Klimawirkung von Aerosolen: Unterschied zwischen den Versionen
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Der Klimawandel wird hauptsächlich durch die langlebigen Treibhausgase wie Kohlendioxid, Methan oder Distickstoffoxid angetrieben. Sie haben bis 2018 gegenüber 1750 zusammengenommen einen Strahlungsantrieb von 3,32 W/m<sup>2</sup> bewirkt. Davon wurden allein durch Kohlendioxid 2,16 W/m<sup>2</sup> verursacht, durch Methan 0,54 W/m<sup>2</sup> und durch Distickstoffoxid 0,21 W/m<sup>2</sup>. Aerosole sind jedoch die Gegenspieler der Treibhausgase. Sie maskieren einen Teil der globalen Erwärmung, laut jüngsten Bedricht des IPCC um ca. -1,06 W/m<sup>2</sup> und damit um ca. ein Drittel des Strahlungsantriebs der Treibhausgase seit 1750.<ref>IPCC AR6 WGI (2021): Climate Change 2021: The Science of Climate Change, Figure 7.6</ref> Die | Der Klimawandel wird hauptsächlich durch die langlebigen [[Treibhausgase]] wie [[Kohlendioxid]], [[Methan]] oder [[Lachgas|Distickstoffoxid]] angetrieben. Sie haben bis 2018 gegenüber 1750 zusammengenommen einen [[Strahlungsantrieb]] von 3,32 W/m<sup>2</sup> bewirkt. Davon wurden allein durch Kohlendioxid 2,16 W/m<sup>2</sup> verursacht, durch Methan 0,54 W/m<sup>2</sup> und durch Distickstoffoxid 0,21 W/m<sup>2</sup>. Aerosole sind jedoch die Gegenspieler der Treibhausgase. Sie maskieren einen Teil der [[Klimawandel|globalen Erwärmung]], laut jüngsten Bedricht des [[IPCC]] um ca. -1,06 W/m<sup>2</sup> und damit um ca. ein Drittel des Strahlungsantriebs der Treibhausgase seit 1750.<ref>IPCC AR6 WGI (2021): Climate Change 2021: The Science of Climate Change, Figure 7.6</ref> Die Anbschwächung der Erwärmung durch Aerosole ist jedoch in den letzten Jahrzehnten zurückgegangen. | ||
Die stärkste Wirkung hatten Aerosole in Temperaturwerten ausgedrückt um 1980 mit -0,85 °C. 2010 waren es nur noch -0,72 °C, wobei allein | Die stärkste Wirkung hatten Aerosole in Temperaturwerten ausgedrückt um 1980 mit -0,85 °C. 2010 waren es nur noch -0,72 °C, wobei allein [[Sulfataerosole]] -0,55 °C dazu beitrugen. Die [[Globale Mitteltemperatur|globale Mitteltemperatur]] von 2010 wäre allerdings ohne Aerosole bereits um 1970 erreicht worden. Aerosole haben damit den Klimawandel um 40 Jahre verzögert, regional allerdings sehr unterschiedlich.<ref name=Zheng 2020">Zheng, Y., Davis, S.J., Persad, G.G. et al. (2020): [https://doi.org/10.1038/s41558-020-0699-y Climate effects of aerosols reduce economic inequality]. Nat. Clim. Chang. 10, 220–224</ref> Vom jüngsten Bericht des Weltklimarates [[IPCC]] von 2021 wird eine Temperaturveränderung für die [[Strahlungsantrieb von Aerosolen|direkte Wirkung von Aerosolen]] von -0,13 °C und -0,38 °C für die [[Strahlungsantrieb von Aerosolen|indirekte Wirkung von Aerosolen]] angenommen. Dem steht eine Erwärmung durch langlebige Treibhausgase und [[Ozon]] von 1,81 °C gegenüber.<ref>IPCC AR6 WGI (2021): Climate Change 2021, WG I: The Science of Climate Change, Figure 7.7</ref> Ohne den Aerosol-Effekt wäre die [[2-Grad-Ziel|1,5 °C Grenze der Pariser Klimaziele]] zu einem „gefährlichen“ Klimawandel bereits überschritten.<ref name="Quaas 2022">Quaas, J., H. Jia, C. Smith, A.L. Albright et al. (2022): [https://doi.org/10.5194/acp-22-12221-2022 Robust evidence for reversal of the trend in aerosol effective climate forcing], Atmos. Chem. Phys., 22, 12221–12239</ref> | ||
== Wirkung auf die Niederschläge == | == Wirkung auf die Niederschläge == | ||
