Hitzewellen

Aus Klimawandel
Abb. 1: Hitzewelle 2018: Änderung des Blattindex (Grünfärbung) infolge der Hitzewelle 2018 im nordwestlichen Mitteleuropa im Vergleich zu 2017, Satellitenaufnahmen vom 24. Juli 2018 (oben) und 19. Juli 2017 (unten).

Hitzewellen gehören mit Dürren, Starkniederschlägen, Tropischen Wirbelstürmen und Außertropischen Stürmen zu den Wetterextremen, die möglicherweise durch den Klimawandel verstärkt oder häufiger auftreten werden. Hitzewellen zählen zu den tödlichsten Naturkatastrophen und haben Auswirkungen auf die menschliche Gesundheit, Ökosysteme, die Landwirtschaft und die Ökonomie. Betroffen sind die Außenarbeit, die soziale Stabilität, die Infrastruktur durch z.B. einen erhöhten Strombedarf, der zugleich, z.B. durch ausfallende Kühlung von Atomkraftwerken, weniger gedeckt werden kann. Vielfach kommt es bei Hitzewellen durch das Zusammentreffen von extremen Temperaturen, Dürren und Waldbränden zu zusammengesetzten Extremereignissen. Für die menschliche Gesundheit ist auch die Luftfeuchtigkeit bei Hitzewellen von Bedeutung, die die gefühlte Temperatur erhöht.[1]

Definitionen

Unter einer Hitzewelle versteht man eine längere Periode mit ungewöhnlich hohen Temperaturen. Es gibt keine allgemein gültige Definition für eine Hitzewelle, da der Begriff vom üblichen Wetter der jeweiligen Region abhängig ist. Was in einem heißen Klima als normales Wetter erscheint, wird in einem kühleren Klima als Hitzewelle erlebt. Daher gelten absolute Kriterien immer nur für eine bestimmte Region. Für Deutschland wird von manchen Forschern eine Folge von mindestens fünf Tagen mit einem Tagesmaximum von im Mittel mindestens 30 oC als Hitzeepisode verstanden.[2] Auch wenn man von regional unterschiedlichen Maximalwerten ausgeht und eine bestimmte Überschreitung von z.B. 5 °C als Schwellenwert für eine Hitzewelle festlegt, ist eine globale Vergleichbarkeit nur begrenzt gegeben, da die Schwankungen der Tagestemperaturen in den Tropen viel geringer sind als etwa in den mittleren Breiten. Vielfach wird daher auf relative Bestimmungen zurückgegriffen, z.B. auf die Höhe der Standardabweichung,[3] auf die Wiederkehrperiode[4] oder das Überschreiten bestimmter Perzentilwerte[5].

Hitzewellen können ernsthafte Auswirkungen auf die Landwirtschaft haben, Waldbrände hervorrufen, die Wasserversorgung und die Gesundheit von Menschen gefährden. Bei solchen Wirkungen von Hitzewellen sind jedoch auch die Dauer der aufeinander folgenden heißen Tagen und die Luftfeuchtigkeit von entscheidender Bedeutung. Gerade für die menschliche Gesundheit sind lang anhaltende Hitzewelle gepaart mit hoher Schwüle wesentlich belastender als wenige und trockene heiße Tage. Neuere Indizes beziehen daher auch die Dauer einer Hitzewelle und die relative Luftfeuchtigkeit mit ein. So wurden Hitzewellenindizes entwickelt, nach denen bei einer Hitzewelle über einen Zeitraum von drei aufeinander folgenden Tagen ein bestimmter Grenzwert überschritten wird. Und für Regionen mit hoher Luftfeuchtigkeit wird oft die gefühlte Temperatur zugrunde gelegt, die aus Temperatur und relativer Luftfeuchtigkeit abgeleitet ist. So wird bei einer gemessenen Temperatur von 35 °C und einer relativen Feuchte von 50 % eine gefühlte Temperatur von 40 °C erreicht. Die Gefahr solcher „feuchten Hitzewellen“, bei denen der menschliche Körper sich kaum noch durch Schwitzen abkühlen kann, besteht für einige stark besiedelte Regionen wie Indien, den Osten der USA und das östliche China in hohem Maße. Auch gefühlte Spitzentemperaturen von 55 °C könnten hier bei einer Erhöhung der globalen Mitteltemperatur von 4 °C in der Zukunft möglich werden, mit zahlreichen Todesfällen vor allem bei Menschen über 65 Jahren.[6] Durch die Verbesserung der Gesundheitssysteme, die zunehmende Verbreitung von Klimaanlagen und Verhaltensänderungen in zahlreichen Ländern sind in jüngster Zeit die Opferzahlen durch Hitzewellen allerdings zurückgegangen.[7]

