Holozän: Unterschied zwischen den Versionen

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== Überblick ==
Das Holozän ist die seit mehr als 11 000 Jahren andauernde warmzeitliche Epoche des [[Eiszeitalter]]s, der die letzte Kaltzeit (Würm- oder Weichselkaltzeit) voranging. Es umfasst damit auch die [[Klima der letzten 1000 Jahre|Klimaänderungen der letzten 1000 Jahre]] und das [[Klima im 20. Jahrhundert]].  
Das Holozän ist die seit mehr als 11 000 Jahren andauernde warmzeitliche Epoche des [[Eiszeitalter]]s, der die letzte Kaltzeit (Würm- oder Weichselkaltzeit) voranging. Es umfasst damit auch die [[Klima der letzten 1000 Jahre|Klimaänderungen der letzten 1000 Jahre]] und das [[Klima im 20. Jahrhundert]].  
== Das Wissen über die geologische Vergangenheit ==
Die Erforschung des Klimas im Holozän wird durch zwei Methoden bestimmt. Zum einen beruht sie auf sog. Proxydaten wie Pollen aus See- und Meeressedimenten, Eisbohrkernen, Höhlenablagerungen, Baumringen etc., die Hinweise auf vergangene Temperaturverhältnisse enthalten. Zum anderen werden [[Klimamodelle]] zur Rekonstruktion früherer Klimaverhältnisse benutzt.<ref name="Erb 2022">Erb, M.P., N.P. McKay, N. Steiger et al. (2022): [https://doi.org/10.5194/cp-18-2599-2022 Reconstructing Holocene temperatures in time and space using paleoclimate data assimilation], Clim. Past, 18, 2599–2629</ref>  Beide Methoden gelangen jedoch zu unterschiedlichen Ergebnissen. Proxydaten zeigen einen Höhepunkt der nacheiszeitlichen Erwärmung in der Mitte des Holozäns um 6.500 Jahre vh., mit einer nachfolgenden Abkühlung bis ins 19. Jahrhundert. Modellsimulationen zeigen dagegen mehrheitlich, dass sich die nacheiszeitliche Erwärmung auch in der zweiten Hälfte des Holozäns fortsetzt. Dieser Widerspruch wird gelegentlich als Temperatur-Rätsel des Holozäns bezeichnet.<ref name="Kaufman 2023">Kaufman, D.S., E. Broadman (2023): [https://doi.org/10.1038/s41586-022-05536-w Revisiting the Holocene global temperature conundrum]. Nature 614, 425–435</ref>  Proxydaten bieten nur ein unvollständiges Bild des vergangenen Klimas, da sie weder räumlich noch zeitlich vollständig vorliegen. In Verbindung mit Klimamodellen kann ein kontinuierlicheres Bild früherer klimatischer Verhältnisse entstehen.<ref name="Erb 2022"/>


Die Auswertung von 73 global verteilten (Proxy-)Datenserien<ref name="Marcott 2013">Marcott, S.A., J.D. Shakun, P.U. Clark, A.C. Mix (2013): A Reconstruction of Regional and Global Temperature for the Past 11,300 Years, Science 339, 1198-1201</ref> zeigen im globalen Mittel eine Erwärmung vom frühen Holozän (etwa 11300 v.h.) um 0,6 °C bis zu dem Temperaturplateau von 9500 bis 5500 v.h. Darauf folgte eine langfristige Abkühlung um -0,7 °C bis ins 19. Jahrhundert. Deutlich stärker als im globalen Mittel waren die Temperaturschwankungen in den Außertropen der Nordhalbkugel. Hier betrug die langfristige Abkühlung von 7000 v.h. bis ca. 100 v.h. ca. -2 °C. Der Grund für diesen Unterschied ist der hohe Anteil an Landmassen von etwa 50 % zwischen 30 °N und 90 °N gegenüber 25 % beiderseits des Äquators und 15 % zwischen 30 °S und 90 °S. Landmassen erwärmen sich und kühlen sich schneller und stärker ab als der Ozean.
[[Bild:Global temp Holocene +2000.jpg|thumb|520px|Abb. 1: Globale Mitteltemperatur nach verschiedenen Rekonstruktionsmethoden über die letzten 12.000 Jahre sowie über die letzten 2.000 Jahre in dem eingefügten Kästchen.]]
 
