Methan im Permafrost

Aus Klimawandel
Abb. 1: Verbreitung von Permafrost in der Arktis, gegenwärtig und 2100

Veränderung der Permafrostgebiete

25% der Landgebiete der nördlichen Hemisphäre sind von Permafrost eingenommen. Gegenwärtig bedeckt der Permafrost weltweit ungefähr 30 Mio. km2, wovon sich 13-18 Mio. km2 in der Arktis, 1 Mio. km2 im Hochland von Tibet und 16-21 km2 unter dem Meeresboden in arktischen Schelfgebieten befinden. 1 Mio. km2 sind von Yedoma-Permafrost eingenommen, einem bis 40 m und mehr tiefreichenden gefrorenen Boden, der während des Eiszeitalters gebildet wurde. In den oberen drei Metern hat sich der Permafrost in jüngster Zeit um ca. 0,4 °C pro Jahrzehnt erwärmt, wodurch der gefrorene Boden sich teilweise in Feuchtgebiete umgewandelt hat. Ein typisches Lanschaftsmerkmal sind daher Thermokarstseen, die beim Auftauen von Permafrost entstehen und gegenwärtig rund 1 Mio. km2 bedecken. Modellsimulationen gehen von einem Permafrost-Verlust von 3-5 Mio. km2 bis 2100 nach einem mittleren Szenario aus (Abb. 1).[1]

Abb. 2: Permafrostlandschaft mit wichtigen Komponenten (Temperatur, Eis und Kohlenstoff) und Prozessen (Auftauen von Eis, Abfluss, Seenbildung, Hangrutschungen, Feuer). Mit Hangrutschungen, Seenbildungen und Feuer sind auch Phänomene von schnellen Auftauprozessen gezeigt.

Auftauprozesse von Permafrost

Die Folgen der globalen Erwärmung sind in vielen Gebieten eine Verringerung der räumlichen Ausdehnung der Permafrostgebiete und der Mächtigkeit des dauerhaft gefrorenen Bodens sowie eine Vertiefung des über dem Permafrost liegenden Auftaubodens. Besonders davon betroffen sind die Permafrostgebiete in den hohen nördlichen Breiten, die eine drei- bis viermal so hohe Erwärmung erfahren haben wie im globalen Durchschnitt. Beim Auftauen von Permafrost unterscheidet man zwei unterschiedliche Formen: zum einen das langsame und kontinuierliche Autauen, das nur wenige cm pro Jahrzehnt erfasst, zum anderen das schnelle Auftauen von Permafrost, durch das mehrere Meter des Permafrostbodens in Tagen bis wenigen Jahren betroffen sein können.[2] Beim langsamen Auftauen dringt die Wärme von oben allmählich in die Tiefe, ohne dass dabei Landschafts- und Bodenstrukturen wesentlich verändert werden. Die schnellen Auftauprozesse können durch Feuer, durch ungewöhnlich warme Sommer oder durch Bildungen von Hohlräumen infolge von Eisschmelze in der Tiefe verursacht werden. Als Folge können Hänge abrutschen, große Permafrostflächen relativ schnell absinken und Senken mit Tümpeln und Thermokarstseen entstehen, in denen sich Schmelz- und Regenwasser sammelt (Abb. 2). Seen nehmen mehr Sonnenenergie auf, wodurch sich die Abschmelzprozesse weiter beschleunigen. Als Folge wird die Aktivität von Mikroorganismen angeregt, zuvor gefrorene Pflanzenreste zersetzt und Kohlendioxid und (bei Luftabschluss) Methan emittiert.[3]

20% der nördlichen Permafrostregion sind durch schnelle Auftauprozesse gegenwärtig oder in Zukunft gefährdet. Heutige Erdsystemmodelle simulieren das Auftauen des Permafrostbodens jedoch nur als graduellen Prozess. Sie erfassen keine schnellen Auftauprozesse und unterschätzen damit die künftigen Emissionen.[4] Nach Studien mit neuen Modellen wird sich das Gebiet mit schnellem Auftauen bis 2100 auf 1,6 Mio. km2 und bis 2300 auf 2,5 Mio. km2 erweitern. Der Kohlenstoffverlust durch das graduelle Auftauen könnte bis 2300 durch dieses abrupte Auftauen um 40% erhöht werden, vor allem durch Emissionen aus Thermokarstseen (CH4) und entwässerten Seen und trockenen Flächen (CO2).[2]

Kohlenstoffgehalt und -emissionen

Permafrostgebiete speichern auf 15% der globalen Bodenfläche 60% des weltweiten Boden-Kohlenstoffs. Der arktische Permafrost enthält auf 25% der Fläche der Nordhalbkugel ca. 1.700 Mrd. t Kohlenstoff.[1] Im Boden der Permafrostregion befindet sich damit doppelt so viel Kohlenstoff wie in der Atmosphäre. Organischer Kohlenstoff ist besonders gespeichert in wassergesättigten Sümpfen, ebenso in mineralischen Permafrostböden unterhalb von 1 m. Aber auch unterhalb von 3 m gibt es Permafrost-Kohlenstoff. In den tieferen Yedoma-Schichten in Alaska und Sibirien wird er auf 327-466 PgC geschätzt, in den arktischen Flussdeltas auf ca. 96 PgC. Hinzu kommen ~560 PgC im untermeerischen Permafrost der Arktis, der ebenfalls während der letzten Eiszeit, als der Meeresspiegel deutlich tiefer lag, gebildet wurde.[4]

