Globale Zirkulationsmodelle

Aus Klimawandel

Die Forschungen auf dem Gebiet der Wettervorhersage und dem des Klimas verliefen eine Zeit lang wegen der unterschiedlichen Fragestellungen unabhängig voneinander. Erst im Laufe der 1970er Jahre wurden die Wettervorhersagemodelle auch für die Klimaforschung eingesetzt. In der Weiterentwicklung entstanden die heutigen komplexen Modelle für die sogenannte „allgemeine Zirkulation“ (der Begriff „allgemein“ steht hier für „global“, auf Englisch: General Circulation Models oder kurz: GCMs). Ihre Basis liegt also in der stetig erfolgreich weiterentwickelten numerischen Wettervorhersage.

Komplexität und Kopplung

Bei den Modellen, die heute dazu benutzt werden, das Klima des 21. Jahrhunderts zu projizieren oder auch das des 20. Jahrhunderts oder der letzten 1000 Jahre nachzurechnen, handelt es sich um sehr komplizierte und rechenaufwändige Computermodelle. Sie stellen die einzelnen Subsysteme des Klimasystems (die Atmosphäre, den Ozean, Eis und Schnee, die Vegetation und den Boden) oder sogar einzelner Komponenten der Subsysteme in getrennten Modellen dar, die miteinander gekoppelt werden (Abb. 1).

Dabei werden die physikalischen und biogeochemischen Prozesse in den Subsystemen und die Kopplung zwischen den einzelnen Subsystemen so genau wie möglich beschrieben. Atmosphäre und Ozean sind die wichtigsten Komponenten des Klimasystems. Klimamodelle, die die klimarelevanten Prozesse für die ganze Erde abbilden, werden Globale oder Allgemeine Zirkulationsmodelle, abgekürzt GCMs (nach engl. General Circulation Models), genannt. Ein globales Atmosphärenmodel wird in der englischsprachigen Abkürzung als AGCM (Atmosphere General Circulation Model), ein globales Ozeanmodell als OGCM, ein gekoppeltes Atmosphären-Ozean-Model als AOGCM bezeichnet.

Abb. 1: Schema eines gekoppelten Ozean-Atmosphäremodells mit weiteren angegliederten Modellen

Ein Atmosphärenmodell berechnet die atmosphärischen Parameter wie ein- und ausgehende Strahlung, Lufttemperatur, Luftdruck, spezifische Feuchte, Wind usw. Es berechnet Prozesse wie z. B. Wolkenbildung und –bedeckung näherungsweise und über die Dynamik der Atmosphäre die Wechselwirkungen zwischen allen Parametern.

Ein Ozeanmodell simuliert z.B. die Wassertemperatur, den Salzgehalt, die Meeresströmungen sowie biogeochemische Prozesse. Über den Austausch von Energie (Strahlung sowie fühlbare und latente Wärmeflüsse), Impuls (Windschub) und Stoffflüsse (z.B. Verdunstung und Niederschlag) sind beide Modellkomponenten miteinander verbunden. Diese müssen möglichst realitätsnah berechnet werden, um die Wechselwirkungen zwischen Ozean und Atmosphäre korrekt abzubilden.

Zunehmend werden heute in komplexen Klimamodellen weitere Komponenten berücksichtigt. Aufbau- und Abschmelzprozesse von Land- und Meereis werden in einem Modul für die Kryosphäre beschrieben. Die Kryosphäre ist der Bereich der Erdoberfläche, der von Eis oder Schnee bedeckt ist; dazu gehören Meereis, Inlandeis, Schelfeis, Gebirgsgletscher, Eis in Permafrostböden und mit Schnee bedeckte Flächen. Vorgänge im Zusammenhang mit der Vegetation sowie Grundwasser- und Bodeneigenschaften werden in einem Landmodul beschrieben.