Daneben gab es aber noch kurzfristige und regionale Schwankungen, die den groben Verlauf der Temperatur im Holozän unterbrochen bzw. verstärkt haben. So kühlte sich der Nordatlantik-Raum um 8200 v.h. deutlich ab (s.u. Frühes Holozän). Und die langfristige Abkühlung der letzten ca. 5000 Jahre wurde unterbrochen durch die Mittelalterliche Warmzeit und verstärkt durch die Kleine Eiszeit (s. [[Klima der letzten 1000 Jahre]])
 
== Frühes Holozän ==
== Frühes Holozän ==
Am Ende der letzten [[Eiszeitalter|Eiszeit]] hat sich die globale Mitteltemperatur mit 1,2 °C zwischen 12.000 und 10.000 Jahren vh. relativ schnell erhöht. Nach 10.000 vh. setzte sich diese Erwärmung in geringerem Tempo bis ca. 6.400 vh. fort.<ref name="Erb 2022"/>  Nach einer neueren Auswertung von Proxydaten an ca. 700 Fundstellen sowohl auf dem Land als auch im Ozean zeichnet sich um 6.500 vh. eine Periode von 200 Jahren ab, die die höchste [[Globale Mitteltemperatur|globale Mitteltemperatur]] der letzten 12.000 Jahre der bisherigen Nacheiszeit vor Beginn der globalen Erwärmung im 20. Jahrhundert aufweist. Diese Periode war danach um 0,7 °C wärmer als die globale Mitteltemperatur im 19. Jahrhundert.<ref name="Kaufman 2023"/> 


Der Übergang von der Weichselkaltzeit kündigte sich bereits vor ca. 12 000 Jahren in der sogenannten Allerödzeit an, als die nordhemisphärischen Temperaturen zwar noch nicht die Durchschnittswerte des Holozäns erreichten, aber schon deutlich über denen der Kaltzeit lagen. Die Eisschilde gingen zunehmned zurück, was zu einem deutlichen Anstieg des Meeresspiegels führte. Die weitere Erwärmung wurde jedoch durch einen heftigen und rapiden Kälteeinbruch während der [[Abrupte_Klima%C3%A4nderungen|Jüngeren Dryaszeit]] vor rund 13 000 bis 11 500 Jahren unterbrochen. Die Temperatur sank zu Beginn dieser Periode im Nordatlantikraum in wenigen Jahrzehnten um mehrere Grad, und auch die Erwärmung am Ende dieser Phase war sehr abrupt und betrug in großen Teilen der nördlichen Hemisphere bis zu 10 °C in 50 Jahren.<ref>IPCC (2001): Climate Change 2001: The Scientific Basis. Contribution of the WorkinGroup I to the Third Assessment Report of the Intergovernmental Panel on Climate Change (Houghton, J.T. et al., eds), Cambridge and New York, 2.4.3</ref> Die Ursache für den plötzlichen Temperaturabfall lag nach heutiger Erkenntnis in einem Aussetzen oder einer deutlichen Schwächung der [[Meridionale Umwälzzirkulation (MOC)|Tiefenkonvektion im Nordatlantik]], die die am Ende der letzten Kaltzeit gerade wieder belebte Warmwasserheizung durch den [[Globales_Förderband#Nordatlantikstrom|Nordatlantikstrom]] abstellte. Als Grund für das Aufhören der Tiefenkonvektion wird eine plötzliche und gewaltige Schmelzwasserzufuhr über die Labradorsee in das Absinkgebiet der [[Globales Förderband|thermohalinen Zirkulation]] (THC) angenommen.
Auch eine Sichtung der neueren Literatur zum Mittleren Holozän durch den Weltklimarat [[IPCC]] kommt zu ähnlichen Ergebnissen. Es ist daher laut IPCC wahrscheinlicher als nicht, dass keine Jahrhundert-Periode seit dem Ende der letzten Eiszeit global wärmer war als das letzte Jahrzehnt (2011-2020), das um 1,1 °C über der vorindustriellen Zeit von 1850-1900 lag.<ref name="IPCC 20221">IPCC AR6, WGI (2021): Changing State of the Climate System, 2.3.1.1</ref>  Nimmt man als ‚letztes Jahrzehnt‘ die Jahre 2014 bis 2023, so ist der Abstand zur vorindustriellen Zeit, der in diesem Fall 1,19 °C beträgt, noch deutlicher.<ref name="Forster 2024">Forster, P. M., C.J. Smith, T. Walsh et al. (2024): Indicators of Global Climate Change 2023: Annual update of large-scale indicators of the state of the climate system and the human influence, Earth System Science Data 16, 2625–2658</ref> Nach dem neuesten Stand der Forschung war damit das sog. Optimum des Holozäns nicht wärmer als die [[Aktuelle Klimaänderungen|gegenwärtige Erwärmung des globalen Klimas]] durch den Menschen. Da davor eine rund 100.000 Jahre lange Eiszeit lag, kann die nächstliegende wärmere Epoche im Vergleich zur Gegenwart allenfalls in der letzten Warmzeit, dem [[Eiszeitalter|Eem]], vor ca. 120.000 Jahren gelegen haben, dessen wärmstes Jahrtausend auf 0,5-1,0 °C im Vergleich zur vorindustriellen Zeit geschätzt wird.<ref name="IPCC 20221"/>


