Antarktischer Eisschild: Unterschied zwischen den Versionen

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[[Bild:Antarktis.gif|thumb|320px|Der Eisschild der Antarktis. Gelber Kreis: keine Satellitenbeobachtung; kleine Kreise: Zu- bzw. Abnahme der Eisdicke]]
[[Bild:Antarktis.gif|thumb|320px|Der Eisschild der Antarktis. Gelber Kreis: keine Satellitenbeobachtung; kleine Kreise: Zu- bzw. Abnahme der Eisdicke]]
==Aktuelle Veränderungen==
==Aktuelle Veränderungen==
Mit 25,7 Millionen&nbsp;km³ ist das Eisvolumen der Antarktis<ref name="IPCC 2001">Climate Change 2001: Working Group I: The Scientific Basis (2001): ''Changes in Sea Level'', [http://www.grida.no/climate/ipcc_tar/wg1/412.htm#tab113 online]</ref> etwa neun Mal so groß wie das des [[Grönländischer Eisschild|grönländischen Eisschildes]]. Es verteilt sich auf unterschiedliche Teile des antarktischen Kontinents. In der Ostantarktis liegt das Eis auf felsigem und gebirgigem Untergrund und erreicht eine maximale Eisdicke von fast 5 km. Zum Rand hin behindern ähnlich wie auf Grönland Gebirgszüge den Eisabfluss. Der Westantarktische Eisschild ruht zu einem großen Teil auf Felsuntergrund unter dem Meeresspiegel und ist von großen Schelfeisgebieten umgeben, die etwa 11% der Ausdehnung des Eisschildes ausmachen und in die relativ schnell fließende Gletscher aus dem Innern münden, vor allem in das Filchner-Ronne- und in das Ross-Schelfeisgebiet. Auch an der Küste zur Amundsensee gibt es einen bedeutenden Gletscherabfluss. Eine Sonderstellung nimmt die Antarktische Halbinsel ein, die bis 62,5 <sup>o</sup>S nach Norden reicht und der klimatisch sensitivste Bereich ist.
Mit 25,7&nbsp;Millionen&nbsp;km<sup>3</sup> ist das Eisvolumen der Antarktis<ref name="IPCC 2001">Climate Change 2001: Working Group I: The Scientific Basis (2001): ''Changes in Sea Level'', [http://www.grida.no/climate/ipcc_tar/wg1/412.htm#tab113 online]</ref> etwa neun Mal so groß wie das des [[Grönländischer Eisschild|grönländischen Eisschildes]]. Es verteilt sich auf unterschiedliche Teile des antarktischen Kontinents. In der Ostantarktis liegt das Eis auf felsigem und gebirgigem Untergrund und erreicht eine maximale Eisdicke von fast&nbsp;5&nbsp;km. Zum Rand hin behindern ähnlich wie auf Grönland Gebirgszüge den Eisabfluss. Der Westantarktische Eisschild ruht zu einem großen Teil auf Felsuntergrund unter dem Meeresspiegel und ist von großen Schelfeisgebieten umgeben, die etwa 11&nbsp;% der Ausdehnung des Eisschildes ausmachen und in die relativ schnell fließende Gletscher aus dem Innern münden, vor allem in das Filchner-Ronne- und in das Ross-Schelfeisgebiet. Auch an der Küste zur Amundsensee gibt es einen bedeutenden Gletscherabfluss. Eine Sonderstellung nimmt die Antarktische Halbinsel ein, die bis 62,5 <sup>o</sup>S nach Norden reicht und der klimatisch sensitivste Bereich ist.
[[Bild:Antarktis_eis.gif|thumb|320px|Veränderung der Eismasse der West- und Ostantarktis.]]
[[Bild:Antarktis_eis.gif|thumb|320px|Veränderung der Eismasse der West- und Ostantarktis.]]
Abschätzungen über Veränderungen des gesamten antarktischen Eisschildes sind in jüngster Zeit durch Satellitenbeobachtungen des Oberflächenniveaus und solche der Schwerkraft des antarktischen Kontinents versucht worden. Die Beobachtungen der Höhenänderungen zeigen für das gesamte Innere der Ostantarktis nördlich von 82 <sup>o</sup>S von 1992 bis 2003 eine leichte Anhebung des Niveaus durch vermehrten Schneefall, während in der Westantarktis relativ starke Absenkungen, also Massenverlust, dominieren. Eine Gesamtbilanz wird nicht versucht, da die Massenverluste in den Küstenregionen durch Eisdynamik (s.u.) nur sehr schwierig einbezogen werden können.<ref>Davis, C.H., Y. Li, J. R. McConnell, M.M. Frey, and E. Hanna (2005): Snowfall-Driven Growth in East Antarctic Ice Sheet Mitigates Recent Sea-Level Rise, Science 308, 1898-1901</ref>  
Abschätzungen über Veränderungen des gesamten antarktischen Eisschildes sind in jüngster Zeit durch Satellitenbeobachtungen des Oberflächenniveaus und solche der Schwerkraft des antarktischen Kontinents versucht worden. Die Beobachtungen der Höhenänderungen zeigen für das gesamte Innere der Ostantarktis nördlich von 82 <sup>o</sup>S von 1992 bis 2003 eine leichte Anhebung des Niveaus durch vermehrten Schneefall, während in der Westantarktis relativ starke Absenkungen, also Massenverlust, dominieren. Eine Gesamtbilanz wird nicht versucht, da die Massenverluste in den Küstenregionen durch Eisdynamik (s.u.) nur sehr schwierig einbezogen werden können.<ref>Davis, C.H., Y. Li, J. R. McConnell, M.M. Frey, and E. Hanna (2005): Snowfall-Driven Growth in East Antarctic Ice Sheet Mitigates Recent Sea-Level Rise, Science 308, 1898-1901</ref>  


