächenhöhen durch Satellitenmessungen erfasst. Die Satellitendaten müssen jedoch durch Bodenmessungen überprüft und bei Bedarf korrigiert werden, da die Eisoberfläche sich auch durch Dichteschwankungen im Firneis oder durch isostatische Bewegungen des Untergrundes verändern kann. Ein Problem bei diesen Messungen sind u.a. die kurzen Zeitreihen, da Satellitenmessungen nicht weit zurückreichen.

Eine weitere Methode ebenfalls durch Satelliten sind Schwerefeldmessungen, die seit 2002 in dem deutsch-amerikanische Projekt GRACE[2] durchgeführt werden und Veränderungen der Eismasse bestimmen. 2018 wurde das Projekt durch GRACE-Follow-On ersetzt.[3] Abb.2 stellt den Eisverlust des Grönlandeisschildes zwischen 2003 und 2012 durch Messungen von Schwereanomalien auf der Erde durch Satelliten des GRACE-Projekts in cm Wasseräquivalent pro Jahr dar. Die Daten zeigen starke Verluste von bis zu 10 cm jährlich vor allem im Süden und Westen der Insel.[4] Im Landesinnern im Nordosten herrscht eine nahezu ausgeglichene Massenbilanz aufgrund von höherem Schneefall im Vergleich zum Abschmelzen. Eine positive Massenbilanz wie noch in den 1990er Jahren ist auf der ganzen Insel nicht zu erkennen. Die Messungen zeigen u.a., dass sich der Massenverlust des Eisschildes auf Grönland von 137 Gt/Jahr im Zeitraum 2002-2003 auf 286 Gt/Jahr im Zeitraum 2007-2009 mehr als verdoppelt hat.[5]

Die Eisschmelze im Jahr 2012 übertraf dann aber alle früheren Rekorde der Satellitenära. Im Juli 2012 kam es auf Grönland zu einem extremen Schmelzereignis, wie es nur alle 150 Jahre auftritt. Satellitenbeobachtungen zeigten am 12. Juli 2012, dass auf 98,6 % der 1,71 Mio km2 großen Fläche Grönlands das Eis schmolz. Normal wären zu dieser Zeit Schmelzvorgänge auf 40-50 % der Fläche.[6] Sogar auf den höchsten Teilen des Eisschildes in ca. 3000 m Höhe schmolz der Schnee des letzten Winters. Die Eisschmelze im Juli 2012 war durch ungewöhnlich warme Wetterverhältnisse bedingt. Die durch ein ausgedehntes Hochdruckgebiet verursachten hohen Temperaturen, die ca. 2 °C über dem Mittel von 1981-2010 lagen, hielten den ganzen Sommer über bis zum September an. Insgesamt gab es im Jahr 2012 in geringen Höhenlagen entlang der Südwestküste mehr als 120 Schmelztage und mehr als 100 Schmelztage weit im Norden und an der Südostküste.[7]

Gemittelt über die Satellitenära 1992-2018 hat der Grönländische Eisschild -148 Gt/Jahr an Eismasse verloren. Im neuen Jahrhundert (2003-2016) steigerte sich dieser Wert auf -255 Gt/Jahr. 2017 und 2018 ging der Verlust allerdings auf ca. -100 Gt/Jahr zurück. 2019 zeigte jedoch mit -532 Gt/Jahr einen Rekordverlust an Eismasse, der auch den des bisherigen Rekordjahres 2012 (464 Gt/Jahr) noch übertraf. In beiden Jahren waren die jeweiligen Eisverluste durch Schmelzwasserabfluss und Eisabfluss etwa gleich groß. 2019 fiel jedoch ca. 100 Gt weniger Schnee. Im Zeitraum zwischen 1949 und 2019 lagen die fünf Jahre mit den höchsten Massenverlusten des Grönländischen Eisschildes alle im letzten Jahrzehnt; der Rangfolge nach waren es 2019, 2012, 2010, 2011 und 2016. Der Beitrag zum Meeresspiegelanstieg durch den Eisverlust Grönlands betrug im 20. Jahrhundert (1900-1983) lediglich 0,21 mm/Jahr. Zwischen 2005 und 2017 erhöhte er sich jedoch auf 0,76 mm/Jahr (von 3,5 mm/Jahr insgesamt) und war damit etwa gleich groß wie der aller Gletscher auf der Erde zusammen.[8]

