Meeresspiegel der Zukunft: Unterschied zwischen den Versionen

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[[Bild:SL RCP 2100.jpg|thumb|540px|Abb. 1: Anstieg des mittleren globalen Meeresspiegels nach verschiedenen [[RCP-Szenarien]] bis 2100 im Vergleich zu 1986-2005 - IPCC, AR5 2013]]
[[Bild:Meeresspiegelanstieg Zeitskalen.png|thumb|540px|Abb. 1: CO<sub>2</sub>-Emissionen und der Meeresspiegelanstieg der Zukunft]]
== Einleitung ==
Der jüngste Meeresspiegelanstieg weist zwei bedrohliche Merkmale für die Zukunft auf.
# Der Meeresspiegelanstieg hat sich zunehmend beschleunigt. So hat sich die Anstiegsrate in den letzten drei Jahrzehnten mehr als verdoppelt, d.h. von 2,1 mm/Jahr in 1993-2003 auf 4,3 mm/Jahr im Zeitraum 2013-2023.<ref name="C3S 2024">Copernicus Climate Change Service (2024): [https://climate.copernicus.eu/climate-indicators/sea-level Mean sea level globally]</ref> In dem [[2023 und 2024 - die wärmsten Jahre|Ausnahmejahr 2024]], als die globale Mitteltemperatur über 1,5 °C lag, betrug die Anstiegsrate sogar 5,9 mm pro Jahr. Regional kam es 2024 im westlichen tropischen Pazifik und im westlichen und nordöstlichen Indischen Ozean zu extremen Anstiegen um ca. 10 cm im Vergleich zu 2023.<ref name="Hamlington 2025">Hamlington, B.D., S. Fournier, P.R. Thompson, et al. (2025): [https://doi.org/10.1038/s43017-025-00667-w Sea level rise in 2024]. Nature Reviews Earth Environment 6, 246–248</ref> Sehr hohe Anstiegsraten von mehr als 10 mm pro Jahr könnten die Möglichkeiten von Anpassungsmaßnahmen wie Deichbauten oder Sperrwerke überfordern.<ref name="Stokes 2025">Stokes, C.R., J.L. Bamber, A. Dutton et al. (2025): [https://doi.org/10.1038/s43247-025-02299-w Warming of +1.5 °C is too high for polar ice sheets]. Commun Earth Environ 6, 351</ref>
# Gletscher und Eisschilde stellen in den letzten beiden Jahrzehnten die dominierende Quelle des Meeresspiegelsanstiegs dar und übertreffen inzwischen die thermische Ausdehnung. Und davon ist inzwischen das Abschmelzen der Eisschilde bedeutender geworden als das Schmelzen der Gletscher. Besorgniserregend ist diese Entwicklung insofern, weil die Eisschilde mit großem Abstand das größte Potential für den zukünftigen Anstieg des Meeresspiegels besitzen und weil in der Forschung über kritische Eisschild-Prozesse noch große Unsicherheiten bestehen. Das vollständige Abschmelzen des Grönländischen Eisschilds steht für 7,4 m und das des Antarktischen Eisschildes für 57,5 m Meeresspiegelanstieg. Rückkopplungen zwischen Schmelzprozessen der Eisschilde mit Ozean und Atmosphäre könnten bis 2100 mehr als das Doppelte des bisher angenommenen Meeresspiegelanstiegs ergeben.<ref name="Stokes 2025"/>
== IPCC-Projektionen ==
[[Bild:SLR 2100 SROCC.jpg|thumb|540px|Abb. 2: Anstieg des globalen Meeresspiegels nach den Szenarien RCP2.6 und RCP8.5 bis 2100 - IPCC-Sonderbericht SROCC 2019]]
Der '''Meeresspiegelanstieg der Zukunft''' ist eine sehr schwierig zu bestimmende Größe. In Abhängigkeit von den [[Klimaszenarien]] und der daraus abgeleiteten Erwärmung lassen sich gewisse Bandbreiten der Veränderung bestimmen. Bei einer niedrigen Erwärmung um 2.0 °C bis 2100 gegenüber der vorindustriellen Zeit (1850-1900) schätzt der IPCC in seinem jüngsten Bericht<ref>Die Unterschiede zu dem vorhergehenden Bericht, Abb. 1 und 2, sind gering.</ref> den Meeresspiegelanstieg bis 2100 auf 51 cm (bei einer Spannbreite von 40-69 cm). Bei einer starken Erwärmung um 5 °C könnte der Anstieg des Meeresspiegels bei 81 cm (69-105 cm) liegen.<ref name="IPCC 2021a">IPCC AR6 WGI (2021a): Ocean, Cryosphere and Sea Level Change, Table 9.10</ref>  Der Anteil der thermischen Ausdehnung wird dabei bei dem niedrigen Erwärmungsgrad auf 14 cm angenommen, bei dem hohen Erwärmungsgrad auf 30 cm. Die Zunahme der Ozeanmasse durch das Abschmelzen von Eis ist wesentlich schwieriger zu prognostizieren. Die Eisschilde und Gletscher werden zusammen wahrscheinlich einen Beitrag von 23 cm bzw. 43 cm leisten.<ref name="IPCC 2021b">IPCC AR6 WGI (2021b): Ocean, Cryosphere and Sea Level Change, Table 9.8</ref> Auch die Anstiegsrate wird sich je nach Szenario deutlich beschleunigen und bei einer Erwärmung um 2,0 °C bei 5 mm/Jahr liegen und bei 5,0 °C bei 7,2 mm/Jahr.<ref name="IPCC 2021a"/>
 