Hinzu kommt, dass Aerosole auch einen Einfluss auf die Niederschläge besitzen. Zum einen verringert der Abkühlungseffekt durch Aerosole die Verdunstung und damit den für Niederschläge zur Verfügung stehenden Wasserdampf. Zum anderen erhöhen Aerosole zwar die Anzahl der Kondensationskerne in der Atmosphäre und damit auch die Wolkenbildung. Es kommt jedoch aufgrund der hohen Anzahl von Kondensationskernen eher zur Bildung von kleinen Tröpfchen (also von Wolken) als von größeren Tröpfchen, die zu Niederschlägen führen, wodurch in einer aerosolbelasteten Atmosphäre die Niederschläge abnehmen. Eine weitere Folge ist, dass damit auch die Lebensdauer von Wolken und ihre abkühlende Wirkung verlängert werden. Eine Modelluntersuchung kommt zu dem Ergebnis, dass eine (theoretische) Entfernung der gegenwärtigen anthropogenen Aerosole aus der Atmosphäre, nicht nur eine Erwärmung von 0,5-1,1 °C zur Folge haben würde, sondern auch eine Zunahme der Niederschläge um 2,0-4,6%.<ref name="Samset 2018">Samset, B. H., Sand, M., Smith, C. J., Bauer, S. E., Forster, P. M., Fuglestvedt, J. S., Osprey, S., & Schleussner, C.-F. (2018): [https://doi.org/10.1002/2017GL076079 Climate impacts from a removal of anthropogenic aerosol emissions]. Geophysical Research Letters, 45, 1020–1029</ref> Für Europa wurde für diesen Fall eine Zunahme der Niederschläge um 13 mm/Jahr berechnet.<ref name="Turnock 2016">Turnock, S.T., E.W. Butt, T.B. Richardson et al. (2016): [https://iopscience.iop.org/article/10.1088/1748-9326/11/2/024010 The impact of European legislative and technology measures to reduce air pollutants on air quality], human health and climate, Environ. Res. Lett. 11 024010</ref> | Hinzu kommt, dass Aerosole auch einen Einfluss auf die [[Niederschlag|Niederschläge]] besitzen. Zum einen verringert der Abkühlungseffekt durch Aerosole die Verdunstung und damit den für Niederschläge zur Verfügung stehenden Wasserdampf. Zum anderen erhöhen Aerosole zwar die Anzahl der Kondensationskerne in der Atmosphäre und damit auch die Wolkenbildung. Es kommt jedoch aufgrund der hohen Anzahl von Kondensationskernen eher zur Bildung von kleinen Tröpfchen (also von Wolken) als von größeren Tröpfchen, die zu Niederschlägen führen, wodurch in einer aerosolbelasteten Atmosphäre die Niederschläge abnehmen. Eine weitere Folge ist, dass damit auch die Lebensdauer von Wolken und ihre abkühlende Wirkung verlängert werden. Eine Modelluntersuchung kommt zu dem Ergebnis, dass eine (theoretische) Entfernung der gegenwärtigen anthropogenen Aerosole aus der Atmosphäre, nicht nur eine Erwärmung von 0,5-1,1 °C zur Folge haben würde, sondern auch eine Zunahme der Niederschläge um 2,0-4,6%.<ref name="Samset 2018">Samset, B. H., Sand, M., Smith, C. J., Bauer, S. E., Forster, P. M., Fuglestvedt, J. S., Osprey, S., & Schleussner, C.-F. (2018): [https://doi.org/10.1002/2017GL076079 Climate impacts from a removal of anthropogenic aerosol emissions]. Geophysical Research Letters, 45, 1020–1029</ref> Für Europa wurde für diesen Fall eine Zunahme der Niederschläge um 13 mm/Jahr berechnet.<ref name="Turnock 2016">Turnock, S.T., E.W. Butt, T.B. Richardson et al. (2016): [https://iopscience.iop.org/article/10.1088/1748-9326/11/2/024010 The impact of European legislative and technology measures to reduce air pollutants on air quality], human health and climate, Environ. Res. Lett. 11 024010</ref> | ||
