Indischer Monsun
Der indische Monsun stellt den wichtigsten regionalen Monsun dar und wird daher auch häufig einfach verkürzt der Monsun genannt, was jedoch aufgrund der Vielfalt verschiedener Monsune nicht eindeutig ist. Er erstreckt sich im wesentlichen über den indischen Subkontinent, gehört jedoch auch zu einem größeren Verbundsystem von Monsunerscheinungen im Raum des indischen Ozeans. Dessen Ausläufer erstrecken sich in den süd-, südostasiatischen, nordaustralischen, aber auch ostafrikanischen Raum.
Besonderheit und Rolle des indischen Monsuns
Wegen der großen kontinentalen Oberfläche, besonders der tibetischen Hochebene, erscheint das Monsunphänomen in Indien mit einer ITC-Verlagerung bis 30° nördlicher Breite sehr deutlich. Auch ist der indische Monsun der einzige Monsun, welcher eine Wirkung bis in die oberen Schichten der Troposphäre aufweist. Hier zeigt sich über der tibetischen Hochebene eine hochreichende Umkehr des meriodonalen Temperaturgradienten und somit die Tendenz zu ausgeprägten Advektionserscheinungen. Zudem wird auf Höhenwetterkarten eine saisonale Umkehr der Windrichtungen bis über die 700-hPa-Isobare hinaus deutlich. Weder der nordamerikanische, noch der afrikanische Monsun zeigen eine derartige Höhenwirkung, obwohl sie die Luftschichten in Bodennähe sehr stark erwärmen. Die Entwicklung einer vergleichsweise hochreichenden feuchten Tiefenluftschicht in Verbindung mit dem advektiven Aufstieg und der adiabatischen Abkühlung der Luft, was zum Monsunregen führt, sind daher typische Phänomene des indischen Monsuns, während es in den anderen Monsunregionen zu nur wesentlich schwächeren Monsunregenfällen kommt.
Besonders wichtig für die dort lebenden Menschen ist der Wechsel der jahreszeitlichen Niederschläge, der durch den trockenen Wintermonsun bzw. feuchten Sommermonsun hervorgerufen wird. Da es sich bei Indien noch mehrheitlich um ein Agrarland handelt, kommt diesen Niederschlägen eine lebenswichtige Bedeutung zu. Diese bezieht sich zwar vornehmlich auf die Landbevölkerung, jedoch sind auch die indischen Städte über ihre Wasser- und Lebensmittelversorgung auf den Monsun angewiesen bzw. durch dessen Extremniederschläge bedroht.
Aus dieser enormen Abhängigkeit, in Verbindung mit dem rasanten indischen Bevölkerungswachstum und einem zunehmend instabilem Klima im Zuge der globalen Erwärmung, resultiert ein dramatisches Krisenpotential. Besonders drastisch zeigt sich dies in der großflächigen Waldrodung und der hieraus resultierenden Anfälligkeit für Bodenerosion und Überschwemmungen. Aus diesem Dualismus zwischen der Abhängigkeit vom und den Gefahren des Monsuns, entwickelte sich in der Folge auch die charakteristische Einstellung der indischen Bevölkerung zu diesem, welche mit vielerlei Aspekten der indischen Kultur und Lebenseinstellung eng verwoben ist. Die Rolle des Monsuns in Zusammenhang mit der indischen Kultur bzw. Kulturgeschichte, vor allem in Bezug auf die Indus-Kultur, wird im Abschnitt zur Bedeutung der Monsune näher erläutert.
Entstehung und Jahresgang
Für den regionalen Witterungsablauf muss die großräumige thermische Steuerung mit Zellularstrukturen wie der Monsundepression kombiniert werden. Auch terrestrische Gegebenheiten, wie der Stau von Winden am Lee von Gebirgen, spielen eine starke Rolle. So verzweigt sich der Jetstream in der Wintermonsunzeit am Pamirknoten in einen Nord- und einen Südoststrom, welcher sich feststehend über den Himalaya-Abfall anlegt und eine wesentliche Rolle bei der Ausbildung eines stabilen Hochdruckgebiets über Nord-Zentralindien spielt. Die Lee-Konvergenz der beiden Jetstreams weist eine zyklogenetische Tendenz auf, was sich klimatisch auf Südjapan und China auswirkt.