Nach der Jüngeren Dryaszeit ging das Abschmelzen der Eismassen weiter. Der Fennoskandische Eisschild verschwand bereits bis 9000 Jahre v.h. Neben dem Antarktischen enthielt danach noch der Rest des Laurentischen Eisschild im Nordosten Nordamerikas eine beträchtliche Eismasse. Ähnlich wie bei dem Jüngeren Dryas-Ereignis sammelte sich ein Teil des Schmelzwassers in einem großen See auf dem nordamerikanischen Festland, dem Agassiz-See. Um 8200 v.h. brach der Laurentische Eisschild jedoch am Ausgang der heutigen Hudson-Bay in zwei Teile, so dass das Wasser des Agassiz-See über die Hudson-Bay in den Nordwest-Atlantik auslief. Die Folge war eine Abschwächung der Nordatlantischen Thermohalinen Zirkulation, wodurch weniger warmes Wasser in den Nordatlantik transportiert wurde. Dieses sog. 8200-Ereignis führte erneut zu einer spürbaren Abkühlung von ca. 3 °C im Nordatlantik-Raum.<ref name="Törnquist 2012">Törnquist, T.E., and M.P. Hijma (2012): Links between early Holocene ice-sheet decay, sea-level rise and abrupt climate change, Nature Geoscience 5, 601-606</ref>
== Mittleres Holozän ==
[[Bild:Holocene warming cooling.jpg|thumb|520px|Abb. 2: Änderung der globalen Mitteltemperatur in der ersten und zweiten Hälfte des Holozäns bzw. vor und nach 6000 vh. Die schwarzen Punkte markieren Fundstellen von Proxydaten. Referenzperiode: 3.000 – 5.000 Jahre vh. Bitte die unterschiedlichen Skalen in beiden Abb. beachten!]]
Auf die wärmste Phase im Holozän folgte ein langsamer Abkühlungstrend. Dieser betrug global -0,08 °C, auf der nördlichen Hemisphäre -0,1 °C und auf der Südhalbkugel -0,04 °C pro 1.000 Jahre.<ref name="Kaufman 2020">Kaufman, D., N. McKay, C. Routson, et al. (2020): [https://doi.org/10.1038/s41597-020-0530-7 Holocene global mean surface temperature, a multi-method reconstruction approach]. Scientific Data 7:201</ref>  Die kühlste Periode während der zweiten Hälfte des Holozäns war die sog. [[Kleine Eiszeit]] zwischen dem 15. und 19. Jahrhundert. Ein wichtiger Beleg für den Abkühlungstrend der letzten Jahrtausende ist das Vorrücken der Gletscher auf beiden Hemisphären seit dem 5. bis 3. Jahrtausend vh. bis ins 19. Jahrhundert. Ähnlich weist auch der [[Grönländischer Eisschild|Grönländische Eisschild]] während der Mitte des Holozäns weniger Eis als in den letzten Jahrhunderten auf.<ref name="Kaufman 2023"/>  


Im Präboreal um 8000 v.Chr. vollzog sich jedoch der endgültige Übergang zur Warmzeit. Die Sommer waren ähnlich warm wie heute, die Winter jedoch noch sehr kalt.
== Kalte Phasen im Holozän ==
Das Klima des Holozäns gilt insgesamt als eine sehr stabile Phase in der Erdgeschichte, die vielfach als positive Voraussetzung für die Entwicklung der menschlichen Hochkulturen gesehen wird. Dennoch gab es auch im Holozän verschiedene Warm- und Kaltphasen, die sich von dem allgemeinen Trend unterschieden. Ein besonderes Ereignis während des frühen Holozäns war die Abkühlung um 8.200 vh. Sie gilt als das größte und signifikanteste Klimaereignis der letzten 12.000 Jahre und war im nordatlantischen Raum konzentriert. Die Dauer dieser Abkühlungsphase wird auf 160 Jahre geschätzt. Grönländische Eisbohrkerne zeigen eine Abkühlung von über 2 °C, verschiedene Proxydaten aus Europa weisen auf eine Temperaturabsenkung von 1 bis 1,5 °C. Als wichtigste Ursache gilt ähnlich wie für das [[Abrupte_Klimaänderungen_im_Eiszeitalter#Das_jüngere_Dryas-Ereignis|Jüngere Dryas-Ereignis]] am Ende der letzten Eiszeit ein Eintrag von Südwasser in den Nordwestatlantik durch das Abschmelzen des Laurentischen Eisschilds. Die Folge der Schmelzwasserzufuhr war eine weitgehende Abschwächung der [[Atlantische Umwälzzirkulation in der Gegenwart|Atlantischen Meridionalen Umwälzzirkulation]], wodurch der Warmwassertransport aus der Karibik über den Golf- und Nordatlantikstrom verringert wurde.<ref name="Parker 2022">Parker, S.E., S.P. Harrison (2022): [https://doi.org/10.1038/s41598-022-14684-y The timing, duration and magnitude of the 8.2 ka event in global speleothem records]. Sci Rep 12, 10542</ref>  Weitere gravierende Abkühlungsphasen waren die Jahre 536 und 540 sowie die Kleine Eiszeit, die zwischen dem 13. Jahrhundert begann und um 1850 endete. Für die zuletzt genannten kalten Phasen waren nach van Dijk et al. (2024) hauptsächlich [[Vulkanismus|Vulkanausbrüche]] die Ursache, z.T. begleitet durch eine schwache Sonneneinstrahlung.<ref name="van Dijk 2024">van Dijk, E.J.C., J. Jungclaus, M. Sigl, et al. (2024): [https://doi.org/10.1038/s43247-024-01380-0 High-frequency climate forcing causes prolonged cold periods in the Holocene]. Commun Earth Environ 5, 242</ref>


