Klimaänderungen in Europa
Das europäische Klima reicht von den Subtropen im Süden über das gemäßigte Klima in der Mitte bis zum borealen und Tundrenklima im Norden (Abb. 1). Es steht im Westen unter starkem Einfluss des Atlantischen Ozeans und wird nach Osten zunehmend kontinentaler. Der Nordatlantikstrom sorgt, als Fortsetzung des Golfstroms, vor allem im Winter bis weit in den hohen Norden hinein für ein sehr mildes Klima. Vom Mittelmeer bis nach Skandinavien bestimmt die Nordatlantische Oszillation die klimatischen Schwankungen.
Veränderung der Temperatur
Ein Rückblick der Temperaturentwicklung in Mitteleuropa bis in das Mittelalter zeigt grob gesehen drei Klimaepochen, die mit der Entwicklung auf der gesamten Nordhalbkugel übereinstimmen :
- die Mittelalterliche Warmzeit,
- die Kleine Eiszeit,
- die Warmphase der letzten ca. 100 Jahre.
Von 1000 bis ungefähr 1300 nimmt die Temperatur bei starken Schwankungen von Jahr zu Jahr kontinuierlich zu. Danach zeigt sich von ca. 1400 bis 1900 eine relativ kühle Phase, mit besonders niedrigen Temperaturen im 16. und 17. Jahrhundert, die sog. Kleine Eiszeit. Ab 1900 nehmen die Temperaturen ungewöhnlich stark zu und liegen in den letzten 30 Jahren deutlich über den höchsten Temperaturen der mittelalterlichen Warmzeit (Abb. 2).
Die Temperaturzunahme im 20. Jahrhundert und bis 2007 war in Europa mit 1 °C gegenüber dem Mittel von 1850 bis 1899 etwas höher als im globalen Durchschnitt mit 0,8 °C (Abb. 3). Die Erwärmung über den Landflächen war dabei mit 1,2 °C (global 1 °C) stärker als über den Meeren.[1]
Betrachtet man die besonders starke Erwärmung der letzten 30 Jahre (1976-2006) im Hinblick auf die Sommer- und Winterentwicklung, so fällt ein Trend auf, wie er ähnlich auch für die nächsten 100 Jahre projiziert wird: Im Winter findet sich die stärkste Erwärmung in Skandinavien, im Sommer im Mittelmeerraum. Für die ungewöhnlich starke Erwärmung im Norden spielt der Eis-/Schnee-Albedo-Effekt die entscheidende Rolle: Der Rückgang von Schnee- und Eisflächen führt zu einer höheren Strahlungsabsorption. Die sommerliche Erwärmung im Mittelmeerraum ist primär durch die Niederschlagsdefizite und ausgetrockneten Böden bedingt, die die Evapotranspiration und damit deren Abkühlungseffekt stark einschränken.
Änderungen des Niederschlags
Allgemein haben die Niederschläge in Europa im 20. Jahrhundert um 6-8 % zugenommen. Regional zeigt sich dabei eine deutliche Zweiteilung. Die Zunahme findet sich hauptsächlich mit 10-40 % in Nordeuropa, während sie im Mittelmeerraum und in Teilen Südosteuropas um bis zu 20 % abgenommen haben.[2] Die Trends bei drei Stationen in Norwegen (Barkestad), Deutschland (Frankfurt) und Italien (Mailand) sind exemplarisch für die jeweilige Region: In Norwegen nehmen die Niederschläge deutlich zu, in Deutschland zeigt sich keine auffälliger Trend, und in Italien findet sich eine Abnahme der Niederschläge. Dabei sind die Niederschläge in Nord- und Westeuropa zwischen 1951 und 2000 mit 20-40 % vor allem im Winter angestiegen. In Südeuropa nahmen die Niederschläge sowohl im Sommer wie im Winter um 20 % und mehr ab, im östlichen Spanien und südlichen Italien sogar über 40 %. Deutliche Niederschlagsabnahmen finden sich im Sommer aber auch in Mitteleuropa.[3]
Verschiebung der Klimazonen
Die Veränderungen von Temperatur und Niederschlag im 20. Jahrhundert haben auch zu einer merkbaren Verschiebung von Klimazonen in Europa geführt.[4] Bemerkenswert sind dabei
- eine größere Ausdehnung der Trockenklimate gegen Ende des 20. Jahrhunderts. So hat sich das im spanischen Südosten verbreitete Steppenklima gegenüber den 1950er und 1960er Jahren in seiner Ausdehnung fast verdoppelt.