Seit 2002 bestimmen zwei Satelliten des GRACE-Projekts<ref>GRACE steht für ''Gravity Recovery And Climate Experiment''; vgl. Die [http://www.dlr.de/rb/desktopdefault.aspx/tabid-6813/11188_read-6309/ Infoseite bei der Deutschen Luft- und Raumfahrtgesellschaft DLR]</ref> das Schwerefeld der Erde mit bisher nicht da gewesener Genauigkeit. Dadurch können Veränderungen der Masse der Eisschilde recht genau ermittelt werden.<ref name="Cazenave">Cazenave, A. et al.(2009): Sea level budget over 2003–2008: A reevaluation from GRACE space gravimetry, satellite altimetry and Argo. Global and Planetary Change 65, 83–88</ref> Diese Gravimetermessungen, bei denen auch die Regionen südlich des 82 <sup>o</sup>S berücksichtigt wurden, zeigen für den gesamten Eisschild eine Zunahme des Massenverlustes von 137 Gt/Jahr in 2002-2003 auf 286 Gt/Jahr in 2007-2009.<ref>Velicogna, I. (2009): Increasing rates of ice mass loss from the Greenland and Antarctic ive sheets revealed by GRACE, Geophysical Research Letters 36, doi:10.1029/2009GL040222</ref> Andere jüngere Auswertungen schreiben der Antarktis zwischen April 2002 und Januar 2009 einen Verlust von 190 Gigatonnen/Jahr zu, woran auch die Ostantarktis mit 57 Gt/Jahr beteiligt sei.<ref>Chen, J.L., et al. (2009): Accelerated Antarctic ice loss from satellite gravity measurements, Nature Geoscience 2, 859-862</ref>
Seit 2002 bestimmen zwei Satelliten des GRACE-Projekts<ref>GRACE steht für ''Gravity Recovery And Climate Experiment''; vgl. Die [http://www.dlr.de/rb/desktopdefault.aspx/tabid-6813/11188_read-6309/ Infoseite bei der Deutschen Luft- und Raumfahrtgesellschaft DLR]</ref> das Schwerefeld der Erde mit bisher nicht da gewesener Genauigkeit. Dadurch können Veränderungen der Masse der Eisschilde recht genau ermittelt werden.<ref name="Cazenave">Cazenave, A. et al.(2009): Sea level budget over 2003–2008: A reevaluation from GRACE space gravimetry, satellite altimetry and Argo. Global and Planetary Change 65, 83–88</ref> Diese Gravimetermessungen, bei denen auch die Regionen südlich des 82 <sup>o</sup>S berücksichtigt wurden, zeigen für den gesamten Eisschild eine Zunahme des Massenverlustes von 137 Gigatonnen<ref name="Gt"/> pro Jahr in 2002-2003 auf 286&nbsp;Gt/Jahr in 2007-2009.<ref>Velicogna, I. (2009): Increasing rates of ice mass loss from the Greenland and Antarctic ive sheets revealed by GRACE, Geophysical Research Letters 36, doi:10.1029/2009GL040222</ref> Andere jüngere Auswertungen schreiben der Antarktis zwischen April 2002 und Januar 2009 einen Verlust von 190 Gigatonnen/Jahr zu, woran auch die Ostantarktis mit 57 Gt/Jahr beteiligt sei.<ref>Chen, J.L., et al. (2009): Accelerated Antarctic ice loss from satellite gravity measurements, Nature Geoscience 2, 859-862</ref>


Etwas ältere regionale Untersuchungen der einzelnen Eisabflussgebiete ergeben ein sehr differenziertes Bild. So sind die Abflüsse von der Ostantarktis und auch Teilen der Westantarktis ins Filchner-Ronne-Schelfeis (und damit ins Weddelmeer) wahrscheinlich im Gleichgewicht. Die Abflussbereiche der Westantarktis ins Rossmeer zeigen einen Massenzuwachs von ca. 33 km<sup>3</sup>/Jahr. Auch für die Abflussgletscher aus der Ostantarktis ins Ross-Schelfeis zeichnet sich eine positive Bilanz ab. Den größten Massenverlust weisen mit 72 km<sup>3</sup>/Jahr die Gletscherströme auf, die aus der Westantarktis in die Amundsensee fließen.<ref>Vgl. Mayer, C. & H.Oerter (2006): Die Massenbilanzen des grönländischen und antarktischen Inlandeises und der Charakter ihrer Veränderungen, in: José L. Lozán / Hartmut Graßl / Hans-W. Hubberten / Peter Hupfer / Ludwig Karbe / Dieter Piepenburg (Hrsg.): Warnsignale aus den Polarregionen. Wissenschaftliche Auswertungen, Hamburg, 92-96</ref>
Etwas ältere regionale Untersuchungen der einzelnen Eisabflussgebiete ergeben ein sehr differenziertes Bild. So sind die Abflüsse von der Ostantarktis und auch Teilen der Westantarktis ins Filchner-Ronne-Schelfeis (und damit ins Weddelmeer) wahrscheinlich im Gleichgewicht. Die Abflussbereiche der Westantarktis ins Rossmeer zeigen einen Massenzuwachs von ca.&nbsp;33&nbsp;km<sup>3</sup>/Jahr. Auch für die Abflussgletscher aus der Ostantarktis ins Ross-Schelfeis zeichnet sich eine positive Bilanz ab. Den größten Massenverlust weisen mit 72&nbsp;km<sup>3</sup>/Jahr die Gletscherströme auf, die aus der Westantarktis in die Amundsensee fließen.<ref>Vgl. Mayer, C. & H.Oerter (2006): Die Massenbilanzen des grönländischen und antarktischen Inlandeises und der Charakter ihrer Veränderungen, in: José L. Lozán / Hartmut Graßl / Hans-W. Hubberten / Peter Hupfer / Ludwig Karbe / Dieter Piepenburg (Hrsg.): Warnsignale aus den Polarregionen. Wissenschaftliche Auswertungen, Hamburg, 92-96</ref>