Hitzewellen weltweit

Abb. 2: Zunahme heißer Tage (>90 %-Perzentil) 1950 bis 2018 in Tage pro Jahrzehnt. Grau: fehlende Daten, gepunktet: signifikante Trends.

In den letzten Jahrzehnten sind einige Hitzewellen mit zahlreichen Todesfällen im Zusammenhang mit der globalen Erwärmung diskutiert worden, z.B. die Hitzewelle 2003 in Europa. Der extrem heiße Sommer 2003 in Europa hat nach Einschätzung der World Health Organization (WHO) und anderen Untersuchungen in allen betroffenen Ländern zusammen etwa 70 000 zusätzliche Todesopfer zur Folge gehabt.[8][9] Nicht weniger schwerwiegend war die Hitzewelle 2010 im westlichen Russland. Hier lagen im Juli und August die Temperaturen in vielen Städten über eine längere Periode bei 40 °C und damit um 10 °C über dem Mittel der früheren Sommertemperaturen. Eine Folge waren großflächige Wald- und Torfbrände und ca. 55 000 Tote.[10] Weitere Hitzewellen ereigneten sich in den letzten 10 Jahren besonders in Europa, im Nahen Osten, in Nordamerika und in Südasien. Auch Australien erlebte in letzter Zeit zahlreiche Hitzewellen: z.B. im Februar 2004, im April 2005, im November 2006, im Januar und November 2009. 2013 wurde das bis dahin heißeste Jahr in Australien, mit einer Hitzewelle sowohl am Anfang wie am Ende des Kalenderjahres, wobei letztere bis in den Januar 2014 hineinreichte. In Queensland wurde die Rekordtemperatur von 49,3 °C gemessen.[11]

Abb. 3: Klimaänderung und Extreme

Globale Erwärmung

Das globale wie das europäische Klima der letzten Jahrzehnte haben sich zunehmend zu wärmeren Bedingungen hin entwickelt. Global beträgt die Erhöhung der bodennahen Mitteltemperatur des Jahrzehnts 2012-2022 im Vergleich zur vorindustriellen Zeit (1850-1900) 1,15 Grad Celsius. Eine solche Erwärmung hat es in den letzten 1000 Jahren wahrscheinlich nicht gegeben. Seit dem Ende der 1970er Jahre hat sich das Tempo der Erwärmung noch einmal deutlich erhöht und lag zu Beginn des 21. Jahrhunderts bei ca. 0,2 °C pro Jahrzehnt.[12] Von den zehn wärmsten Jahren der gesamten Periode liegen alle bereits in den 2010er Jahren und danach. Die Temperaturen in Europa sind zwischen 1991 und 2021 um 0,5 °C pro Jahrzehnt angestiegen und damit mehr als doppelt so stark wie das globale Mittel. Europa ist damit der Kontinent, der sich am stärksten erwärmt hat.[13] Höhere Durchschnittstemperaturen machen aber auch häufigere und stärkere Extremereignisse wahrscheinlicher (s. Abb. 3).