Änderungen der Niederschläge durch anthropogene Aerosole sind besonders in den Monsunregionen der Nordhalbkugel, wo 60% der Weltbevölkerung leben, von erheblicher Bedeutung.<ref name="Monerie 2022">Monerie, P.-A., Wilcox, L. J., & Turner, A. G. (2022): [https://doi.org/10.1175/JCLI-D-21-0412.1 Effects of anthropogenic aerosol and greenhouse gas emissions on Northern hemisphere monsoon precipitation: Mechanisms and uncertainty]. Journal of Climate, 35(8), 1–66</ref> Die Niederschläge des nordhemisphärischen Monsuns haben seit Beginn des 21. Jahrhunderts abgenommen. Der Grund ist eine Zunahme der Emission anthropogener Aerosole. In den Monsungebieten ist die Verdunstung stärker begrenzt durch die verfügbare Energie für die Verdunstung als durch die Wasserverfügbarkeit. Eine höhere Aerosolkonzentration verringert jedoch die solare Einstrahlung und damit die zur Verfügung stehende Energie durch direkte Streuung und indirekt durch vermehrte Wolkenbildung. Dadurch wird sowohl die Temperaturdifferenz zwischen Nord- und Südhalbkugel (da die im Sommer wärmere Nordhalbkugel durch mehr Aerosole abgekühlt wird) wie der thermale Gegensatz zwischen Land und Meer reduziert. Die Folge ist eine Schwächung der Monsunzirkulation sowie eine Verringerung der Niederschläge.<ref>Cao, J., Wang, H., Wang, B., Zhao, H., Wang, C., & Zhu, X. (2022): [https://doi.org/10.1029/2022GL100270 Higher sensitivity of Northern Hemisphere monsoon to anthropogenic aerosol than greenhouse gases]. Geophysical Research Letters, 49, e2022GL100270</ref> | Änderungen der Niederschläge durch anthropogene Aerosole sind besonders in den Monsunregionen der Nordhalbkugel, wo 60% der Weltbevölkerung leben, von erheblicher Bedeutung.<ref name="Monerie 2022">Monerie, P.-A., Wilcox, L. J., & Turner, A. G. (2022): [https://doi.org/10.1175/JCLI-D-21-0412.1 Effects of anthropogenic aerosol and greenhouse gas emissions on Northern hemisphere monsoon precipitation: Mechanisms and uncertainty]. Journal of Climate, 35(8), 1–66</ref> Die Niederschläge des nordhemisphärischen [[Globaler Monsun|Monsuns]] haben seit Beginn des 21. Jahrhunderts abgenommen. Der Grund ist eine Zunahme der Emission anthropogener Aerosole. In den tropischen Monsungebieten ist die Verdunstung stärker begrenzt durch die verfügbare Energie für die [[Verdunstung]] als durch die Wasserverfügbarkeit. Eine höhere Aerosolkonzentration verringert jedoch die [[Sonneneinstrahlung und Klimaänderungen|solare Einstrahlung]] und damit die zur Verfügung stehende Energie durch direkte Streuung und indirekt durch vermehrte Wolkenbildung. Dadurch wird sowohl die Temperaturdifferenz zwischen Nord- und Südhalbkugel (da die im Sommer wärmere Nordhalbkugel durch mehr Aerosole abgekühlt wird) wie der thermale Gegensatz zwischen Land und Meer reduziert. Die Folge ist eine Schwächung der Monsunzirkulation sowie eine Verringerung der Niederschläge.<ref>Cao, J., Wang, H., Wang, B., Zhao, H., Wang, C., & Zhu, X. (2022): [https://doi.org/10.1029/2022GL100270 Higher sensitivity of Northern Hemisphere monsoon to anthropogenic aerosol than greenhouse gases]. Geophysical Research Letters, 49, e2022GL100270</ref> | ||
==Regionale Differenzen== | ==Regionale Differenzen== | ||
Da Aerosole räumlich sehr heterogen verbreitet sind, kann sich ihre regionale Wirkung erheblich von den globalen Durchschnittswerten unterscheiden. Die globalen Mittelwerte sind daher wenig aussagekräftig. Den stärksten Strahlungseffekt gibt es in den und in der Nähe der | Da Aerosole räumlich sehr heterogen verbreitet sind, kann sich ihre regionale Wirkung erheblich von den globalen Durchschnittswerten unterscheiden. Die globalen Mittelwerte sind daher wenig aussagekräftig. Den stärksten Strahlungseffekt gibt es in den und in der Nähe der Emissionsgebiete, die zugleich – wie z.B. Ostasien – zu den am dichtesten bevölkerten Regionen der Erde gehören.