2023 - das wärmste Jahr
Atmosphäre
2023 ist das wärmste Jahr, seit es ausreichend Daten für die Bestimmung der globalen Mitteltemperatur gibt, d.h. seit 1850. Die globale Mitteltemperatur lag nach dem Erdbeobachtungsprogramm der Europäischen Union Copernicus Climate Change Service (C3S)[1] mit 1,48 °C über der vorindustriellen Periode 1850-1900 nur noch knapp unter der 1,5-Grad-Grenze, die nach dem Klimaabkommen von Paris (2015) im 21. Jahrhundert längerfristig (d.h. als Mittel einer Periode von 20 Jahren[2]) nicht überschritten werden sollte, um einen gefährlichen Klimawandel zu vermeiden. Und 2023 übertraf mit 0,17 °C deutlich das bisher wärmste Jahr 2016. Die Daten des kalifornischen Instituts Berkeley Earth[3] zeigen sogar mit 1,54 °C eine Überschreitung der 1,5-Grad-Marke (Abb. 1), während das britische Hadley Centre ähnlich wie das C3S mit 1,46 °C knapp darunter liegt.[4]
Nach einem kühlen Beginn aufgrund vorherrschender La-Niña-Bedingungen war jeder Monat des Jahres 2023 von Juni bis Dezember der wärmste je gemessene Monat seit 1850 (Abb. 2). Juli und August lagen um 0,3 °C über dem jeweils früheren Rekord-Monat, der September sogar um 0,5 °C. Einen solchen Abstand zu früheren Rekord-Monaten wie im September hatte es noch nie gegeben. Bei den absoluten Temperaturen lag der Juli 2023 zum ersten Mal über der 17-Grad-Marke.[4] Besonders warm waren die Monate September bis Dezember, in denen bis auf sehr wenige Ausnahmen sich alle Tage um mehr als 1,5 °C gegenüber den vorindustriellen Vergleichstagen erwärmt hatten. Auf das gesamte Jahr 2023 bezogen galt das für fast die Hälfte aller Tage (Abb. 3).[1]
Land und Ozean
Nicht nur die globalen Temperaturen, sondern auch die Mitteltemperatur von Land und Ozean (Abb. 4) übertrafen 2023 alle früheren Jahre, die Landgebiete mit über zwei Grad Celsius (2.1 °C) und die Temperaturen über dem Ozean mit mehr als einem Grad (1,1 °C). Die Landtemperaturen waren damit um 0,13 °C höher als in dem früheren Rekordjahr 2020.[3] Besonders hohe Temperaturen wurden über Mittel- und Südamerika sowie Teilen von Asien registriert. Insgesamt wurden in 77 Ländern Rekordtemperaturen erreicht und ebenso auf einem Gebiet, auf dem 2,3 Milliarden Menschen bzw. 29% der Weltbevölkerung leben.[4]
Meeresoberflächentemperaturen und Ozeanerwärmung
Auch die Meeresoberflächentemperaturen erreichten 2023 Rekordwerte und waren zum ersten Mal über 1 °C wärmer als das vorindustrielle Mittel. In der zweiten Jahreshälfte lagen die Meeresoberflächentemperaturen um mehr als einen halben Grad über dem Mittel von 1981-2020 (Abb. 5). Der Monat mit dem größten Abstand vom Mittel 1981-2020 war der September mit 0,67 °C.[5] Normalerweise wird die höchste Meeresoberflächentemperatur am Ende des Süd-Sommers im März gemessen, was mit der größeren Wassermasse auf der Südhalbkugel im Vergleich zur Nordhemisphäre zusammenhängt, und nimmt dann ab. 2023 stieg die Temperatur an der Wasseroberfläche dagegen ab Mai wieder an und erreichte einen Rekordwert im August von über 21 °C, womit der August 2023 mit Abstand der wärmste je gemessene Monat war (Abb. 5).[6] Besonders hohe Werte wurden im Nordatlantik und Nordpazifik (Abb. 6) gemessen, aber auch in der ENSO-Region des tropischen Pazifiks. Neben den Meeresoberflächentemperaturen zeigte aber auch der tiefere Ozean bis 2000 m die stärkste Erwärmung seit Beginn der Messungen.[5] Die zusätzliche Wärme durch anthropogene Treibhausgase in der Atmosphäre wird zu 93% vom Ozean aufgenommen, zweidrittel davon in den oberen 700 m.[4] Von 2019 bis 2023 übertraf die Erwärmung bis 2000 m Tiefe jedes Jahr die Temperaturen des vorhergehenden Jahres.[5]
Erklärungen
Die längerfristigen Temperaturveränderungen über Jahrzehnte werden zunehmend durch den steigenden Gehalt anthropogener Treibhausgase in der Atmosphäre bestimmt. Der CO2-Gehalt der Atmosphäre liegt inzwischen bei 420 ppm, die Methan-Konzentration bei 1920 ppb und die Distickstoff-Konzentration bei fast 337 ppb, mit langfristig unveränderten Steigerungsraten.[7] Auch die hohen Temperaturen 2023 sind hauptsächlich auf die Zunahme der Treibhausgase in der Atmosphäre zurückzuführen. Die globale Erwärmungsrate liegt inzwischen bei 0,2 °C pro Jahrzehnt.[3] Hinzu kommen weitere anthropogene und natürlich Faktoren, die im Wesentlichen kurzfristig wirken.
