Hurrikane im Atlantik
Von allen Wetterextremen besitzen tropische Wirbelstürme die stärkste Zerstörungskraft für natürliche und soziale Systeme. Sie treten in den tropischen Regionen aller drei Ozeane auf. Im nördlichen Atlantik und östlichen Pazifik heißen sie Hurrikane, im westlichen Pazifik Taifune, im nördlichen Indischen Ozean Zyklone.
Namen und Zugbahnen
Wie die Tiefdruckgebiete in den mittleren Breiten werden auch Hurrikane mit Vornamen versehen. Dies vereinfacht die Kommunikation zwischen den Wetterdiensten und Behörden in verschiedenen Ländern und in der Schifffahrt. Seit 1953 werden alle Hurrikane im Atlantik nach einer Liste benannt, die von einem internationalen Komitee der Weltorganisation für Meteorologie (WMO) erstellt wird. Auf der Liste stehen für jede Hurrikan-Saison 21 alphabetisch angeordnete weibliche und männliche Vornamen, die sich alle 6 Jahre wiederholen. Sollte es in einer Saison mehr als 21 Hurrikane geben, werden die folgenden nach griechischen Buchstaben benannt (Alpha, Beta, Gamma usw.). Das war bisher nur zweimal der Fall, 2005 und 2020.
Die Hurrikane des Nordatlantiks bewegen sich auf Zugbahnen vom mittleren Atlantik oder der östlichen Karibik nach Westen und Norden Richtung Mittelamerika bzw. den Süden der USA. Im Südatlantik gibt es so gut wie keine Hurrikane, da dort zu geringe Meeresoberflächentemperaturen herrschen. Der Ursprung der atlantischen Hurrikane liegt zumeist in der Passatzone über dem äquatorialen Afrika, wo sich im tropischen Klima Gewitterzellen bilden, nach Westen driften und als kleine Tiefdruckgebiete den Atlantik erreichen. Vorläufer der Gewitterstörungen sind oft Luftströmungen über dem Golf von Aden, die über das äthiopische Hochland und dann über Westafrika Richtung Atlantik ziehen.[1] Hurrikane selbst entstehen aus solchen Tiefs zumeist über dem mittleren und westlichen Atlantik oder der Karibik und dem Golf von Mexiko (Abb. 2).
Hurrikan-Saison
Die offizielle Hurrikan-Saison im Nordatlantik reicht vom 1. Juni bis zum 30. November. Der Höhepunkt liegt zwischen Mitte August und Ende Oktober. Im Spätsommer ist die Differenz zwischen den Meeresoberflächentemperaturen und den Temperaturen in der oberen Troposphäre am größten, wodurch der Auftrieb der warmen Luft und die Kondensation in der Höhe verstärkt wird. Von Mitte August bis Mitte Oktober reicht der intensivste Teil der atlantischen Hurrikan-Saison, mit 87% der Tage mit Hurrikanen der Kategorie 1 (mit Windgeschwindigkeiten ab 117 km/h) und 2 (ab 154 km/h) sowie 97% der Tage mit schweren Hurrikanen der Kategorien 3 (ab 178 km/h), 4 (ab 209 km/h) und 5 (ab 252 km/h). In dieser Zeit nimmt die starke Windscherung[2] vom Mai nach und nach ab, was die Entwicklung von Hurrikanen begünstigt. Die Ozean-Temperaturen steigen stark an, ebenso die Lufttemperaturen und die Luftfeuchtigkeit. Statistisch ist der 10. September der Höhepunkt der Hurrikan-Saison (Abb. 3). Ab Oktober fördern starke Höhenwinde die Windscherung, und Luft- und Wassertemperaturen nehmen wieder ab. Als Folge geht auch die Hurrikan-Aktivität zurück.[3]