== Mittleres und spätes Holozän ==
== Ursachen von Klimaschwankungen ==
[[Bild:Temp_holozaen.gif|thumb|520px|Temperaturänderungen im Holozän nach verschiedenen regionalen Rekonstruktionen]]
Es folgte ein Wechsel von relativ kalten (Pessima) und relativ warmen (Optima) Perioden bis zur Gegenwart. Herausragende warme Perioden waren das sogenannte Hauptoptimum des Holozäns zwischen 4000 bis 5000 und 6000 bis 7000 Jahren v.h. mit wärmeren Sommern als heute und recht warmen Wintern, das Optimum der Römerzeit und das mittelalterliche Optimum. Während des Hauptoptimums und der etwas kälteren Phase zwischen 5000 und 6000 v.h. entstanden die ersten neolithischen Kulturen, die Menschen wurden sesshaft, betrieben Ackerbau und Viehzucht und es entstanden die ersten Kultbauten. Das endgültige Abschmelzen der großen [[Eisschilde]] der Würmkaltzeit bis etwa 6000 Jahre v.h. lies den Meeresspiegel steigen, worauf sich wahrscheinlich die Berichte über die "Sintflut" beziehen. Während des Optimums der Römerzeit waren wichtige Alpenpässe den ganzen Winter über passierbar, was etwa Hannibal den Einfall ins Römische Reich erleichterte.
 
Während der Pessima gab es längerfristige Temperaturrückgänge ähnlich denen der Kleinen Eiszeit. Ausgeprägt kalt war es während der Zeit vor ca. 2000 bis 2500 v.h. und während der Völkerwanderungszeit (Pessimum der Völkerwanderungszeit 400 bis 800 n.Chr.)


Allerdings muss dabei betont werden, dass sich die Einteilung in Optima und Pessima nicht auf globale, sondern nur auf regionale (Proxy-)Daten stützen kann.<ref name="IPCC 2007">vgl. IPCC (2007): Climate Change 2007, Working Group I: The Science of Climate Change, 6.5.1.3</ref> Danach gab es in der ersten Hälfte des Holozäns Regionen, in denen lagen die Temperaturen etwa 2 °C über den vorindustriellen Werten, so auf Grönland, in SO-Europa und im östlichen China, wobei diese warmen Phasen nicht gleichzeitig stattfanden, sondern mit Unterschieden von z.T. einigen tausend Jahren. In den Tropen aber waren die Temperaturen von 10 000 bis 5 000 Jahren v.h. um 0,5-2 °C tiefer als in vorindustrieller Zeit. Die auf dem Hintergrund der gegenwärtigen Klimadiskussion interessante Frage, ob es im Holozän eine Periode gab, in der das Klima '''''global''''' wärmer war als in den letzten Jahrzehnten, lässt sich daher nicht beantworten.
Die mittlere globale [[Sonneneinstrahlung und Klimaänderungen|Sonneneinstrahlung]] hat sich während des gesamten Holozäns nur wenig geändert. Die hohen Breiten zeigen zwar in den ersten 2000 Jahren eine leichte Zunahme der Einstrahlung, die anschließend bis zur Gegenwart kontinuierlich abnimmt. Dieser Trend wird jedoch durch einen gegenläufigen Trend in den niedrigen Breiten weitgehend ausgeglichen. Ein anderer externer Antrieb liegt in Vulkanausbrüchen, die zwischen 6000 vh. und 1850 zugenommen haben. Eine geringfügige Abnahme der Sonneneinstrahlung und gehäuft auftretende Vulkanausbrüche sind wahrscheinlich die wesentlichen externen Anstöße für den Abkühlungstrend seit der Mitte des Holozäns. <ref name="Kaufman 2023"/> 
 
