Natürliche Klimaschwankungen

Aus Klimawandel

Natürliche und anthropogene Klimaänderungen

In der öffentlichen Debatte über den Klimawandel wird nicht selten auf die ausbleibende Erwärmung der letzten zehn Jahre verwiesen. Der Klimawandel durch den Menschen habe nach der Erwärmung der 1980er und 1990er Jahre eine Pause eingelegt oder sich sogar ganz verabschiedet, heißt es. Dabei wird übersehen, dass das Klima auch in Zeiten des menschengemachten (anthropogenen) Klimawandels weiterhin durch natürliche Faktoren beeinflusst wird. Diese können die Erwärmung durch die steigende Konzentration von Treibhausgasen entweder weiter erhöhen oder verringern. Die beobachteten Temperaturänderungen sind immer als eine Folge der Kombination aus natürlichen Klimaschwankungen und dem Klimawandel durch den Menschen zu verstehen.[1] Die natürlichen Schwankungen können dabei nach Modellberechnungen eine Änderung von 0,25 °C bewirken, als Erwärmungseffekt wie in den 1940er Jahre oder als Abkühlungseffekt wie im zurückliegenden Jahrzehnt.[2] Beide Einflussgrößen, die natürlichen und die anthropogenen, sind oft schwer zu unterscheiden. Für die Abschätzung der anthropogenen Klimaänderungen ist es daher von großer Bedeutung, auch die natürlichen Schwankungen zu untersuchen und zu verstehen.

Zeitskalen

Einige natürliche Klimaschwankungen lassen sich leicht von den anthropogenen Änderungen des Klimas abgrenzen, weil sie auf anderen Zeitskalen ablaufen. So vollziehen sich Klimaänderungen durch plattentektonische Vorgänge nur sehr langsam über Millionen von Jahren. Das gilt z.B. für die langfristigen Klimaphasen der letzten rund 500 Millionen Jahre mit eisfreien und eiszeitlichen Abschnitten. Auf wesentlich geringeren, aber immer noch sehr langen Zeitskalen bewegen sich die Schwankungen der Sonneneinstrahlung, die durch die Veränderungen der Erdbahnparameter bedingt sind. Sie sind in den letzten zwei bis drei Millionen Jahren, im Eiszeitalter, verantwortlich für den Wechsel von Kalt- und Warmzeiten, der in einem Zyklus von etwa 100 000 Jahren erfolgt. Daneben gibt es auch kürzere und schwächere solcher Phasen, die für die Klimaschwankungen über Jahrhunderte bis Jahrtausende in der Nacheiszeit, dem Holozän, verantwortlich waren.

Sehr kurzfristige Schwankungen zeigen dagegen die Veränderungen der Solarstrahlung, die durch Aktivitäten auf der Sonne selbst bedingt sind, z.B. durch Sonnenfackeln und Protuberanzen. Sie folgen vor allem einem 11jährigen Zyklus, dem Schwalbe-Zyklus. Noch kürzer wirken vereinzelte explosive Vulkanausbrüche, deren bis in die Stratosphäre geschleuderte Teilchen eine Abkühlung von in der Regel ein bis zwei Jahren hervorrufen, bei Serien von Ausbrüchen aber auch längerfristige kühlere Phasen bewirken. Daneben gibt es aber noch kürzere Schwankungen auf Zeitskalen von Stunden bis zu einem Jahr, die zumeist auf das chaotische Geschehen in der Atmosphäre, auf den Tag-und-Nacht-Gegensatz und auf die Jahreszeiten zurückzuführen sind.