<ref name="Samset 2018" /> In der jeweiligen Region stoßen verschiedene Aerosole auf unterschiedliche klimatische Bedingungen, durch die ihre Wirkung beeinflusst wird. So unterscheidet sich ihre Wirkung in tropischen Monsungebieten von der in der Westwindzone der mittleren Breiten. Durch die Abkühlung der Temperaturen über dem Land im Sommer schwächen Aerosole z.B. den Land-Meer-Gegensatz und damit die [[Südasiatischer Monsun|tropische Monsunzirkulation]] ab, wie etwa den Monsun im östlichen China.<ref name="Wang 2022">Wang, Z., Xue, L., Liu, J. et al. (2022): [https://doi.org/10.1007/s40726-022-00216-9 Roles of Atmospheric Aerosols in Extreme Meteorological Events: a Systematic Review]. Curr Pollution Rep 8, 177–188</ref> Auch über Südasien hat die Verbrennung von Biomasse und fossiler Energieträger zu einer starken Aerosolverbreitung geführt und die Bedeckung mit Wolken in der unteren Atmosphäre verstärkt, wodurch ebenfalls eine Abkühlung über Land stattgefunden hat.<ref name="Ding 2021">Ding, K., Huang, X., Ding, A. et al. (2021): [https://doi.org/10.1038/s41467-021-26728-4 Aerosol-boundary-layer-monsoon interactions amplify semi-direct effect of biomass smoke on low cloud formation in Southeast Asia]. Nat Commun 12, 6416</ref> Aerosoleinflüsse werden ebenso bei [[ENSO]], der Verschiebung der [[Innertropische Konvergenzzone|Innertropischen Konvergenz]] und den Zugbahnen der [[Tiefdruckgebiet]]e in den mittleren Breiten angenommen.<ref name="Wang 2022" /> Auch wenn Aerosole hauptsächlich in ihren lokal begrenzten Entstehungsgebieten vorkommen und dort ihre Wirkung entfalten, können sie aber auch durch [[Atmosphärische Zirkulation|atmosphärische Strömungen]] in entfernte Gebiete transportiert werden (Abb.),<ref name="Persad 2023">Persad, G., B.H. Samset and L.J. Wilcox et al. (2023): [https://dx.doi.org/10.1088/2752-5295/acd6af Rapidly evolving aerosol emissions are a dangerous omission from near-term climate risk assessments], Environmental Research: Climate 2, 3</ref> so im Lee der Entstehungsgebiete oder in Regionen wie der [[Arktis]], in der geringe Antriebe durch die [[Eis-Albedo-Rückkopplung|Eis- und Schnee-Albedo-Rückkopplung]] verstärkt werden. Änderungen der europäischen Emissionen von [[Sulfataerosole|Schwefeldioxid]] (SO<sub>2</sub>) etwa haben außerhalb des Entstehungsgebietes ihre stärkste Wirkung auf die Temperaturen in der Arktis.<ref name="Westervelt 2020">Westervelt, D.M., N.R. Mascioli, A.M. Fiore et al. (2020): [https://doi.org/10.5194/acp-20-3009-2020 Local and remote mean and extreme temperature response to regional aerosol emissions reductions], Atmos. Chem. Phys., 20, 3009–3027</ref> | ||
Seit der Jahrhundertwende nimmt die Aerosolbelastung aufgrund der rasanten Industrialisierung in den Schwellenländern, besonders in China und Indien, wieder zu. Daraus lassen sich möglicherweise die geringen Änderungen der Temperatur seit etwa 2000 erklären.<ref name="Wild 2012">Martin Wild (2012): Enlightening Global Dimming and Brightening, Bulletin of the American Meteorological Society 93, 27-37</ref> So sind die anthropogenen Emissionen von | Seit der Jahrhundertwende nimmt die Aerosolbelastung aufgrund der rasanten Industrialisierung in den Schwellenländern, besonders in China und Indien, wieder zu. Daraus lassen sich möglicherweise die [[Die sogenannte Erwärmungspause|geringen Änderungen der Temperatur seit etwa 2000]] erklären.