==Ursachen ==
==Ursachen ==
===Eisdynamik===
===Eisdynamik===
[[Bild:Eisschmelzen.gif|thumb|320px|Schmelzen von Schelfeis an der Unterseite]]
[[Bild:Eisschmelzen.gif|thumb|320px|Schmelzen von Schelfeis an der Unterseite]]
Während die Massenzunahme mit hoher Wahrscheinlichkeit auf verstärkte Niederschläge, die mit der [[Aktuelle Klimaänderungen|globalen Erwärmung]] im Zusammenhang stehen, zurückzuführen ist, wird der Hauptgrund für die Massenverluste des antarktischen Eisschildes in der Eisdynamik in den Küstenregionen gesehen. Entscheidend ist dabei die Rolle der Schelfeisgebiete. Ähnlich wie an manchen Küstengebieten Grönlands ist ihre Instabilität die Ursache für ein stärkeres Abfließen von Auslassgletschern und Eisströmen. Die Schelfeise werden von zahlreichen Zuflüssen gespeist, die seit der letzten Eiszeit den Boden bis weit unter die Meeresoberfläche erodiert haben. Sie erstrecken sich von der Aufsetzlinie über einen erodierten Meeresboden, der an einer Endmoräne aus dem [[Eiszeitalter|glazialen]] Maximum der Eisausdehnung endet. Über diese Moräne dringt relativ warmes und salzreiches Wasser in die Kaverne unterhalb des Schelfeises ein und verursacht das Abschmelzen an der Unterseite. Durch Aufnahme von Schmelzwasser wird der Salzgehalt und damit die Dichte gesenkt. Das nunmehr leichtere Wasser strömt nach oben entlang der Schelfeisunterseite aus der Kaverne heraus, wodurch neues warmes und salzreiches Wasser Richtung Aufsetzlinie herein gezogen wird. Die so entstehende Zirkulation kann zu immer neuem Abschmelzen an der Schelfeisunterseite führen, wodurch das Schelfeis instabil und brüchig werden und ins Meer abdriften kann. Diese Prozesse sind stark von Veränderungen der Ozeantemperaturen abhängig. So haben Modellrechnungen eine Verdoppelung der Schmelzrate bei einer Erhöhung der Ozeantemperatur um 0,5 <sup>o</sup>C ergeben.<ref>Lange, M.A., K. Grosfeld, M. Thoma und H. Sandhäger (2006): Die Wechselwirkung von Antarktischen Schelfeisgebieten und dem Ozean und der Beitrag zur ozeanischen Wassermassenbildung, in: José L. Lozán / Hartmut Graßl / Hans-W. Hubberten / Peter Hupfer / Ludwig Karbe / Dieter Piepenburg (Hrsg.): Warnsignale aus den Polarregionen. Wissenschaftliche Auswertungen, Hamburg, 87-91</ref>
Während die Massenzunahme mit hoher Wahrscheinlichkeit auf verstärkte Niederschläge, die mit der [[Aktuelle Klimaänderungen|globalen Erwärmung]] im Zusammenhang stehen, zurückzuführen ist, wird der Hauptgrund für die Massenverluste des antarktischen Eisschildes in der Eisdynamik in den Küstenregionen gesehen. Entscheidend ist dabei die Rolle der Schelfeisgebiete. Ähnlich wie an manchen Küstengebieten Grönlands ist ihre Instabilität die Ursache für ein stärkeres Abfließen von Auslassgletschern und Eisströmen. Die Schelfeise werden von zahlreichen Zuflüssen gespeist, die seit der letzten Eiszeit den Boden bis weit unter die Meeresoberfläche erodiert haben. Sie erstrecken sich von der Aufsetzlinie über einen erodierten Meeresboden, der an einer Endmoräne aus dem [[Eiszeitalter|glazialen]] Maximum der Eisausdehnung endet. Über diese Moräne dringt relativ warmes und salzreiches Wasser in die Kaverne unterhalb des Schelfeises ein und verursacht das Abschmelzen an der Unterseite. Durch Aufnahme von Schmelzwasser wird der Salzgehalt und damit die Dichte gesenkt. Das nunmehr leichtere Wasser strömt nach oben entlang der Schelfeisunterseite aus der Kaverne heraus, wodurch neues warmes und salzreiches Wasser Richtung Aufsetzlinie herein gezogen wird. Die so entstehende Zirkulation kann zu immer neuem Abschmelzen an der Schelfeisunterseite führen, wodurch das Schelfeis instabil und brüchig werden und ins Meer abdriften kann. Diese Prozesse sind stark von Veränderungen der Ozeantemperaturen abhängig. So haben Modellrechnungen eine Verdoppelung der Schmelzrate bei einer Erhöhung der Ozeantemperatur um 0,5&nbsp;ºC ergeben.<ref>Lange, M.A., K. Grosfeld, M. Thoma und H. Sandhäger (2006): Die Wechselwirkung von Antarktischen Schelfeisgebieten und dem Ozean und der Beitrag zur ozeanischen Wassermassenbildung, in: José L. Lozán / Hartmut Graßl / Hans-W. Hubberten / Peter Hupfer / Ludwig Karbe / Dieter Piepenburg (Hrsg.): Warnsignale aus den Polarregionen. Wissenschaftliche Auswertungen, Hamburg, 87-91</ref>