Plattentektonik, Vulkanausbrüche und die Sonneneinstrahlung verändern das Klima von außen her. Neben diesen externen Klimaschwankungen gibt es aber auch interne Schwankungen, die im Klimasystem selbst entstehen, z.B. durch Wechselwirkungen in den Subsystemen (Atmosphäre, Ozean, Biosphäre usw.) oder zwischen den Subsystemen. Von besonderer Bedeutung sind die Wechselwirkungen zwischen Ozean und Atmosphäre, da sie sich auf ähnlichen Zeitskalen bewegen wie der anthropogene Klimawandel. Sie können daher diesen maskieren und schwer erkennbar machen. Sie werden unter Umständen aber auch selbst durch den Klimawandel beeinflusst. Bekannte Beispiele sind das ENSO-Phänomen im Pazifik, die Nordatlantische Oszillation (NAO), die Atlantische Multidekadische Oszillation (AMO) und die meridionale Umwälzzirkulation im Atlantikraum (MOC). Der Einfluss solcher Schwankungen zeigt sich z.B. auch in der atlantischen Hurrikan-Aktivität, im Niederschlag in der Sahelzone und in den europäischen Temperaturen.[3]

Dekadenschwankungen im Nordatlantikraum

Die natürliche Variabilität des Klimas zeigt oft starke regionale Unterschiede und kann in der einen Region die Temperaturerhöhung durch den anthropogenen Treibhauseffekt verstärken, in der andern abschwächen. Eine Folge ist, dass sich der Klimawandel regional durchaus verschieden auswirken kann. So ist die Erwärmung zwischen 1910 und 1940 am stärksten im Nordatlantikraum und östlichen Nordpazifik, während die Erwärmung der letzten drei Jahrzehnte zwar auch den Nordatlantikraum erfasst hat, der östliche Nordpazifik dagegen eine leichte Abkühlung zeigt. Klimamodelle, die nur die nur die externen Antriebe (anthropogene Treibhausgase, Solarstrahlung und Vulkanismus) berücksichtigen, sind daher nicht in der Lage, die räumlichen Muster der Dekadenschwankungen der Temperaturerhöhung zu reproduzieren.[1]

Die europäische Mitteltemperatur etwa zeigt in den letzten 100 Jahren zwar einen steigenden Trend durch den anthropogenen Einfluss, der jedoch nicht linear erfolgt, wie es die Zunahme der Treibhausgaskonzentration vermuten ließe. Vielmehr wird der Temperaturanstieg überlagert durch natürliche Einflüsse, in diesem Fall durch den Einfluss der Meeresoberflächentemperatur im Nordatlantik (SST nach engl. Sea Surface Temperature). Gut lassen sich die Erwärmung zu Beginn des 20. Jahrhunderts, die Abkühlungsphase von den 1950ern bis in die 1970er Jahre und die anschließende erneute Erwärmung aufeinander beziehen, wobei die Lufttemperatur über Europa der atlantischen SST etwas verzögert folgt (Abb.). Allerdings spielt für die Temperaturabnahme in den 1960er und 1970er Jahren auch die relativ starke Aerosolkonzentration über Europa eine Rolle. Da in dieser Phase sowohl die Aerosole wie die atlantische SST einen abkühlenden Einfluss auf die europäischen Temperaturen gehabt haben, zeigen diese auch eine stärkere Abnahme als die globalen Mitteltemperaturen.

Auch das Auftreten bestimmter Extreme wie der Hurrikanaktivität (Abb.), das Abschmelzen von Eis, die Veränderung der Vegetation usw. sind durch natürliche Schwankungen des Klimas mitbestimmt. Es ist daher nicht möglich, z.B. in der Zunahme atlantischer Hurrikane schon die Anzeichen des anthropogenen Klimawandels zu sehen. Eine solche Zunahme kann auch das Ergebnis einer natürlichen Dekadenschwankung des Klimas sein, d.h. in diesem Fall durch die steigenden Meeresoberflächentemperaturen bedingt sein. Leider reichen die Beobachtungsdaten häufig nicht weit genug zurück, um beide Einflussgrößen klar zu unterscheiden, was in einigen Fällen möglicherweise erst in ein oder zwei weiteren Jahrzehnten gelingt.

