Methan im Permafrost

Aus Klimawandel
Abb. 1: Verbreitung von Permafrost in der Arktis, gegenwärtig und 2100

Veränderung der Permafrostgebiete

In Gebieten, in denen die Temperatur über ein oder mehrere Jahre unter 0 oC liegt, bildet sich dauerhaft gefrorener Boden, der als Permafrost bezeichnet wird. Permafrost findet sich vor allem in den hohen Breiten der Nordhalbkugel, daneben in Hochgebirgen der mittleren und niederen Breiten sowie in geringem Maße in eisfreien Gebieten der Antarktis. Gegenwärtig bedeckt der Permafrost weltweit ungefähr 30 Mio. km2, wovon sich 13-18 Mio. km2 in der Arktis, 1 Mio. km2 im Hochland von Tibet und 16-21 km2 unter dem Meeresboden in arktischen Schelfgebieten befinden. 1 Mio. km2 sind von Yedoma-Permafrost eingenommen, einem bis 40 m und mehr tiefreichenden gefrorenen Boden, der während des Eiszeitalters gebildet wurde. Insgesamt sind ein Viertel der Landgebiete der nördlichen Hemisphäre von Permafrost eingenommen. In den oberen drei Metern hat sich der Permafrost in jüngster Zeit um ca. 0,4 °C pro Jahrzehnt erwärmt, wodurch der gefrorene Boden sich teilweise in Feuchtgebiete umgewandelt hat. Ein typisches Lanschaftsmerkmal sind daher Thermokarstseen, die beim Auftauen von Permafrost entstehen und gegenwärtig rund 1 Mio. km2 bedecken. Modellsimulationen gehen von einem Permafrost-Verlust von 3-5 Mio. km2 bis 2100 nach einem mittleren Szenario aus (Abb. 1).[1]

Abb. 2: Permafrostlandschaft mit wichtigen Komponenten (Temperatur, Eis und Kohlenstoff) und Prozessen (Auftauen von Eis, Abfluss, Seenbildung, Hangrutschungen, Feuer). Mit Hangrutschungen, Seenbildungen und Feuer sind auch Phänomene von schnellen Auftauprozessen gezeigt.

Auftauprozesse von Permafrost

Die Folgen der globalen Erwärmung sind in vielen Gebieten eine Verringerung der räumlichen Ausdehnung der Permafrostgebiete und der Mächtigkeit des dauerhaft gefrorenen Bodens sowie eine Vertiefung des über dem Permafrost liegenden, nur im Winter gefrorenen Auftaubodens. Besonders davon betroffen sind die Permafrostgebiete in den hohen nördlichen Breiten, die eine drei- bis viermal so hohe Erwärmung erfahren haben wie im globalen Durchschnitt. Beim Auftauen von Permafrost unterscheidet man zwei unterschiedliche Formen: zum einen das langsame und kontinuierliche Autauen, das nur wenige cm pro Jahrzehnt erfasst, zum anderen das schnelle Auftauen von Permafrost, durch das mehrere Meter des Permafrostbodens in Tagen bis wenigen Jahren betroffen sein können.[2] Beim langsamen Auftauen dringt die Wärme von oben allmählich in die Tiefe, ohne dass dabei Landschafts- und Bodenstrukturen wesentlich verändert werden. Die schnellen Auftauprozesse können durch Feuer, durch ungewöhnlich warme Sommer oder durch Bildungen von Hohlräumen in der Tiefe verursacht werden. Als Folge können Hänge abrutschen, große Permafrostflächen relativ schnell absinken und Senken mit Tümpeln und Thermokarstseen entstehen, in denen sich Schmelz- und Regenwasser sammelt (Abb. 2). Seen nehmen mehr Sonnenenergie auf. Das wärmere Wasser sickert in den Boden und verstärkt die Abschmelzprozesse. Dadurch wird die Aktivität von Mikroorganismen angeregt, die aufgetaute Pflanzenreste zersetzten, wodurch Kohlendioxid und (bei Luftabschluss) Methan emittiert werden.[3]

20% der nördlichen Permafrostregion sind durch schnelle Auftauprozesse gegenwärtig oder in Zukunft gefährdet. Heutige Erdsystemmodelle simulieren das Auftauen des Permafrostbodens jedoch nur als graduellen Prozess. Sie erfassen keine schnellen Auftauprozesse und unterschätzen damit die künftigen Emissionen.[4] Nach Studien mit neuen Regional-Modellen wird sich das Gebiet mit schnellem Auftauen bis 2100 auf 1,6 Mio. km2 und bis 2300 auf 2,5 Mio. km2 erweitern. Der Kohlenstoffverlust durch das graduelle Auftauen könnte bis 2300 durch dieses abrupte Auftauen um 40% erhöht werden, vor allem durch Emissionen aus Thermokarstseen (CH4) sowie entwässerten Seen und trockenen Flächen (CO2).[2]