Zunahme von Hitzewellen

Abb. 4: Änderung der Verbreitung von heißen (0,43 Standardabweichungen), sehr heißen (2 Standardabweichungen) und extrem heißen (3 Standardabweichungen) Sommern auf der Landoberfläche der Nordhalbkugel.
Abb. 5: Anteil der heißen Tage und Nächte pro Jahr in armen (blau) und wohlhabenden (rot) Ländern. Gezeigt wird die Zunahme von solchen heißen Tagen und Nächten, die im Zeitraum 1961-1990 zu den 10 % heißesten Tagen bzw. Nächten pro Jahr gehört haben.

Trends

Allgemein haben in den letzten Jahrzehnten die Zahl der kalten Nächte und Tage deutlich ab- und die der warmen Nächte und Tage zugenommen. Nur weniger als 1 % der Landgebiete, z.B. das südliche Grönland und das südliche Südamerika, zeigt Abkühlungstendenzen. Ein ähnliches Bild ergibt sich bei den Extremwerten: Kältewellen haben im allgemeinen ab- und Hitzewellen zugenommen.[14] Die extremen Temperaturen sind in den letzten Jahrzehnten stärker gestiegen als die Mitteltemperaturen. In den Regionen mit den stärksten Steigerungen wie Südamerika, Nordafrika, Mittelmeerraum und Südostasien hat sich die Anzahl der warmen Tage und Nächte seit 1970 verdoppelt. Zwischen 1950-2021 sind Hitzewellen zudem ausgedehnter, intensiver und länger geworden. So hat sich der von starken Hitzewellen betroffene Anteil an der Landfläche der Nordhalbkugel im Vergleich zum frühen 20. Jahrhundert verdreifacht. Hinzu kommt, dass auch das Auftreten von gleichzeitigen Hitzewellen auf der Nordhalbkugel in den letzten vier Jahrzehnten um das Siebenfache zugenommen hat. Oft werden Hitzewellen zudem von Dürren und Waldbränden begleitet.[1]

Die Tageshöchsttemperaturen sind besonders in Europa und im nördlichen Südamerika angestiegen. Bei Hitzewellen (Perioden mehrerer aufeinander folgender heißer Tage) haben seit 1950 sowohl die Dauer wie die Intensität zugenommen. Besonders starke Anstiege verzeichnen Europa und Australien, aber auch China und Indien. Auch während der sogenannten „Erwärmungspause“ zwischen 1998 und 2012, als die globale Mitteltemperatur nur mäßig zugenommen hat, haben sich die Temperatur-Extreme weiter verstärkt.[15] Die Minimumtemperaturen, z.B. in der Nacht, steigen dabei stärker an als die hohen Temperaturen tagsüber oder im Sommer und haben sich seit 1950 im globalen Mittel um 4 °C erhöht.[16] Als Folge ist eine deutliche Abnahme von Kälteperioden zu beobachten, was besonders für die mittleren Breiten der Nordhemisphäre zutrifft.[15] Auch Hitzewellen, die von hoher Feuchtigkeit begleitet werden, haben sich global verdoppelt, wobei in Küstenregionen von Südasien, dem Mittleren Osten und dem südwestlichen Nordamerika die Grenze der für den menschlichen Körper erträglichen Temperatur, die sog. Kühlgrenztemperatur von 35 °C, mehrfach überschritten wurde.[1]