Seit dem Jahr 2000 gab es im tropischen Atlantik drei Hurrikan-Saisons, in denen besonders viele und intensive Hurrikane auftraten, von denen einige starke Zerstörungen bewirkten: 2005, 2017 und 2020. In allen drei Fällen schwächte sich ein El Niño ab und es entwickelten sich fast gleichzeitig mit den Hurrikanen La-Niña-Bedingungen. Während eines El Niños bilden sich über dem Atlantik stärkere Westwinde in der Höhe und stärkere Passate, wodurch die vertikale Windscherung verstärkt und die Hurrikan-Aktivität unterdrückt wird. La Niña besitzt eine entgegengesetzte Wirkung: Über der Karibik und dem westlichen tropischen Atlantik bildet sich ein Hochdruckrücken in der Höhe, wodurch schwächere Winde und eine geringe Windscherung auftreten, was die Entfaltung von Hurrikanen begünstigt.[4]
Die Hurrikan-Saison 2005
Die Hurrikan-Saison 2005 ist in erster Linie mit dem Namen des Kategorie-5-Hurrikans Katrina verbunden (Abb. 1). Katrina traf Ende August 2005 zunächst auf den Süden Floridas und richtete dann starke Schäden im Mississippi-Delta und New Orleans an und forderte zahlreiche Todesopfer. Durch einen Dammbruch wurde New Orleans zu 80 % unter Wasser gesetzt und weitgehend unbewohnbar, 1836 Menschen verloren ihr Leben[5] und der Sachschaden belief sich auf 125 Milliarden US-Dollar, womit Katrina zum teuersten Hurrikan der USA wurde.[6] Katrina war zwar der teuerste, aber nicht der stärkste Sturm der Saison. Mit einem Zentraldruck von nur 882 hPa erwies sich Hurricane Wilma als der bis dahin stärkste je gemessene atlantische Hurrikan. Wilma traf vor allem die Küste der Halbinsel Yucatán (Mexiko) und zog anschließend über den Süden Floridas.[7]
Insgesamt ging das Jahr 2005 in die Geschichte als das Jahr der bis dahin mit Abstand stärksten Hurrikan-Aktivität im Nordatlantik ein, mit 28 benannten tropischen Wirbelstürmen (ab 64 km/h) und 15 Hurrikanen, wovon sieben der Kategorie 3-5 und vier der Kategorie 5 angehörten (Abb. 4).[8][6] Damit brach 2005 den Rekord von 1933, als 21 tropische Wirbelstürme über den tropischen Nordatlantik zogen. Die Gründe für die starke Hurrikan-Saison lagen vor allem in den außergewöhnlich hohen Meeresoberflächentemperaturen in der Karibik und dem tropischen Atlantischen Ozean, die mit bis zu 30 °C und mehr Rekordwerte erreichten (Abb. 1). Die Temperaturen im Atlantik lagen ca. 1 °C über dem langjährigen Mittel.[9]
Die Hurrikan-Saison 2017
Die atlantische Hurrikan-Saison 2017 war bestimmt durch zwei sehr starke Hurrikane der Kategorie 5 (Irma und Maria) und vier weitere Hurrikane der Kategorie 3 und 4 (Lee und Ophelia sowie Harvey und Jose). Insgesamt erreichten von 17 benannten tropischen Wirbelstürmen 10 die Stärke eines Hurrikans. Damit lag 2017 deutlich über dem Mittel der Jahre 1981-2010 mit 6,4 Hurrikanen und 2,7 schweren Hurrikanen, und das Jahr stand bei der Anzahl an schweren Hurrikanen an dritter Stelle der bis dahin erfolgten Messungen. Gemessen an dem ACE-Index, der die Hurrikan-Anzahl, ihre Lebensdauer und ihre Intensität berücksichtigt, übertraf 2017 den Mittelwert von 1981-2010 um das Doppelte. Daran waren vor allem die beiden Kategorie-5-Hurrkane Irma und Maria beteiligt.[10]