[[Bild:Antarktische_hi.gif|thumb|320px|Veränderungen der Schelfeisgrenze der Antarktischen Halbinsel. Die farbigen Daten und Linien geben die Lage der Außengrenze des Schelfeises zum Ozean hin an.]]
[[Bild:Antarktische_hi.gif|thumb|320px|Veränderungen der Schelfeisgrenze der Antarktischen Halbinsel. Die farbigen Daten und Linien geben die Lage der Außengrenze des Schelfeises zum Ozean hin an.]]
Besonders das an die Amundsen-See angrenzende Schelfeis zeigte zwischen 1992 und 2001 starke Verringerungen der Eisdicke um bis zu 5,5 m pro Jahr. Die Ursache liegt in dem Abschmelzen an der Unterseite der Eisschelfe durch warmes Ozeanwasser mit Schmelzraten von 4-17 m/Jahr. Seit 1992 gingen dadurch 92 Gigatonnen<ref>Eine Gigatonne entspricht einer Milliarde (10<sup>9</sup>) Tonnen oder einer Billion (10<sup>12</sup>) Kilogramm.</ref> Eis pro Jahr verloren und die Eissschelfe verloren 1-7% ihrer Mächtigkeit. Gleichzeitig hat sich die Aufsetzlinie zurückgezogen, und das Eis ist an der Außenkante zum Meer zunehmend abgebrochen. Die Folge war ein verstärkter Abfluss der Auslassgletscher aus dem Innern des Westantarktischen Eisschildes. Das Schelfeis bremst normalerweise den Abfluss der Gletscher aus dem antarktischen Eisschild. Wird es brüchig oder fehlt es, nimmt die Geschwindigkeit der abfließenden Gletscher zu. Damit wird zunehmend mehr Eis dem Ozean zugeführt. Zwischen 1992 und 2001 hat sich dadurch die Oberfläche des Westantarktischen Eisschildes rund um die Amundsen-See um bis zu 59 cm pro Jahr abgesenkt.<ref>Shepherd, A., D. Wingham, E. Rignot (2004): Warm ocean is eroding West Antarctic Ice Sheet, Geophys. Res. Lett., Vol. 31, No. 23, L23402</ref>
Besonders das an die Amundsen-See angrenzende Schelfeis zeigte zwischen 1992 und 2001 starke Verringerungen der Eisdicke um bis zu 5,5&nbsp;m pro&nbsp;Jahr. Die Ursache liegt in dem Abschmelzen an der Unterseite der Eisschelfe durch warmes Ozeanwasser mit Schmelzraten von 4-17 m/Jahr. Seit 1992 gingen dadurch 92&nbsp;Gigatonnen<ref name="Gt">Eine Gigatonne entspricht einer Milliarde (10<sup>9</sup>) Tonnen oder einer Billion (10<sup>12</sup>) Kilogramm.</ref> Eis pro Jahr verloren und die Eissschelfe verloren 1-7&nbsp;% ihrer Mächtigkeit. Gleichzeitig hat sich die Aufsetzlinie zurückgezogen, und das Eis ist an der Außenkante zum Meer zunehmend abgebrochen. Die Folge war ein verstärkter Abfluss der Auslassgletscher aus dem Innern des Westantarktischen Eisschildes. Das Schelfeis bremst normalerweise den Abfluss der Gletscher aus dem antarktischen Eisschild. Wird es brüchig oder fehlt es, nimmt die Geschwindigkeit der abfließenden Gletscher zu. Damit wird zunehmend mehr Eis dem Ozean zugeführt. Zwischen 1992 und 2001 hat sich dadurch die Oberfläche des Westantarktischen Eisschildes rund um die Amundsen-See um bis zu 59&nbsp;cm pro Jahr abgesenkt.<ref>Shepherd, A., D. Wingham, E. Rignot (2004): Warm ocean is eroding West Antarctic Ice Sheet, Geophys. Res. Lett., Vol. 31, No. 23, L23402</ref>


