Klimaänderungen in Afrika
Nach Einschätzung des IPCC ist Afrika der durch den Klimawandel mit am meisten bedrohte Kontinent.[1] Die hohe Exponiertheit gegenüber den Folgen des Klimawandels hängt vor allem mit den begrenzten Möglichkeien zur Anpassung an den Klimawandel, den geringen ökonomischen Kapazitäten und den vielfach ineffektiven Institutionen zusammen. So fallen in den letzten drei Jahrzehnten 27% der globalen Opfer von Wetterextremen auf Afrika. Die Verstädterung und das Bevölkerungswachstum haben die Verletztlichkeit des Kontinents weiter erhöht.[2]
Grundlagen
Der gesamte Kontinent wird durch tropisches und subtropisches Klima beherrscht. Dabei sind weniger die Temperaturen als die Niederschläge von entscheidender Bedeutung für die Lebensbedingungen. Über weite Teile Afrikas bringen die mit dem Sonnenstand wandernden tropischen Regengürtel, die durch die vom Land-Meer-Gegensatz abhängigen Monsune abgewandelt werden, den Niederschlag. Kleine Veränderungen in ihrer Position können regional zu deutlichen Schwankungen des Niederschlags führen. Die tropischen Monsunsysteme sind von unterschiedlichen Faktoren abhängig. Wichtig ist der Land-Meer-Gegensatz der Temperatur, der den Monsun verstärken (bei hohen Temperaturdifferenzen) oder abschwächen (bei niedrigen Temperaturdifferenzen) kann. Außerdem spielen Fernwirkungen, z.B. durch das ENSO-System oder die Nordatlantische Oszillation eine Rolle. Während Schwankungen der Land-Meer-Beziehungen als Ursachen für langfristige, über Dekaden dauernde Klimaänderungen gesehen werden, werden kürzere klimatische Änderungen vor allem auf das ENSO-Phänomen im Pazifik zurückgeführt.[3] So erhöhen El-Niño-Ereignisse die Niederschläge in Ostafrika und verringern sie im südlichen Afrika, wo es einen starken Einfluss von ENSO auf Dürren gibt.[4] Längerfristige Schwankungen werden stark von den Meeresoberflächentemperaturen des Atlantischen und des Indischen Ozeans beeinflusst.[5] So begünstigt ein positiver Indian Ocean Dipole, eine dem ENSO-Phänomen vergleichbare Schwankung der Ozean-Atmosphäre-Dynamik im Indischen Ozean, eine Zunahme der Niederschläge im östlichen tropischen Afrika, während die negative Phase das Gegenteil bewirkt. Der Atlantik beeinflusst dagegen Nordafrika, hier besonders durch die Nordatlantische Oszillation, und den Westafrikanischen Monsun.[4]
Nur im nördlichen und südlichen Afrika sind Winterregen von Bedeutung, die die Fronten der mittleren Breiten heran transportieren, welche z.B. in Nordafrika durch die Nordatlantische Oszillation gesteuert werden.
Klimaänderungen
Afrika
Afrika hat sich stärker als das globale Mittel (über Land und Ozean) erwärmt. 2020 waren die Temperaturen 0,45 °C bis 0,86 °C höher als im Vergleichszeitraum 1981-2010. Die Temperaturzunahme entspricht der globalen Beobachtung, dass sich Landgebiete schneller erwärmen als die Temperaturen über dem Ozean, wobei sich die tropischen Landgebiete langsamer erwärmt haben als die mittleren und hohen Breiten. Auch regional lagen 2020 in Afrika die Temperaturen nahezu überall über den Werten von 1981-2010. Besonders deutlich waren die Temperaturerhöhungen im Nordwesten des Kontinents, in den westlichen äquatorialen Gebieten und in Teilen des Horns von Afrika, etwas geringer in Südafrika und der Sahelregion.[6]
Nordafrika
Die Temperaturen in Nordafrika sind sowohl im Jahresmittel wie saisonal doppelt so stark wie global gestiegen. Besonders deutlich war der Anstieg seit den 1970er Jahren mit 0,2-0,4 °C pro Jahrzehnt, und das vor allem im Sommer. Auch die Anzahl der heißen Tage und der tropischen Nächte haben sich deutlich erhöht. Ähnlich haben besonders seit 1980 auch die Dauer von Hitzewellen sowie deren Stärke und Ausdehnung in etlichen Staaten Nordafrikas zugenommen.[7]
Die Niederschläge zeigen wie nahezu in ganz Afrika starke Dekadenschwankungen. Der Westen und Osten Norfrikas sind teilweise durch gegensätzliche Entwicklungen gekennzeichnet. In Algerien und Tunesien herrschten im 19. Jahrhundert relativ feuchte Bedingungen, während das 20. Jahrhundert relativ trocken war. Besonders Marokko war seit den 1980er Jahren durch extrem trocken. Eine extreme Dürre, wie sie die Region seit dem 15. Jahrhundert nicht erlebt hat, herrschte in Algerien und Tunesien 1999-2002, was vielerorts zum Absterben von Cedernwäldern geführt hat [8] Die mittleren Niederschläge pro Jahr haben über große Teile Nordafrikas zwischen 1971 und 2000 abgenommen, in manchen Staaten wie Algerien, Tunesien und Marokko danach aber wieder zugenommen. Im östlichen Nordafrika kam es zu mehr aufeinanderfolgenden trockenen Tagen, während im westlichen Teil Starkniederschläge und Überschwemmungen mehr geworden sind.[7]
Westafrika und die Sahel-Dürre
- Hauptartikel: Klimaänderungen in Westafrika
Seit den 1960er Jahren ist über dem ganzen Kontinent ein deutlicher Erwärmungstrend festzustellen. Sehr unterschiedlich haben sich die Niederschläge entwickelt. In Westafrika sanken die Niederschläge um 20-40 %, insbesondere im Zusammenhang mit der Sahel-Dürre in den 1970er und 1980er Jahren, in tropischen Gebieten dagegen nur um ca. 3 %, und an der Küste von Guinea war gar eine Zunahme um 10 % festzustellen.[9] In den übrigen Regionen konnte keine deutliche Entwicklung festgestellt werden.