2017 war zudem mit 265 US$ die teuerste Hurrikan-Saison für die USA. Die Schäden gingen vor allem von den drei schweren Hurrikanen Harvey, Irma und Maria aus. Der Schaden durch den Hurrikan Harvey von 125 Mrd. US$ wurde in den USA nur durch Katrina im Jahr 2005 übertroffen. Die Zerstörungen von Sachwerten waren weniger durch die Windstärke des Kategorie-4-Hurrikans Harvey verursacht als durch die gewaltigen Regenfälle, die über die texanische Küstenstadt Houston und Umgebung niedergingen, als Harvey auf Land traf (Abb. 5). Die katastrophalen Überschwemmungen zerstörten 9000 Wohnstätten und beschädigten weitere 185 000.[11] Aber auch Maria verursachte vor allem auf Puerto Rico und den US-amerikanischen Jungferninseln einen Schaden von über 90 Mrd. US$. Neben den hohen Sachschäden verloren mindestens 68 Menschen in Texas durch Harvey ihr Leben.[12]
Der Hurrikan Harvey wurde wegen seiner ungewöhnlich hohen Niederschläge Gegenstand mehrerer wissenschaftlicher Untersuchungen. Dabei stand die Frage im Mittelpunkt, wie stark die globale Erwärmung daran beteiligt war. In der Nähe von Houston wurde ein Niederschlag von 1043 mm in drei Tagen gemessen, ein Ereignis, das nach Oldenborgh et al. (2017) unter gegenwärtigen klimatischen Bedingungen nur einmal in 9000 Jahren vorkommen sollte.[13] Ein so hoher Niederschlag sei nach Modell-Berechnungen durch den anthropogenen Klimawandel drei Mal wahrscheinlicher geworden. Allgemein nehmen die Niederschläge allein durch die Erwärmung der Atmosphäre zu, weil der Wasserdampfgehalt der Luft nach der Clausius-Clapeyron-Gleichung um 7% pro Grad Erwärmung steigt. Hurrikan Harvey hat dagegen durch die Wasserdampfzufuhr vom Meer nach Wang et al. (2018) eine Zunahme der Regenfälle um 20% gezeigt.[11]
Ein anderer Faktor, der durch die globale Erwärmung beeinflusst wird, ist die Wassertemperatur in den Entstehungsgebieten der Hurrikane. Der Wärmegehalt in der oberen Wasserschicht des Golfs von Mexiko erreichte 2017 Rekordwerte. Die Meeresoberflächentemperatur lag bei über 30 °C (Abb. 6). Im Zusammenspiel mit der stark erwärmten Atmosphäre führte das zu einer intensiven Verdunstung. In der Höhe kam es zu starken Kondensationsprozessen und ergiebigen Niederschlägen. Aufgrund der großen Ausdehnung von Harvey und seiner langsamen Vorwärtsbewegung kam es über mehrere Tage zu der Situation, dass Harvey z.T. über dem Meer lag und dort erhebliche Wassermassen durch Verdunstung aufnahm, die über einen anderen Teil des Hurrikans als heftige Niederschläge über dem Land niedergingen.[14]
Ein weiterer besonderer Hurrikan der Saison 2017 war Ophelia (Abb. 7) Der Deutsche Wetterdienst nannte ihn einen "Hurrikan für die Geschichtsbücher".[15] Ophelia erreichte nicht nur als zehnter aufeinanderfolgender Hurrikan in einer Saison einen neuen Rekord in der Satellitenära, sondern entstand auch außergewöhnlich weit nordöstlich von den üblichen Hurrikan-Entstehungsgebieten im subtropischen Atlantik westlich der Azoren. Der ungewöhnliche Entstehungsort hatte zur Folge, dass Ophelia nicht mit den Passatwinden nach Westen driftete, sondern sich nach Nordosten Richtung Europa bewegte. Zunächst als außertropisches Tiefdruckgebiet entstanden, entwickelte sich Ophelia schnell zum Hurrikan der Kategorie 3, was in dieser Region in der Nähe der Azoren noch nie beobachtet wurde. Auf dem weiteren Weg Richtung Irland wandelte sich Ophelia zu einem außertropischen Orkantief mit Windgeschwindigkeiten von bis zu 150 km/h, richtete auf der irischen Insel starke Verwüstungen an und forderte dort drei Todesopfer.