Nach einer Untersuchung aus dem Jahr 2019[9] hat Grönland zwischen 1972 und 2018 fast 5000 Gt Eis verloren und damit den globalen Meeresspiegel um 13,7 mm ansteigen lassen (Abb. 3a). Von den sieben Regionen Grönlands (Abb. 3b) hat der Nordwesten mit 1578 Gt seit 1972 bzw. einem Beitrag zum Meeresspiegelanstieg von 4,4 mm den größten Nettoverlust an Eis aufzuweisen. Über den gesamten Zeitraum von 1972 bis 2018 wurde der grönländische Eisverlust mit 66 % eindeutig durch die Eisdynamik (den Eisabfluss über Auslassgletscher) dominiert, während die Oberflächen-Massenbilanz dazu nur mit 34 % beitrug. 2018 hatte Grönland zwar eine deutlich positive Oberflächen-Massenbilanz (die durch die Differenz von Schneefall und Abtauen an der Eisoberfläche gebildet wird) von 449 Gt zu verzeichnen, der Eisabfluss betrug jedoch 555 Gt und sorgte damit für einen Netto-Eisverlust von 105 Gt.

Ursachen

Die Ausdünnung des Eises in den tieferen Lagen ist weitgehend konsistent mit den ansteigenden Sommertemperaturen der letzten Jahre. Gerade in den Jahren nach 2009 kam es zu Wetterlagen, die das Abschmelzen des grönländischen Eises weiter beschleunigten. Die mit einer schwachen NAO verbundenen besonders kalten Winter 2009/10 und 1010/11 in Europa bedeutete vor allem für Westgrönland besonders warme Verhältnisse. Schon während der gesamten 2000er Jahre lag der NAO-Sommer-Index um 2,4 Standardabweichungen unter dem Mittel von 1970-1999. Dadurch strömte zunehmend warme Luft von Süden entlang des westlichen Eisschildes. Zugleich bewirkte Hochdruckwetter über Grönland einen klaren Himmel mit geringer Bewölkung und starker Einstrahlung. Hinzu kam ein geringer Schneefall.[10] Die Folge waren ungewöhnlich warme Temperaturen vor allem über Westgrönland. Vom Winter 2009/10 bis hin zum Sommer 2010 wurden in Westgrönland die höchsten Temperaturen seit Beginn der Messungen im Jahre 1873 gemessen. Vereinzelt lagen die Werte im Winter um 7 °C über dem Mittel der Jahre 1971-2000.[11]

Die zunehmend längere Schmelzsaison und die hohen Temperaturen trugen zum Abschmelzen der Schneedecke aus dem letzten Winter bei, so dass das nackte Eis zum Vorschein kam mit der Konsequenz einer starken Reduktion der Oberflächenalbedo. Hinzu kam, dass der sommerliche Schneefall deutlich unter dem Mittel lag.[12] Die mittlere Albedo des Eisschildes verringert sich im Jahresverlauf von 0,84 im April auf 0,71 Mitte Juli. 2010 lag die Albedo in der Schmelzsaison um mehr als 2 Standardabweichungen unter dem Mittel von 2000-2011. Noch niedriger war sie im Juni und Juli 2011. Insgesamt sank die Albedo von 0,72 in 2000 auf 0,63 in 2011. Dadurch dehnten sich die Flächen von nacktem Eis zunehmend aus, wodurch die Albedo reduziert wurde. Die Folge war ein positiver Rückkopplungseffekt, da die dunkleren Eisflächen mehr Strahlung absorbierten, wodurch die Eisschmelze weiter angetrieben und die dunkleren Eisflächen sich noch mehr ausbreiteten. Über den Schmelzgebieten hat die positive Eis-Albedo-Rückkopplung in den Jahren 2010 und 2011 mehr als die Hälfte der Zunahme der Eisschmelze bewirkt.[10]