Bezeichnend ist, dass gerade die ärmsten Länder von einigen der schlimmsten Folgen des Klimawandels betroffen sind (Abb. 5), obwohl sie kaum zur Emission von Treibhausgasen beigetragen haben. So befinden sich die Temperaturen in diesen zumeist äquatornah gelegenen Ländern bereits heute an der oberen Grenze des menschlichen Wohlbefindens. Die geringen Schwankungen der Temperatur in den Tropen haben zur Folge, dass bereits durch kleine Änderungen bisherige Temperaturextreme überschritten werden. Heiße Tage, die im Zeitraum 1961-1990 zu den 10 % heißesten Tagen pro Jahr gehört haben, nehmen in den armen Ländern auf 22 % zu (bzw. von 37 auf 80 Tage pro Jahr), in den wohlhabenden Staaten dagegen nur von 10 % auf 15 % (von 37 auf 55 Tage pro Jahr). Noch etwas stärker nimmt der Anteil von heißen Nächten pro Jahr in den armen Ländern zu, nämlich von 10 % auf 26 %. Das ist insofern besonders problematisch, weil die Sterblichkeit bei Hitzewellen stark davon abhängt, ob sich der menschliche Körper während der Nacht durch Abkühlung erholen kann.[17]

Erklärungen

Abb. 6: Räumliche und zeitliche Skalen typischer Antriebskräfte von Hitzewellen.

Diese gravierenden Veränderungen können nicht ohne den globalen Klimawandel erklärt werden. So kann diese Entwicklung nur dann in Klimamodellrechnungen simuliert werden, wenn die anthropogenen Antriebe, d.h. die Zunahme der Konzentration von Treibhausgasen in der Atmosphäre, einbezogen werden. Nur aus natürlichen Schwankungen des Klimas kann die beobachtete Zunahme von Hitzewellen in Klimamodellen nicht nachgebildet werden. Nach solchen Modellberechnungen ist die globale Erwärmung für etwa 75% der heißen Tage weltweit verantwortlich. Der anthropogene Treibhauseffekt wirkt durch die langlebigen Treibhausgase auf globaler Ebene und über längere Zeiträume von mehreren Jahren (Abb. 6). Er erhöht die globale Mitteltemperatur und macht damit die Überschreitung bestimmter Temperaturgrenzwerte lokal und regional wahrscheinlicher. Er kann außerdem die Änderung der atmosphärischen Zirkulation auf kontinentalen Dimensionen und zeitlich zwischen Jahren und Monaten beeinflussen, z.B. durch die Abschwächung des Temperaturgegensatzes zwischen höheren und mittleren Breiten. Die Folgen können auf der Nordhalbkugel eine Abschwächung des Jetstreams und über Wochen blockierende Wetterlagen oder sogar eine Aufspaltung des Jetstreams in zwei Stränge sein. Durch die Schwächung des Jetstreams können quasistationäre Hochdruckgebiete mit verstärkter Sonneneinstrahlung entstehen, wodurch wiederum Hitzewellen länger anhalten und stärker ausfallen können. Solche Vorgänge spielen sich räumlich über größere Regionen ab. Ob in diesem Zusammenhang das Abschmelzen des arktischen Meereises eine Rolle spielt, wird oft behauptet, ist aber schwierig nachzuweisen.[1]

In Europa, Nordamerika und Ostasien hat die Zunahme der Aerosolbelastung durch die Verbrennung fossiler Energien zwischen 1950 und 1980 das Auftreten extremer Hitzewellen etwas begrenzt. Durch die anschließende Abnahme der anthropogenen Aerosolbelastung hat sich der Trend zu höheren Temperaturen in den letzten Jahrzehnten jedoch verstärkt. Auf lokaler bis regionaler Ebene besitzen Änderungen der Landbedeckung eine gewisse Bedeutung. Der Ersatz von Wald durch Ackerland kann regional durch die Entstehung hellerer Flächen zu einer Abkühlung führen, wie z.B. im mittleren Westen der USA. Dieselbe Wirkung können größere bewässerte landwirtschaftliche Flächen an warmen Sommertagen durch Verdunstung haben, wie z.B. in Nordindien, wo die Bewässerung nach Modellberechnungen die Wahrscheinlichkeit von lokalen Hitzeextremen halbiert hat. Die entgegengesetzte Wirkung kann durch Wechselwirkungen zwischen Boden, Vegetation und Atmosphäre auf lokaler Ebene entstehen. Ausgetrocknete Böden, etwa durch eine der Hitzewelle vorangegangene Dürre, verringern die Verdunstung, u.a. auch durch die Schädigung der Vegetation, und damit deren Abkühlungseffekt. Die dadurch höheren Temperaturen führen zu weiterer Austrocknung etc. Andererseits kann eine größere Biomasse durch den CO2-Düngungseffekt bei genügend Feuchtigkeit die Verdunstung verstärken. Ist das vor allem im Frühjahr der Fall, kann das eine geringere Bodenfeuchtigkeit im Sommer zur Folge haben.[1]