Eine Ursache der starken Hurrikan-Saison war das Fehlen von El-Niño-Bedingungen im tropischen Pazifik und die beginnende Entwicklung einer La Niña gegen Ende des Jahres. Dadurch gab es allenfalls schwache vertikale Scherwinde[2], wodurch günstige Bedingungen für die Entwicklung von Hurrikanen im Atlantik vorlagen.[10] Andere natürliche Schwankungen spielten eine ebenso wichtige, wenn nicht sogar wichtigere Rolle. So wurden die hohen Meeresoberflächentemperaturen im Hauptentstehungsgebiet gerade der starken Hurrikane 2017 primär durch die Atlantische Multidekaden-Oszillation (AMO) beeinflusst. Dabei handelt es sich um Schwankungen der Wassertemperaturen über Jahre und Jahrzehnte im tropischen Atlantik.[16] Aber auch die Zunahme der anthropogenen Treibhausgase hat zu der höheren Meeresoberflächentemperatur beigetragen. Insgesamt wurde die erhöhte Aktivität starker Hurrikane 2017 nach Murakami et al. (2018) hauptsächlich durch die höhere Meeresoberflächentemperatur in der Hauptentwicklungsregion der Hurrikane verursacht, eher als durch die moderaten La-Niña-Bedingungen.[17]
Die Hurrikan-Saison 2020
Nur drei Jahre nach der verheerenden Hurrikan-Saison 2017 erlebte der tropische Atlantik im Jahr 2020 ein neues Hurrikan-Rekordjahr, das in mancher Hinsicht auch 2005 noch übertraf. So gab es 2020 sogar 30 benannte Stürme, so viel wie nie seit Beginn der Beobachtungen, gegenüber 28 im Jahr 2005 und 17 in 2017. Das zweite Mal (nach 2005) musste in der Hurrikan-Zählung zur Benennung der tropischen Stürme auf das griechische Alphabet zurückgegriffen werden, weil die 21 Namen des lateinischen Alphabets nicht ausreichten. Das war bei 9 benannten Stürmen der Fall, gegenüber 7 im Jahr 2005. 13 Stürme erreichten die Stärke von Hurrikanen (Windgeschwindigkeiten ab 117 km/h) und 6 die von schweren Hurrikanen (Kategorie 3-5 mit Windgeschwindigkeiten ab 178 km/h). Zum ersten Mal entstanden mit Eta und Iota zwei schwere Hurrikane im November, dem letzten Monat der Hurrikan-Saison, Iota sogar als ein Hurrikan der Kategorie 5.[18]
Die schweren Hurrikane Laura (Kategorie 4) und Eta (Kategorie 4) richteten wahrscheinlich mit 14,1 Mrd. US$ und 6,7 Mrd. US$ die stärksten Zerstörungen an. Betroffen waren vor allem die Antillen, die Halbinsel Yucatán und die südlichen Vereinigten Staaten. Laura fielen 77 und Eta 189 Menschen zum Opfer. Auch der späte Kategorie-5-Hurrikan Iota verursachte rund 60 Todesopfer. Insgesamt belief sich die Zahl der Toten auf über 400.[19] Die Daten sind jedoch als vorläufig anzusehen. Eine endgültige Auswertung dieser Hurrikan-Saison steht noch aus.