Neben Abschmelzprozessen spielen dynamische Veränderungen des Eisabflusses eine wichtige Rolle. Von dem Eisverlust von 60 km3 (Kubikkilometer) pro Jahr Mitte der 1990er Jahre waren etwa 24 km3 dynamisch bedingt; um das Jahr 2000 gingen von den 80 km3 Eisverlust pro Jahr bereits 34 km3 auf das Konto des verstärkten Eisabflusses. Davon wurden allein 10 km3 pro Jahr durch die Abflussveränderungen eines einzigen Gletschers, des Jakobshavn Isbrae an der Westküste, verursacht, dessen Abflussgeschwindigkeit sich in wenigen Jahren (1997-2002) von 7 auf 12 Kubikkilometer pro Jahr erhöhte.[13] In den letzten Jahren sind zwei Gletscher an der Ostküste mit ähnlichem Verhalten hinzugekommen, der Kangerdlugssuaq und der Helheim-Gletscher.[14]

Abb. 4: Rückzug des Jakobshavn Isbrae 1851-2010 an der Westküste Grönlands

Die unmittelbaren Ursachen für die stärkere Dynamik der Eisströme sind vielfältig und noch keineswegs ganz verstanden. Mit hoher Wahrscheinlichkeit liegen ihnen aber die höheren Luft- und Wassertemperaturen seit Mitte der 1990er Jahre zugrunde. Entgegen dem globalen Trend erlebte Grönland eine Abkühlung von den 1930ern bis zur Mitte der 1990er Jahre, seitdem aber einen deutlichen Temperaturanstieg, der allerdings die außergewöhnliche Erwärmung der 1930er Jahre noch nicht erreicht hat. In jedem Fall zeigen die Beobachtungen der letzten 10 Jahre aber, dass ein relativ mäßiger Temperaturanstieg von ca. 1 °C erhebliche Folgen für die Massenbilanz des Eisschildes haben kann.[15]

Eine wichtige Folge der Erwärmung ist das Abschmelzen und Zerbrechen des vorgelagerten Eisschelfs, das zur Instabilität der an der Küste mündenden Auslassgletscher führt. Eine ähnliche Folge ist die Destabilisierung von Gletscherzungen, die direkt ins Meer münden. Wahrscheinlich sind diese Prozesse hauptsächlich angetrieben durch wärmeres Ozeanwasser, das bis zur Aufsetzlinie unterhalb der schwimmenden Gletscherzunge vordringt und dort zu Abschmelzprozessen führt und die Aufsetzlinie, wie in Abb.4 gezeigt, immer weiter zurückverlegt.[16] Berechnungen an einzelnen Gletschern haben gezeigt, dass die submarinen Abschmelzprozesse wesentlich größer sind als die Eisschmelze an der Oberfläche. Bei einer Erwärmung des Ozeanwassers von 3 °C ist damit zu rechnen, dass einige hundert Meter der ins Meer mündenden Eiszungen pro Jahr abgeschmolzen werden. Auch das Kalben von Eis wird durch submarines Abschmelzen höchstwahrscheinlich stark beschleunigt.[17]

Ein weiterer Antrieb liegt in dem zunehmenden Eindringen von Schmelzwasser in Eisspalten bis auf den Grund, wo es unter dem Eis eine Art Schmierfilm bilden und damit die Abflussgeschwindigkeit der Gletscher beschleunigen kann. Die beobachtete Beschleunigung der Gletscherströme sind allerdings noch zu jung und die Datenreihen zu kurz, um mit Sicherheit zu entscheiden, ob es sich um eine kurzfristige Schwankung oder einen längeren Trend handelt.[18] Untersuchungen zum jahreszeitlichen Verhalten der Schmelzprozesse lassen allerdings vermuten, dass in einem wärmeren Klima das Wasser noch weiter im Inland unter den Eisschild gelangt und die Bewegung der Eismassen beschleuinigen könnte.[19]

Abb. 5: Eisbedeckung auf Grönlnd, gegenwärtig (2008) und im Jahr 3000 nach den Szenarien RCP2.6, RCP4.5 und RCP8.5. Blau-Weißfärbung: Wahrscheinlichkeiten der Abschätzung für die Eisbedeckung unter 16, um 50 und über 84 %. Z.B. nach dem Szenario RCP8.5 gibt es nur noch eine weniger als 16%-Wahrscheinlichkeit für eine Eisbedeckung im nordöstlichen Grönland.