Schwankungen von Jahr zu Jahr sind vor allem durch das ENSO-System (Abb. 7) bedingt, einer natürlichen Variabilität von warmen und kühlen Wassertemperaturen im östlichen tropischen Pazifik, die weltweite Auswirkungen besitzt. So war das bisher wärmste Jahr, 2016, durch einen starken El Niño, der warmen Phase von ENSO, beeinflusst. Ab 2020 dominierte eine längere La Niña, die kalte Schwester von El Niño.[8] Als Folge stiegen die Temperaturen ab 2021 und 2022 nicht weiter an. Auch in den ersten Monaten des Jahres 2023 herrschten noch die La-Niña-Bedingungen aus den beiden vorangehenden Jahren vor. Ab Mitte des Jahres kam es jedoch durch einen neuen El Niño wieder zu höheren Wassertemperaturen im Pazifik, die sich um einige Monate verzögert dann auch auf die globalen Temperaturen auswirkten. Dabei trat der El Niño 2023 gegenüber vorhergehenden Jahren ungewöhnlich früh auf.[3]
Auch der 11-jährige Schwabe-Zyklus der Sonneneinstrahlung, die aktuell etwas zunimmt, besitzt einen gewissen Einfluss auf die globale Mitteltemperatur, der jedoch sehr gering ist. Zeitlich noch kurzfristiger wirken Vulkanausbrüche durch die Emission von Sulfat-Aerosolen in die Stratosphäre, die in der Regel einen abkühlenden Effekt besitzen. Im Januar 2022 gab es jedoch einen ungewöhnlichen untermeerischen Vulkanausbruch durch den Hunga Tonga, bei dem sehr viel Wasserdampf in die Stratosphäre gelangt ist, aber nur wenige Sulfat-Aerosole entstanden, wodurch dieser Ausbruch geringfügig zur Erwärmung beigetragen hat. Speziell für die ungewöhnliche Erwärmung der Meeresoberflächentemperaturen im Nordatlantik kommt auch eine geringere Staubbelastung durch weniger Sahara-Staub in Frage, wodurch mehr Sonnenstrahlen die Meeresoberfläche erreichten und sie erwärmen konnten. Auch eine anthropogene Maßnahme hatte einen gewissen Anteil an der Erwärmung 2023. 2020 wurden durch ein internationales Abkommen die Schwefeldioxid-Emissionen durch den Schiffsverkehr um 8,5 Mio. t pro Jahr auf 2,5 Mio. t reduziert, was eine abrupte Abnahme der globalen SO2-Emissionen, aus denen in der Atmosphäre Sulfat-Aerosole entstehen, um 10%[9][10] und damit einen Erwärmungseffekt von 0,2 °C über dem Nordatlantik zur Folge hatte.[3]
Die Wirkung von Aerosolen reicht allerdings über die Maßnahme beim Schiffsverkehr weit hinaus. Durch menschliche Aktivitäten ist es im 20. Jahrhundert zunächst zu einer sich verstärkenden Emission von Aerosolen, und zwar besonders von SO2-Aerosolen, gekommen. Das hat dazu geführt, dass die globale Erwärmung abgeschwächt wurde, weil Aerosole durch die Reflektion von Sonnenstrahlung und die Förderung der Wolkenbildung eine Abkühlung bewirken. Seit den 2000er Jahren hat die Luftreinhaltepolitik in zahlreichen Staaten jedoch dazu geführt, dass die SO2-Emissionen auch global zurückgegangen sind, in manchen Regionen wie Europa und Nordamerika auch schon seit den 1970er und 1980er Jahren. Die Folge war eine Verringerung des Abkühlungseffekts durch Aerosole, wodurch sich die Erwärmung durch die zunehmenden Treibhausgase ungehinderter bemerkbar machen konnte. Nach Jenkins et al. (2022) hat sich allein dadurch die Zunahme der globalen Mitteltemperatur von 0,18 °C/Jahrzehnt in den 2000er Jahren auf 0,35 °C/Jahrzehnt in den 2010er Jahren fast verdoppelt.[11]
Ausblick