===Oberflächliches Abschmelzen===
===Oberflächliches Abschmelzen===
Andere Ursachen als an der Amundsen-See hatte die bekannte Auflösung des Larsen-B-Schelfeises an der Ostküste der Antarktischen Halbinsel im Jahre 2002, nachdem 1995 schon das kleinere Larsen-A-Schelfeis verschwunden war. Die Antarktische Halbinsel reicht am weitesten nach Norden und zeigte in den letzten 50 Jahren die stärkste regionale Erwärmung der Welt. Hier wurde seit den 1950er Jahren eine Erhöhung der Temperatur um fast 3 <sup>o</sup>C bzw. 0,54 <sup>o</sup>C pro Jahrzehnt gemessen (das globale Mittel liegt bei 0,11 <sup>o</sup>C pro Jahrzehnt).Und auch die Ozeantemperaturen sind im Sommer um über 1 <sup>o</sup>C angestiegen. Aufgrund der weit nach Norden reichenden Lage und der deutlichen Erwärmung ist die Antarktische Halbinsel das einzige Gebiet des antarktischen Kontinents, bei dem das Abschmelzen an der Oberfläche von Bedeutung ist. Bei der Auflösung des Larsen-Schelfeises hat denn auch das Oberflächenschmelzwasser, das in Gletscherspalten drang, wohl die entscheidende Rolle gespielt. Auch hier hat sich der Abfluss der Auslassgletscher in das Schelfeisgebiet des Larsen-B-Eises nach dessen Auflösung und Abbrechen erhöht, und zwar bis um das Achtfache.
Andere Ursachen als an der Amundsen-See hatte die bekannte Auflösung des Larsen-B-Schelfeises an der Ostküste der Antarktischen Halbinsel im Jahre 2002, nachdem 1995 schon das kleinere Larsen-A-Schelfeis verschwunden war. Die Antarktische Halbinsel reicht am weitesten nach Norden und zeigte in den letzten 50&nbsp;Jahren die stärkste regionale Erwärmung der Welt. Hier wurde seit den 1950er Jahren eine Erhöhung der Temperatur um fast 3 <sup>o</sup>C bzw. 0,54&nbsp;ºC pro Jahrzehnt gemessen (das globale Mittel liegt bei 0,11 ºC pro Jahrzehnt).Und auch die Ozeantemperaturen sind im Sommer um über 1&nbsp;ºC angestiegen. Aufgrund der weit nach Norden reichenden Lage und der deutlichen Erwärmung ist die Antarktische Halbinsel das einzige Gebiet des antarktischen Kontinents, bei dem das Abschmelzen an der Oberfläche von Bedeutung ist. Bei der Auflösung des Larsen-Schelfeises hat denn auch das Oberflächenschmelzwasser, das in Gletscherspalten drang, wohl die entscheidende Rolle gespielt. Auch hier hat sich der Abfluss der Auslassgletscher in das Schelfeisgebiet des Larsen-B-Eises nach dessen Auflösung und Abbrechen erhöht, und zwar bis um das Achtfache.


==Projektionen==
==Projektionen==
Anders als bei dem grönländischen Eisschild ergeben Modellrechnungen, deren Ergebnisse im IPCC-Bericht von 2007 veröffentlicht wurden, für die nächsten 100 Jahre eine positive Massenbilanz des antarktischen Eisschildes durch zunehmende Akkumulation. Nach dem A1B-Szenario würde die Masse des antarktische Eisschilds bis zum Ende des 21. Jahrhunderts um so viel zunehmen, dass der Meeresspiegel um 12 cm absinken würde. Der Meeresspiegelanstieg bis 2100 durch das Abschmelzen auf Grönland wird dadurch in etwa ausgeglichen.<ref >IPCC 2007 WGI: The Physical Science Basis, Table 10.7</ref> Auch für die nächsten Jahrhunderte wird hiernach kein größerer Nettoverlust des antarktischen Eisschildes erwartet.  
Anders als bei dem grönländischen Eisschild ergeben Modellrechnungen, deren Ergebnisse im IPCC-Bericht von 2007 veröffentlicht wurden, für die nächsten 100&nbsp;Jahre eine positive Massenbilanz des antarktischen Eisschildes durch zunehmende Akkumulation. Nach dem [[SRES-Szenarien|A1B-Szenario]] würde die Masse des antarktische Eisschilds bis zum Ende des 21.&nbsp;Jahrhunderts um so viel zunehmen, dass der Meeresspiegel um 12 cm absinken würde. Der Meeresspiegelanstieg bis 2100 durch das Abschmelzen auf Grönland wird dadurch in etwa ausgeglichen.<ref >IPCC 2007 WGI: The Physical Science Basis, Table 10.7</ref> Auch für die nächsten Jahrhunderte wird hiernach kein größerer Nettoverlust des antarktischen Eisschildes erwartet.  


Allerdings werden in den Modellrechnungen die in jüngster Zeit entdeckten Prozesse, die zu den unerwarteten Veränderungen vor allem der Schelfeisgebiete und der in sie mündenden Auslassgletscher geführt haben, nicht oder nur teilweise berücksichtigt. Die Auflösung von Schelfeis durch das Abschmelzen an der Unterseite bei wärmeren Ozeantemperaturen könnte durchaus zu einem beschleunigten Abfluss des Inlandeises Richtung Meer führen.  Der IPCC hält es zwar für möglich, dass sich durch die Eisdynamik (Abfließen von Eis Richtung Meer) der Beitrag der Eisschilde zum Meeresspiegelanstieg deutlich erhöhen könnte, verzichtet aber auf eine quantitative Abschätzung.<ref>IPCC 2007 WGI: The Physical Science Basis, 10.6.5</ref>  
Allerdings werden in den Modellrechnungen die in jüngster Zeit entdeckten Prozesse, die zu den unerwarteten Veränderungen vor allem der Schelfeisgebiete und der in sie mündenden Auslassgletscher geführt haben, nicht oder nur teilweise berücksichtigt. Die Auflösung von Schelfeis durch das Abschmelzen an der Unterseite bei wärmeren Ozeantemperaturen könnte durchaus zu einem beschleunigten Abfluss des Inlandeises Richtung Meer führen.  Der IPCC hält es zwar für möglich, dass sich durch die Eisdynamik (Abfließen von Eis Richtung Meer) der Beitrag der Eisschilde zum Meeresspiegelanstieg deutlich erhöhen könnte, verzichtet aber auf eine quantitative Abschätzung.<ref>IPCC 2007 WGI: The Physical Science Basis, 10.6.5</ref>  