Projektionen

Das Abschmelzen von Eis und die globalen Folgen gehören zu den ‚großen wissenschaftlichen Herausforderungen‘ des Weltklimaforschungsprogramms.[20] In den neuen Erdsystemmodellen für den 6. Sachstandsbericht des Weltklimarats IPCC, der ab 2021 erschienen ist, werden daher auch dynamische Eisschildmodelle einbezogen. Im Mittelpunkt stehen dabei die komplexen Feedbackprozesse zwischen Eisschild und Atmosphäre und Eisschild und Ozean. Heutige Eisschildmodelle erfassen einigermaßen gut die Oberflächenmassenbilanz, also den Prozess von Schneefall und Abschmelzen an der Oberfläche des Eisschilds in Wechselwirkung mit atmosphärischen Prozessen. Ein schwieriges Problem bleibt jedoch weiterhin die Simulation der komplexen Wechselwirkungen zwischen dem Ozean und den im Meer mündenden Auslassgletschern. Hier sind zum einen die physikalischen Prozesse beim Kalben nicht vollständig verstanden und zum anderen müssten die Modelle noch höher aufgelöst gerechnet werden, um diese Prozesse adäquat abzubilden. Ein verbessertes Verständnis bedarf es auch bei den ozeanischen Prozessen, die den Transport von warmem Wasser vom offenen Ozean bis in die Fjorde und an die Gletscherfronten bestimmen und damit entscheidend zum Abtauen der Auslassgletscher beitragen.[21]

Die seit dem 5. Sachstandsbericht des IPCC gerechneten Modelle stimmen darin überein, dass der Eisverlust Grönlands im 21. Jahrhundert unabhängig von den Szenarien stärker durch das oberflächliche Abschmelzen als durch die Eisdynamik bestimmt sein wird. Auf der Grundlage dieser Modellstudien wird nicht erwartet, dass der Grönländische Eisschild in einem RCP8.5-Szenario mehr als 20 cm zum globalen Meeresspielanstieg im 21. Jahrhundert beitragen wird.[22] Nach jüngsten Projektionen mit einem Ensemble von Modellen für den 6. IPCC-Bericht wird der Grönländische Eisschild bis 2100 bei dem hohen Szenario RCP8.5 etwa 10 cm und bei dem niedrigen Szenario RCP2.6 ca. 3 cm zum globalen Meeresspiegelanstieg beitragen. Dabei zeigen sich nach Simulationen mit dem Szenario RCP8.5 über den Zeitraum 2015-2100 am Rande des Eisschildes starke Dickenabnahmen durch zunehmenden Schmelzwasserabfluss und den Rückzug der ins Meer mündenden Gletscher. An den äußeren, direkt ans Meer grenzenden Rändern ist die Höhenabnahme am größten und beträgt mehrere hundert Meter, während der Eisschild im Innern durch Schneeakkumulation um bis zu 10 m an Mächtigkeit gewinnt.[21]

Eine Untersuchung über den Eisverlust Grönlands über die nächsten 1000 Jahre kommt schon für das 21. Jahrhundert zu etwas abweichenden Ergebnissen.[23] Bis 2100 könnte Grönland hiernach je nach Szenario 5-33 cm zum globalen Meeresspiegelanstieg beitragen und wird nach dem hohen RCP8.5-Szenario in Tausend Jahren sehr wahrscheinlich eisfrei sein (Abb. 5). Grönlands Beitrag zum Meeresspiegelanstieg über die nächsten 1000 Jahre würde bei 5-7 m liegen. Im 21. Jahrhundert wird hiernach der Massenverlust des Eisschildes etwa zu gleichen Teilen durch Schmelzwasserabfluss und Eisdynamik (Kalben und frontales Abschmelzen) bedingt sein. Bei dem Szenario RCP8.5 wird die Eisdynamik dann immer wichtiger und die Schlüsselkomponente über die nächsten Jahrhunderte darstellen.

Abb. 6: Grönländischer Eisschild im Eem nach zwei Modellsimualtionen. Die Zahlen unten rechts beziehen sich auf die geologische Zeit in Tausend Jahren.