[[Bild:AR6 SLR 2100.jpg|thumb|540px|Abb. 3: Anstieg des globalen Meeresspiegels nach den SSP-Szenarien bis 2050 und 2100]]


== IPCC-Projektionen ==
Der jüngste Bericht des IPCC betont in seinem Synthese-Bericht von 2023, dass bei anhaltender Erwärmung der Tiefsee und des Abschmelzens der Eisschilde über Jahrhunderte bis Jahrtausende der weitere Anstieg des Meeresspiegels unvermeidbar ist. Auch nach einem Ende der globalen Erwärmung durch den Menschen wird der Meeresspiegel über Jahrtausende erhöht bleiben.<ref name="IPCC 2023">IPCC (2023): Climate Change 2023: Synthesis Report, 3.1.3</ref>
Der '''Meeresspiegelanstieg der Zukunft''' ist eine sehr schwierig zu bestimmende Größe. In Abhängigkeit von den [[Klimaszenarien]] und der daraus abgeleiteten Erwärmung lässt sich mit einiger Zuverlässigkeit der Anstieg durch die Ausdehnung des Meerwassers bestimmen. Für das [[RCP-Szenarien|RCP8.5-Szenario]] gibt der [[IPCC]]-Bericht von 2013 einen Meeresspiegelanstieg von 45-82 cm an (Abb. 1). Der Anteil der thermischen Ausdehnung wird dabei auf 30-55% geschätzt. Bei dem niedrigen Szenario [[RCP-Szenarien|RCP2.6]] wird eine thermale Expansion von 10 bis 18 cm angenommen.<ref>IPCC (2013): Climate Change 2013, Working Group I: The Science of Climate Change, 13.5.1 und Table 13.5</ref> Die Zunahme der Ozeanmasse durch das Abschmelzen von Eis, insbesondere durch die Eisdynamik, ist wesentlich schwieriger zu prognostizieren. Die einzelnen Usachen des Meeresspiegelanstiegs der Zukunft werden weiter unten diskutiert.<ref name="IPCC 2013 Summary">IPCC (2013): Working Group I Contribution to the IPCC Fifth Assessment Report Climate Change 2013: The Physical Science Basis. Summary for Policymakers</ref>  


