Hitzewellen in Südasien

Aus Klimawandel
Abb. 1: Maximale Tagestemperaturen für das Jahr 2016 in Südasien

Einzelne Hitzewellen

Hitzewellen bis 2017

Auf dem Indischen Subkontinent kommt es immer wieder zu starken Hitzewellen, bei denen Temperaturen von deutlich über 40 °C gemessen werden. Die bisher stärkste Hitzewelle ereignete sich im Mai 2016 (Abb. 1) mit einem Temperaturrekord in Jaisalmer (NW Rajasthan) von 52,4 °C.[1] Eine noch höhere Temperatur wurde mit 53,7 °C in Turbat, Pakistan, am 28 Mai 2017 gemessen.[2] Aber auch während der Hitzewelle im Mai 2015 wurden in Teilen des Landes zwischen 45 °C und 49 °C gemessen.[3] Die Hitzewellen von 2015 und 2016 waren allerdings regional auf den Südosten bzw. Nordwesten des Subkontinents begrenzt. Dagegen waren einige frühere Hitzewellen räumlich wesentlich ausgedehnter. Insbesondere die Hitzewelle von 1998 besaß unter allen Hitzewellen im Zeitraum 1950-2010 die größte Ausdehnung und erstreckte sich über den größten Teil Indiens.[4] Die höchsten Temperaturen werden in Indien kurz vor dem Beginn des Monsuns gemessen, d.h. im Mai oder Anfang Juni. Besonders die täglichen Maximumtemperaturen erreichen in dieser Zeit im trockenen Nordwesten auch in normalen Jahren nachmittags oft mehr als 40 °C.

Die Frühjahrs-Hitzewellen 2022

Eine ungewöhnliche Hitzewelle ereignete sich im Frühjahr 2022, mit dem räumlichen Schwerpunkt im Nordwesten Indiens und Südosten Pakistans. Die Hitzewelle war vor allem wegen ihres frühen Zeitpunkts, aber auch wegen ihrer Ausdehnung und Intensität sowohl für Indien wie für Pakistan sehr ungewöhnlich. Normalerweise ereignen sich starke Hitzewellen auf dem Indischen Subkontinent im Mai und Juni vor Beginn der Monsunzeit. Der März 2022 war für Indien der heißeste März seit Beginn der Messungen vor 122 Jahren. Die Temperaturen lagen 3-8 °C über dem langjährigen Mittel und erreichten 40-44 °C. Die Hitzewelle erfasste 70% des Landes. In Pakistan litten 30% des Landes unter der Hitzewelle.[5] Die maximalen Temperaturen erreichten hier 50 °C, wobei die Tagestemperaturen 5-8 °C höher als normal ausfielen.[6] Zugleich war es in den betroffenen Gebieten extrem trocken. Die mit dem subtropischen Jetstream in dieser Jahreszeit herangeführten westlichen Störungen blieben wegen einer Hochdruckzelle in der oberen Atmosphäre aus, so dass in beiden Ländern bis zu 70% weniger Niederschläge als normal fielen.[5]

Da die Daten in beiden Ländern nicht sehr weit zurückreichen, ist es schwierig, die Wiederkehrperiode des Ereignisses genau zu bestimmen. Unter den gegenwärtigen Bedingungen einer globalen Erwärmung von 1,2 °C wird sie von der World Weather Attribution (WWA) Initiative auf rund einmal in 100 Jahren geschätzt. Gegenüber einer Welt ohne Klimawandel hat sich die Wahrscheinlichkeit einer solchen Hitzewelle um das 30fache erhöht. Bei einer zukünftigen Erwärmung um weitere 2 °C könnte eine solche Hitzewelle noch einmal zwanzigmal häufiger auftreten.[5]

Die Folgen der Hitzewelle waren verheerend. Sie forderte mindestens 90 Todesopfer und war besonders für die ärmere Bevölkerung, von der 60% (Indien) bzw. 40% (Pakistan) in der Landwirtschaft arbeiten, gesundheitlich extrem belastend. Unter hohen Temperaturen zu leiden haben vor allem Menschen, die gezwungen sind, unter freiem Himmel zu arbeiten. Sie wirkten sich außerdem auf wichtige Weizenanbaugebiete sowohl in Pakistan wie in Indien aus und haben die indische Weizenernte wahrscheinlich um 20% verringert.[5] In einzelnen Landesteilen lagen die Ernteeinbußen bei 10-35%.[6] Als Folge erließ der indische Staat einen Exportstopp für Weizen.