Grönland in der geologischen Vergangenheit

Interessant sind in diesem Zusammenhang auch Studien über die Verhältnisse in früheren Warmzeiten, die ähnliche Klimaverhältnisse aufweisen, wie sie durch den anthropogenen Klimawandel für das 21. Jahrhundert und später erwartet werden. Der Gegenwart am nächsten liegt dabei das Eem, die Warmzeit vor der letzten Eiszeit, die von 129 000 bis 116 000 Jahre vh. dauerte. Die globalen Temperaturen waren ca. 0,5-1,0 °C höher als heute.[24] Über große Teile der Arktischen Landgebiete war es in dieser Zeit 4-5 °C wärmer, im Norden Grönlands sogar bis zu 8 °C. Die Eisdicke auf Grönland wurde im frühen Eem auf 130 m niedriger als heute geschätzt, der Meeresspiegel auf 6-9 m höher,[24] woran die Antarktis große Anteile hatte. Die Ergebnisse von Modellrechnungen zum Anteil Grönlands liegen mit 0,4-5,6 m weit auseinander. Ebenso zeigen die Modelle große Unterschiede bei der Ausdehnung des Grönländischen Eisschildes (ABB. 6).[25][26]

Ähnlich wird auch die warme Periode des mittleren Pliozäns (3,3-3,0 Mio. Jahre vh.) als Vergleich herangezogen.[27] Die Temperaturen waren 2-4 °C höher als vor der Industrialisierung und die CO2-Konzentration lag bei 300-450 ppm.[24] Nach dem 5. Sachstandsbericht des Weltklimarates IPCC lag der globale Meeresspiegel wahrscheinlich um ca. 14 m, jedoch nicht mehr als 20 m höher als gegenwärtig.[27] Modellsimulationen des Grönländischen Eischilds zeigen ein breites Spektrum von fast heutiger Ausdehnung bis zu einem eisfreien Grönland. Mittelwerte über alle Modelle ergeben einen stark reduzierten Eisschild, der sich über den Nordosten der Insel ausbreitet, verbunden mit einem Meeresspiegelanstieg nur durch den Beitrag des Grönländischen Eises von ca. 2,2-4,4 m.[28]