== Ursachen von Klimaschwankungen ==


Trotz des Wechsels zwischen kälteren und wärmeren Klimaphasen gilt das Klima des Holozäns insgesamt als eine sehr stabile Phase in der Erdgeschichte, die vielfach als positive Voraussetzung für die Entwicklung der menschlichen Hochkulturen gesehen wird. Für den Beginn des Holozäns und die [[Natürliche Klimaschwankungen|Klimaschwankungen]] über größere Zeiträume von einigen Jahrhunderten oder Jahrtausenden haben die [[Erdbahnparameter]], besonders in den höheren Breiten, den entscheidenden Anstoß gegeben. Sie wurden verstärkt durch Änderungen der [[Kryosphäre im Klimasystem|Eisbedeckung]], der Konzentration der [[Treibhausgase]] und der [[Biosphäre im Klimasystem|Vegetation]]. Schon am Ende der letzten Kaltzeit zeigte die Erde im Nordsommer eine stärkere Neigung zur Sonne und der sonnennächste Punkt verschob sich vom Winter auf den Herbst und später zum Sommer hin. Dadurch erhielten die Gebiete nördlich von 65° Breite eine um 10% höhere [[Strahlung|Einstrahlung]]. Das löste das Abschmelzen von Eis- und Schneemassen aus, wodurch der Eis-[[Albedo]]-Effekt zur Geltung kam: Weniger Strahlung wurde reflektiert, sondern von den neu entstehenden dunkleren und mit Vegetation bedeckten Flächen absorbiert. Die sich allmählich erwärmenden Ozeane gasten [[Kohlendioxid|Kohlenstoff]] aus, wodurch der [[Kohlendioxid-Konzentration|CO<sub>2</sub>-Gehalt der Atmosphäre]] erhöht und damit der [[Treibhauseffekt]] verstärkt wurde.  
Hinzu kamen verschiedene [[Feedback|Rückkopplungsprozesse]], die die anfänglichen Antriebe durch die Sonneneinstrahlung und Vulkanausbrüche verstärkten. Abb. 2 zeigt, dass im frühen Holozän die Temperaturzunahmen besonders in den Regionen stark waren, in denen es zu einem deutlichen Abschmelzen von [[Eis-Albedo-Rückkopplung|Eis- und Schneeflächen]] kam. Das war besonders in den hohen nördlichen Breiten der Fall, wo über dem nordwestlichen Nordamerika der Laurentische und über Nordeuropa der Fennoskandische Eisschild zurückgingen. Im mittleren Holozän ab 6.000 vh. bewirkte die Zunahme von Eis- und Schneeflächen infolge der Abkühlung durch abnehmende Solarstrahlung und zunehmende Vulkanausbrüche in den hohen nördlichen Breiten eine schwache Abkühlung.