In jüngster Zeit konnte der Anteil des Klimawandels zunehmend auch an einzelnen Extremereignissen gezeigt werden. Zu dieser Erkenntnis beigetragen hat besonders die Wissenschaft von der Zuordnung einzelner Extremereignisse, die vor allem bei Hitzewellen nachgewiesen hat, dass die extrem hohen Temperaturen der letzen Jahre entscheidend durch den Klimawandel ermöglicht wurden. Nach dem heißen Jahr 2022 erlebten z.B. mehrere Regionen der Nordhalbkugel nach einem heißen Juni 2023 im darauf folgenden Juli extreme Hitzewellen. Nordamerika, Europa und China haben schon in den Jahren davor unter starker Hitze gelitten. Die Hitzewellen im Juli 2023 sind daher unter den gegenwärtigen Klimabedingungen keine große Ausnahme. Ohne den vom Menschen verursachten Klimawandel wären sie jedoch extrem selten. In den USA und Mexiko sowie in Europa wären sie nach Berechnungen der World Weather Attribution (WWA) Initiative ohne die Aufheizung des Klimas durch fossile Brennstoffe praktisch unmöglich, in China ein sehr seltenes Ereignis, dass höchstens alle 250 Jahre einmal vorgekommen wäre. In einer um 2 °C wärmeren Welt würden vergleichbare Hitzewellen alle 2-5 Jahre vorkommen. Hitzewellen mit derselben Auftrittswahrscheinlichkeit wie gegenwärtig wären außerdem ohne den Klimawandel in Südeuropa um bis zu 4 °C kühler und in einer um nur 0,8 °C wärmeren Welt um ca. 2 °C wärmer als heute.[18]

Zukünftige Entwicklung

Sehr wahrscheinlich wird sich das Klima in den nächsten Jahrzehnten weiter erwärmen, und damit werden europäische Sommer wie 2003 oder 2022 häufiger vorkommen. Die globale Mitteltemperatur wird bis zum Jahre 2100 je nach Szenario um 1,5 bis 4,8 °C ansteigen.[19] Es ist praktisch sicher, dass die globale Erwärmung häufigere Hitzewellen über den meisten Landgebieten bewirken wird. Die Hitzewellen werden länger, intensiver, ausgedehnter und häufiger und oft von Dürren begleitet sein. In den letzten Jahrzehnten des 21. Jahrhunderts werden nach dem hohen Szenario RCP8.5 nahezu jedes Jahr Rekord-Hitzewellen über den meisten Landgebieten erwartet. Ein heißer Tag, der unter den gegenwärtigen klimatischen Verhältnissen einmal alle 20 Jahre vorkommt (20jährige Wiederkehrperiode), wird bei einer globalen Erwärmung von 2 °C 2,5mal häufiger auftreten und bei einer 50jährigen Wiederkehrperiode fünf Mal häufiger vorkommen. Besonders dramatische werden die Veränderungen in Hotspot-Gebieten wie dem Mittelmeerraum ausfallen. Die Zunahme der Dauer von Hitzewellen wird sich vor allem in den Tropen bemerkbar machen, während in den mittleren und hohen Breiten durch die Wechselwirkungen mit der Bodenfeuchte vor allem die Intensität zunehmen wird.[1]

Abb. 7: Links: regionale Zunahme der Tage mit Hitzewellen im Vergleich zum Mittel 1981-2010 bei einer globalen Erwärmung um 2,0 °C, rechts: globale Zunahme der Tage mit Hitzewellen im Vergleich zum Mittel 1981-2010 bei verschiedenen Niveaus globaler Erwärmung.