Um chemische oder biologische Prozesse in Atmosphäre, Ozean oder Biosphäre (der Bereich der Erde, in dem Leben vorkommt) interaktiv mit dem System zu verbinden, gibt es weitere Module, z.B. für den Kohlenstoffkreislauf. Auch globale Spurenstoffkreisläufe von Ozon und anderen reaktiven Spurengasen in der Atmosphäre werden in eigenen Modulen berücksichtigt.

Die Kopplung dieser Systeme stellt eine besondere Herausforderung dar. So war die Kopplung zwischen dem trägen Ozean und der sich schnell ändernden Atmosphäre für die Modellierer lange Zeit ein ungelöstes Problem, das man über fast 30 Jahre lang mit einer unphysikalischen Korrektur der Austauschflüsse zwischen beiden Systemen, einer sog. Flusskorrektur, notdürftig überbrückte. Dank höherer Computerleistungen sind heute jedoch nahezu alle GCMs in der Lage, auf die Flusskorrektur zu verzichten.[1][2]

Abb. 3: Europa und der Nordatlantik bei unterschiedlicher Modellauflösung. Verglichen werden hier die vier Berichte des IPCC, die im Abstand von einigen Jahren erschienen sind. Die Kürzel stehen dabei für First, Second und Third Assessment Report, sowie Assessment Report 4.

Auflösung und Parametrisierung

Aufgrund der limitierten Rechenkapazität kann in Klimamodellen nicht jedes Luft- und jedes Wasserteilchen an jedem Punkt der Erde dargestellt werden. Daher wird die Erde mit einem dreidimensionalen Gitter überzogen, d.h. Atmosphäre und Ozean werden in Gitterzellen zerlegt, und nur für die Dynamik an den Gitterpunkten Gleichungen erstellt. Wie gut auf diese Weise das wirkliche Klima simuliert wird, hängt unter anderem von der Maschenweite des Gitternetzes ab, die wiederum eine Folge der verfügbaren Computerleistung ist. Für den Bericht des Weltklimarates IPCC von 2007 wurden die meisten globalen Modelle mit einer Auflösung von ungefähr 200x200 km gerechnet, für den nächsten Bericht, der 2013 erscheinet, wird eine geringere Auflösung angestrebt. Abb. 3 zeigt die Maschenweite typischer Klimamodelle, die für die Klimazustandsberichte des IPCC verwendet wurden.

Die begrenzte Auflösung verursacht bei der Modellierung noch weitere Schwierigkeiten. Viele kleinräumige Prozesse wie etwa die Bildung und Auflösung von Wolkentröpfchen können nicht dargestellt werden.[3] Solche Prozesse müssen daher parametrisiert werden; d.h. ihre Effekte auf die großskaligen Prozesse, die von dem Modellgitter aufgelöst werden, müssen geschätzt werden. Gerade bei Wolken ist das eine ziemlich kritische Angelegenheit. Wolken bedecken 60 % der Erdoberfläche. Sie beeinflussen die Strahlungsbedingungen, erzeugen Niederschläge und verändern die kleinräumige Zirkulation. Wolken sind für zwei Drittel der planetaren Albedo von 30 %, d.h. der Reflexion der Solarstrahlung durch die Erdoberfläche, verantwortlich. Würde diese Albedo auch nur auf 29 % gesenkt, würde sich dadurch die Temperatur um 1 °C erhöhen. Dennoch sind das Ausmaß und sogar das Vorzeichen der Wirkung von Wolken bei einer Klimaänderung immer noch höchst unsicher. Die unterschiedliche Behandlung von Wolken erklärt daher einen Großteil der Differenzen verschiedener Modellsimulationen bei ein und demselben Szenario.[4]