[[Bild:SLR 2100 SROCC.jpg|thumb|540px|Abb. 2: Anstieg des globalen Meeresspiegels nach den Szenarien RCP2.6 und RCP8.5 bis 2100 - IPCC-Sonderbericht SROCC 2019]]
Bei einer anhaltenden Erwärmung zwischen 2 °C und 3 °C werden der grönländische und der westantarktische Eisschilde über mehrere Jahrtausende wahrscheinlich vollständig abschmelzen. Bei einer Erwärmung um 1,5°C wird der globale Meeresspiegel in den nächsten 2000 Jahren um etwa 2-3 m ansteigen. Bei einer Erwärmung um 2 °C wird der Meeresspiegelanstieg 2-6 m betragen. Die Modellprojektionen stimmen dabei weitgehend mit erdgeschichtlichen Epochen überein, in denen ähnliche Klimaverhältnisse herrschten, wie sie durch den menschlichen Klimawandel zu erwarten sind. Der globale mittlere Meeresspiegel lag vor etwa 3 Millionen Jahren im Pliozän, als die globalen Temperaturen 2,5 °C bis 4 °C höher waren als vorindustriell, um 5-25 m höher als heute. Wahrscheinlich ist mit einem solchen Anstieg des Meeresspiegels aber erst in Tausenden von Jahren zu rechnen.<ref name="IPCC 2023"/>
2019 hat der IPCC einen Sonderbericht über den Ozean und die Kryosphäre im Klimawandel veröffentlicht.<ref>IPCC (2019): [https://www.ipcc.ch/srocc/download-report/ IPCC Special Report on the Ocean and Cryosphere in a Changing Climate]</ref> Darin werden nach Auswertung der nach dem letzten IPCC-Bericht von 2013 veröffentlichten wissenschaftlichen Arbeiten die damaligen Einschätzungen über den Meeresspiegelanstieg bis 2100 nach oben korrigiert (Abb. 2). Aktuell liegt die Rate des Meeresspiegelanstiegs bei 3-4 mm für den Zeitraum 2005-2015. Bis zum Ende des 21. Jahrhunderts wird bei dem niedrigen Szenario RCP2.6, bei dem die Erwärmungsgrenze von 2 °C nach dem Pariser Abkommen von 2015 nicht überschritten wird, diese Rate auf 4-9 mm steigen. Der Meeresspiegel wird bei diesem Szenario bis 2050 um 24 cm und bis 2100 um 29-59 cm ansteigen. Kommt es zu dem hohen Szenario RCP8.5, ist gegen Ende des Jahrhunderts eine Anstiegsrate von 10-20 mm pro Jahr zu erwarten, also etwa viermal so hoch wie heute. Der Anstieg des Meeresspiegels wird dann bei 32 cm liegen und gegen Ende des Jahrhunderts bei 61-110 cm. Die Unsicherheiten der Projektionen nehmen nach 2050 deutlich zu, daher auch die großen Bandbreiten. Hauptgrund sind die Schwierigkeiten, das Abschmelzen des Antarktischen Eisschildes abzuschätzen.<ref name="IPCC 2019a">IPCC (2019): Special Report on the Ocean and Cryosphere in a Changing Climate, Chapter 4: Sea Level Rise and Implications for Low-Lying Islands, Coasts and Communities</ref>  


== Künftige Ursachen ==
== Künftige Ursachen ==
Als Ursachen für den Meeresspiegel-Anstieg kommen vor allem die thermale Expansion des Meerwassers durch die Erwärmung der Ozeane (thermosterischer Anstieg) und die Zunahme des Wasservolumens durch das Abschmelzen von Eis auf dem Land (eustatischer Anstieg) in Frage.
Als Ursachen für den Meeresspiegel-Anstieg kommen vor allem die thermale Expansion des Meerwassers durch die Erwärmung der Ozeane (thermosterischer Anstieg) und die Zunahme des Wasservolumens durch das Abschmelzen von Eis auf dem Land (eustatischer Anstieg) in Frage.