Als Gründe für die außergewöhnlich aktive Hurrikan-Saison 2020 wird von der amerikanischen Wetterbehörde NOAA die Atlantische Multidekaden Schwankung (AMO) genannt, die sich seit 1995 in einer warmen Phase befindet. Verbunden damit sind hohe Meeresoberflächentemperaturen und schwächere Windscherungen. An letzteren waren auch beginnende La-Niña-Bedingungen beteiligt. Eine andere Besonderheit sind außerdem Hurrikane, die sich einerseits sehr langsam vorwärtsbewegen und andererseits sehr schnell intensivieren und in den letzten Jahrzehnten zunehmend auftraten. Das traf 2020 außer auf Eta und Iota auch auf andere Hurrikane zu, die dadurch, dass sie längere Zeit mit hohen Sturmstärken am selben Ort verharrten, sehr starke Zerstörungen durch Winde, Sturmfluten und Niederschläge anrichteten. Bei diesem Phänomen weisen Experten auf den Einfluss des Klimawandels hin.[20]
Änderung der Hurrikan-Aktivität
Die historischen Daten über die Anzahl tropischer Wirbelstürme bzw. Hurrikane während des letzten Jahrhunderts zeigen einen deutlichen Aufwärtstrend, der mit der zunehmenden Meeresoberflächentemperatur korreliert ist. Überlagert wird dieser Trend einerseits von starken Schwankungen von Jahr zu Jahr, andererseits von deutlichen Dekaden-Schwankungen. So war die Zeit zwischen 1910 und 1930 ausgesprochen ruhig, während die Hurrikan-Aktivität in den 1940ern bis 1960ern deutlich zugenommen hat. Über den gesamten Zeitraum 1878-2006 wurde ein Trend von +3,84 Stürme pro 100 Jahre geschätzt. Beginnt man die Zählung bei 1900 ergibt sich sogar ein Trend von +6 Stürmen pro 100 Jahre.[21]
Ein erheblicher Teil der Zunahme der Sturmhäufigkeit ist jedoch künstlich bedingt durch eine Veränderung in den Beobachtungsmethoden. Vor 1944 wurden die Stürme durch Schiffe oder durch das Zählen der auf Land treffenden Stürme erfasst. Nach dem 2. Weltkrieg kamen Beobachtungen durch Flurzeuge und erst ab Ende der 1960er Jahre durch Satelliten hinzu. Auf den Schiffsrouten über den Atlantik wurden vor allem die kleineren Stürme von weniger als zwei Tagen Dauer nicht erfasst. Auch entgingen der Beobachtung von Schiffen und von Land zahlreiche Hurrikane auf hoher See. Diese und die kleineren Stürme gingen aber später in die flächendeckenden Satelliten-Daten ein, wodurch die Gesamtzahl der Hurrikane allein durch die neue Beobachtungsmethode zunahm. Nach einer Anpassung der Daten durch Hinzufügen der geschätzten „fehlenden“ Stürme zeigt die Gesamtzahl aller Hurrikane nur noch einen sehr geringen positiven Trend zwischen 1878 und 2006, der sich kaum von Null unterscheidet (Abb. 8). Eine leichte Abnahme zeigt sich bei den auf Land treffenden Hurrikanen in den USA, die historisch relativ gut dokumentiert sind.[22]
Die korrigierten Daten zeigen Ende des 19. Jahrhunderts eine relativ hohe Anzahl an Hurrikanen, worauf bis ca. 1930 eine Abnahme folgt. Zwischen 1930 und den 1950er Jahren ist die Hurrikan-Anzahl wieder relativ hoch, bleibt aber dann zwischen 1960 und den 1980er Jahren unter dem Durchschnitt der Periode 1878-2008. Seit den 1990er Jahre folgt ein erneuter Anstieg der Zahl der Hurrikane. Eine aktuelle Untersuchung[23] der globalen Trends der Hurrikan-Zahl in den letzten vier Jahrzehnten zeigt für den Atlantik im Gegensatz etwa zum westlichen und östlichen Pazifik ebenfalls eine klare Zunahme. Die letzten 25 Jahre im tropischen Nordatlantik waren sowohl bei den tropischen Stürmen insgesamt wie bei den schwachen und starken Hurrikanen die aktivste Periode seit Mitte des 20. Jahrhunderts. Auch die Intensität der Hurrikane und vor allem die Intensität der stärksten Hurrikane ab Kategorie 3 ("major hurricanes") haben zugenommen (Abb. 9).[24][25]
Die Ursachenfrage
Die Zeitserie der Hurrikane zeigt starke jährliche und deutliche Dekadenschwankungen, jedoch keinen klaren langfristigen Trend, der mit dem der globalen Mitteltemperatur vergleichbar wäre. Es ist daher davon auszugehen, dass neben der globalen Erwärmung auch andere Ursachen für die langfristige Entwicklung der Hurrikan-Aktivität eine Rolle spielen. Die wichtigsten Faktoren, die tropische Hurrikane beeinflussen, sind bekannt. Günstige Bedingungen sind hohe Temperaturen in der oberen Ozeanschicht, eine instabile Atmosphäre (d.h. große Temperaturunterschiede zwischen unterer und höherer Atmosphäre) mit hohem Wasserdampfgehalt in der mittleren Troposphäre und schwache vertikale Scherwinde. Wie sich diese Faktoren verändern und welche dominieren, ist weniger bekannt. Und vor allem ist umstritten, welche Ursachen dafür in welchem Ausmaß anzunehmen sind. In Konkurrenz stehen dabei Klimaänderungen durch den Menschen durch anthropogene Treibhausgase und Aerosole sowie natürliche Schwankungen.