<ref name="Wild 2012">Martin Wild (2012): Enlightening Global Dimming and Brightening, Bulletin of the American Meteorological Society 93, 27-37</ref> So sind die anthropogenen Emissionen von Sulfataerosolen von 106 Tg SO<sub>2</sub> im Jahre 2000 auf 112 Tg SO<sub>2</sub> im Jahre 2005 angestiegen. Grund war vor allem der gestiegene Anteil Asiens, d.h. vor allem Chinas und Indiens, von 41 auf 52 % der weltweiten Emissionen, während im selben Zeitraum der Anteil Nordamerikas und Europas (einschließlich Rußlands) von 38 auf 25 % gesunken ist. Zwischen 2005 und 2011 haben die globalen Emissionen jedoch wieder von 112 auf 101 Tg SO2 abgenommen, weil China als größter Aerosol-Emittent durch Kontrollmaßnahmen bei Kraftwerken seine Emissionen deutlich gesenkt hatte.<ref name="Klimont 2013">Klimont, Z., S.J Smith, and J. Cofala (2013): The last decade of global anthropogenic sulfur dioxide: 2000–2011 emissions, Environmental Research Letters 8, doi:10.1088/1748-9326/8/1/014003</ref> Ein Anteil von anthropogenen Aerosolen an dem fehlenden Temperaturanstieg kann demnach nicht angenommen werden.<ref name="MetOffice 2013b">MetOffice (2013): [http://www.metoffice.gov.uk/research/news/recent-pause-in-warming The recent pause in global warming (2): What are the potential causes?]</ref> | ||
== Einzelnachweise == | == Einzelnachweise == |
Version vom 24. Oktober 2023, 12:50 Uhr
Welche Wirkung hat der Einfluss der Aerosole insgesamt auf das globale Klima und besonders auf den gegenwärtig zu beobachtenden Klimawandel?
Strahlungs- und Temperaturwirkung
Der Klimawandel wird hauptsächlich durch die langlebigen Treibhausgase wie Kohlendioxid, Methan oder Distickstoffoxid angetrieben. Sie haben bis 2018 gegenüber 1750 zusammengenommen einen Strahlungsantrieb von 3,32 W/m2 bewirkt. Davon wurden allein durch Kohlendioxid 2,16 W/m2 verursacht, durch Methan 0,54 W/m2 und durch Distickstoffoxid 0,21 W/m2. Aerosole sind jedoch die Gegenspieler der Treibhausgase. Sie maskieren einen Teil der globalen Erwärmung, laut jüngsten Bedricht des IPCC um ca. -1,06 W/m2 und damit um ca. ein Drittel des Strahlungsantriebs der Treibhausgase seit 1750.[1] Die Anbschwächung der Erwärmung durch Aerosole ist jedoch in den letzten Jahrzehnten zurückgegangen.
Die stärkste Wirkung hatten Aerosole in Temperaturwerten ausgedrückt um 1980 mit -0,85 °C. 2010 waren es nur noch -0,72 °C, wobei allein Sulfataerosole -0,55 °C dazu beitrugen. Die globale Mitteltemperatur von 2010 wäre allerdings ohne Aerosole bereits um 1970 erreicht worden. Aerosole haben damit den Klimawandel um 40 Jahre verzögert, regional allerdings sehr unterschiedlich.[2] Vom jüngsten Bericht des Weltklimarates IPCC von 2021 wird eine Temperaturveränderung für die direkte Wirkung von Aerosolen von -0,13 °C und -0,38 °C für die indirekte Wirkung von Aerosolen angenommen. Dem steht eine Erwärmung durch langlebige Treibhausgase und Ozon von 1,81 °C gegenüber.[3] Ohne den Aerosol-Effekt wäre die 1,5 °C Grenze der Pariser Klimaziele zu einem „gefährlichen“ Klimawandel bereits überschritten.[4]
Wirkung auf die Niederschläge