Auch die tendenzielle Abkühlung in den mittleren und höheren Breiten der Nordhalbkugel seit dem Hauptoptimum des Holozäns wird auf eine Änderung der [[Erdbahnparameter|Präzession]] zurückgeführt, die in einem Zyklus von 23 000 Jahren die Neigung der Erdachse auf der elliptischen Erdbahn wandern lässt. So lag der N-Sommer vor 9 000 Jahren im Perihel, dem sonnennächsten Punkt, während er heute im Aphel, dem sonnenfernsten Pubkt, liegt. Hinzu kam noch eine Verringerung der Achsenneigung der Erde um 1° während der letzten 9 000 Jahre, so dass beide astronomischen Efekte bei 65°N eine Verringerung der solaren Einstrahlung um 10% zur Folge hatten. Verstärkt wurde der orbitale Anstoß außerdem durch Rückkopplungseffekte in der Vegetation.<ref>M. Crucifix, M.-F. Loutre, P. Tulkens, T. Fichefet, A. Berger (2002): Climate evolution during the Holocene: a study with an Earth system model of intermediate complexity, Climate Dynamics 19, 43-60</ref>
Weitere Rückkopplungen mit Auswirkungen auf die Temperatur liegen in Änderungen der [[Biosphäre im Klimasystem|Vegetationsbedeckung]] und von [[Primäre_Aerosole#Staubaerosole|Staubaerosolen]] in der Atmosphäre.  Pollenbasierte Rekonstruktionen der Vegetationsbedeckung zeigen, dass die Sahara während des mittleren Holozäns grün war und dass die [[Wälder im Klimawandel|Waldbedeckung]] in den mittleren und hohen Breiten der nördlichen Hemisphäre größer war als im letzten Jahrtausend. Die höhere Vegetationsbedeckung reduzierte die [[Albedo]] und erwärmte damit über Landgebieten die Atmosphäre. Hinzu kam eine geringere [[Meereis]]-, [[Eisschilde|Landeis]]- und [[Schnee im Klimawandel|Schneebedeckung]], die zusammen durch die Albedo-Abnahme zu regionalen Temperaturzunahmen ähnlich wie durch die Solarstrahlung führten. Die Ausdehnung der Vegetation reduzierte während des mittleren Holozäns außerdem die Quellen für Staubverwehungen, wodurch es zu einer geringeren Streuung der Sonnenstrahlung durch mineralische Staubaerosole kam.<ref name="Kaufman 2023"/> 
Während der Erdneuzeit, dem [[Känozoikum]], war die Abnahme der langlebigen Treibhausgase, besonders von CO<sub>2</sub>, die Hauptursache für die langfristige känozoische Abkühlung über die letzten 50 Mio. Jahre. Während des Holozäns vor Beginn der Industrialisierung waren die Veränderungen der [[Treibhausgase]] jedoch relativ gering. So war die CO<sub>2</sub>-Konzentration im mittleren Holozän lediglich um 16 ppm geringer als im letzten Jahrtausend, eine Menge, die der [[Kohlendioxid-Konzentration|gegenwärtigen CO<sub>2</sub>-Zunahme]] in weniger als 10 Jahren entspricht. Einige Autoren führen die CO<sub>2</sub>-Zunahme seit dem mittleren Holozän auf die [[Anthropozän|Landnutzungsänderungen durch den Menschen]] zurück und halten es für möglich, dass der Mensch damit den Beginn einer neuen Eiszeit verhindert habe.<ref name="Kaufman 2023"/> Das gilt vor allem für die Vertreter der Hypothese eines [[Anthropozän#Das_"frühe"_Anthropozän|frühen Anthropozäns]].


== Einzelnachweise ==
== Einzelnachweise ==

Aktuelle Version vom 17. Dezember 2024, 09:35 Uhr

Das Holozän ist die seit mehr als 11 000 Jahren andauernde warmzeitliche Epoche des Eiszeitalters, der die letzte Kaltzeit (Würm- oder Weichselkaltzeit) voranging. Es umfasst damit auch die Klimaänderungen der letzten 1000 Jahre und das Klima im 20. Jahrhundert.

Das Wissen über die geologische Vergangenheit

Die Erforschung des Klimas im Holozän wird durch zwei Methoden bestimmt. Zum einen beruht sie auf sog. Proxydaten wie Pollen aus See- und Meeressedimenten, Eisbohrkernen, Höhlenablagerungen, Baumringen etc., die Hinweise auf vergangene Temperaturverhältnisse enthalten. Zum anderen werden Klimamodelle zur Rekonstruktion früherer Klimaverhältnisse benutzt.[1] Beide Methoden gelangen jedoch zu unterschiedlichen Ergebnissen. Proxydaten zeigen einen Höhepunkt der nacheiszeitlichen Erwärmung in der Mitte des Holozäns um 6.500 Jahre vh., mit einer nachfolgenden Abkühlung bis ins 19. Jahrhundert. Modellsimulationen zeigen dagegen mehrheitlich, dass sich die nacheiszeitliche Erwärmung auch in der zweiten Hälfte des Holozäns fortsetzt. Dieser Widerspruch wird gelegentlich als Temperatur-Rätsel des Holozäns bezeichnet.[2] Proxydaten bieten nur ein unvollständiges Bild des vergangenen Klimas, da sie weder räumlich noch zeitlich vollständig vorliegen. In Verbindung mit Klimamodellen kann ein kontinuierlicheres Bild früherer klimatischer Verhältnisse entstehen.[1]

Abb. 1: Globale Mitteltemperatur nach verschiedenen Rekonstruktionsmethoden über die letzten 12.000 Jahre sowie über die letzten 2.000 Jahre in dem eingefügten Kästchen.

Frühes Holozän

Am Ende der letzten Eiszeit hat sich die globale Mitteltemperatur mit 1,2 °C zwischen 12.000 und 10.000 Jahren vh. relativ schnell erhöht. Nach 10.000 vh. setzte sich diese Erwärmung in geringerem Tempo bis ca. 6.400 vh. fort.[1] Nach einer neueren Auswertung von Proxydaten an ca. 700 Fundstellen sowohl auf dem Land als auch im Ozean zeichnet sich um 6.500 vh. eine Periode von 200 Jahren ab, die die höchste globale Mitteltemperatur der letzten 12.000 Jahre der bisherigen Nacheiszeit vor Beginn der globalen Erwärmung im 20. Jahrhundert aufweist. Diese Periode war danach um 0,7 °C wärmer als die globale Mitteltemperatur im 19. Jahrhundert.[2]