Jüngere Untersuchungen zu den Ursachen der Sahel-Dürre haben zu einem Paradigmenwechsel über die treibenden Kräfte bei Veränderungen des afrikanischen Klimas geführt. Hatte man früher die Ursachen in regionalen Prozessen wie einer veränderten Landnutzung gesehen, so wird heute das afrikanische Klima in großräumige und globale Zusammenhänge eingebettet.[3] Entscheidend für längerfristige Trends sind die Wechselbeziehungen zwischen Ozean und Land. So wurden die Meeresoberflächentemperaturen der tropischen Ozeane als entscheidende Ursache für die Sahel-Dürre erkannt.[10] Der Temperaturgegensatz zwischen Land und Meer steuert den Westafrikanischen Monsun, der für die Sahelzone der wichtigste Niederschlagsbringer ist. Ist dieser Gegensatz relativ gering, ist auch der Luftdruckgegensatz gering und der Monsun nur schwach ausgeprägt. Es regnet dann weniger über dem Kontinent. Bei einem stärkeren Temperaturgegensatz dringt der wasserdampfgesättigte Monsun weit ins Landesinnere vor und bringt größere Regenmengen mit sich. Offensichtlich hat bei der Saheldürre auch die Aerosolbelastung der nördlichen Hemisphäre eine Rolle gespielt. Der Vegetationsbedeckung kommt ebenfalls eine gewisse Bedeutung zu, allerdings eher als Rückkopplungseffekt (Genaueres s. Sahel-Dürre und Desertifikation und Klimawandel).
Ostafrika
Auch Ostafrika hat unter der Sahel-Dürre der 1970er und 1980er Jahre gelitten, wurde aber auch später von Dürren heimgesucht und auch häufig von Überschwemmungen. So ereigneten sich nach einer starken Dürre im Jahre 2005 über weite Teile der Region gewaltige Überschwemmungen mit teilweise zahlreichen Toten in Somalia, Äthiopien, Kenia und Tansania im darauf folgenden Jahr 2006. Auch 2011 kam es zu einer Dürre, die weite Teile Kenias, Somalias und Äthipiens betraf und eine große Hungersnot auslöste, gefolgt wenige Monate später von heftigen Regenfällen in Kenia und Uganda. Verantwortlich für die häufigen Extremereignisse sind die besonderen klimatischen Bedingungen Ostafrikas.
Wie in den übrigen Regionen des tropischen Afrika wird der Niederschlag auch in Ostafrika von der Wanderung der Innertropischen Konvergenzzone (ITC) mit dem Sonnenstand geprägt. Im äquatorialen Ostafrika gibt es daher zwei Regenzeiten im Jahr, die sog. lange Regenzeit im März bis April, wenn die ITC langsam nordwärts wandert, und die sog. kurze Regenzeit im Oktober und November bei der Wanderung der ITC nach Süden. Dazwischen liegen im Nordsommer und -winter zwei Trockenzeiten.
Damit im Zusammenhang hat die Monsunzirkulation einen bedeutenden Einfluss, die wiederum nicht nur vom Stand der Sonne, sondern auch von den Verhältnissen über dem angrenzenden Indischen Ozeans bestimmt wird. Schwankungen der Meeresoberflächentemperatur im westlichen Indischen Ozean beeinflussen auch die Niederschläge über Ostafrika. So verstärken sich die Regenfälle in der kurzen Regenzeit im Oktober und November, wenn die Meeresoberflächentemperaturen im westlichen Indischen Ozean besonders hoch sind. Der Hauptgrund liegt in der höheren Verdunstung über dem Ozean, durch die der Wasserdampfgehalt der Atmosphäre stark erhöht wird und sich bei östlichen Winden über dem Land ausregnen kann.[11] Daneben spielen auch Fernwirkungen von ENSO-Ereignissen eine Rolle, die die Verhältnisse des Indischen Ozeans beeinflussen.
