Eisschilde
Zusammen mit Gletschern, Schnee, Permafrost und Meereis gehören die Eisschilde zur Kryosphäre, einem wesentlichen Bestandteil des Klimasystems. In Eisschilden liegen etwa 99 % des gesamten Eisvolumens der Erde vor.[1] Eisschilde stehen in Wechselwirkungen mit der Atmosphäre und dem Ozean. Die hohe Albedo beeinflusst die Temperatur. Das Abschmelzen von Eis wirkt auf die Ozeanzirkulation und hat Einfluss auf den Meeresspielgel. So hat der Eisverlust der großen Eisschilde des Eiszeitalters im Übergang von der letzten Kaltzeit zur gegenwärtigen Warmzeit den Meeresspiegel um über 100 m ansteigen lassen. Eisschilde werden möglicherweise auch den wichtigsten Beitrag für den Meeresspiegelanstieg der Zukunft liefern.
Eisschilde und Klima
Im gegenwärtigen Klima gibt es auf der Erde nur die beiden Eisschilde auf Grönland und der Antarktis. Während der letzten Kaltzeit lagen auch über große Teile Nordamerikas und Eurasiens mächtige Inlandeismassen, und das Eisvolumen während des letzten glazialen Maximums um 21000 Jahre vh. war mehr als doppelt so groß wie heute. Die großen Eisschilde der Gegenwart bilden zusammen ein Volumen von 27,6 Millionen km3 Eis,[2] in denen eine so große Wassermenge gebunden ist, dass beim vollständigen Abtauen der globale Meeresspiegel um etwa 65,66 m steigen würde.[3] Ihre Masse wird durch Schneefall gebildet (Akkumulation) und durch Schmelzen an der Oberfläche und an der Unterseite sowie den Abfluss Richtung Meer und das Kalben ins Meer wieder abgebaut (Ablation). Eisschilde reagieren auf klimatische Veränderungen in Zeiträumen von bis zu zehntausend Jahren. Gegenwärtige Prozesse können daher sowohl Folgen aktueller Klimaänderungen als auch Langzeitwirkungen des nacheiszeitlichen Klimawandels sein.
In den 20 Jahren zwischen 1992 und 2011 betrug der gesamte Massenverlust beider Eisschilde 4260 Gt, was einem Meeresspiegelanstieg von 11,7 mm entspricht. Die Veränderungsrate ist in diesem Zeitraum jedoch deutlich angestiegen. So betrug der Eisverlust in Grönland 1992-2001 lediglich 34 Gt pro Jahr, in den folgenden zehn Jahren 2002-2011 jedoch mit 215 Gt/Jahr schon das Sechsfache. Nicht ganz so stark, aber auch deutlich nahm die Verlustrate in der Antarktis von 30 Gt/Jahr in 1992-2001 auf 147 Gt/Jahr in 2002-2011 zu.[4]
Neuere Berechnungen auf der Basis von Höhen-Daten der Cryosat-2-Mission[5] der Europäischen Weltraumorganisation ESA haben gezeigt, dass sich der Massenverlust beider Eisschilde im Vergleich zu früheren Messungen deutlich verstärkt hat.[6] Während in der Periode 2003-2009 Grönland und die Antarktis zusammengenommen 207 km3 Masse pro Jahr verloren hatten, war der Massenverlust 2011-2014 mit 503 km3 jährlich mehr als doppelt so groß. Dabei gingen mit 375 km3 etwa 75 % auf das Konto von Grönland.
Messmethoden
Zur Bestimmung der Veränderung der Eisschilde werden verschiedene Methoden angewandt. Zum einen wird versucht, die Massenbilanz der Eisschilde durch Messungen vor Ort und durch Satelliten zu bestimmen. Eine weitere Methode ist die Höhenmessung der Eisoberfläche durch Satelliten und eine dritte sind die Schwerefeldmessungen ebenfalls durch Satelliten.[7][1]
Messungen vor Ort versuchen einerseits den Massengewinn durch Schneefall im Akkumulationsgebiet zu bestimmen. Andererseits muss die Abnahme von Eis durch Schmelzen an der Oberfläche, subglaziales Schmelzen und Kalben gegengerechnet weerden. Dazu dienen u.a. Messungen der Abflussgeschwindigkeit und Eisdicke an der sogenannten Aufsetzlinie, an der der Eiskörper in schwimmende Gletscher oder Schelfeis übergeht. Unterstützt werden siese Messungen durch Satellitenradar. Da die Messungen vor Ort nur punktuell erfolgen, muss auf den ganzen Eiskörper hochgerechnet werden, wodurch nicht geringe Unischerheiten entstehen.