Kohlenstoffgehalt und -emissionen

Permafrostgebiete speichern auf 15% der globalen Bodenfläche 60% des weltweiten Boden-Kohlenstoffs. Allein der arktische Permafrost enthält auf 25% der Fläche der Nordhalbkugel ca. 1.700 Mrd. t Kohlenstoff.[1] Im Boden der Permafrostregion befindet sich damit doppelt so viel Kohlenstoff wie in der Atmosphäre. Organischer Kohlenstoff ist besonders gespeichert in wassergesättigten Sümpfen, ebenso in mineralischen Permafrostböden unterhalb von 1 m. Aber auch unterhalb von 3 m gibt es Permafrost-Kohlenstoff. In den tieferen Yedoma-Schichten in Alaska und Sibirien wird er auf 327-466 PgC geschätzt, in den arktischen Flussdeltas auf ca. 96 PgC. Hinzu kommen ~560 PgC im untermeerischen Permafrost der Arktis, der ebenfalls während der letzten Eiszeit, als der Meeresspiegel deutlich tiefer lag, gebildet wurde.[4]

Wenn Permafrost im Sommer oberflächlich auftaut, wird bei der Zersetzung von organischem Material Kohlendioxid (CO2) gebildet und unter anaeroben Bedingungen, z.B. unter der Wasseroberfläche, Methan (CH4). Beim nächsten Gefrieren werden beide Kohlenstoffverbindungen im gefrorenen Boden gespeichert. Die natürlichen Ökosysteme der nördlichen Permafrostregionen wie Feuchtgebiete und boreale Wälder sind eine Netto-Senke für CO2. Dem gegenüber steht eine kleinere Netto-Quelle für CH4 durch Emissionen aus Feuchtgebieten und Gewässern im Binnenland. Bezogen auf das Gewicht sind die nördlichen Permafrostregionen insgesamt eine Kohlenstoffsenke. Bezogen auf das Treibhausgaspotential der einzelnen Gase (CO2=1, CH4=28), das sich auf den Strahlungsantrieb von Kohlendioxid und Methan bezieht, sind sie mögliherweise eine Quelle. Daten wie Modellberechnunen zeigen keine eindeutigen Ergebnisse.[5] Modellsimulationen zeigen, dass die Emissionen aus natürlichen Ökosystemen und anthropogenen Quellen in der nördlichen Permafrostregion eine Treibhausgasquelle von 147 Tg CO2Äq[6]/Jahr sein könnten – zusammengesetzt aus einer CO2-Senke von -237 Tg CO2Äq/Jahr und einer CH4-Quelle von 343 Tg CO2Äq/Jahr sowie einem kleinen Anteil von N2O-Emissionen.[7]

Änderungen des Kohlenstoffkreislaufs

Abb. 3: Auswirkungen des Klimawandels auf den Kohlenstoffzyklus in der Arktis

Nach der letzten Eiszeit waren die sich neu organisierenden Ökosysteme der Arktis über Jahrtausende bzw. das gesamte Holozän bis zum Beginn der Industrialisierung eine Kohlenstoffsenke und haben in der pflanzlichen Biomasse und im Boden mehr Kohlenstoff aufgenommen als sie an die Atmosphäre wieder abgegeben haben. Der anthropogene Klimawandel hat dann möglicherweise bereits einige Ökosysteme von einer Netto-Senke in eine Netto-Quelle von Kohlenstoff umgewandelt. Verschiedene Beobachtungsmethoden zeigen über die letzten 40 Jahre gemittelt für die Arktis und die borealen Regionen eine Senke von 0,42 Pg C/Jahr. Manche Tundragebiete wie z.B. in Alaska haben sich inzwischen in eine C-Quelle umgewandelt.[4] Die Methan-Emissionen aus den nördlichen Permafrostregionen insgesamt zeigen jedoch keine eindeutige Zunahme.[8] Auch atmosphärische Messungen belegen keine CH4-Trends während der letzten 30 Jahre oder über die Periode 2000-2016.[9]

Über die nächsten Jahrzehnte bis Jahrhunderte könnte sich diese Situation jedoch deutlich ändern (Abb. 3). Nach dem hohen Szenario RCP8.5 würden durch Emissionen von CO2 und CH4 bis 2100 rund 5-15% des im Permafrost gespeicherten Kohlenstoffs in die Atmosphäre gelangen, bzw. 67-237 PgC. Das würde einer jährlichen Freisetzung von 0,5-2 PgC pro Jahr entsprechen. Die darin enthaltenen Methanemissionen würden 40-70% des Strahlungsantriebs ausmachen. Heutige Erdsystemmodelle unterschätzen allerdings die künftigen Emissionen, da sie das Auftauen des Permafrostbodens nur als graduellen Prozess simulieren und auch die Veränderungen der arktischen Ökosysteme meistens nicht in vollem Umfang berücksichtigen. Vor allem erfassen sie keine schnellen Auftauprozesse, die durch das Tauen von Eis im Untergrund zu Absenkungen ganzer Landflächen führen können oder durch das Eindringen von Wasser den Tauprozess im Untergrund beschleunigen (s.o.). 20% der nördlichen Permafrostregion sind durch schnelle Auftauprozesse gegenwärtig oder in Zukunft gefährdet. Neuere Regionalmodelle, die das Pflanzenwachstum nach schnellen Auftauprozessen simulieren, zeigen, dass bis 2300 dadurch 40% zusätzlicher Kohlenstoff emittiert werden würde. Von dieser Menge würden 20% als Methan freigesetzt, die die Hälfte des Strahlungseffekts durch Emissionen, die durch schnelle Auftauprozesse ausgelöst werden, ausmachen. Das durch das schnelle Auftauen angeregte Pflanzenwachstum würde allerdings ca. 20% des freigesetzten Kohlenstoffs wieder binden.[4]