Abb. 4: Chronologie der Klimamodellentwicklung

Die Entwicklung globaler Zirkulationsmodelle

Die Entwicklung der globalen Zirkulationsmodelle ist wesentlich an die Entwicklung der Computerkapazitäten gebunden. Erst die Forschritte in der Rechenleistung großer Computeranlagen haben es ermöglicht, dass sich die Komplexität der Modelle, die Länge der Simulation und die räumliche Auflösung steigern ließen. Die ersten Modellrechnungen wurden mit reinen Atmosphärenmodellen durchgeführt, die aus Wettermodellen abgeleitet wurden. Seit den 1960er Jahren wurden Atmosphären- und Ozeanmodelle miteinander gekoppelt, zunächst mit einem flachen Ozean ohne Ozeandynamik. In den folgenden Jahren wurden Modelle der Atmosphäre und des Ozeans getrennt weiterentwickelt. Bei der späteren Kopplung mit einem vollständigen Ozeanmodell gab es spezifische Schwierigkeiten. Die Modelle gaben den Energie-, Wasser- und Bewegungsfluss zwischen Ozean und Atmosphäre nicht korrekt wieder, was zu einem Abdriften des gekoppelten Modells in einen unrealistischen Zustand führte. Aus diesem Grund führte man die oben schon erwähnte Flusskorrektur ein, die dieses Problem auf künstliche Weise behob. Seit dem 3. Bericht des Weltklimarates IPCC von 2001 wurden dann zunehmend Modelle benutzt, die keine Flusskorrektur mehr benötigten.[5]

Abb. 5: Konzept eines Erdsystemmodells

Seit den 1990er Jahren wurden immer mehr Komponenten des Klimasystems miteinbezogen und die Modelle wurden immer komplexer (Abb. 4). So wurden Anfang der 1990er Jahre Modellrechnungen durchgeführt, die auch die Wirkung der in der Summe abkühlend wirkenden Aerosole berücksichtigten. Außerdem wurden Modelle für den ozeanischen und terrestrischen Kohlenstoffkreislauf entwickelt und in gekoppelten Simulationen für den letzten Bericht des Weltklimarates IPCC von 2007 genutzt. Eine dynamische Vegetation und die Chemie der Atmosphäre sind die jüngsten Bausteine der Modellentwicklung.[2] Besonders die Einbeziehung einer dynamischen Landvegetation, die mit der Atmosphäre in Wechselwirkung steht, ist ein bedeutender Schritt hin zu einem sog. Erdystemmodell (Abb. 5), auch als ESM bezeichnet.[6] Damit konnten die Wechselwirkungen wichtiger geophysischer und geochemischer Prozesse im Klimasystem modelliert und Atmosphäre, Biosphäre, Hydrosphäre , Lithosphäre (die Gesteinsschicht), Kryosphäre und die Anthroposphäre (die durch den Menschen bestimmten Aktivitäten und Veränderungen) mit ihren Treibhausgasemissionen verbunden werden. Angestrebt wird die Entwicklung zu einem Modell des "Systems Erde", das möglichst alle Komponenten des Klimasystems einschließlich ihrer Rückkopplungen und der externen Störungen simuliert. Ein solches Erdsystemmodell, das enorm viel Rechenkapazität erfordert, könnte künftig auch die Rückwirkungen auf die menschliche Gesellschaft darstellen.

Einzelnachweise

  1. IPCC (2007): Climate Change 2007, Working Group I: The Science of Climate Change, 1.5.3.
  2. 2,0 2,1 Stocker, T. (2008): Einführung in die Klimamodellierung (PDF-Datei; 150 Seiten, Universität Bern, Vorlesung 2008
  3. Müller, P. (2010): Constructing climate knowledge with computer models, WIREs Climate Change 1, 565-580
  4. IPCC (2007): Climate Change 2007, Working Group I: The Science of Climate Change, 1.5.2.
  5. IPCC (2007): Climate Change 2007, Working Group I: The Science of Climate Change, 1.5.
  6. Levis, S. (2010): Modeling vegetation and land use in models of the Earth System, WIREs Climate Change 1, 840-856

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