Interessant sind in diesem Zusammenhang Studien über die Verhältnisse in der letzten Zwischeneiszeit vor 130 000 Jahren, dem Eem, als die Temperaturen ungefähr so hoch waren, wie sie für das Ende des 21. Jahrhunderts erwarten werden. Der Meeresspiegel lag um 2 bis 3 m über dem heutigen Niveau. Neben Grönland hat aller Wahrscheinlichkeit nach auch die Westantarktis dazu beigetragen.<ref>Overpeck, J.T., B.L. Otto-Bliesner, G.H. Miller, D.R. Muhs, R.B. Alley, and J.T. Kiehl (2006): Paleoclimatic Evidence for Future Ice-Sheet Instability and Rapid Sea-Level Rise, Science 311, 1747-1750</ref>
Interessant sind in diesem Zusammenhang Studien über die Verhältnisse in der letzten Zwischeneiszeit vor 130&nbsp;000 Jahren, dem [[Eem]], als die Temperaturen ungefähr so hoch waren, wie sie für das Ende des 21.&nbsp;Jahrhunderts erwarten werden. Der Meeresspiegel lag um 2&nbsp;bis&nbsp;3&nbsp;m über dem heutigen Niveau. Neben Grönland hat aller Wahrscheinlichkeit nach auch die Westantarktis dazu beigetragen.<ref>Overpeck, J.T., B.L. Otto-Bliesner, G.H. Miller, D.R. Muhs, R.B. Alley, and J.T. Kiehl (2006): Paleoclimatic Evidence for Future Ice-Sheet Instability and Rapid Sea-Level Rise, Science 311, 1747-1750</ref>


== Einzelnachweise ==
== Einzelnachweise ==

Version vom 31. Oktober 2010, 10:31 Uhr

Der Eisschild der Antarktis. Gelber Kreis: keine Satellitenbeobachtung; kleine Kreise: Zu- bzw. Abnahme der Eisdicke

Aktuelle Veränderungen

Mit 25,7 Millionen km3 ist das Eisvolumen der Antarktis[1] etwa neun Mal so groß wie das des grönländischen Eisschildes. Es verteilt sich auf unterschiedliche Teile des antarktischen Kontinents. In der Ostantarktis liegt das Eis auf felsigem und gebirgigem Untergrund und erreicht eine maximale Eisdicke von fast 5 km. Zum Rand hin behindern ähnlich wie auf Grönland Gebirgszüge den Eisabfluss. Der Westantarktische Eisschild ruht zu einem großen Teil auf Felsuntergrund unter dem Meeresspiegel und ist von großen Schelfeisgebieten umgeben, die etwa 11 % der Ausdehnung des Eisschildes ausmachen und in die relativ schnell fließende Gletscher aus dem Innern münden, vor allem in das Filchner-Ronne- und in das Ross-Schelfeisgebiet. Auch an der Küste zur Amundsensee gibt es einen bedeutenden Gletscherabfluss. Eine Sonderstellung nimmt die Antarktische Halbinsel ein, die bis 62,5 oS nach Norden reicht und der klimatisch sensitivste Bereich ist.

Datei:Antarktis eis.gif
Veränderung der Eismasse der West- und Ostantarktis.

Abschätzungen über Veränderungen des gesamten antarktischen Eisschildes sind in jüngster Zeit durch Satellitenbeobachtungen des Oberflächenniveaus und solche der Schwerkraft des antarktischen Kontinents versucht worden. Die Beobachtungen der Höhenänderungen zeigen für das gesamte Innere der Ostantarktis nördlich von 82 oS von 1992 bis 2003 eine leichte Anhebung des Niveaus durch vermehrten Schneefall, während in der Westantarktis relativ starke Absenkungen, also Massenverlust, dominieren. Eine Gesamtbilanz wird nicht versucht, da die Massenverluste in den Küstenregionen durch Eisdynamik (s.u.) nur sehr schwierig einbezogen werden können.[2]

Seit 2002 bestimmen zwei Satelliten des GRACE-Projekts[3] das Schwerefeld der Erde mit bisher nicht da gewesener Genauigkeit. Dadurch können Veränderungen der Masse der Eisschilde recht genau ermittelt werden.[4] Diese Gravimetermessungen, bei denen auch die Regionen südlich des 82 oS berücksichtigt wurden, zeigen für den gesamten Eisschild eine Zunahme des Massenverlustes von 137 Gigatonnen[5] pro Jahr in 2002-2003 auf 286 Gt/Jahr in 2007-2009.[6] Andere jüngere Auswertungen schreiben der Antarktis zwischen April 2002 und Januar 2009 einen Verlust von 190 Gigatonnen/Jahr zu, woran auch die Ostantarktis mit 57 Gt/Jahr beteiligt sei.[7]

Etwas ältere regionale Untersuchungen der einzelnen Eisabflussgebiete ergeben ein sehr differenziertes Bild. So sind die Abflüsse von der Ostantarktis und auch Teilen der Westantarktis ins Filchner-Ronne-Schelfeis (und damit ins Weddelmeer) wahrscheinlich im Gleichgewicht. Die Abflussbereiche der Westantarktis ins Rossmeer zeigen einen Massenzuwachs von ca. 33 km3/Jahr. Auch für die Abflussgletscher aus der Ostantarktis ins Ross-Schelfeis zeichnet sich eine positive Bilanz ab. Den größten Massenverlust weisen mit 72 km3/Jahr die Gletscherströme auf, die aus der Westantarktis in die Amundsensee fließen.[8]