Wenn Permafrost im Sommer oberflächlich auftaut, wird bei der Zersetzung von organischem Material Kohlendioxid (CO2) gebildet und unter anaeroben Bedingungen, z.B. unter der Wasseroberfläche, Methan (CH4). Beim nächsten Gefrieren werden beide Kohlenstoffverbindungen im gefrorenen Boden gespeichert. Die natürlichen Ökosysteme der nördlichen Permafrostregionen wie Feuchtgebiete und boreale Wälder sind eine Netto-Senke für CO2. Dem gegenüber steht eine Netto-Quelle für CH4 durch Emissionen aus Feuchtgebieten und Gewässern im Binnenland. Bezogen auf das Gewicht sind die nördlichen Permafrostregionen insgesamt eine Kohlenstoffsenke. Bezogen auf das Treibhausgaspotential der einzelnen Gase (CO2=1, CH4=28), das sich auf den Strahlungsantrieb von Kohlendioxid und Methan bezieht, sind sie eine Quelle. Modellsimulationen zeigen, dass die Emissionen aus natürlichen Ökosystemen und anthropogenen Quellen in der nördlichen Permafrostregion eine Treibhausgasquelle von 147 Tg CO2Äq[5]/Jahr sind – zusammengesetzt aus einer CO2-Senke von -237 Tg CO2Äq/Jahr und einer CH4-Quelle von 343 Tg CO2Äq/Jahr.[6]

Änderungen des Kohlenstoffkreislaufs

Nach der letzten Eiszeit waren die sich neu organisierenden Ökosysteme der Arktis über Jahrtausende bzw. das gesamte Holozän bis zum Beginn der Industrialisierung eine Kohlenstoffsenke und haben in der pflanzlichen Biomasse und im Boden mehr Kohlenstoff aufgenommen als sie an die Atmosphäre wieder abgegeben haben. Der anthropogene Klimawandel hat dann möglicherweise bereits einige Ökosysteme von einer Netto-Senke in eine Netto-Quelle von Kohlenstoff umgewandelt. Verschiedene Beobachtungsmethoden zeigen über die letzten 40 Jahre gemittelt für die Arktis und die borealen Regionen eine Senke von 0,42 Pg C/Jahr. Manche Tundragebiete wie z.B. in Alaska haben sich inzwischen in eine C-Quelle umgewandelt.[4] Die Methan-Emissionen aus den nördlichen Permafrostregionen insgesamt zeigen jedoch keine eindeutige Zunahme.[7] Auch atmosphärische Messungen belegen keine CH4-Trends während der letzten 30 Jahre oder über die Periode 2000-2016.[8]

Über Jahrzehnte bis Jahrhunderte könnten nach dem Szenario RCP8.5 durch Emissionen von CO2 und CH4 bis 2100 rund 5-15% des im Permafrost gespeicherten Kohlenstoffs in die Atmosphäre gelangen bzw. 67-237 PgC. Das würde einer jährlichen Freisetzung von 0,5-2 PgC pro Jahr entsprechen. Die darin enthaltenen Methanemissionen würden 40-70% des Strahlungsantriebs ausmachen. Heutige Erdsystemmodelle unterschätzen jedoch die künftigen Emissionen, da sie das Auftauen des Permafrostbodens nur als graduellen Prozess simulieren und auch die Veränderungen der arktischen Ökosysteme meistens nicht enthalten. Vor allem erfassen sie auch keine schnellen Auftauprozesse, die durch das Tauen von Eis im Untergrund zu Absenkungen ganzer Landflächen führen können oder durch das Eindringen von Wasser den Tauprozess im Untergrund beschleunigen. 20% der nördlichen Permafrostregion sind durch schnelle Auftauprozesse gegenwärtig oder in Zukunft gefährdet. Neuere Regionalmodelle, die das Pflanzenwachstum nach schnellen Auftauprozessen simulieren, zeigen, dass bis 2300 dadurch 40% zusätzlicher Kohlenstoff emittiert werden würde. Von dieser Menge würden 20% als Methan freigesetzt, die die Hälfte des Strahlungseffekts durch Emissionen, die durch schnelle Auftauprozesse ausgelöst werden, ausmachen. Das durch das schnelle Auftauen angeregte Pflanzenwachstum würde allerdings ca. 20% des freigesetzten Kohlenstoffs wieder binden.[4]