=== Sterischer Meeresspiegelanstieg ===
=== Erwärmung des Ozeans ===
Die Ausdehnung des Ozeanwassers kann zwei Ursachen haben, die Wärmeaufnahme des Ozeans und eine mögliche Abnahme des Salzgehalts. Die Erwärmung des Meerwassers ist hiervon bei weitem die wichtigste Ursache. In bestimmten Regionen kann aber auch der Salzgehalt die dominierende Rolle spielen.
Die Energiezunahme des Klimasystems durch den Klimawandel wird zu mehr als 90 % vom Ozean aufgenommen. Durch die [[Erwärmung des Ozeans]] dehnt sich das Meerwasser aus und bewirkt einen Anstieg des Meeresspiegels. In den ersten Jahrzehnten des 21. Jahrhunderts erwärmen sich vor allem die oberen Schichten der Wassermasse. Mit der Zeit wird die Erwärmung in tiefere Schichten abgegeben, was vor allem im Nördlichen Atlantik und Südlichen Ozean passiert, weil hier die vertikale Zirkulation und turbulente Mischungsvorgänge am ausgeprägtesten sind. Bis 2100 wird der Meeresspiegelanstieg durch thermale Expansion nach dem niedrigen Szenario SSP1-2.6 im Mittel 14 cm betragen und nach SSP5-8.5 im Mittel 30 cm.<ref name="IPCC 2021b"/>


Die Ausdehnung des Ozeanwassers kann zwei Ursachen haben, die Wärmeaufnahme des Ozeans und eine mögliche Abnahme des Salzgehalts. Die Erwärmung des Meerwassers ist im allgemeinen bei weitem die wichtigste Ursache. In bestimmten Regionen kann aber auch der Salzgehalt die dominierende Rolle spielen.
=== Abschmelzen von Landeis ===
=== Gletscher und Eiskappen ===
Die Energiezunahme des Klimasystems durch den Klimawandel wird zu mehr als 90 % vom Ozean aufgenommen. Durch die [[Erwärmung des Ozeans]] dehnt sich das Meerwasser aus und bewirkt einen Anstieg des Meeresspiegels, der im Mittel 11 cm pro 10<sup>24</sup> Joule  beträgt. In den ersten Jahrzehnten des 21. Jahrhunderts erwärmen sich vor allem die oberen Schichten der Wassermasse. Mit der Zeit wird die Erwärmung in tiefere Schichten abgegeben, was vor allem im Nördlichen Atlantik und Südlichen Ozean passiert, weil hier die vertikale Zirkulation und turbulente Mischungsvorgänge am ausgeprägtesten sind. Über längere Zeiträume von Jahrtausenden beträgt der Meeresspiegelanstieg durch thermale Expansion nach verschiedenen Modellrechnungen 20-63 cm pro Grad Celsius globaler Erwärmung, bei einem Mittel von 42 cm.<ref>IPCC (2013): Climate Change 2013, Working Group I: The Science of Climate Change, 13.4.1</ref>  
Ein weiterer wichtiger Faktor für den Anstieg des globalen Meeresspiegels sind die Gletscher der Erde. Sie tragen bis zum Ende des 21. Jahrhunderts je nach Szenario zwischen 7-17 cm (RCP2.6) und 12-26 cm (RCP8.5) zum Meeresspiegelanstieg bei. Hinzu kommen noch einmal 3-6 cm, wenn die Randgletscher von Grönland und Antarktis einbezogen werden. Große Unsicherheiten bestehen bei den Gletschern, die direkt ins Meer münden und ihr Eis durch Kalben verlieren. Das betrifft etwa 280 500 km<sup>2</sup> der globalen Gletscherfläche von 734 000 km<sup>2</sup> bzw. 38 %. Diese Gletscher können stoßweise in relativ kurzer Zeit sehr viel Eis verlieren. So hat etwa der Columbia-Gletscher in Alaska 7,65 Gt/Jahr zwischen 1996 und 2007 verloren, was allein von diesem Gletscher einem Beitrag von 1,3 % am gesamten durch Eisschmelze verursachten Meeresspiegelanstieg bedeutete.<ref>IPCC (2013): Climate Change 2013, Working Group I: The Science of Climate Change, 13.4.2</ref>
=== Eisschilde ===
{|
|- style="vertical-align:top;"
| [[Bild:FeedbackProzesse Antarktis.jpg|thumb|540px|Abb. 4: Feedback-Prozesse, die zu einem schnellen Rückzug des Eisschilds führen können: (1) Absenkung der Oberfläche und verstärktes Abschmelzen, (2) Instabilität mariner Ränder durch Eindringen von Meerwasser und Rückzug der Grundlinie, (3) Kalben an hohen Eiskliffs.]]
|-
|}
Die einzigen Eisschilde auf der Erde, der Grönländische und der Antarktische Eisschild, sind mehrere km dick und sind von Ozeanen umgeben. Damit hängen bestimmte Rückkopplungsvorgänge zusammen, die das Abschmelzen der Eisschilde beschleunigen können. Ein Abschmelzen an der Oberfläche (Abb. links), wovon besonders Grönland betroffen ist, führt dazu, dass die Eisoberfläche allmählich an Höhe verliert und in tieferen Lagen höheren Temperaturen ausgesetzt ist, was das Abschmelzen beschleunigen kann. Dem wirkt entgegen, dass durch den Abfluss der Eismasse ins Meer der Untergrund entlastet wird und sich durch die Reaktion des Magmas unter der Erdkruste anhebt. Die Eisoberfläche könnte dadurch gar nicht oder nur wenig absinken.<ref name="Stokes 2025"/>  