- eine deutliche Ausdehnung des gemäßigten ozeanischen gegenüber dem gemäßigten kontinentalen Klima. So sind weite Teile Mittel- und Südosteuropas, aber auch des südlichen Skandinaviens, unter stärkeren ozeanischen Einfluss geraten.
- eine deutliche Ausdehnung des borealen ozeanischen gegenüber dem borealen kontinentalen Klima im mittleren und nördlichen Skandinavien. Das Gebiet des Tundrenklimas in den höheren Lagen Skandinaviens hat sich deutlich verringert.
Änderungen der Extreme
Mit den Mittelwerten ändern sich in der Regel auch Häufigkeit und Dauer extremer Wetterereignisse. So hat sich wegen der allgemeinen Erwärmung die Zahl extrem kalter Tage sichtlich verringert, während heiße Tage und Hitzewellen deutlich zugenommen haben. Die mittlere Länge von sommerlichen Hitzewellen hat sich zwischen 1880 und 2005 verdoppelt und die Häufigkeit von heißen Tagen verdreifacht.[6] Der Hitzesommer 2003 hat möglicherweise einen Vorgeschmack davon gegeben, wie künftige Sommer bei einer weiteren globalen Erwärmung in Europa aussehen könnten. In Frankreich lagen die Augusttemperaturen bis zu 14 °C über den mittleren Werten dieses Monats. In Deutschland kletterten die Temperaturen an einigen Orten über 40 °C.
Auch die Zahl der Tage mit extremen Niederschlägen hat in den meisten Gebieten in Europa zugenommen. Die extremen Niederschläge sind außerdem stärker geworden, und zwar auch in solchen Regionen, in denen die mittleren Niederschläge abgenommen haben, wie im Mittelmeerraum und in Mitteleuropa. Als Beispiel können hier die extremen Niederschläge über dem Einzugsgebiet der Elbe im Sommer 2002 angeführt werden, durch die es zu einer katastrophalen Hochwasserkatastrophe in Deutschland und der tschechischen Republik kam. Noch häufiger kam es zu Hochwasserereignissen durch starke Niederschläge allerdings in den Wintermonaten, verbunden mit einer Häufung von zyklonalen Großwetterlagen und der Abnahme kontinentaler Hochdrucklagen.
Kalte Winter in Europa
Die Winter 2009/10 und 2010/11 erschienen vielen Menschen als außergewöhnlich kalt. Tatsächlich lagen die Januartemperaturen 2010 in Deutschland um 3,7 °C unter dem Mittel von 1961-1990.[7] Dabei sollten doch nach den Projektionen der Klimamodelle gerade die Winter im nördlichen Mitteleuropa und in Nordeuropa aufgrund der Eis-Albedo-Rückkopplung besonders warm werden. Bleibt die globale Erwärmung aus?
Die gegenwärtigen Winterverhältnisse müssen zunächst einmal zeitlich relativiert werden. So lagen die Januartemperaturen in Deutschland in den 1980er Jahren zwei Mal um etwa 6 °C, 1963 um 8 °C und 1941 um 9 °C unter dem Mittel von 1961-1990.[7]. Ein Trend zu immer kälteren Wintern lässt sich jedenfalls nicht feststellen, eher lässt sich beobachten, dass die kalten Winter wärmer werden. Außerdem muss der kalte Winter in Europa in räumlicher Hinsicht relativiert werden. Die kalten Winter 2009/10 und 2010/11 haben nichts mit dem globalen Trend zu tun, sondern sind ein regional begrenztes Phänomen, das sich auf Teile von Europa, Russland und der USA beschränkt.[8] Hier lagen die Temperaturen um einige Grad Celsius unter den Wintertemperaturen der Periode 1951-1980. Global gehörten die Wintermonate Dezember bis Februar 2009/10 und 2010/11 dagegen zu den wärmsten je gemessenen Wintermonaten. In den höheren Breiten Kanadas, auf Grönland und in der Arktis wurden warme Rekordtemperaturen gemessen. Dennoch stellt sich die Frage nach den Ursachen der kalten Winter 2009/10 und 2010/11 und möglicherweise weiterer kalter Winter.