Ursachen

Eisdynamik

Schmelzen von Schelfeis an der Unterseite

Während die Massenzunahme mit hoher Wahrscheinlichkeit auf verstärkte Niederschläge, die mit der globalen Erwärmung im Zusammenhang stehen, zurückzuführen ist, wird der Hauptgrund für die Massenverluste des antarktischen Eisschildes in der Eisdynamik in den Küstenregionen gesehen. Entscheidend ist dabei die Rolle der Schelfeisgebiete. Ähnlich wie an manchen Küstengebieten Grönlands ist ihre Instabilität die Ursache für ein stärkeres Abfließen von Auslassgletschern und Eisströmen. Die Schelfeise werden von zahlreichen Zuflüssen gespeist, die seit der letzten Eiszeit den Boden bis weit unter die Meeresoberfläche erodiert haben. Sie erstrecken sich von der Aufsetzlinie über einen erodierten Meeresboden, der an einer Endmoräne aus dem glazialen Maximum der Eisausdehnung endet. Über diese Moräne dringt relativ warmes und salzreiches Wasser in die Kaverne unterhalb des Schelfeises ein und verursacht das Abschmelzen an der Unterseite. Durch Aufnahme von Schmelzwasser wird der Salzgehalt und damit die Dichte gesenkt. Das nunmehr leichtere Wasser strömt nach oben entlang der Schelfeisunterseite aus der Kaverne heraus, wodurch neues warmes und salzreiches Wasser Richtung Aufsetzlinie herein gezogen wird. Die so entstehende Zirkulation kann zu immer neuem Abschmelzen an der Schelfeisunterseite führen, wodurch das Schelfeis instabil und brüchig werden und ins Meer abdriften kann. Diese Prozesse sind stark von Veränderungen der Ozeantemperaturen abhängig. So haben Modellrechnungen eine Verdoppelung der Schmelzrate bei einer Erhöhung der Ozeantemperatur um 0,5 ºC ergeben.[9]

Veränderungen der Schelfeisgrenze der Antarktischen Halbinsel. Die farbigen Daten und Linien geben die Lage der Außengrenze des Schelfeises zum Ozean hin an.

Besonders das an die Amundsen-See angrenzende Schelfeis zeigte zwischen 1992 und 2001 starke Verringerungen der Eisdicke um bis zu 5,5 m pro Jahr. Die Ursache liegt in dem Abschmelzen an der Unterseite der Eisschelfe durch warmes Ozeanwasser mit Schmelzraten von 4-17 m/Jahr. Seit 1992 gingen dadurch 92 Gigatonnen[5] Eis pro Jahr verloren und die Eissschelfe verloren 1-7 % ihrer Mächtigkeit. Gleichzeitig hat sich die Aufsetzlinie zurückgezogen, und das Eis ist an der Außenkante zum Meer zunehmend abgebrochen. Die Folge war ein verstärkter Abfluss der Auslassgletscher aus dem Innern des Westantarktischen Eisschildes. Das Schelfeis bremst normalerweise den Abfluss der Gletscher aus dem antarktischen Eisschild. Wird es brüchig oder fehlt es, nimmt die Geschwindigkeit der abfließenden Gletscher zu. Damit wird zunehmend mehr Eis dem Ozean zugeführt. Zwischen 1992 und 2001 hat sich dadurch die Oberfläche des Westantarktischen Eisschildes rund um die Amundsen-See um bis zu 59 cm pro Jahr abgesenkt.[10]

Oberflächliches Abschmelzen

Andere Ursachen als an der Amundsen-See hatte die bekannte Auflösung des Larsen-B-Schelfeises an der Ostküste der Antarktischen Halbinsel im Jahre 2002, nachdem 1995 schon das kleinere Larsen-A-Schelfeis verschwunden war. Die Antarktische Halbinsel reicht am weitesten nach Norden und zeigte in den letzten 50 Jahren die stärkste regionale Erwärmung der Welt. Hier wurde seit den 1950er Jahren eine Erhöhung der Temperatur um fast 3 oC bzw. 0,54 ºC pro Jahrzehnt gemessen (das globale Mittel liegt bei 0,11 ºC pro Jahrzehnt).Und auch die Ozeantemperaturen sind im Sommer um über 1 ºC angestiegen. Aufgrund der weit nach Norden reichenden Lage und der deutlichen Erwärmung ist die Antarktische Halbinsel das einzige Gebiet des antarktischen Kontinents, bei dem das Abschmelzen an der Oberfläche von Bedeutung ist. Bei der Auflösung des Larsen-Schelfeises hat denn auch das Oberflächenschmelzwasser, das in Gletscherspalten drang, wohl die entscheidende Rolle gespielt. Auch hier hat sich der Abfluss der Auslassgletscher in das Schelfeisgebiet des Larsen-B-Eises nach dessen Auflösung und Abbrechen erhöht, und zwar bis um das Achtfache.