Hinzu kommt, dass Aerosole auch einen Einfluss auf die Niederschläge besitzen. Zum einen verringert der Abkühlungseffekt durch Aerosole die Verdunstung und damit den für Niederschläge zur Verfügung stehenden Wasserdampf. Zum anderen erhöhen Aerosole zwar die Anzahl der Kondensationskerne in der Atmosphäre und damit auch die Wolkenbildung. Es kommt jedoch aufgrund der hohen Anzahl von Kondensationskernen eher zur Bildung von kleinen Tröpfchen (also von Wolken) als von größeren Tröpfchen, die zu Niederschlägen führen, wodurch in einer aerosolbelasteten Atmosphäre die Niederschläge abnehmen. Eine weitere Folge ist, dass damit auch die Lebensdauer von Wolken und ihre abkühlende Wirkung verlängert werden. Eine Modelluntersuchung kommt zu dem Ergebnis, dass eine (theoretische) Entfernung der gegenwärtigen anthropogenen Aerosole aus der Atmosphäre, nicht nur eine Erwärmung von 0,5-1,1 °C zur Folge haben würde, sondern auch eine Zunahme der Niederschläge um 2,0-4,6%.[5] Für Europa wurde für diesen Fall eine Zunahme der Niederschläge um 13 mm/Jahr berechnet.[6]
Änderungen der Niederschläge durch anthropogene Aerosole sind besonders in den Monsunregionen der Nordhalbkugel, wo 60% der Weltbevölkerung leben, von erheblicher Bedeutung.[7] Die Niederschläge des nordhemisphärischen Monsuns haben seit Beginn des 21. Jahrhunderts abgenommen. Der Grund ist eine Zunahme der Emission anthropogener Aerosole. In den tropischen Monsungebieten ist die Verdunstung stärker begrenzt durch die verfügbare Energie für die Verdunstung als durch die Wasserverfügbarkeit. Eine höhere Aerosolkonzentration verringert jedoch die solare Einstrahlung und damit die zur Verfügung stehende Energie durch direkte Streuung und indirekt durch vermehrte Wolkenbildung. Dadurch wird sowohl die Temperaturdifferenz zwischen Nord- und Südhalbkugel (da die im Sommer wärmere Nordhalbkugel durch mehr Aerosole abgekühlt wird) wie der thermale Gegensatz zwischen Land und Meer reduziert. Die Folge ist eine Schwächung der Monsunzirkulation sowie eine Verringerung der Niederschläge.[8]
Regionale Differenzen
Da Aerosole räumlich sehr heterogen verbreitet sind, kann sich ihre regionale Wirkung erheblich von den globalen Durchschnittswerten unterscheiden. Die globalen Mittelwerte sind daher wenig aussagekräftig. Den stärksten Strahlungseffekt gibt es in den und in der Nähe der Emissionsgebiete, die zugleich – wie z.B. Ostasien – zu den am dichtesten bevölkerten Regionen der Erde gehören.[5] In der jeweiligen Region stoßen verschiedene Aerosole auf unterschiedliche klimatische Bedingungen, durch die ihre Wirkung beeinflusst wird. So unterscheidet sich ihre Wirkung in tropischen Monsungebieten von der in der Westwindzone der mittleren Breiten. Durch die Abkühlung der Temperaturen über dem Land im Sommer schwächen Aerosole z.B. den Land-Meer-Gegensatz und damit die tropische Monsunzirkulation ab, wie etwa den Monsun im östlichen China.[9] Auch über Südasien hat die Verbrennung von Biomasse und fossiler Energieträger zu einer starken Aerosolverbreitung geführt und die Bedeckung mit Wolken in der unteren Atmosphäre verstärkt, wodurch ebenfalls eine Abkühlung über Land stattgefunden hat.[10] Aerosoleinflüsse werden ebenso bei ENSO, der Verschiebung der Innertropischen Konvergenz und den Zugbahnen der Tiefdruckgebiete in den mittleren Breiten angenommen.[9] Auch wenn Aerosole hauptsächlich in ihren lokal begrenzten Entstehungsgebieten vorkommen und dort ihre Wirkung entfalten, können sie aber auch durch atmosphärische Strömungen in entfernte Gebiete transportiert werden (Abb.),[11] so im Lee der Entstehungsgebiete oder in Regionen wie der Arktis, in der geringe Antriebe durch die Eis- und Schnee-Albedo-Rückkopplung verstärkt werden. Änderungen der europäischen Emissionen von Schwefeldioxid (SO2) etwa haben außerhalb des Entstehungsgebietes ihre stärkste Wirkung auf die Temperaturen in der Arktis.[12]