Gesundheitliche Folgen

Extreme Hitze kann erhebliche Folgen für die menschliche Gesundheit haben. Besonders betroffen sind davon Kinder, ältere Menschen und chronisch Kranke sowie Menschen in sozial prekären Verhältnissen. Laut Weltbank lebten in Indien 2011 etwa 1,24 Ma. Menschen. 24 % davon verdienten weniger als 1,25 $ am Tag, ebenso viele hatten keinen Zugang zu Elektrizität oder zu sauberem Wasser. Diese Menschen sind den Folgen von Hitzewellen besonders stark ausgeliefert. 2010 fielen allein in der 5-Millionen-Einwohner-Stadt Ahmedabad 1300 Menschen einer Hitzewelle zum Opfer, 2013 und 2015 waren es landesweit 1500 bzw. 2500 Todesfälle.[1] Auch die Hitzewelle 1998 forderte im östlichen Indien über 2000 Tote, und während der Hitzewelle 2003 gab es in Andhra Pradesh über 3000 Todesfälle.[7]

Abb. 2: Regionale Verteilung der maximalen Kühlgrenztemperatur gemittelt über den Zeitraum 1979-2015.

Bei der Wirkung auf den menschlichen Körper kommt es nicht nur auf die hohen Temperaturen an. Besonders belastend für den Menschen sind hohe Temperaturen in Kombination mit hoher Luftfeuchtigkeit. Als Maß dafür wird die Kühlgrenztemperatur (engl. wet-bulb temperature) benutzt. Sie drückt physikalisch aus, auf welchen Wert Luft durch Verdunstung bis zum Sättigungswert (100 % relative Luftfeuchtigkeit) abgekühlt werden kann. Eine Temperatur von 50 °C mit einer Luftfeuchte von 80 % besitzt z.B. eine Kühlgrenztemperatur von 36 °C.[8] Schon bei einer Kühlgrenztemperatur von 35 °C ist menschliches Überleben nicht mehr möglich, da sich der menschliche Körper durch Schwitzen nicht mehr selbst abkühlen kann. Eine Kühlgrenztemperatur von 35 °C kommt unter den heutigen klimatischen Bedingungen weltweit praktisch nicht vor. Sie liegt selbst bei gegenwärtigen Hitzewellen, die Tausende Tote erforderten, maximal zwischen 29 °C und 31 °C.[9]

Weltweit gibt es vor allem drei Regionen, in denen eine Kühlgrenztemperatur von 28 °C bei Hitzewellen überschritten wird: SW-Asien um den Persischen Golf und das Rote Meer, Süd-Asien im Indus- und Ganges-Tal und das östliche China (Abb. 2). Die ausgedehnten Talregionen am Indus und Ganges sind deshalb als besonders kritisch zu sehen, weil hier eine sehr dichte Bevölkerung lebt, die zudem zu einem erheblichen Teil ohne den Schutz von Gebäuden im Freien landwirtschaftlich tätig ist.[10] Gründe für die hohe Luftfeuchtigkeit in dieser Region liegen zum einen in den feuchten Luftmassen, die mit dem Sommermonsun vom Arabischen Meer und dem Golf von Bengalen ins Landesinnere transportiert werden. Zum anderen verdunstet sehr viel Wasser über den ausgedehnten Bewässerungsflächen der landwirtschaftlichen Nutzflächen in beiden Tälern (Abb. 4). Während der Hitzewelle 2015 lagen die Kühlgrenztemperaturen etwas unter 30 °C. 2016 waren sie merklich höher und erreichten am 21. Mai 2016 über 30 und stellenweise sogar über 31 °C. Der Grund könnten sehr hohe Temperaturen im Indischen Ozean und der starke El Nino 2015/16 gewesen sein.[8]

Trends und Ursachen

Abb. 3: Mitteltemperaturen im Sommer (April-September) 1960-2009

Die Jahresmitteltemperaturen im Zeitraum 1901-2007 haben sich in Indien um ca. 0,5 °C erhöht (Abb. 3). Das liegt deutlich unter dem globalen Mittel von fast 0,8 °C. Die Erwärmung hat sich dabei hauptsächlich in der Postmonsunzeit und im Winter ereignet, wo sie ungefähr dieselben Ausmaße hatte wie global. Im zeitlichen Verlauf gleicht die Erwärmung in Indien grob der globalen Erwärmung und ist in den letzten drei Jahrzehnten sogar um 0,2 °C pro Jahrzehnt angestiegen.[11] Auch die sommerlichen Mitteltemperaturen sind in Indien um etwa 0,5 °C angestiegen. Projektionen sagen eine Zunahme der jährlichen Mitteltemperatur bis 2100 je nach Szenario um 2,2-5,5 °C voraus.[1]

Abb. 4: Bodenbedeckung in Südasien mit Bewässerungsflächen im Indus- und Gangestal