Problemszenarien

Abb. 4: Krater der „Methan-Bombe“ auf der sibirischen Halbinsel Yamal, 26.8.2022

In der Öffentlichkeit ist manchmal von der "Methan-Bombe" die Rede, die durch ein plötzliches Autauen des Permafrosts drohen würde. Ein solches Szenario wird durch Beobachtungen und Projektionen jedoch nicht gestützt. Die in jüngster Zeit entdeckten Krater mit hoher Konzentration von Methan in einigen Gebieten Sibiriens haben allerdings neue Fragen aufgeworfen und könnten auf neue Emissionswege für tiefes fossiles Methan hindeuten (Abb. 4).[10] Ein anderes Problem ist eine mögliche ausgedehnte Austrocknung der arktischen Landschaft, z.B. durch das Trockenfallen von Seen als Folge des Tauens von Permafrost. Das könnte dazu führen, dass die CH4-Emissionen unter das vorindustrielle Niveau fallen. Andererseits entstehen dadurch neue aerobe Bedingungen, unter denen die Zersetzungsprozesse von Pflanzenresten mehr CO2-Emissionen zur Folge haben könnten. Höhere Temperaturen und größere Trockenheit könnten auch zum Absterben von Pflanzen führen und damit die Fähigkeit der Biomasse verringern, mehr CO2 aus der Atmosphäre aufzunehmen. Allerdings könnten durch mehr Wärme und ausreichend Feuchte Pflanzengemeinschaften sich auch ausweiten und so viel Kohlenstoff aufnehmen, dass die Kohlenstoff-Verluste aus dem Boden aufgewogen werden.[4]

Einzelnachweise

  1. 1,0 1,1 Miner, K.R., Turetsky, M.R., Malina, E. et al. (2022): Permafrost carbon emissions in a changing Arctic. Nat Rev Earth Environ 3, 55–67 (2022)
  2. 2,0 2,1 Turetsky, M., B.W. Abbott, M.C. Jones et all (2020): Carbon release through abrupt permafrost thaw. Nature Geoscience, doi.org/10.1038/s41561-019-0526-0
  3. Alfred-Wegener-Institut (2020): Höhere Treibhausgasemissionen durch schnelles Auftauen des Permafrostes
  4. 4,0 4,1 4,2 4,3 4,4 Schuur, E.A.G., B.W. Abbott, R. Commane et al. (2022): Permafrost and Climate Change: Carbon Cycle Feedbacks From the Warming Arctic. Annual Review of Environment and Resources, 47(1), 343–371
  5. Treat, C.C., A.-M. Virkkala & E. Burke et al. (2024): Permafrost carbon: Progress on understanding stocks and fluxes across northern terrestrial ecosystems. Journal of Geophysical Research: Biogeosciences, 129, e2023JG007638
  6. Das CO2-Äquivalent wird nach dem Treibhausgaspotential des jeweiligen Gases berechnet. Es beträgt für CH4 28 für 100 Jahre, d.h. "dass ein Gramm Methan in 100 Jahren 28-mal so stark zum Treibhauseffekt beiträgt wie ein Gramm Kohlendioxid". Vgl. Kohlendixod-Äquivalent oder CO₂-Äquivalent - was ist das?
  7. Hugelius, G., J.L. Ramage, E.J. Burke et al. (2023): Two decades of permafrost region CO2, CH4, and N2O budgets suggest a small net greenhouse gas source to the atmosphere. ESS Open Archive. DOI: 10.22541/essoar.169444320.01914726/v1
  8. IPCC AR6 WGI (2021): Global Carbon and other Biogeochemical Cycles and Feedbacks, Box 5.1
  9. Saunois, M., A.R. Stavert, B. Poulter et al. (2020): The Global Methane Budget 2000–2017. Earth System Science Data, 12(3), 1561–1623, doi:10.5194/essd-12-1561-2020
  10. Bogoyavlensky, V., I. Bogoyavlensky, R. Nikonov et al. (2020): New Catastrophic Gas Blowout and Giant Crater on the Yamal Peninsula in 2020: Results of the Expedition and Data Processing, Geosciences 2021, 11, 71

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