Auch eine Sichtung der neueren Literatur zum Mittleren Holozän durch den Weltklimarat IPCC kommt zu ähnlichen Ergebnissen. Es ist daher laut IPCC wahrscheinlicher als nicht, dass keine Jahrhundert-Periode seit dem Ende der letzten Eiszeit global wärmer war als das letzte Jahrzehnt (2011-2020), das um 1,1 °C über der vorindustriellen Zeit von 1850-1900 lag.[3] Nimmt man als ‚letztes Jahrzehnt‘ die Jahre 2014 bis 2023, so ist der Abstand zur vorindustriellen Zeit, der in diesem Fall 1,19 °C beträgt, noch deutlicher.[4] Nach dem neuesten Stand der Forschung war damit das sog. Optimum des Holozäns nicht wärmer als die gegenwärtige Erwärmung des globalen Klimas durch den Menschen. Da davor eine rund 100.000 Jahre lange Eiszeit lag, kann die nächstliegende wärmere Epoche im Vergleich zur Gegenwart allenfalls in der letzten Warmzeit, dem Eem, vor ca. 120.000 Jahren gelegen haben, dessen wärmstes Jahrtausend auf 0,5-1,0 °C im Vergleich zur vorindustriellen Zeit geschätzt wird.[3]

Mittleres Holozän

Abb. 2: Änderung der globalen Mitteltemperatur in der ersten und zweiten Hälfte des Holozäns bzw. vor und nach 6000 vh. Die schwarzen Punkte markieren Fundstellen von Proxydaten. Referenzperiode: 3.000 – 5.000 Jahre vh. Bitte die unterschiedlichen Skalen in beiden Abb. beachten!

Auf die wärmste Phase im Holozän folgte ein langsamer Abkühlungstrend. Dieser betrug global -0,08 °C, auf der nördlichen Hemisphäre -0,1 °C und auf der Südhalbkugel -0,04 °C pro 1.000 Jahre.[5] Die kühlste Periode während der zweiten Hälfte des Holozäns war die sog. Kleine Eiszeit zwischen dem 15. und 19. Jahrhundert. Ein wichtiger Beleg für den Abkühlungstrend der letzten Jahrtausende ist das Vorrücken der Gletscher auf beiden Hemisphären seit dem 5. bis 3. Jahrtausend vh. bis ins 19. Jahrhundert. Ähnlich weist auch der Grönländische Eisschild während der Mitte des Holozäns weniger Eis als in den letzten Jahrhunderten auf.[2]

Kalte Phasen im Holozän

Das Klima des Holozäns gilt insgesamt als eine sehr stabile Phase in der Erdgeschichte, die vielfach als positive Voraussetzung für die Entwicklung der menschlichen Hochkulturen gesehen wird. Dennoch gab es auch im Holozän verschiedene Warm- und Kaltphasen, die sich von dem allgemeinen Trend unterschieden. Ein besonderes Ereignis während des frühen Holozäns war die Abkühlung um 8.200 vh. Sie gilt als das größte und signifikanteste Klimaereignis der letzten 12.000 Jahre und war im nordatlantischen Raum konzentriert. Die Dauer dieser Abkühlungsphase wird auf 160 Jahre geschätzt. Grönländische Eisbohrkerne zeigen eine Abkühlung von über 2 °C, verschiedene Proxydaten aus Europa weisen auf eine Temperaturabsenkung von 1 bis 1,5 °C. Als wichtigste Ursache gilt ähnlich wie für das Jüngere Dryas-Ereignis am Ende der letzten Eiszeit ein Eintrag von Südwasser in den Nordwestatlantik durch das Abschmelzen des Laurentischen Eisschilds. Die Folge der Schmelzwasserzufuhr war eine weitgehende Abschwächung der Atlantischen Meridionalen Umwälzzirkulation, wodurch der Warmwassertransport aus der Karibik über den Golf- und Nordatlantikstrom verringert wurde.[6] Weitere gravierende Abkühlungsphasen waren die Jahre 536 und 540 sowie die Kleine Eiszeit, die zwischen dem 13. Jahrhundert begann und um 1850 endete. Für die zuletzt genannten kalten Phasen waren nach van Dijk et al. (2024) hauptsächlich Vulkanausbrüche die Ursache, z.T. begleitet durch eine schwache Sonneneinstrahlung.[7]