Einzelnachweise

  1. Morlighem, M., C.N. Williams, E. Rignot et al. (2017). BedMachine v3: Complete bed topography and ocean bathymetry mapping of Greenland from multibeam echo sounding combined with mass conservation. Geophysical Research Letters, 44(21), 11051–11061
  2. GRACE steht für Gravity Recovery And Climate Experiment; vgl. Die Infoseite bei der Deutschen Luft- und Raumfahrtgesellschaft DLR
  3. DLR: GRACE-Follow-On
  4. IPCC (2013): Climate Change 2013, Working Group I: The Science of Climate Change, 4.4.2
  5. Velicogna, I. (2009): Increasing rates of ice mass loss from the Greenland and Antarctic ice sheets revealed by GRACE, Geophysical Research Letters, VOL. 36, L19503, doi:10.1029/2009GL040222
  6. Nghiem, S.V., et al. (2012): The extrem melt across the Greenland ice sheet in 2012, Geophysical Research Letters 39, doi:10.1029/2012GL053611
  7. National Snow and Ice Data Center (2012): An intense Greenland melt season: 2012 in review
  8. Sasgen, I., Wouters, B., Gardner, A.S. et al. (2020): Return to rapid ice loss in Greenland and record loss in 2019 detected by the GRACE-FO satellites. Commun Earth Environ 1, 8. https://doi.org/10.1038/s43247-020-0010-1
  9. Jérémie Mouginot, Eric Rignot, Anders A. Bjørk, Michiel van den Broeke, Romain Millan, Mathieu Morlighem, Brice Noël, Bernd Scheuchl, and Michael Wood (2019): Forty-six years of Greenland Ice Sheet mass balance from 1972 to 2018, PNAS, https://doi.org/10.1073/pnas.1904242116
  10. 10,0 10,1 Box, J.E., et al. (2012): Greenland ice sheet albedo feedback: thermodynamics and atmospheric drivers, The Cryosphere, 6, 821–839
  11. Blunden, J., D.S. Arndt, and M. O. Baringer, Eds. (2011): State of the Climate in 2010. Bulletin of the American Meteorological Society, 92 (6), S1–S266
  12. Tedesco, M., et al. (2011): The role of albedo and accumulation in the 2010 melting record in Greenland, Environmental Research Letters 6, doi:10.1088/1748-9326/6/1/014005
  13. Krabill, W., Hanna, E.; Huybrechts, P., Abdalati, W., Cappelen, J., Csatho, B., Frederick, E., Manizade, S., Martin, C., Sonntag, J., Swift, R., Thomas, R., Yungel, J. (2004): Greenland Ice Sheet: Increased coastal thinning, Geophys. Res. Lett., Vol. 31, No. 24, L24402 10.1029/2004GL021533
  14. Luckman, A., T. Murray, R. de Lange, E. Hanna (2006): Rapid and synchronous ice-dynamic changes in East Greenland, Geophys. Res. Lett., Vol. 33, No. 3, L03503, doi:10.1029/2005GL025428
  15. Joughin, I. (2006): Greenland Rumbles Louder as Glaciers Accelerate, Science 311, 1719-1720
  16. Bindschadler, R. (2006): Hitting the Ice Sheets Where It Hurts, Science 311, 1720-1721
  17. Rignot, E., et al. (2010): Rapid submarine melting of the calving faces of West Greenlands glaciers, Nature geoscience 3, 187-191
  18. Alley, R., P.U. Clark, P. Huybrechts and I. Joughin (2005): Ice-sheets and sea-level changes, Science 310, 456-460
  19. Bartholomew, I., et al.(2010): Seasonal evolution of subglacial drainage and acceleration in a Greenland outlet glacier, Nature Geoscience 3, 408–411
  20. WCRP Grand Challenges
  21. 21,0 21,1 Goelzer, H., Nowicki, S., Payne, A., et al. (2020): The future sea-level contribution of the Greenland ice sheet: a multi-model ensemble study of ISMIP6, The Cryosphere Discuss., https://doi.org/10.5194/tc-2019-319
  22. Oppenheimer, M., B.C. Glavovic , J. Hinkel et al. (2019): Sea Level Rise and Implications for Low-Lying Islands, Coasts and Communities. In: IPCC Special Report on the Ocean and Cryosphere in a Changing Climate, 4.2.3.1
  23. Aschwanden, A., M.A. Fahnestock, M. Truffer, D.J. Brinkerhoff, R. Hock, C. Khroulev, R. Mottram, S.A. Khan (2019): Contribution of the Greenland Ice Sheet to sea level over the next millennium, Science Advances 5 (6), DOI: 10.1126/sciadv.aav9396
  24. 24,0 24,1 24,2 Oppenheimer, M., B.C. Glavovic , J. Hinkel et al. (2019): Sea Level Rise and Implications for Low-Lying Islands, Coasts and Communities. In: IPCC Special Report on the Ocean and Cryosphere in a Changing Climate, 4.2.2.
  25. Plach, A., Nisancioglu, K. H., Langebroek, P. M., Born, A., and Le clec'h, S. (2019): Eemian Greenland ice sheet simulated with a higher-order model shows strong sensitivity to surface mass balance forcing, The Cryosphere, 13, 2133–2148, https://doi.org/10.5194/tc-13-2133-2019
  26. Plach, A., Nisancioglu, K. H., Le clec'h, S., Born, A., Langebroek, P. M., Guo, C., Imhof, M., and Stocker, T. F. (2018): Eemian Greenland SMB strongly sensitive to model choice, Clim. Past, 14, 1463–1485, https://doi.org/10.5194/cp-14-1463-2018
  27. 27,0 27,1 IPCC (2013): Climate Change 2013, Working Group I: The Science of Climate Change, 5.6.1
  28. Dolan, A. M., Hunter, S. J., Hill, D. J., et al. (2015): Using results from the PlioMIP ensemble to investigate the Greenland Ice Sheet during the mid-Pliocene Warm Period, Clim. Past, 11, 403–424, https://doi.org/10.5194/cp-11-403-2015

Literatur

  • Wilhelms, F. (2015): Geschichtliche und aktuelle Veränderungen des Grönländischen Eisschildes. In: Lozán, J. L., H. Grassl, D. Kasang, D. Notz & H. Escher-Vetter (Hrsg.). Warnsignal Klima: Das Eis der Erde. pp.224-230
  • Mayer, C. & H.Oerter (2006): Die Massenbilanzen des grönländischen und antarktischen Inlandeises und der Charakter ihrer Veränderungen, in: José L. Lozán / Hartmut Graßl / Hans-W. Hubberten / Peter Hupfer / Ludwig Karbe / Dieter Piepenburg (Hrsg.): Warnsignale aus den Polarregionen. Wissenschaftliche Auswertungen, Hamburg, 92-96); Online-Version


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