Nach dem jüngsten Bericht des Weltklimarats IPCC werden bis zum Ende des 21. Jahrhunderts die Länge, Häufigkeit und Intensität von Hitzewellen weiter zunehmen, auch wenn die globale Erwärmung, wie vom Pariser Abkommen gefordert, unter 1,5 °C bleiben sollte. Nach Modellrechnungen ist in manchen Regionen eine doppelt so hohe Steigerung der Extremtemperaturen wie der globalen Mitteltemperatur wahrscheinlich.[20] Eine weitere Erwärmung um nur 0,5 °C kann die Häufigkeit von Extremereignissen in den Tropen, in den südwestlichen USA und im Mittelmeerraum verdoppeln.[1] Bei einer Erwärmung von 2 °C werden die sommerlichen Maximum-Temperaturen in den meisten Gebieten der Welt noch unter 50 °C liegen, außer auf der Arabischen Halbinsel, Nordindien und Pakistan, wo solche Temperaturen heute schon erreicht werden.[1] Bei einer Erwärmung von 3 und 4 Grad wird die Überschreitung der Grenze von 50 °C auf allen Kontinenten mit Ausnahme der Antarktis erwartet. In Pakistan, Irak und Saudi-Arabien wird es zu Extremtemperaturen von über 60 °C kommen, und Hitzeereignisse, die vorindustriell einmal in 100 Jahren passierten, werden sich in großen Teilen der Welt, so auch in Südeuropa, jährlich ereignen.[21] Nach dem hohen Szenario RCP8.5 könnten gegen Ende des 21. Jahrhunderts fast 75% der Weltbevölkerung tödlichen Hitzewellen ausgesetzt sein, während eine Reduzierung von 2 °C auf 1,5 °C 1,7 Mrd. Menschen vor starken Hitzewellen bewahren könnte, vor allem in Entwicklungsländern in Afrika, im Mittleren Osten, in Südostasien und Lateinamerika.[1]

Abb. 8: Jährliche Wahrscheinlichkeit des Auftretens einer gefühlten Temperatur von 40 °C (oben) und 55 °C (unten) bei einer globalen Erwärmung von 4 °C.

Regionale Klimamodellrechnungen prognostizieren, dass sich die europäischen Sommertemperaturen bis zum Ende des 21. Jahrhunderts um 3-5 oC erhöhen werden. Das mediterrane Klima mit seinen sehr trockenen Sommermonaten wird dabei höchstwahrscheinlich bis nach Mitteleuropa vordringen. Außerdem werden auch die jährlichen Klimaschwankungen zunehmen. Die Veränderung des mittleren Klimas und seiner Variabilität wird zur Folge haben, dass jeder zweite Sommer so heiß oder sogar heißer als der von 2003 sein wird. Andere Modellergebnisse kommen zu dem Schluss, dass bereits in den 2040er Jahren jeder zweite Sommer wärmer als der des Jahres 2003 sein könnte und dass gegen Ende des Jahrhunderts der Sommer 2003 sogar als kühler Sommer eingestuft werden müsste.[22] Bei einer globalen Erwärmung von 4 °C liegt die Wahrscheinlichkeit einer Hitzewelle, die das russische Extremereignis von 2010 übertrifft, für Mitteleuropa, Indien und große Teile Afrikas bei jährlich 10 %. Für die östlichen USA, das nördliche Lateinamerika und China bei 50 % und damit bei einer Hitzewelle dieser Größenordnung alle zwei Jahre. Diese Regionen müssen bei einer Zunahme der globalen Mitteltemperatur um 4 °C mit maximalen gefühlten Höchsttemperaturen von 55 °C rechnen, woran sehr stark die Feuchtigkeit beteiligt ist (Abb. 8). Das entspricht einer Überschreitung der Kühlgrenztemperatur von 35 °C, die in bisherigen Messungen nicht vorgekommen ist.[23] Die Kühlgrenztemperatur gibt den Wert an, bis zu dem eine Luftmasse durch Verdunstung abgekühlt werden kann. 35 °C ist die obere Grenze der Kühlgrenztemperatur für den menschlichen Körper, bei der eine Abkühlung durch Schwitzen und einer dadurch möglichen Verdunstung nicht mehr möglich ist. Auch sehr gesunde Menschen können eine Kühlgrenztemperatur von über 35 °C, wenn sie ihr mehr als sechs Stunden ausgesetzt sind, nicht überleben.