Über die Frage einer Zunahme von heißen Tagen bzw. Hitzewellen in Indien bestehen unterschiedliche Auffassungen. Während Mishra et al. (2017)[12] eine Zunahme in der Anzahl der Hitzewellen zwischen 1951 und 2015 feststellen, zeigen nach van Oldenbourg et al. (2017)[8] die jährlichen Maximumtemperaturen über ganz Indien gemittelt im Gegensatz zu den meisten anderen Regionen in der Welt keinen Trend. Da beide Untersuchungen sich auf unterschiedliche Kriterien von heißen Perioden beziehen, lassen sich die Ergebnisse streng genommen nicht vergleichen. Interessant sind jedoch die Gründe, die van Oldenbourg et al. (2017) für das Ausbleiben einer Erhöhung der Jahreshöchsttemperaturen anführen, da sie einige besonderen Einflussfaktoren auf das indische Klima verdeutlichen.

Als eine wichtige Ursache für die ausbleibende Zunahme der Maximaltemperaturen in Indien werden von Oldenbourg et al. (2017) die stark steigenden Aerosolemissionen des Landes angesehen, die der Erwärmung entgegen gewirkt hätten. Mit Beginn des neuen Jahrhunderts kam es örtlich zwar aufgrund der indischen Luftreinhaltepolitik zu einer geringen Abnahme der aerosoloptischen Dicke (AOD)[13] . Sie war jedoch in dem Gebiet der Hitzewelle von 2016 mit einem Wert von über 1 immer noch weltweit die höchste außerhalb von Wüstengebieten (in westlichen Industrieländern liegt die AOD bei 0,1-0,3)[14]. Die hohen Temperaturen der Hitzewellen 2015 und 2016 hätten daher sehr wahrscheinlich nichts mit einer Abnahme der aerosoloptischen Dicke zu tun. Als eine weitere Ursache wird die zunehmende Bewässerung landwirtschaftlicher Flächen in den Hitzegebieten (Abb. 4) angenommen. Die größeren Wasserflächen befördern die Verdunstung, wodurch es zu einem Abkühlungseffekt kommt. Andererseits erhöhen sich dadurch aber auch der Wasserdampfgehalt der Luft und damit die Kühlgrenztemperatur mit der Folge einer stärkeren gesundheitlichen Belastung. Natürliche Schwankungen kämen nach van Oldenbourg et al. (2017) nicht infrage, da die Meeresoberflächentemperaturen des Indischen Ozeans nur eine geringe Variabilität zeigten und das ENSO-Phänomen nur bei kurzfristigen Schwankungen von einigen Jahren eine wichtige Rolle spiele.

Projektionen

Abb. 5: 30jahres-Mittel (1976-2005 und 2071-2100) der jährlichen Tageshöchsttemperaturen historisch und nach dem Szenario RCP8.5

Nach Modellsimulationen wird sich das Vorkommen tödlicher Hitzewellen in Indien erheblich verstärken. Extreme Hitzewellen, die heute nur alle 25 Jahre einmal vorkommen, könnten sich bis zum Ende des 21. Jahrhunderts in manchen Regionen jedes Jahr ereignen.

Je nach Definition von extremen Hitzewellen werden die Schwerpunkte großer Hitzebelastung regional verschieden liegen. Geht man nur von der Tageshöchsttemperatur aus, werden mit dem Fortschreiten des Klimawandels besonders die trockenen Regionen in Pakistan und im Nordwesten Indiens in der Vormonsunzeit stärkere und häufigere Hitzewellen erfahren (Abb. 5). So wurden für die Wüstengebiete im südöstlichen Pakistan und nordwestlichen Indien für das Ende des 21. Jahrhunderts Maximumtemperaturen von über 55 °C projiziert. In der pakistanischen Hafenstadt Karachi könnten bei dem Szenario RCP8.5 sogar 58 °C überschritten werden. Aber auch die meisten anderen Städte, die nicht in höheren Lagen liegen, müssen mit über 50 °C rechnen. Extreme Temperaturen, die heute nur alle 25 Jahre einmal vorkommen, werden sich nach RCP8.5 alle zwei Jahre ereignen und auch nach RCP4.5 noch alle fünf Jahre einmal.[10]

Abb. 6: 30jahres-Mittel (1976-2005 und 2071-2100) der jährlichen maximalen Kühlgrenztemperatur historisch und nach dem Szenario RCP8.5