Im Sommer wird zunächst der südliche Ast des Jetstreams durch ein Höhenhoch der Luft über Tibet blockiert, worauf hin er zum nördlichen Jetstream am Kunlun Shan überspringt. Die für das Höhenhoch über Tibet verantwortliche tibetanische Hochebene ist aufgrund deren Größe, Höhenlage, Abgeschirmtheit und Trockenheit ideal dafür geeignet, die über ihm befindlichen Luftschichten aufzuheizen. Es bildet sich daher, wie im Abschnitt zur Oberflächenerwärmung erläutert, ein thermisches Bodentief aus. Dieses stabile Bodentief wirkt nun auf den indischen Subkontinent sehr stark ein und verstärkt die Konvergenzerscheinung hin zum Kontinent. Dadurch ist die Luft am Fuße des Himalayas weniger stabil und das winterliche Subtropenhoch über Indien verschwindet. Der Sommermonsun kann nach dem Abklingen des Wintermonsun nun ungehindert eindringen (burst of monsoon). Durch das Tibet-Hoch und die resultierenden Temperaturdiskrepanzen entsteht ein starkes Druckgefälle, wodurch ein östlicher Jetstream (Tropical Easterly Jet) ausgebildet wird, der bis in die Sahara wetterwirksam ist. Der indische Monsun hat also globale klimatische Auswirkungen.
Jahreszeiten
Der Sommermonsun setzt im Juni/Juli durch die schon oben erläuterte ITC-Verlagerung und Passatumlenkung (SO-Passat zu SW-Monsun) von Südwesten her ein und hält bis September/Oktober an. Er liefert feuchte ozeanische Luftmassen an die Westghats und verursacht damit eine labile Atmosphärenschichtung (Erläuterung siehe im Artikel Föhn), die im Monsunregen resultiert und oft monatelange Niederschläge nach sich zieht. Man spricht daher auch in Anlehnung an das tropische Regenwaldklima von einer Regenzeit. Besonders an morphologischen Hindernissen kann der Monsunregen als Steigungsregen hierbei sehr hohe Niederschlagsmengen erreichen, welche sogar stellenweise die Grenze von 10.000 Millimetern Jahresniederschlag überschreiten. Ein Beispiel hierfür ist die Region um Cherrapunji, in welcher ein Jahresniederschlag von meist jährlich circa 9000 mm auftritt und auch der globale Einzeljahresrekord von 26461 mm registriert wurde. In Mawsynram bewirkt der Monsunregen den weltweit höchsten gemittelten Jahresniederschlag von 11872 mm. Diese Niederschläge fließen jedoch in großen Teilen als Oberflächenabfluss ab und führen regelmäßig zu Flutkatastrophen in Bangladesch.
Der Wintermonsun ist mit dem Nordost-Passat identisch und liefert kalte, trockene Luftmassen aus dem Kältehoch über Sibirien (Lit.: Goudie 2002). Er setzt im September/Oktober ein und hält bis Juni/Juli an, wobei man diesen Zeitraum aufgrund der vergleichsweise sehr geringen Niederschlagsmenge auch als Trockenzeit bezeichnet. Diese können sich in Jahren mit einem schwachen Monsun zu einer Dürre ausweiten und führten in der Vergangenheit oft zu großen Hungernöten.
Im Bild rechts ist die zeitliche Ausbreitung des indischen Monsuns anhand einiger Markierungen verdeutlicht. Die dunkelblauen Linien stehen für die Ausbreitung des Sommermonsuns (Monsunfront) beziehungsweise den Rückzug des Wintermonsuns im Juni/Juli und die hellblauen Linien für die Ausbreitung des Wintermonsuns beziehungsweise den Rückzug des Sommermonsuns im September/Oktober, wobei man in hinreichend guter aber keinesfalls verlässlicher Genauigkeit jeder Linie einen bestimmten Zeitpunkt im Jahresverlauf zuordnen kann. Es gilt hierbei also zu beachten, dass die Ausbreitung der Monsuneinflüsse nicht verlässlich ist und die tagesgenauen Angaben nur grobe Richtwerte darstellen, da das vordringen des Monsuns ein dynamischer Prozess ist, welcher durch Oszillationen an der Monsunfront geprägt wird. Als Merkmal der Zeitpunkte wurde hierbei immer das Auftreten beziehungsweise Verschwinden des Monsunregens genutzt.
Variabilität und Wandel
Der indische Monsun als Ganzes stellt eine verlässliche Klimaerscheinung mit nur relativ geringfügigen Unterschieden im Verlauf mehrerer Jahre dar. So spiegelt die mittlere jährliche Niederschlagsmenge von 852 mm mit einer Standardabweichung von 84 mm ein feuchtes, aber auch schwankungsarmes Klima wieder. Wetterbeobachtungen, aber auch klimatisch ausgewertete Trendanalysen derselben, deuten auf eine Zunahme der Monsunniederschläge im indischen Raum hin. Diese sind mit einer zunehmenden Gefahr von Überschwemmungen verbunden, welche an Häufigkeit und Stärke bereits nachweisbar zunehmen. Man führt die Ursachen dieser Entwicklung auf eine Kopplung mit der globalen Durchschnittstemperatur zurück, also auch mit der globalen Erwärmung.