Die Veränderung der Höhe der Eisschildoberfläche wird durch mehrfache Messungen des Abstands zwischen dem Satelliten und dem Eisschild mit Radar oder Laser bestimmt. Durch Änderungen der Höhe kann auf Volumen- und Massenänderungen geschlossen werden. Ungenauigkeiten entstehen dadurch, dass z.B. Radarsignale je nach Beschaffenheit der Oberfläche mehr oder weniger tief in diese eindringen. Bei der Höhenmessung mit Laserstrahlen, die von der NASA seit 2003 durchgeführt werden, ist dieser Effekt zu vernachlässigen. Allerdings können Wolken die Messungen stören. Außerdem erfassen die Satelliten über der Antarktis noch nicht die unmittelbare Umgebung um den Südpol.
Seit 2002 werden in dem Projekt GRACE[8] Schwerefeldmessungen der Erde durchgeführt, durch die die Eismasse bestimmt werden kann. Die Messungen sind im letzten Jahrzehnt zunehmend besser geworden und zeigen größere Übereinstimmungen mit den Beobachtungen vor Ort als noch beim IPCC-Bericht 2007.
Antarktischer Eisschild
- Hauptartikel Antarktischer Eisschild
Der antarktische Eisschild ruht auf einer kontinentalen Landmasse nahezu konzentrisch um den Südpol. Die klimatischen Verhältnisse über der Antarktis und dem umgebenden Ozean werden im wesentlichen durch den Eisschild selber bestimmt. Durch die kalten Bedingungen des antarktischen Klimas kommt es nur zu geringen Abschmelzvorgängen an der Eisoberfläche. Eisverluste geschehen primär durch das Kalben von Tafeleisbergen an der Schelfeisgrenze ins Meer, das durch Eisströme aus dem Innern angetrieben wird, und durch das Abschmelzen von Schelfeis an der Unterseite. Bis vor kurzem wurde angenommen, dass sich Eisströme grundsätzlich nur sehr langsam bewegen und ihre Geschwindigkeit nicht schnell ändern können. Neuere Beobachtungen haben gezeigt, dass die Geschwindigkeit der Eisströme sich verhältnismäßig schnell ändern kann, z.B. wenn das Schelfeis, in das sie münden, instabil wird.
Grönländischer Eisschild
- Hauptartikel Grönländischer Eisschild
Gegenüber der Antarktis ist das aufgrund der geographischen Lage um 10-15 oC wärmere Klima Grönlands eher fremdbestimmt und wird stark durch die nordamerikanische und eurasische Landmasse und vor allem den Nordatlantik beeinflusst. Einerseits sind daher die Niederschläge deutlich höher als über der Antarktis, andererseits gibt es im Sommer umfangreiche Schmelzvorgänge an der Oberfläche, die sich über nahezu die Hälfte des Eisschildes erstrecken und deren Wasser größtenteils ins Meer abfließt. Ein anderer Teil des Eises geht auch hier durch das Kalben ins Meer verloren. Während der antarktische Eisschild mit Ausnahme einiger Randgebiete wie der Westantarktischen Halbinsel nur sehr verzögert auf Klimaänderungen reagiert, zeigt der Eisschild auf Grönland deutlich stärker die Folgen des aktuellen Klimawandels.
Einzelnachweise
- ↑ 1,0 1,1 Mayer, C., & H. Oerter (2014): Die Massenbilanzen des antarktischen und grönländischen Inlandeises und der Chrakter ihrer Veränderungen. In: Lozán, J.L., et al.; Hrsg. (2014): Warnsignal Klima: Die Polarregionen, Hamburg, 115-120
- ↑ IPCC (2007): Climate Change 2007, Working Group I: The Science of Climate Change, Table 4.1
- ↑ IPCC (2013): Climate Change 2013, Working Group I: The Science of Climate Change, Table 4.1
- ↑ IPCC (2013): Climate Change 2013, Working Group I: The Science of Climate Change, 4.4.3
- ↑ Wikipedia: CryoSat-2
- ↑ V. Helm, A. Humbert, and H. Miller (2014): Elevation and elevation change of Greenland and Antarctica derived from CryoSat-2, The Cryosphere, 8, 1539–1559
- ↑ IPCC (2013): Climate Change 2013, Working Group I: The Science of Climate Change, 4.4.2.1
- ↑ GRACE steht für Gravity Recovery And Climate Experiment; vgl. Die Infoseite bei der Deutschen Luft- und Raumfahrtgesellschaft DLR
Literatur
- J.L. Lozán, H. Graßl, D. Notz und D. Piepenburg (Hrsg.): Warnsignal Klima: Die Polarregionen, Wissenschaftliche Auswertungen, Hamburg 2014
- J.L. Lozán, H. Graßl, H.-W. Hubberten, P. Hupfer / L. Karbe, D. Piepenburg (Hrsg.): Warnsignale aus den Polarregionen. Wissenschaftliche Auswertungen, Hamburg 2006
Weblinks
- Mayer/Oerter: Die Massenbilanzen des antarktischen und grönländischen Inlandeises und der Charakter ihrer Veränderung, in: Lozán u.a. (Hrsg.): Warnsignale aus den Polarregionen, Hamburg 2006, S. 92-96
Bildergalerie zum Thema
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