Das Jahr 2023 war möglicherweise der Einstieg in eine von der Menschheit nie erfahrenen Klimaperiode. Das schnelle Tempo des Wandels hat Wissenschaftler überrascht und Besorgnis über die Gefahren extremer Wetterbedingungen hervorgerufen.[12] Die Grenze von 1,5 °C, die nach dem Paris-Abkommen von 2015 die Grenze zu einem gefährlichen Klimawandel markiert, wurde nur knapp unterschritten bzw. sogar überschritten. Allerdings ist damit die Mitteltemperatur über einen längeren Zeitraum gemeint, im allgemeinen über 20 Jahre, nicht nur über ein Jahr oder gar einen Monat.[13] Das folgende Jahr, 2024, wird aber höchstwahrscheinlich noch wärmer als 2023. Ein Grund sind die ungebremst weitergehenden Treibhausgasemissionen, ein anderer der wahrscheinlich bis zur Mitte des Jahres 2024 andauernde El Niño. Die erwartete Zunahme der globalen Mitteltemperatur zwischen 2023 und 2024, die von Rohde (2024) auf 0,29 °C geschätzt wird, wird hauptsächlich den Nachwirkungen des ENSO-Übergangs von La Niña auf El Niño zugeschrieben.[3]
Winter 2023/24
Die drei Wintermonate 2023/24 Dezember, Januar und Februar waren erneut außergewöhnlich warm. Der Dezember 2023 war mit 0,85 °C über dem Dezember-Mittel der wärmste je gemessene Dezember und lag mit 1,78 °C über dem Dezembermittel der vorindustriellen Zeit 1850-1900. Regional befanden sich die höchsten Dezember-Temperaturen über dem nordamerikanischen Kontinent. In Europa war der Bereich von Mitteleuropa bis Südosteuropa besonders warm und Skandinavien ungewöhnlich kühl. Im neuen Jahr 2024 setzten sich die ungewöhnlich hohen Temperaturen fort. Januar und Februar waren ebenfalls die wärmsten je gemessenen Januar- und Februar-Monate, wenn auch vor allem der Januar nicht mehr ganz so weit über dem Mittel der vorindustriellen Zeit lag wie der Dezember 2023. Andererseits übertrafen zum ersten Mal mit der Zeitspanne von März 2023 bis Februar 2024 zwölf Monate in Folge die kritische Grenze von 1,5 °C, die nach dem Pariser Abkommen von 2015 nicht überschritten werden sollte, um einen gefährlichen Klimawandel zu vermeiden.[14]
Abb. zeigt die Abweichung der Wintertemperaturen 2023/24 von den mittleren Wintertemperaturen der Periode 1991-2020. Auffällig sind zwei große Regionen mit besonders hohen Werten von mehr als 3 °C über dem nordöstlichen Nordamerika und von Mitteleuropa bis in den Nahen Osten, während es z.B. in Skandinavien kühler als in den durchschnittlichen Wintern der letzten drei Jahrzehnte war.
Einzelnachweise
- ↑ 1,0 1,1 Copernicus Climate Change Service (2024): Global Climate Highlights 2023
- ↑ Betts, R.A., S.E. Belcher, L. Hermanson et al. (2023): Approaching 1.5 °C: how will we know we’ve reached this crucial warming mark? Nature, 1. December 2023
- ↑ 3,0 3,1 3,2 3,3 3,4 3,5 Rohde, R. (2024): Global Temperature Report for 2023
- ↑ 4,0 4,1 4,2 4,3 Hausfather, Z., Carbon Brief (2024): State of the Climate: 2023 smashes records for surface temperature and ocean heat
- ↑ 5,0 5,1 5,2 Cheng, L., J. Abraham, K.E. Trenberth et al. (2024): New Record Ocean Temperatures and Related Climate Indicators in 2023, Advances in Atmospheric Siences
- ↑ Climate Reanalyzer (2024): Daily Sea Surface Temperature
- ↑ NOAA - Global Monitoring Laboratory (2023): Carbon Cycle Greenhouse Gases
- ↑ World Meteorological Organization, WMO (2023): State of the global climate 2022
- ↑ Hausfather, Z., Carbon Brief (2023): State of the climate: Global temperatures throughout mid-2023 shatter records
- ↑ Hausfather Z, Forster P. 2023. Analysis: How low-sulphur shipping rules are affecting global warming. Carbon Brief
- ↑ Jenkins, S., R. Grainger, A. Povey, A. Gettelman, P. Stier and M. Allen (2022): Is Anthropogenic Global Warming Accelerating?, J. Climate, 1–43
- ↑ Ripple, W.J., C. Wolf, J.W. Gregg et al. (2023): The 2023 state of the climate report: Entering uncharted territory, BioScience, 2023;, biad080
- ↑ Berkeley Earth (2023): September 2023 Temperature Update
- ↑ Copernicus Climate Change Service (2024): Surface air temperature maps
Weblinks
- Klimadaten der amerikanischen Wetterbehörde NOAA
- Klimadaten der NASA
- Klimadaten des Hadley Centre (GB)
- Klimadaten von Berkeley Earth
Bildergalerie zum Thema
- Bilder zu: Klimaänderungen global (Bilder)
Lizenzhinweis
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