Meeresoberflächentemperatur
Wie der Blick auf die starken Hurrikan-Saisons im 21. Jahrhundert gezeigt hat, war daran auch immer eine hohe Meeresoberflächentemperatur beteiligt. Die tropische Meeresoberflächentemperatur im Atlantik ist in den letzten 100 Jahren deutlich stärker angestiegen als in den anderen Ozeanen. Dabei lassen sich grob drei Phasen unterscheiden (Abb. 10): ein starker Anstieg von 1900 bis ca. 1940, dann ein leichter Abfall der Temperatur bis ca. 1980 und danach wieder ein deutlicher Anstieg. Wenn auch nicht die Anzahl, so kann nach Elsner et al. (2008) die Intensität tropischer Zyklonen auf eine steigende Wassertemperatur zurückgeführt werden. Höhere Wassertemperaturen fördern die Verdunstung und den Wasserdampfgehalt der darüber liegenden Atmosphäre und damit die Dynamik von Hurrikanen.
Blickt man auf den Verlauf der Temperaturänderung im Atlantik (Abb.) oder im Golf von Mexiko (Abb.), so fällt eine gewisse Ähnlichkeit mit dem Verlauf der globalen Mitteltemperatur auf. Letztere wird insgesamt auf den Anstieg anthropogener Treibhausgase in der Atmosphäre zurückgeführt. Allerdings ist die leichte Temperaturabnahme seit den 1950er bis zu den 1970er Jahren, die sich auch bei den Meeresoberflächentemperaturen im tropischen Atlantik wiederfindet, damit nicht zu erklären, da die Treibhausgaskonzentrationen kontinuierlich ansteigen. Diese Temperaturdelle wird von der Forschung durch die zunehmende Belastung der Atmosphäre durch Sulfataerosole infolge der schmutzigen Industrialisierung nach dem 2. Weltkrieg in den westlichen Industriestaaten erklärt. Die Luftreinhaltepolitik ab den 1980er Jahren habe dann zu einem Wiederanstieg der globalen Mitteltemperatur geführt. Auf diesem Hintergrund liegt es nahe, auch für die Abnahme der Meeresoberflächentemperatur im tropischen Nordatlantik die Aerosolbelastung verantwortlich zu machen.