Besonders gefährdet durch künftige Hitzewellen ist die Golfregion im Nahen Osten. Im gegenwärtigen Klima kommen Kühlgrenztemperaturen von 31 °C hauptsächlich über dem Golf und angrenzenden Küstengebieten vor. Grund sind die absteigenden Luftmassen im Sommer, die dadurch bedingte starke Sonneneinstrahlung und die geringe Albedo der Wasseroberfläche des Golfs. Die hohe Einstrahlung führt über dem Wasser zu hohen Verdunstungsraten, die die relative Feuchtigkeit über dem Wasser stark erhöht. Luftströmungen transportieren diese feuchten und heißen Luftmassen in die teilweise stark besiedelte Küstenzone. Unter den Bedingungen des RCP8.5-Szenarios werden ‚normale‘ Temperaturwerte von über 45 °C relativ häufig vorkommen. In Kuwait City ist in einigen Jahren sogar mit einer Höchsttemperatur von über 60 °C zu rechnen. Dadurch wird sich das Gebiet mit einer Kühlgrenztemperatur von über 31 °C bis zum Ende des 21. Jahrhunderts deutlich ausdehnen. Einige Gebiete über dem Golf und in angrenzenden Küstenstreifen werden wahrscheinlich sogar eine Kühlgrenztemperatur von 35 °C überschreiten. Besonders gefährdet sind etwa Städte wie Abu Dhabi, Dubai, Dhahran und Banda Abbas. [24]