Projektionen

Anders als bei dem grönländischen Eisschild ergeben Modellrechnungen, deren Ergebnisse im IPCC-Bericht von 2007 veröffentlicht wurden, für die nächsten 100 Jahre eine positive Massenbilanz des antarktischen Eisschildes durch zunehmende Akkumulation. Nach dem A1B-Szenario würde die Masse des antarktische Eisschilds bis zum Ende des 21. Jahrhunderts um so viel zunehmen, dass der Meeresspiegel um 12 cm absinken würde. Der Meeresspiegelanstieg bis 2100 durch das Abschmelzen auf Grönland wird dadurch in etwa ausgeglichen.[11] Auch für die nächsten Jahrhunderte wird hiernach kein größerer Nettoverlust des antarktischen Eisschildes erwartet.

Allerdings werden in den Modellrechnungen die in jüngster Zeit entdeckten Prozesse, die zu den unerwarteten Veränderungen vor allem der Schelfeisgebiete und der in sie mündenden Auslassgletscher geführt haben, nicht oder nur teilweise berücksichtigt. Die Auflösung von Schelfeis durch das Abschmelzen an der Unterseite bei wärmeren Ozeantemperaturen könnte durchaus zu einem beschleunigten Abfluss des Inlandeises Richtung Meer führen. Der IPCC hält es zwar für möglich, dass sich durch die Eisdynamik (Abfließen von Eis Richtung Meer) der Beitrag der Eisschilde zum Meeresspiegelanstieg deutlich erhöhen könnte, verzichtet aber auf eine quantitative Abschätzung.[12]

Interessant sind in diesem Zusammenhang Studien über die Verhältnisse in der letzten Zwischeneiszeit vor 130 000 Jahren, dem Eem, als die Temperaturen ungefähr so hoch waren, wie sie für das Ende des 21. Jahrhunderts erwarten werden. Der Meeresspiegel lag um 2 bis 3 m über dem heutigen Niveau. Neben Grönland hat aller Wahrscheinlichkeit nach auch die Westantarktis dazu beigetragen.[13]

Einzelnachweise

  1. Climate Change 2001: Working Group I: The Scientific Basis (2001): Changes in Sea Level, online
  2. Davis, C.H., Y. Li, J. R. McConnell, M.M. Frey, and E. Hanna (2005): Snowfall-Driven Growth in East Antarctic Ice Sheet Mitigates Recent Sea-Level Rise, Science 308, 1898-1901
  3. GRACE steht für Gravity Recovery And Climate Experiment; vgl. Die Infoseite bei der Deutschen Luft- und Raumfahrtgesellschaft DLR
  4. Cazenave, A. et al.(2009): Sea level budget over 2003–2008: A reevaluation from GRACE space gravimetry, satellite altimetry and Argo. Global and Planetary Change 65, 83–88
  5. 5,0 5,1 Eine Gigatonne entspricht einer Milliarde (109) Tonnen oder einer Billion (1012) Kilogramm.
  6. Velicogna, I. (2009): Increasing rates of ice mass loss from the Greenland and Antarctic ive sheets revealed by GRACE, Geophysical Research Letters 36, doi:10.1029/2009GL040222
  7. Chen, J.L., et al. (2009): Accelerated Antarctic ice loss from satellite gravity measurements, Nature Geoscience 2, 859-862
  8. Vgl. Mayer, C. & H.Oerter (2006): Die Massenbilanzen des grönländischen und antarktischen Inlandeises und der Charakter ihrer Veränderungen, in: José L. Lozán / Hartmut Graßl / Hans-W. Hubberten / Peter Hupfer / Ludwig Karbe / Dieter Piepenburg (Hrsg.): Warnsignale aus den Polarregionen. Wissenschaftliche Auswertungen, Hamburg, 92-96
  9. Lange, M.A., K. Grosfeld, M. Thoma und H. Sandhäger (2006): Die Wechselwirkung von Antarktischen Schelfeisgebieten und dem Ozean und der Beitrag zur ozeanischen Wassermassenbildung, in: José L. Lozán / Hartmut Graßl / Hans-W. Hubberten / Peter Hupfer / Ludwig Karbe / Dieter Piepenburg (Hrsg.): Warnsignale aus den Polarregionen. Wissenschaftliche Auswertungen, Hamburg, 87-91
  10. Shepherd, A., D. Wingham, E. Rignot (2004): Warm ocean is eroding West Antarctic Ice Sheet, Geophys. Res. Lett., Vol. 31, No. 23, L23402
  11. IPCC 2007 WGI: The Physical Science Basis, Table 10.7
  12. IPCC 2007 WGI: The Physical Science Basis, 10.6.5
  13. Overpeck, J.T., B.L. Otto-Bliesner, G.H. Miller, D.R. Muhs, R.B. Alley, and J.T. Kiehl (2006): Paleoclimatic Evidence for Future Ice-Sheet Instability and Rapid Sea-Level Rise, Science 311, 1747-1750

Literatur

  • José L. Lozán, Hartmut Graßl, Hans-W. Hubberten, Peter Hupfer, Ludwig Karbe, Dieter Piepenburg (Hrsg.): Warnsignale aus den Polarregionen. Wissenschaftliche Auswertungen, Hamburg 2006
  • Mayer, C. & H.Oerter (2006): Die Massenbilanzen des grönländischen und antarktischen Inlandeises und der Charakter ihrer Veränderungen, in: José L. Lozán / Hartmut Graßl / Hans-W. Hubberten / Peter Hupfer / Ludwig Karbe / Dieter Piepenburg (Hrsg.): Warnsignale aus den Polarregionen. Wissenschaftliche Auswertungen, Hamburg, 92-96

Siehe auch

Weblinks


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