Als Hauptursache für die Kältewellen in Europa, Sibirien und den USA wird eine sehr schwach ausgebildete Nordatlantische Oszillation angenommen.[8] Der Gegensatz der Druckverhältnisse zwischen dem Azorenhoch und dem Islantief war niedriger als gewöhnlich. Das führte zu stabilen Luftdruck-Mustern, die arktische Luft in die östliche USA und in das nördliche Eurasien lenkte. Für Europa ist entscheidend, dass bei einer schwachen NAO die warmen und feuchten Luftströmungen vom Atlantik her nur wenig entwickelt sind und das Kältehoch über Nordosteuropa sich weit nach Westen ausbreiten kann. Die sich dabei einstellenden Wetterverhältnisse entsprechen ziemlich genau den Wetterlagen bei einer negativen NAO-Phase, mit relativ niedrigen Temperaturen und Trockenheit über Nord- und Mitteleuropa und warmen und feuchten Verhältnissen über dem Mittelmeerraum. Die NAO selbst unterliegt starken natürlichen Schwankungen von Jahr zu Jahr sowie einer Dekadenschwankung. So zeigte der NAO-Index im Winter 2009/10 einen negativen Rekordwert. Auch der frühe Winter 2010/11 kann als Folge der Schwankungen des NAO-Index gedeutet werden. Die schwache NAO allein hätte allerdings noch kältere Bedingungen erwarten lassen. Daran gemessen war der Winter 2009/10 sogar verhältnismäßig warm, was vor allem durch die fortschreitende Erwärmung des Hintergrundklimas durch die zunehmende Treibhausgaskonzentration bedingt ist. [9] Der Winter 2011/12 war dagegen auf dem Hintergrund einer relativ starken NAO lange Zeit sehr mild. Erst die Abschwächung der NAO Ende Januar/Anfang Februar machte die Ausbreitung des osteuropäischen Kältehochs bis weit nach Mittleuropa möglich.
Worin bestand aber der Grund für die ungewöhnlich schwache NAO in den beiden Wintern 2009/10 und 2010/11? Als Ursachen für die NAO-Dynamik werden sowohl Wechselwirkungen mit dem Ozean wie mit der Stratosphäre angenommen. Für die Winter 2009/10 und 2010/11 wurde von einigen Forschern auch ein Einfluss des Abschmelzen des arktischen Meereises auf die NAO verantwortlich gemacht.[10] Normalerweise isoliert der Polarwirbel rund um das arktische Höhentief die Arktis von Stürmen aus den mittleren Breiten und begrenzt zugleich die Bewegung kalter arktischer Luftmassen nach Süden. Um die Arktis herum gibt es starke Westwinde und eine starke Nordatlantische Oszillation, die warme und feuchte Luftmassen vom Nordatlantik nach Europa transpüortieren und das sibirische Kältehoch zurückdrängen. Im Winter 2009 war dieses Muster eines Höhentiefs über dem Polgebiet, das von und umliegenden Höhenhochdruckgebieten umgeben ist, nahezu umgedreht. In der Höhe von 1300 bis 1500 m war der Luftdruck über der Arktis höher als über den angrenzenden Kontinenten. Als Folge brach der Polarwirbel nahezu zusammen. Eind extrem schwache NAO mit den niedrigsten Wert seit Beginn der Messungen 1865 war die Folge. Dadurch konnten sich kalte Luftmassen über ganz Europa ausbreiten.
Auch die Sonne hat wahrscheinlich einen Einfluss auf kalte Winter in Europa und den USA. Das Verhalten der Sonne unterliegt wiederkehrenden zyklischen Schwankungen. Ein besonders prägnanter Sonnenzyklus, also der Zeitraum zwischen zwei Maxima der Strahlungsleistung, dauert etwa 11 Jahre (der sog. Schwabe-Zyklus). Das letzte Maximum lag zwischen 2000 und 2002, das letzte Minimum zwischen 2008 und 2010. Nach einer Modellberechnung beeinflusst eine geringe UV-Strahlung die Wetterverhältnisse in der unteren Troposphäre über die Stratosphäre. [11] Dabei entstehen ähnliche Muster wie bei einer schwachen Nordatlantischen Oszillation (NAO). Die Dekadenschwankung der NAO wird hiernach bis zu 50 % durch die Variabilität der Solarstrahlung auf diesem Wege angetrieben. Der Einfluss der NAO und der Sonne würden hiernach keine sich ausschließenden Erklärungen für die Winterverhältnisse in Europa sein, sondern zusammenwirken.