Ursachen von Klimaschwankungen

Die mittlere globale Sonneneinstrahlung hat sich während des gesamten Holozäns nur wenig geändert. Die hohen Breiten zeigen zwar in den ersten 2000 Jahren eine leichte Zunahme der Einstrahlung, die anschließend bis zur Gegenwart kontinuierlich abnimmt. Dieser Trend wird jedoch durch einen gegenläufigen Trend in den niedrigen Breiten weitgehend ausgeglichen. Ein anderer externer Antrieb liegt in Vulkanausbrüchen, die zwischen 6000 vh. und 1850 zugenommen haben. Eine geringfügige Abnahme der Sonneneinstrahlung und gehäuft auftretende Vulkanausbrüche sind wahrscheinlich die wesentlichen externen Anstöße für den Abkühlungstrend seit der Mitte des Holozäns. [2]

Hinzu kamen verschiedene Rückkopplungsprozesse, die die anfänglichen Antriebe durch die Sonneneinstrahlung und Vulkanausbrüche verstärkten. Abb. 2 zeigt, dass im frühen Holozän die Temperaturzunahmen besonders in den Regionen stark waren, in denen es zu einem deutlichen Abschmelzen von Eis- und Schneeflächen kam. Das war besonders in den hohen nördlichen Breiten der Fall, wo über dem nordwestlichen Nordamerika der Laurentische und über Nordeuropa der Fennoskandische Eisschild zurückgingen. Im mittleren Holozän ab 6.000 vh. bewirkte die Zunahme von Eis- und Schneeflächen infolge der Abkühlung durch abnehmende Solarstrahlung und zunehmende Vulkanausbrüche in den hohen nördlichen Breiten eine schwache Abkühlung.

Weitere Rückkopplungen mit Auswirkungen auf die Temperatur liegen in Änderungen der Vegetationsbedeckung und von Staubaerosolen in der Atmosphäre. Pollenbasierte Rekonstruktionen der Vegetationsbedeckung zeigen, dass die Sahara während des mittleren Holozäns grün war und dass die Waldbedeckung in den mittleren und hohen Breiten der nördlichen Hemisphäre größer war als im letzten Jahrtausend. Die höhere Vegetationsbedeckung reduzierte die Albedo und erwärmte damit über Landgebieten die Atmosphäre. Hinzu kam eine geringere Meereis-, Landeis- und Schneebedeckung, die zusammen durch die Albedo-Abnahme zu regionalen Temperaturzunahmen ähnlich wie durch die Solarstrahlung führten. Die Ausdehnung der Vegetation reduzierte während des mittleren Holozäns außerdem die Quellen für Staubverwehungen, wodurch es zu einer geringeren Streuung der Sonnenstrahlung durch mineralische Staubaerosole kam.[2]

Während der Erdneuzeit, dem Känozoikum, war die Abnahme der langlebigen Treibhausgase, besonders von CO2, die Hauptursache für die langfristige känozoische Abkühlung über die letzten 50 Mio. Jahre. Während des Holozäns vor Beginn der Industrialisierung waren die Veränderungen der Treibhausgase jedoch relativ gering. So war die CO2-Konzentration im mittleren Holozän lediglich um 16 ppm geringer als im letzten Jahrtausend, eine Menge, die der gegenwärtigen CO2-Zunahme in weniger als 10 Jahren entspricht. Einige Autoren führen die CO2-Zunahme seit dem mittleren Holozän auf die Landnutzungsänderungen durch den Menschen zurück und halten es für möglich, dass der Mensch damit den Beginn einer neuen Eiszeit verhindert habe.[2] Das gilt vor allem für die Vertreter der Hypothese eines frühen Anthropozäns.

Einzelnachweise

  1. 1,0 1,1 1,2 Erb, M.P., N.P. McKay, N. Steiger et al. (2022): Reconstructing Holocene temperatures in time and space using paleoclimate data assimilation, Clim. Past, 18, 2599–2629
  2. 2,0 2,1 2,2 2,3 2,4 2,5 Kaufman, D.S., E. Broadman (2023): Revisiting the Holocene global temperature conundrum. Nature 614, 425–435
  3. 3,0 3,1 IPCC AR6, WGI (2021): Changing State of the Climate System, 2.3.1.1
  4. Forster, P. M., C.J. Smith, T. Walsh et al. (2024): Indicators of Global Climate Change 2023: Annual update of large-scale indicators of the state of the climate system and the human influence, Earth System Science Data 16, 2625–2658
  5. Kaufman, D., N. McKay, C. Routson, et al. (2020): Holocene global mean surface temperature, a multi-method reconstruction approach. Scientific Data 7:201
  6. Parker, S.E., S.P. Harrison (2022): The timing, duration and magnitude of the 8.2 ka event in global speleothem records. Sci Rep 12, 10542
  7. van Dijk, E.J.C., J. Jungclaus, M. Sigl, et al. (2024): High-frequency climate forcing causes prolonged cold periods in the Holocene. Commun Earth Environ 5, 242

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