Seit der Jahrhundertwende nimmt die Aerosolbelastung aufgrund der rasanten Industrialisierung in den Schwellenländern, besonders in China und Indien, wieder zu. Daraus lassen sich möglicherweise die geringen Änderungen der Temperatur seit etwa 2000 erklären.[13] So sind die anthropogenen Emissionen von Sulfataerosolen von 106 Tg SO2 im Jahre 2000 auf 112 Tg SO2 im Jahre 2005 angestiegen. Grund war vor allem der gestiegene Anteil Asiens, d.h. vor allem Chinas und Indiens, von 41 auf 52 % der weltweiten Emissionen, während im selben Zeitraum der Anteil Nordamerikas und Europas (einschließlich Rußlands) von 38 auf 25 % gesunken ist. Zwischen 2005 und 2011 haben die globalen Emissionen jedoch wieder von 112 auf 101 Tg SO2 abgenommen, weil China als größter Aerosol-Emittent durch Kontrollmaßnahmen bei Kraftwerken seine Emissionen deutlich gesenkt hatte.[14] Ein Anteil von anthropogenen Aerosolen an dem fehlenden Temperaturanstieg kann demnach nicht angenommen werden.[15]
Einzelnachweise
- ↑ IPCC AR6 WGI (2021): Climate Change 2021: The Science of Climate Change, Figure 7.6
- ↑ Zheng, Y., Davis, S.J., Persad, G.G. et al. (2020): Climate effects of aerosols reduce economic inequality. Nat. Clim. Chang. 10, 220–224
- ↑ IPCC AR6 WGI (2021): Climate Change 2021, WG I: The Science of Climate Change, Figure 7.7
- ↑ Quaas, J., H. Jia, C. Smith, A.L. Albright et al. (2022): Robust evidence for reversal of the trend in aerosol effective climate forcing, Atmos. Chem. Phys., 22, 12221–12239
- ↑ 5,0 5,1 Samset, B. H., Sand, M., Smith, C. J., Bauer, S. E., Forster, P. M., Fuglestvedt, J. S., Osprey, S., & Schleussner, C.-F. (2018): Climate impacts from a removal of anthropogenic aerosol emissions. Geophysical Research Letters, 45, 1020–1029
- ↑ Turnock, S.T., E.W. Butt, T.B. Richardson et al. (2016): The impact of European legislative and technology measures to reduce air pollutants on air quality, human health and climate, Environ. Res. Lett. 11 024010
- ↑ Monerie, P.-A., Wilcox, L. J., & Turner, A. G. (2022): Effects of anthropogenic aerosol and greenhouse gas emissions on Northern hemisphere monsoon precipitation: Mechanisms and uncertainty. Journal of Climate, 35(8), 1–66
- ↑ Cao, J., Wang, H., Wang, B., Zhao, H., Wang, C., & Zhu, X. (2022): Higher sensitivity of Northern Hemisphere monsoon to anthropogenic aerosol than greenhouse gases. Geophysical Research Letters, 49, e2022GL100270
- ↑ 9,0 9,1 Wang, Z., Xue, L., Liu, J. et al. (2022): Roles of Atmospheric Aerosols in Extreme Meteorological Events: a Systematic Review. Curr Pollution Rep 8, 177–188
- ↑ Ding, K., Huang, X., Ding, A. et al. (2021): Aerosol-boundary-layer-monsoon interactions amplify semi-direct effect of biomass smoke on low cloud formation in Southeast Asia. Nat Commun 12, 6416
- ↑ Persad, G., B.H. Samset and L.J. Wilcox et al. (2023): Rapidly evolving aerosol emissions are a dangerous omission from near-term climate risk assessments, Environmental Research: Climate 2, 3
- ↑ Westervelt, D.M., N.R. Mascioli, A.M. Fiore et al. (2020): Local and remote mean and extreme temperature response to regional aerosol emissions reductions, Atmos. Chem. Phys., 20, 3009–3027
- ↑ Martin Wild (2012): Enlightening Global Dimming and Brightening, Bulletin of the American Meteorological Society 93, 27-37
- ↑ Klimont, Z., S.J Smith, and J. Cofala (2013): The last decade of global anthropogenic sulfur dioxide: 2000–2011 emissions, Environmental Research Letters 8, doi:10.1088/1748-9326/8/1/014003
- ↑ MetOffice (2013): The recent pause in global warming (2): What are the potential causes?
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