Langfristige Klimaprojektionen

Aus Klimawandel
Abb. 1: a) Entwicklung der Kohlendioxidkonzentration und der Temperatur nach RCP-Szenarien bis 2300. In b) zeigen die dicken Linien das Mittel der Modelle, die Farbbereiche und die Balken am Rand die Streuung der Modelle.

Die Diskussionen über den Klimawandel drehen sich zeitlich normalerweise um die letzten 150 Jahre und das 21. Jahrhundert. Die Beschränkung auf den zu erwartenden Klimawandel bis zum Jahr 2100 war ursprünglich durch die begrenzten Rechenkapazitäten der Vergangenheit bedingt und hat den falschen Eindruck erweckt, dass der durch den Menschen verursachte Klimawandel ein Problem des 21. Jahrhunderts ist. Der Blick auf die 250 Jahre von 1850 bis 2100 verdeckt jedoch einige der grundlegenden Probleme, die mit dem Klimawandel verbunden sind. Denn die klimapolitischen Entscheidungen der nächsten Jahre bis Jahrzehnte werden Auswirkungen auf das globale Klima, Ökosysteme und menschliche Gesellschaften bis in die nächsten Jahrtausende und danach haben.[1] Die langfristigen Folgen heutiger Emissionen sind vor allem durch zwei Faktoren bedingt.

  1. durch die lange Verweilzeit einiger Treibhausgase in der Atmosphäre, vor allem von Kohlendioxid, und
  2. durch die langsame Reaktion des Ozeans und der großen Eisschilde auf Änderungen des Klimas.


Das Klima bis 2300

Die Modellsimulationen über das Klima der Zukunft reichen in der Regel bis zum Ende des 21. Jahrhunderts. Ihnen liegen verschiedene Szenarien über die künftige Entwicklung der Emission oder der Konzentration von Treibhausgasen und des dadurch bedingten Strahlungsantriebs zugrunde. In dem 5. Bericht des Weltklimarates IPCC von 2013 wurden auf der Grundlage der RCP-Szenarien allerdings auch einige Rechnungen bis 2300 durchgeführt. Je nach Szenario nimmt dabei bis 2300 die CO2-Konzentration mehr oder weniger stark zu, z.B. bei dem niedrigen Szenario RCP4.5 auf etwas über 500 ppm oder bei dem hohen Szenario RCP8.5 auf 2000 ppm. Die globale Mitteltemperatur liegt bei RCP4.5 bei wenig über 2 °C, bei dem Szenario RCP8.5 bei ca. 7 °C über dem Wert der Zeit um 2000 (Abb. 1). Nur bei dem Szenario RCP2.6, das eine Temperaturerhöhung von unter 2 °C unter dem vorindustriellen Wert bis 2100 ermöglichen soll, sinkt der globale Mittelwert nach der Mitte des 21. Jahrhunderts und liegt um 2300 bei 0,6 °C über der Temperatur um 2000.[2]

Nach dem aktuellen 6. Bericht des IPCC liegen die mit neuen Szenarien, den sog. SSP-Szenarien, und bezogen auf die Basis von 1850-1900 berechneten Werte deutlich höher. Nach dem Szenario SSP5-8.5 würde die globale Mitteltemperatur um 2300 bei 9,6 °C (bei einer Spannweite von 6,6-14,1 °C) liegen, bei dem Szenario SSP3-7.0 bei 8,2 °C und bei dem mittleren Szenario SSP2-4.5 bei 3,3°C. Das sind Werte, die die Erde in die geologisch wärmsten Phasen der Erdneuzeit vor Beginn des Eiszeitalters zurückversetzen würde. So lagen die globalen Mitteltemperaturen im frühen Eozän vor ca. 50 Mio. Jahren um 10-18 °C über vorindustriell, im Miozän um 5-10 °C und im mittleren Pliozän vor ca. 3 Mio. Jahren um 2-3 °C. Nur bei dem Szenario SSP1-2.6, nach dem bis 2100 2 °C nicht überschritten werden, wäre es mit 1,5 °C nur wenig wärmer als gegenwärtig.[3]

Abb. 2: Entwicklung der Kohlendioxidkonzentration und der Temperatur bis 3000 bei stabiler COsub>2-Konzentration ab 2300. In b) zeigen die dicken Linien das Mittel der Modelle, die Farbbereiche und die Balken am Rand die Streuung der Modelle.