Ursachen natürlicher Dekadenschwankungen

Grundsätzlich geht man davon aus, dass interne Dekadenschwankungen hauptsächlich durch die Wechselwirkung zwischen der sehr kurzfristig und chaotisch reagierenden Atmosphäre und dem trägen Ozean bedingt sind.[4] Vor allem der Nordatlantikraum ist eine Region starker Dekadenschwankungen. Auf den kurzfristigen Zeitskalen von Jahr zu Jahr wird hier der Ozean durch die Atmosphäre angetrieben. Bei den längeren Dekadenschwankungen treibt jedoch umgekehrt der Ozean die Atmosphäre an.[3] Zumindest teilweise spielt hier letztlich die thermohaline Zirkulation bzw. Meridionale Umwälzzirkulation (MOC) die entscheidende Rolle, die den Wärmetransport aus den niederen in die hohen Breiten im Ozean bestimmt. Die MOC prägt die Meeresoberflächentemperaturen (SST) im Nordatlantik, die wiederum die europäischen Temperaturen beeinflussen.[5] Die SST zeigen eine Warmphase Ende des 19. und Mitte des 20. Jahrhunderts und eine kühlere Phase ab den 1960er Jahren, die in den 1990er Jahren durch eine erneute Erwärmung abgelöst wurde. Ähnliche Schwankungen zeigen auch die pazifischen Meeresoberflächentemperaturen.[1]

Die Dekadenschwankungen der Nordatlantische Oszillation (NAO) scheinen jedoch eigenständig aus der internen Dynamik der Atmosphäre hervorzugehen.[5] Und sie beeinflussen möglicherweise sogar die ozeanische Zirkulation. So sorgen positive Phasen der NAO über dem Norden Kanadas, der Labradorsee und Grönland für eine deutliche Abkühlung. Die negativen Temperaturabweichungen über der Labradorsee sind dabei von besonderer Bedeutung für die MOC, da hier ein wichtiges Absinkgebiet der thermohalinen Zirkulation vorliegt. Das warme, aus den Subtropen stammende Wasser, das hier von Süden heranströmt, gibt an die Atmosphäre um so mehr Wärme ab, je kälter diese ist. Dadurch nimmt die Dichte des Wassers zu, wodurch auch das Absinken in die Tiefe verstärkt wird. Das treibt wiederum die MOC an und damit den meridionalen Wärmetransport und die atlantischen Meeresoberflächentemperaturen, die wiederum die europäischen Lufttemperaturen beeinflussen.[5]

Da der Nordatlantikraum insgesamt eine Region mit starken natürlichen Dekadenschwankungen ist, erweist es sich hier als besonders schwierig, den anthropogenen Klimawandel frühzeitig zu erkennen.[5] Der allgemeine Temperaturanstieg durch die Zunahme der Treibhausgase wird hier von den natürlichen Klimaschwankungen stark überlagert. Hinzu kommt, dass auch von einer Rückwirkung des Klimawandels auf die natürlichen Klimaschwankungen auszugehen ist. So ist es nach Modellrechnungen ziemlich sicher, dass die MOC durch Folgen des zunehmenden Treibhauseffekts wie höhere Temperaturen, abschmelzendes Eis und zunehmende Niederschläge abgeschwächt wird.

Einzelnachweise

  1. 1,0 1,1 1,2 Keenlyside, N.S., and J. Ba (2010): Prospects for decadal climate prediction, WIREs Climate Change 1, 627–635
  2. B.G. Hunt (2011): The role of natural climatic variation in perturbing the observed global mean temperature trend, Climate Dynamics 36, 509–521
  3. 3,0 3,1 Mojib Latif, Noel S. Keenlyside (2011): A perspective on decadal climate variability and predictability Deep Sea Research Part II: Topical Studies in Oceanography 58, 1880-1894
  4. Mojib Latif (2009): Klimawandel und Klimadynamik, Stuttgart, S. 82 ff.
  5. 5,0 5,1 5,2 5,3 Mojib Latif (2011): Klimavariabilität, El Nino/Southern Oszillation, die Nordatlantische und die Atlantische Multidekadische Oszillation - Mit Anmerkungen zur Vorhersagbarkeit, in: J.L. Lozán, H. Graßl, L. Karbe, K. Reise: Warnsignal Klima: Die Meere - Änderungen & Risiken, Hamburg 2011, 78-89


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