In der Öffentlichkeit ist manchmal von der "Methan-Bombe" die Rede, die durch ein plötzliches Autauen des Permafrosts drohen würde. Ein solches Szenario wird durch Beobachtungen und Projektionen jedoch nicht gestützt. Die in jüngster Zeit entdeckten Krater mit hoher Konzentration von Methan in einigen Gebieten Sibiriens haben allerdings neue Fragen aufgeworfen und könnten auf neue Emissionswege für tiefes fossiles Methan hindeuten.[9] Ein anderes Problem ist eine mögliche ausgedehnte Austrocknung der arktischen Landschaft, z.B. durch das Trockenfallen von Seen durch das Tauen von Permafrost. Das könnte dazu führen, dass die CH4-Emissionen unter das vorindustrielle Niveau fallen. Andererseits entstehen dadurch neue aerobe Bedingungen, unter denen die Zersetzungsprozesse mehr CO2-Emissionen zur Folge haben könnten. Höhere Temperaturen und größere Trockenheit könnten auch zum Absterben von Pflanzen führen und damit die Fähigkeit der Biomasse verringern, mehr CO2 aus der Atmosphäre aufzunehmen. Allerdings könnten durch mehr Wärme und ausreichend Feuchte Pflanzengemeinschaften sich auch ausweiten und so viel Kohlenstoff aufnehmen, dass die Kohlenstoff-Verluste aus dem Boden aufgewogen werden.[4]

Rückkopplungseffekte

Nicht alle Veränderungen in heutigen Permafrostgebieten werden allerdings zu einer Verstärkung des Treibhauseffekts führen. Denn auf den aufgetauten Böden werden sich auch neue Pflanzengemeinschaften ansiedeln, die mehr Kohlendioxid aus der Atmosphäre aufnehmen und auch an den Boden weitergeben. Durch diesen Effekt wird die Erwärmung abgeschwächt. Die neue Strauch- und Waldvegetation wird aber regional die Albedo verringern. Dadurch kommt es in der darüber liegenden Atmosphäre zu einer Erwärmung, die nach heutiger Kenntnis die Abkühlungswirkung durch die CO2-Aufnahme übertreffen wird.[10] Über den Netto-Effekt von zunehmender Emission von Methan aus Permafrostböden sowie zunehmender CO2-Aufnahme und Verringerung der Albedo durch Pflanzenwachstum besteht noch keine endgültige Klarheit.

Einzelnachweise

  1. 1,0 1,1 Miner, K.R., Turetsky, M.R., Malina, E. et al. (2022): Permafrost carbon emissions in a changing Arctic. Nat Rev Earth Environ 3, 55–67 (2022). https://doi.org/10.1038/s43017-021-00230-3
  2. 2,0 2,1 Turetsky, M., B.W. Abbott, M.C. Jones et all (2020): Carbon release through abrupt permafrost thaw. Nature Geoscience, doi.org/10.1038/s41561-019-0526-0
  3. Alfred-Wegener-Institut (2020): Höhere Treibhausgasemissionen durch schnelles Auftauen des Permafrostes
  4. 4,0 4,1 4,2 4,3 4,4 Schuur, E.A.G., B.W. Abbott, R. Commane et al. (2022): Permafrost and Climate Change: Carbon Cycle Feedbacks From the Warming Arctic. Annual Review of Environment and Resources, 47(1), 343–371
  5. Das CO2-Äquivalent wird nach dem Treibhausgaspotential des jeweiligen Gases berechnet. Es beträgt für CH4 28 für 100 Jahre, d.h. "dass ein Gramm Methan in 100 Jahren 28-mal so stark zum Treibhauseffekt beiträgt wie ein Gramm Kohlendioxid". Vgl. Kohlendixod-Äquivalent oder CO₂-Äquivalent - was ist das?
  6. Hugelius, G., J.L. Ramage, E.J. Burke et al. (2023): Two decades of permafrost region CO2, CH4, and N2O budgets suggest a small net greenhouse gas source to the atmosphere. ESS Open Archive. DOI: 10.22541/essoar.169444320.01914726/v1
  7. IPCC AR6 WGI (2021): Global Carbon and other Biogeochemical Cycles and Feedbacks, Box 5.1
  8. Saunois, M., A.R. Stavert, B. Poulter et al. (2020): The Global Methane Budget 2000–2017. Earth System Science Data, 12(3), 1561–1623, doi:10.5194/essd-12-1561-2020
  9. Bogoyavlensky, V., I. Bogoyavlensky, R. Nikonov et al. (2020): New Catastrophic Gas Blowout and Giant Crater on the Yamal Peninsula in 2020: Results of the Expedition and Data Processing, Geosciences 2021, 11, 71
  10. IPCC (2007): Climate Change 2007, Working Group II: Impacts, Adaptation and Vulnerability, 4.4.6

Weblinks

Lizenzhinweis

Dieser Artikel ist ein Originalartikel des Klima-Wiki und steht unter der Creative Commons Lizenz Namensnennung-Weitergabe unter gleichen Bedingungen 3.0 Deutschland. Informationen zum Lizenzstatus eingebundener Mediendateien (etwa Bilder oder Videos) können in den meisten Fällen durch Anklicken dieser Mediendateien abgerufen werden und sind andernfalls über Dieter Kasang zu erfragen.
Kontakt: Dieter Kasang