Das Klima bis 3000 bei konstanter Treibhausgaskonzentration

Für Untersuchungen des Klimawandels über das Jahr 2300 hinaus erscheinen Emissions- oder Konzentrations-Szenarien, die aus heutiger Perspektive konzipiert werden, nicht mehr sinnvoll zu sein. Ihre Abschätzung besitzt keine realistische Basis mehr, z.B. weil die fossilen Rohstoffvorräte der Erde endlich sind. Man verlässt daher die Welt der üblichen Szenarien und untersucht die Entwicklung des Klimas unter angenommenen idealen Bedingungen wie z.B. der Stabilisierung der Treibhausgaskonzentration und damit des Strahlungsantriebs ab einem bestimmten Zeitpunkt oder der plötzlichen Beendigung von anthropogenen Emissionen.

Um die Reaktion des Klimasystems auf solche konstruierten Bedingungen zu untersuchen, wurde z.B. die Treibhausgaskonzentration ab dem Jahr 2000 konstant gehalten. Klimamodelle berechneten dabei eine weitere Erhöhung der globalen Mitteltemperatur von 0,6 °C bis 2100.[2] Da in diesem theoretischen Experiment die Treibhausgaskonzentration nach 2000 gleich bleibt, bedeutet das, dass die Erwärmung durch den anthropogenen Treibhausantrieb im Jahr 2000 noch nicht vollständig realisiert ist. Es fehlen noch mindestens 0,6 °C bzw. 40 % der Erwärmung, wahrscheinlich mehr, weil auch nach 2100 die Temperaturzunahme noch etwas weitergehen wird. Der Grund für die verzögerte Erwärmung ist vor allem die Speicherung der zusätzlichen Energie im Ozean, der einen Teil der Erwärmung der Atmosphäre durch Treibhausgase aufnimmt und sie stark verzögert an die Atmosphäre wieder abgibt.

Die Treibhausgaskonzentration des Jahres 2000 ist jedoch bereits Geschichte. Sie lag für CO2 bei 370 ppm, heute (2016) dagegen schon bei über 400 ppm. Zur Untersuchung der Reaktion des Klimasystems auf eine stabile Konzentration von Treibhausgasen werden daher weiter in der Zukunft liegende Verhältnisse zugrunde gelegt. Zumeist geht man von der Treibhausgaskonzentration aus, die sich aus der Berechnung der RCP-Szenarien bis 2300 ergibt. Der Einfachheit halber wird dabei nur die CO2-Konzentration betrachtet, da die anderen Treibhausgase eine kürzere Lebensdauer haben oder ihr Anteil zunehmend zurückgeht. Je nach Szenario nimmt dabei bis 2300 die CO2-Konzentration mehr oder weniger stark zu, z.B. bei RCP4.5 auf etwas über 500 ppm oder bei RCP8.5 auf 2000 ppm, und wird dann bis 3000 bei diesem Wert gehalten (Abb. 2).[2] Um 2300 liegt die globale Mitteltemperatur bei RCP4.5 bei ca. 2 °C, bei RCP8.5 bei ca. 7 °C über dem Wert der Zeit um 2000 (Abb. 2). Obwohl die Treibhausgaskonzentration nicht weiter steigt und damit auch der Strahlungsantrieb gleich bleibt, nimmt die Temperatur dennoch zwischen 2300 und 3000 noch um 0,3 °C bzw. 0,8 °C zu.[4] 2300 sind bei dem Szenario RCP4.5 lediglich 75 % der Erwärmung erfolgt, bei RCP8.5 sind es 85 %.[2]

Entwicklung der Kohlendioxidkonzentration bis 3000 nach Beendigung der CO2-Emission im Jahr 2300
Abb. 3: Temperaurveränderungen 2000 bis 3000 nach Beendigung der CO2-Emissionen im Jahr 2300