Die Folge einer Erwärmung des Oberflächenwassers im westlichen Indischen Ozean ist ein geringerer Luftdruck über dem Ozean und den angrenzenden Landgebieten Ostafrikas. Das führt zu stärkeren östlichen Winden, die vom Meer her wasserdampfgesättigte Luft einströmen lassen und Niederschläge bringen.[11] Höhere Temperaturen im westlichen Indischen Ozean resultieren nach Beobachtungen und Modelluntersuchungen entsprechend in höheren Regenfällen. Das Ergebnis ist bisher eine Zunahme der Niederschläge im nördlichen (Äthiopien, Somalia, Kenia, Nord-Uganda) und eine Abnahme im südlichen Bereich (Tanzania, südöstlicher Kongo, SW-Uganda) Ostafrikas, da die Regenzeit im Norden früher, im Süden später einsetzt.[12]
- s. Hauptartikel Klimaänderungen in Ostafrika
Südafrika
Klimaschwankungen in Südafrika werden stark durch die angrenzenden Ozeane beeinflusst, aber auch durch ENSO-Ereignisse. Allgemein führen El-Niño-Ereignisse zu unterdurchschnittlichen Niederschlägen über große Teile des südlichen Afrika. Die Niederschläge fallen in Südafrika hauptsächlich im Süd-Sommer in der Regenzeit von November bis April, wenn die Sonne am höchsten steht. Eine Ausnahme ist der extreme Südwesten Südafrikas, der seine Niederschläge durch Tiefdruckzellen im Süd-Winter erhält.[5]
Im südlichen Afrika sind die Verhältnisse am besten in der Republik Südafrika untersucht. Südafrika gehört mit durchschnittlich 450 mm Niederschlag im Jahr (globaler Durchschnitt: 860 mm) und einer sehr hohen Verdunstung zu den semiariden Gebieten in der Welt. Die Niederschläge sind regional mit bis zu 1000 mm im Osten und weniger als 100 mm im Westen allerdings sehr unterschiedlich verteilt, wobei jedoch nur 10 % des Landes mehr als 750 mm pro Jahr erhalten. Aufgrund der relativ hohen Temperaturen verdunstet das meiste Wasser. Nur 8,5 % der Niederschläge bzw. 42 mm/Jahr (Afrika insgesamt: 139 mm/Jahr, Welt: 330 mm/Jahr) fließen ab. Insofern hat der Temperaturanstieg um über 0,5 °C zwischen 1960 und 2003 die Wasserproblematik verschärft.[13]
Einzelnachweise
- ↑ IPCC (2007): Climate Change 2007, Working Group II: Impacts, Adaptation and Vulnerability, Executive Summary
- ↑ Engdaw, M. M., A.P. Ballinger, G.C. Hegerl & A.K. Steiner (2022): Changes in temperature and heat wave over Africa using observational and reanalysis data sets. International Journal of Climatology, 42(2), 1165–1180. https://doi.org/10.1002/joc.7295
- ↑ 3,0 3,1 Giannini, A., M. Biasutti, I.M. Held, A.H. Sobel (2008): A global perspective on African climate, Climatic Change 90, 359-383
- ↑ 4,0 4,1 IPCC AR6 WGI (2021): Atlas. In Climate Change 2021: The Physical Science Basis. Atlas 4
- ↑ 5,0 5,1 IPCC (2013): Climate Change 2013, Working Group I: The Science of Climate Change, 14.8.7
- ↑ WMO (2021): Stage of the Climate in Africa. 2020
- ↑ 7,0 7,1 IPCC AR6, WGII (2022): Impacts, Adaptation and Vulnerability, 9.5
- ↑ Nicholson, S.E., C. Funk & A.H. Fink (2018): Rainfall over the African continent from the 19th through the 21st century. Global Planet. Change 165, 114–127
- ↑ IPCC (2007): Climate Change 2007, Working Group II: Impacts, Adaptation and Vulnerability, 9.2.1
- ↑ Hoerling, M. & A. Kumar (2003): The Perfect Ocean for Drought, Science 299, 691-694
- ↑ 11,0 11,1 Ummenhofer, C.C., A.S. Gupta, and M.E. England (2009): Contributions of Indian Oceans Sea Surface Temperature to Enhanced East African Rainfall, Journal of Climate 22, 993-1013
- ↑ IPCC (2007): Climate Change 2007, Working Group I: The Science of Climate Change, 3.7.4; IPCC (2007): Climate Change 2007, Working Group II: Impacts, Adaptation and Vulnerability, 9.2.1
- ↑ Benhin, J.K.A. (2008): South African crop farming and climate change: An economic assessment of impacts, Global Environmental Change 18, 666-678
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