Aerosole und Klimaschwankungen
So führen Dunstone et al. (2013)[26] kühlere Meeresoberflächentemperaturen und damit schwächere Perioden der Hurrikan-Aktivität in den 1970er und 1980er Jahren im Atlantik hauptsächlich auf eine zunehmende Aerosolkonzentration durch die Emissionen westlicher Industriestaaten zurück. Aerosole reflektieren Sonnenstrahlung und bewirken so eine Abkühlung der Atmosphäre wie der Wassertemperaturen der Ozeane. Die anschließenden wärmeren Wassertemperaturen und starken Hurrikan-Jahre wird mit der Luftreinhaltepolitik begründet. Auch für die nächsten Jahrzehnte sei mit einer Aerosol-Abnahme zu rechnen und daher mit entsprechend stärkeren Hurrikan-Aktivitäten. Die Bedeutung der Aerosole wird allerdings im Laufe des 21. Jahrhunderts zunehmend von der der Treibhausgase abgelöst. Spätere Untersuchungen haben den Aerosol-Einfluss auf die Zunahme der Hurrikan-Aktivität seit den 1970er Jahren auf ca. 25% quantifiziert.[27]
Da die Aerosolkonzentration über dem Nordatlantik auch nach 2005 weiter abgenommen habe (Abb.), die Anzahl der starken Hurrikane aber nicht zugenommen, sondern zurückgegangen sei, halten Yan et al. (2017)[28] die Aerosol-These für unzutreffend. Sie sehen die Schwankungen der Meeresoberflächentemperatur über den Zeitraum 2005-2015 primär durch die Atlantische Meridionale Umwälzzirkulation (AMOC) bestimmt. Sowohl Modellsimulationen wie Beobachtungen zeigten eine Abschwächung der Meeresoberflächenströmung vom Golf von Mexiko Richtung Nordatlantik, von der der Golf- und Nordatlantikstrom wichtige Teile sind. Das habe Auswirkungen sowohl auf die Meeresoberflächentemperatur als auch auf die Windscherung. Tatsächlich zeigt die Abb. unten, dass die natürlichen Schwankungen der Meeresoberflächentemperatur im tropischen Atlantik (der Atlantischen Multidekaden-Oszillation, AMO) weitgehend mit der Zahl der tropischen Wirbelstürme korrelieren. Die AMO wiederum wird nach Yan et al. (2017) wesentlich von der Atlantische Meridionale Umwälzzirkulation beeinflusst.
Die Rolle der anthropogenen Aerosole für die Zunahme der tropischen Wirbelstürme seit 1980 bleibt allerdings weiterhin Gegenstand der Forschung. So kommt eine Modelluntersuchung aus dem Jahr 2020 zu dem Ergebnis, dass ein teilweiser Einfluss der vom Menschen verursachten Aerosolbelastung über dem Atlantik auf die Hurrikane-Aktivität neben vulkanischen Aerosolen und den anthropogenen Treibhausgasen durchaus in Frage kommt.[23]
Einfluss des Klimawandels?
Eine einfache Beziehung besteht zwischen der Zunahme der Hurrikan-Zahl in den letzten 30-40 Jahren und dem Einfluss des Menschen auf das Klima jedenfalls nicht. Man muss davon ausgehen, dass die Veränderungen der Hurrikane-Aktivität durch eine Vielzahl von anthropogenen und natürlichen Faktoren bestimmt werden. Das gilt nicht nur für die bloße Anzahl von tropischen Wirbelstürmen im Nordatlantik, sondern auch für andere Faktoren. So wurde in letzter Zeit beobachtet, dass Hurrikane sich zunehmend schneller intensivieren. Hurrikane der Kategorie 1 haben sich etwa häufiger als früher in wenigen Tagen zu Hurrikanen der Kategorie 5 entwickelt. Auch der Anteil von starken Hurrikanen an allen Hurrikanen hat in den letzten Jahrzehnten deutlich zugenommen.[29] Eine aktuelle Untersuchung[30] über die letzten ca. 40 Jahre, bzw. des Satellitenzeitalters, stellt eine klare Veränderung zu einer größeren Intensität von Hurrikanen fest. Die Wahrscheinlichkeit des Auftretens von schweren (Kategorie 3-5) Hurrikanen hat sich demnach global um 8%, im Nordatlantik sogar um 49% pro Jahrzehnt erhöht. Die Ursachen werden sowohl in natürlichen Schwankungen wie der AMOC als auch in anthropogenen Aerosolen und Treibhausgasen gesehen. Eine genaue Quantifizierung der jeweiligen Anteile sei jedoch nicht möglich. Zumindest ist es unwahrscheinlich, dass die Zunahme anthropogener Treibhausgase der dominierende Faktor ist. Im westlichen Nordpazifik, dem Hauptgebiet tropischer Zyklonen, seien keine signifikanten Änderungen des Auftretens schwerer tropischer Wirbelstürme festzustellen. Da die lanflebigen und wichtigsten Treibhausgase in der Atmosphäre gut durchmischt sind, müssten sie sich auch im westlichen Pazifik auswirken.[30]