Das Klima bis 3000 nach Beendigungen der Treibhausgasemissionen

Eine andere Festlegung besteht darin, dass die Emissionen abrupt beendet werden (Null-Emissions-Szenario), während sich die Konzentration frei weiterentwickelt. Auch dieses Szenario ist nicht realistisch, erlaubt aber Einsichten in die Reaktion des Kohlenstoffkreislaufs und des Klimasystems auf Änderungen der Emission. Zwei Dinge fallen dabei auf (Abb. 3):

  1. Obwohl die Emissionen gestoppt werden und sich damit etwa so verhalten wie vor der Industrialisierung, fällt die CO2-Konzentration bis zum Jahr 3000 nur langsam ab.
  2. Noch weniger reagiert die globale Mitteltemperatur auf das Ende der Treibhausgasemissionen und nimmt nur sehr geringfügig ab.

Der bis 2300 stark gestiegene CO2-Gehalt in der Atmosphäre wird nur langsam durch die Aufnahme des Kohlendioxids durch Landvegetation und Ozean abgebaut. Beträgt die CO2-Konzentration nach dem RCP4.5-Szenario in 2300 ca. 520 ppm und nach dem Szenario RCP8.5 ca. 2000 ppm, so sinkt der Wert in den nächsten 700 Jahren bis zum Jahr 3000 auf 440 ppm bzw. auf 1560 ppm.[4] Allgemein befinden sich nach ca. 1000 Jahren noch 20-30 % des ursprünglich in der Atmosphäre angesammelten Kohlenstoffs auch noch weiterhin dort.[2] Wie lange klimarelevante Gase nach dem Ende der Emission in der Atmosphäre verbleiben, ist sehr unterschiedlich. Aerosole haben eine Lebensdauer von Wochen, Methan von etwa 10 Jahren, Distickstoffoxid von ca. 100 Jahren, das wichtige FCKW CFC-12 ebenfals ca. 100 Jahre. Bei CO2 ist die Sachlage kompliziert, da es durch eine Reihe von physikalischen und biochemischen Prozessen aus der Atmosphäre im Ozeanwasser gelöst und auf dem Land, aber auch im Meer, durch Photosynthese gespeichert wird. Sowohl der Ozean wie die Landvegetation geben Kohlendioxid an die Atmosphäre aber auch wieder ab. Bei einer Emission von z.B. 1000 PgC wird zwar die Hälfte schon nach wenigen Jahrzehnten entfernt, der Rest verbleibt jedoch wesentlich länger in der Atmosphäre.

Entsprechend nimmt auch die Temperatur nach 2300 nur geringfügig ab bzw. bleibt nahezu konstant, obwohl die Emissionen auf das vorindustrielle Niveau zurückgesetzt werden. Im Jahr 3000 sind 85 % (bei RCP4.5) bis 99 % (bei RCP8.5) der Erwärmung bis 2300 noch immer in der bodennahen Lufttemperatur nachweisbar. Die Temperatur nimmt also langsamer ab als der CO2-Gehalt. Die Ursache sind zwei gegenläufige Effekte: Zum einen geht die Erwärmung aufgrund der abnehmenden Treibhausgaskonzentration zwar zurück. Zum anderen wird dieser Rückgang jedoch verzögert durch die langsame Wärmeabgabe des Ozeans.[4]

Einzelnachweise

  1. Clark, P.U., et al. (2016): Consequences of twenty-first-century policy for multi-millennial climate and sea-level change, Nature Climate Change, DOI: 10.1038/NCLIMATE2923
  2. 2,0 2,1 2,2 2,3 2,4 IPCC (2013): Climate Change 2013, Working Group I: The Science of Climate Change, 12.5.1
  3. IPCC (2021): Climate Change 2021, Working Group I: The Science of Climate Change, 4.7.1.2 und Table 4.9
  4. 4,0 4,1 4,2 Zickfeld, K., et al. (2013): Long-term climate change commitment and reversibility: An EMIC intercomparison. J. Clim., doi:10.1175/JCLI-D-12-00584.1

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