Einzelnachweise

  1. 1,0 1,1 1,2 1,3 1,4 1,5 1,6 1,7 1,8 Barriopedro, D., R. García-Herrera, C. Ordóñez et al. (2023): Heat waves: Physical understanding and scientific challenges. Reviews of Geophysics 61, e2022RG000780.
  2. Tinz, B., E. Freydank und P. Hupfer (2008): Hitzeepisoden in Deutschland im 20. und 21. Jahrhundert, in: J. Lozán u.a.: Warnsignal Klima. Gesundheitsrisiken. Gefahren für Pflanzen, Tiere und Menschen, Hamburg, S. 141-148
  3. Standardabweichung ist hier ein Maß für die typischen Schwankungen der saisonalen Temperatur in einem bestimmten Gebiet über eine Reihe von Jahren. Eine dreifache Standardabweichung heute bedeutet, dass die sehr hohen Temperaturen heute um das Dreifache höher liegen als im Vergleichszeitraum 1951-1980.
  4. Die Wiederkehrperiode gibt an, in welcher Zeitspanne sich ein bestimmtes extremes Ereignis wiederholt, z.B. einmal alle 100 Jahre
  5. So könne Hitzewellen dadurch definiert werden, dass die maximalen Tagestemperaturen das 95. Perzentil eines Jahrzehnts überschreiten, d.h. sie gehören zu den 5 % höchsten Temperaturen des Jahrzehnts
  6. Sillmann, J. & S. Russo (2018): Globale Erwärmung und Hitzewellen. In: Lozán, J. L., S.-W. Breckle, H. Grassl & D. Kasang & R. Weisse. Warnsignal Klima: Extremereignisse. pp. 69-75. Online: www.klima-warnsignale.uni-hamburg.de. doi:10.2312/warnsignal.klima.extremereignisse.10.
  7. IPCC AR6 WGII, Ch. 2 (2022): Key Risks Across Sectors and Regions, 16.2.3.5
  8. Robine, J.M., et al. (2007): Report on excess mortalitiy in Europe during summer 2003 (EU Community Action Programme for Public Health)
  9. Robine, J.-M., et al. (2008): Death toll exceeded 70,000 in Europe during the summer of 2003, C. R. Biologies 331, 171–178
  10. M. Hoerling (2010): The Russian Heat Wave of 2010
  11. NASA Earth Observatory (2014): Heat Wave Stifles Australia
  12. Salinger, M.J. (2005): Increasing Climate Variability And Change, Climatic Change 70 (Nr. 1-2), 1-3
  13. WMO (2022): State of the Climate in Europe 2021
  14. IPCC (2012): Managing the Risks of Extreme Events and Disasters to Advance Climate Change Adaptation – online: http://ipcc-wg2.gov/SREX/
  15. 15,0 15,1 IPCC AR6, WGI, Ch. 11 (2021): Weather and Climate Extreme Events in a Changing Climate. In: Climate Change 2021: The Physical Science Basis. 11.3.2
  16. Dunn, R. J. H., L.V. Alexander, M.G. Donat et al. (2020): Development of an Updated Global Land in Situ-Based Data Set of Temperature and Precipitation Extremes: HadEX3. J. Geophys. Res. Atmos. 125. doi:10.1029/2019JD032263
  17. Herold, N., L. Alexander, D. Green and M. Donat (2017): Greater increases in temperature extremes in low versus high income countries, Environ. Res. Lett. 12
  18. Zachariah, M., S. Philip, I. Pinto et al. (2023): Extreme heat in North America, Europe and China in July 2023 made much more likely by climate change, World Weather Attribution (WWA)
  19. IPCC (2021): Climate Change 2021, Working Group I: The Science of Climate Change, Technical Summary, Cross-Section Box TS1
  20. IPCC AR6, WGI, Ch. 11 (2021): Weather and Climate Extreme Events in a Changing Climate. In: Climate Change 2021: The Physical Science Basis. 11.3.5
  21. Suarez-Gutierrez, L., W.A. Müller, C. Li et al. (2020): Hotspots of extreme heat under global warming. Clim Dyn 55, 429–447
  22. Stott, P.A., D.A. Stone, and M.R. Allen (2004): Human contribution to the European heatwave of 2003, Nature 432, 610-614
  23. Russo, S., J. Sillmann, A. Sterl (2017): Humid heat waves at different warming levels, Scientific Reports 7, 7477, 10.1038/s41598-017-07536-7, https://doi.org/10.1038/s41598-017-07536-7
  24. Pal, J. S. & E. A. B. Eltahir (2016): Future temperature in southwest Asia projected to exceed a threshold for human adaptability. Nature Climate Change 6 (2): 197¬200

Literatur

  • Tinz, B., E. Freydank und P. Hupfer (2008): Hitzeepisoden in Deutschland im 20. und 21. Jahrhundert, in: J. Lozán u.a.: Warnsignal Klima. Gesundheitsrisiken. Gefahren für Pflanzen, Tiere und Menschen, Hamburg, S. 141-148

Weblinks


Schülerarbeiten zum Thema

Schülerarbeiten zum Thema des Artikels aus dem Schulprojekt Klimawandel:

  • Mehr Wetterextreme durch den Klimawandel? Werden die Intensität und Häufigkeit von Hitzewellen zunehmen und lässt sich diese Zunahme auf den globalen Klimawandel zurückführen? (Gymnasium Grootmoor, Hamburg)

Lizenzhinweis

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