Neben der Verstärkung von Hurrikanen spielen weitere Veränderungen bei der Frage nach einem anthropogenen Einfluss eine wichtige Rolle: die Verstärkung von Niederschlägen, die von Hurrikanen ausgehen, und die Verzögerung der Abschwächung der Hurrikan-Intensität beim Auftreffen auf Land.[30] Als Beispiel für stärkere Niederschläge wurden u.a. die gewaltigen Niederschlagsmengen untersucht, die von Hurrikan Harvey 2017 über Houston niedergingen (s.o.). Damit in Verbindung wurden die hohen Ozeantemperaturen gebracht, die von manchen Autoren dem Klimawandel zugerechnet werden. Die Hurrikan-bedingten Niederschläge in der Region haben nach einigen Autoren durch die globale Erwärmung um bis zu 20% zugenommen. Andere fanden keine belastbaren Belege für einen anthropogenen Einfluss auf die Niederschlagszunahmen durch tropische Wirbelstürme.[27] Mit den höheren Niederschlägen in Verbindung steht eine beobachtete Verlangsamung der Abschwächung der Hurrikan-Intensität beim Auftreffen auf Land. Nach Li & Chakraborty[31] hatte ein typischer Hurrikan in den 1960er Jahren beim Auftreffen auf Land innerhalb eines Tages 27% seiner Stärke verloren, gegenwärtig sind es nur noch 50%. Hauptgrund sei ein wärmerer Ozean und dadurch eine größere Wasserdampfmenge als Antrieb der Hurrikan-Intensität. Je mehr Wasserdampf ein Hurrikan aufgenommen hat, desto weniger verliert er an Stärke über Land. Die Folge sind höhere Niederschläge und heftigere Stürme über den betroffenen Landstrichen. Bei einem langsameren Hurrikan bleibt ein Teil des Wirbelsturms auch nach dem Landfall länger über dem angrenzenden Meer und „tankt“ weiterhin Feuchtigkeit (Abb. 12).
Einzelnachweise
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Weblinks
- Kasang, D. & F. Wachsmann (2018): Tropische Wirbelstürme unter besonderer Berücksichtigung von Hurrikanen. In: Lozán, J.L., S.-W. Breckle, H. Graßl, D. Kasang & R. Weisse (Hrsg.): Warnsignal Klima: Extremereignisse. pp. 207-212. doi:10.2312/warnsignal.klima.extremereignisse.30.
- Verstärkt die globale Erwärmung Wirbelstürme? Climate Press Nr. 23
Bildergalerie zum Thema
- Bilder zu: Tropische Wirbelstürme
Klimadaten zum Thema
Klimadaten zum Thema selbst auswerten? Hier können Sie aus globalen Daten eigene Karten zur künftigen Klimaentwicklung erzeugen:
Meeresoberflächentemperatur,
Temperatur,
Verdunstung.
Hier finden Sie eine Anleitung zur Visualisierung der Daten.
Schülerarbeiten zum Thema
Schülerarbeiten zum Thema des Artikels aus dem Schulprojekt Klimawandel:
- Hurrikane im Klimawandel Wie beeinflusst der Klimawandel die Hurrikane im Nordatlantik? (Gymnasium Lohbrügge, Hamburg)
- Hurrikane Über den Zusammenhang zwischen dem Klimawandel und der Ausbreitung bzw. Häufigkeit von Hurrikanen (Anne-Frank-Schule, Bargteheide)
- Wetterextreme: Hurrikans Wie ändert sich Anzahl und Stärke von Hurrikans? (Johanneum zu Lübeck, Lübeck)
- Die Gefährdung New Yorks Die Gefährdung New Yorks durch den Meeresspiegelanstieg und Hurrikane (Stadtteilschule Eidelstedt, Hamburg)
Literatur
- Kasang, D. (2011): Tropische Wirbelstürme, in: Lozán, J.L., u.a. (Hrsg): Warnsignal Klima: Die Meere - Änderungen & Risiken, Hamburg 2011, 144-148; aktualisierte Fassung online
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