Neben dem Einfluss der NAO und der Solarstrahlung spielte möglicherweise auch das Abschmelzen des arktischen Meereises eine Rolle, das auch die Schwankungen der NAO beeinflusst haben könnte. Seit 2005 hat sich der sommerliche Rückgang des arktischen Meereises deutlich beschleunigt. Dadurch könnten sich die atmosphärischen Zirkulationsverhältnisse so geändert werden, dass kalte Luft aus den Polarregionen in Richtung Eurasien strömt. Bislang sorgte eine große Eisfläche und dadurch bedingt ein relativ stabiler Polarwirbel für die Abschottung der winterlichen Kaltluft über der Polarregion. Seit dem Jahr 2005 hat sich der sommerliche Eisrückgang jedoch deutlich beschleunigt. Die frei werdende Wasserfläche hat über große Teile des Nordpolarmeeres bis zu 5 °C höhere Temperaturen entstehen lassen. Diese Erwärmung führte möglicherweise zur Destabilisierung des Polarwirbels und ließ kalte und feuchte Luft aus der Arktis bis nach Nordamerika, Nordeuropa und Nordostasien vordringen. Aufgrund des zu erwartenden weiteren Rückgangs der arktischen Eisbedeckung könnte dieses als "Warme Arktis - Kalte Kontinente" bezeichnete Klimamuster in Zukunft häufiger vorkommen.[12][13] Modelluntersuchungen zum Abschmelzen des Meereises in der Barents-Kara-See nördlich von Norwegen und Russland kommen zu ähnlichen Ergebnissen.[14] Allerdings haben andere Modellrechnungen gezeigt, dass sich eine eisfreie Arktis aufgrund von Rückkopplungsmechanismen nur über wenige Jahre halten wird (vgl. Meereis/Projektionen).[15]
Einzelnachweise
- ↑ European Environment Agency (EEA) (2008): Impacts of Europe's changing climate - 2008 indicator-based assessment, 5.2.2
- ↑ European Environment Agency (EEA) (2008): Impacts of Europe's changing climate - 2008 indicator-based assessment, 5.2.3
- ↑ Schönwiese, C.-D. Janoschitz, R. (2008): Klima-Trendatlas Europa 1901-2000. Bericht Nr. 7, Inst. Atmosph. Umwelt, Univ. Frankfurt/Main
- ↑ Vgl. Gerstengabe, F.-W., und P.C. Werner (2009): A short update on Koeppen climate shifts in Europe between 1901 and 2003, Climatic Change 92, 99-107
- ↑ Eine Hitzeperiode ist hier definiert durch mindestens sechs aufeinander folgende Tage mit einer Temperatur von 5 °C über der mittleren Temperatur des Zeitraums 1961-1990
- ↑ European Environment Agency (EEA) (2008): Impacts of Europe's changing climate - 2008 indicator-based assessment, 5.2.4
- ↑ 7,0 7,1 Gebietsmittel Deutschland Deutscher Wetterdienst
- ↑ 8,0 8,1 Guirguis,K., A. Gershunov, R. Schwartz, and S. Bennett (2011): Recent warm and cold daily winter temperature extremes in the Northern Hemisphere, Geophysical Research Letters 38, doi:10.1029/2011GL048762, 2011
- ↑ Cattiaux, J., et al. (2010): Winter 2010 in Europe: A cold extreme in a warming climate, Geophysical Research Letters 37, doi:10.1029/2010GL044613
- ↑ J.E. Overland, K.R. Wood & M. Wang (2011): Warm Arctic - cold continents: climate impacts of the newly open Arctic Sea, Polar Research, 30, 15787, DOI: 10.3402/polar.v30i0.15787
- ↑ Ineson, S. (2011): Solar forcing of winter climate variability in the Northern Hemisphere, Nature Geoscience 4, 753–757
- ↑ Overland, J., et al. (2010):Atmosphere
- ↑ Overland, J., et al. (2011):Temperature and Clouds
- ↑ Petoukhov, V., and V. A. Semenov (2010), A link between reduced Barents-Kara sea ice and cold winter extremes over northern continents, J. Geophys. Res., 115, D21111 doi:10.1029/2009JD013568
- ↑ Tietzsche, S., et al. (2011): Recovery mechanisms of Arctic summer sea ice, Geophysical research letters 38, doi: 10.1029/2010GL045698
Weblinks
- Erderwärmung könnte Winter kälter werden lassen Pressemitteilung des Potsdam-Instituts für Klimafolgenforschung
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