Berücksichtigt man neben der hohen Tagestemperatur auch die Luftfeuchtigkeit und legt die Kühlgrenztemperatur als Maßstab für schwere Hitzewellen zugrunde, werden die stärksten Hitzegefahren durch den Klimawandel im Indus- und Gangestal und in den östlichen Küstengebieten Indiens während der Monsunzeit erwartet (Abb. 6). Bei dem Szenario RCP8.5 wird die Überlebensgrenze der Kühlgrenztemperatur von 35 °C bis 2100 in einigen Gebieten im nordöstlichen Indien und in Bangladesch überschritten werden. Die ebenfalls schon extrem gesundheitsgefährdende Kühlgrenztemperatur von 31 °C wird nach Modellexperimenten wahrscheinlich über großen Teilen Südasiens überschritten.[10]

Während der Abkühlungseffekt durch Aerosole aufgrund einer verbesserten Luftreinhaltepolitik in Zukunft wahrscheinlich abnehmen wird, ist damit zu rechnen, dass es zu einer höheren Verdunstung (und damit stärkeren Abkühlung) durch mehr Bewässerungsflächen kommen wird. Beide Prozesse könnten sich im Hinblick auf den Temperatureffekt weitgehend aufheben. Zusammen mit einer höheren Meeresoberflächentemperatur im nördlichen Indischen Ozean wird die verstärkte Verdunstung aber zu mehr Luftfeuchtigkeit und damit zu einer höheren Kühlgrenztemperatur führen, mit erheblichen Folgen für die menschliche Gesundheit.[8]

Einzelnachweise

  1. 1,0 1,1 1,2 Mazdiyasni, O., A. AghaKouchak, S. J. Davis, S. Madadgar, A. Mehran, E. Ragno, M. Sadegh, A. Sengupta, S. Ghosh, C. T. Dhanya, M. Niknejad, (2017): Increasing probability of mortality during Indian heat waves. Sci. Adv. 3, e1700066
  2. World Meteorological Organization (WMO, 2019): WMO verifies 3rd and 4th hottest temperature recorded on Earth
  3. Wikipedia: 2015 Indian heat wave
  4. Sharma, S., & P. Mujumdar (2017): Increasing frequency and spatial extent of concurrent meteorological droughts and heatwaves in India,Scientific Reports 7
  5. 5,0 5,1 5,2 5,3 Zachariah, M., T. Arulala, K. AchutaRao et al. (2022): Climate Change made devastating early heat in India and Pakistan 30 times more likely
  6. 6,0 6,1 WMO (2022): Climate change made heatwaves in India and Pakistan "30 times more likely"
  7. Azhar, G.S., D. Mavalankar, A. Nori-Sarma, A. Rajiva, P. Dutta et al. (2014): Heat-Related Mortality in India: Excess All-Cause Mortality Associated with the 2010 Ahmedabad Heat Wave. PLoS ONE 9(3): e91831. doi:10.1371/journal.pone.0091831
  8. 8,0 8,1 8,2 8,3 van Oldenborgh, G.J., S. Philip, S. Kew, M. van Weele, P. Uhe, F. Otto, R. Singh, I. Pai, and K. AchutaRao (2017): Extreme heat in India and anthropogenic climate change, Nat. Hazards Earth Syst. Sci. Discuss., doi:10.5194/nhess-2017-107
  9. Coffel, E.D., Ra.M. Horton and A. de Sherbinin (2018): Temperature and humidity based projections of a rapid rise in global heat stress exposure during the 21st century. Environ. Res. Lett. 13 (2018) 014001
  10. 10,0 10,1 10,2 Im, E.-S., J.S. Pal, E.A.B. Eltahir (2017): Deadly heat waves projected in the densely populated agricultural regions of South Asia. Sci. Adv. 3, e1603322
  11. Kothawale, D.R., A.A. Munot, K.K. Kumar (2010): Surface air temperature variability over India during 1901–2007, and its association with ENSO, Climate Research 42: 89–104
  12. Mishra, V., S. Mukherjee, R. Kumar and D.A. Stone (2017): Heat wave exposure in India in current, 1.5 °C, and 2.0 °C worlds, Environ. Res. Lett. 12
  13. Zur Definition s. DWD: Aerosol Optische Dicke
  14. Feichter, J. (2003): Aerosole und das Klimasystem, Pysik unserer Zeit 34, 72-79


Bildergalerie zum Thema

Lizenzhinweis

Dieser Artikel ist ein Originalartikel des Klima-Wiki und steht unter der Creative Commons Lizenz Namensnennung-Weitergabe unter gleichen Bedingungen 3.0 Deutschland. Informationen zum Lizenzstatus eingebundener Mediendateien (etwa Bilder oder Videos) können in den meisten Fällen durch Anklicken dieser Mediendateien abgerufen werden und sind andernfalls über Dieter Kasang zu erfragen.
Kontakt: Dieter Kasang