Wechselwirkungen mit ENSO
Das Auftreten eines El Niño-Phänomens im ostpazifischen Raum wirkt sich selbst bis in den Indik und somit auch auf den indischen Monsun aus. Schon recht früh konnte der Southern Oscillation Index, ein Parameter für die Wahrscheinlichkeit des Auftretens eines El Niño-Phänomens, auf Grundlage der Messungen des Observatoriums der britische Kolonialverwaltung in Indien durch dessen Leiter, Gilbert Walker, auch mit dem Ausbleiben beziehungsweise der Abschwächung des indischen Sommermonsuns und den dadurch bedingten Niederschlägen in Verbindung gebracht werden. Es zeigte sich hier also, dass beide Phänomene eng verwoben sind und sich gegenseitig beeinflussen, was nichts anderes aussagt, als dass die globale Atmosphärenzirkulation keine für sich stehenden Elemente enthält und daher auch deren globaler Charakter im Vordergrund steht. Es reicht also nicht aus, den Monsun nur für sich allein zu betrachten, wenn man dessen Dynamik und sein Auftreten verstehen will. Aber auch eine direkte Verbindung zwischen beiden Phänomenen ist nicht ausreichend, da es beispielsweise 1997, während eines starken El Niño, normale Monsunregenfälle gab. Sehr wichtig ist beispielsweise die Variabilität der Luftaufwärmung über der tibetischen Hochebene und damit vor allem der dortige Albedo, der durch das Vorhandensein von schneebedeckten Flächen und deren Schneehöhe entscheidend beeinflusst wird. Generell lässt sich jedoch in den letzten Jahrzehnten ein abnehmender Einfluss des El Niño auf den indischen Monsun feststellen, wobei noch weitgehend ungeklärt ist, weshalb es hierzu kommt und vor allem wie nachhaltig dieser Wandel ist.
Bedeutung für die Kulturgeschichte
Die kulturgeschichtliche Bedeutung der Monsune ist besonders im Falle des indischen Monsuns sehr stark ausgeprägt. Neben der Rolle der Monsunwinde als Mittler des Kulturaustauschs im Raum des Indiks (näheres siehe Monsun), zeigt sich dies vor allem am Beispiel der Indus-Kultur.
Indus-Kultur
Die Indus-Kultur zeichnet sich dadurch aus, dass sie schon sehr früh einen fortgeschrittenen Wasserbau entwickelte und auch aufgrund der schwankenden Monsunregenfälle hierauf angewiesen war. Die infrastrukturellen Entwicklungen in Bezug auf Wasserspeicherung, -transport und -verteilung erreichten im Zeitraum von 3500 bis 1500 v. Chr. ein ähnliches Niveau wie Jahrtausende später in der römischen Hochkultur. In Teilbereichen übertraf sie diese sogar und ist in vielen Regionen Indiens noch bis heute nicht wieder erreicht worden. Die Frage des Wassers und der Wasserversorgung hatte hier eine hohe Priorität erreicht und zu den vielen Innovationen zählten bereits Dinge wie Bäder, Spültoiletten, eine durch Brunnen gestütztes Kanal- und Leitungssystem bishin zu den Wohnhäusern und eine ausgereifte Kanalisation. Zwar sind die bisherigen archäologischen Funde nur von begrenzter Aussagekraft, jedoch deuten auch viele Indizien auf eine ausgeprägte Reservoirwirtschaft hin, welche dazu beigetragen haben könnte die Wasserversorgung auch in den trockenen Wintermonaten zu sichern. Dies stellt wiederum eine Grundvoraussetzung für die Etablierung einer stabilen Hochkultur dar und benötigt gleichzeitig eine Vielzahl an wasserbaulichen Kenntnissen, sowie einer mit deren Anwendung und Bewahrung betrauten „Wasserelite“. Die Notwendigkeit mit den im Jahresgang sehr unterschiedlichen Niederschlägen eine sehr produktive Landwirtschaft zu verwirklichen könnte daher den entscheidenden Impuls zur Herausbildung eines solchen Wasserbaus und der damit verbundenen „Wasserkultur“ gegeben haben. Gleiches gilt auch für andere Regionen und nicht nur für Indien, wobei sich an den grundlegenden Fragen der Wechselbeziehung zwischen Monsun, Landwirtschaft und Mensch bis in die heutige Zeit nur wenig geändert hat.
Auswirkungen
Der Monsun fordert in Indien jährlich große Opferzahlen. So starben in der Saison 2005 etwa 1300 Menschen durch Flut und Unwetter. Auch 2006 waren zum Stand 31. Juli bereits 480 Opfer zu beklagen. Würde der Monsun jedoch einmal nicht auftreten, hätte das für die Landwirtschaft enorme Folgen. Da die Felder bewässert werden müssten, würde es zu Dürren und Ernteausfälle bis 95 % kommen.
Außergewöhnlich heftige Auswirkungen hatte der Monsun 2007. Etwa 20 Mio. Menschen verloren in Indien, Nepal und Bangladesch ihr Obdach. Allein in den indischen Bundesstaaten Bihar, Uttar Pradesh und Assam starben bis Anfang August mehr als 120 Menschen.
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