Bis 2081-2100 wird der Meeresspiegelanstieg durch thermale Expansion nach Szenario RCP2.6 im Mittel 14 cm betragen und nach RCP8.5 im Mittel 27 cm.<ref>IPCC (2013): Climate Change 2013, Working Group I: The Science of Climate Change, Table 13.5</ref>
Ein weiterer Effekt stellt sich ein, wenn ein Eisschild die Erdkruste unter ihm durch sein Gewicht vom Rand zur Mitte hin verstärkt nach unten drückt und durch sein Abfließen große Schelfeisflächen ausbildet (Abb. Mitte). Das ist besonders am Rand der Westantarktis der Fall, da hier große Teile des Eisschilds auf Felsuntergrund unter dem Meeresspiegel aufliegen. Hier dringt warmes und stark salzhaltiges Meerwasser unter das Schelfeis und verschiebt die Aufsetzlinie, die Trennlinie zwischen dem auf festem Untergrund liegenden Eisschild und dem schwimmenden Schelfeis, zunehmend nach Innen. Durch den nach Innen abfallenden Untergrund und den Kontakt zum Meerwasser ist die Aufsetzlinie instabil. Durch deren Rückverlagerung wird mehr Eis in Schelfeis verwandelt, das durch Erwärmung, Meeresströmungen und Wind zerstört werden kann, was wiederum mehr Masse vom Eisschild nachfließen lässt.<ref name="Stokes 2025"/>


=== Eustatischer Meeresspiegelanstieg ===
Der dritte Effekt (Abb. rechts) könnte am Rand von sich ausbreitendem Schelfeis entstehen, das durch Erwärmung und dynamische Kräfte der Atmosphäre und des Ozeans zerstört wird und sich durch Kalben in große Eisberge auflöst.<ref name="Sasgen 2024">Sasgen, I., O. Eisen, R. Timmerman et al. (2024): [https://www.klima-warnsignale.uni-hamburg.de/buchreihe/herausforderung-wetterextreme/meeresspiegelanstieg-eisschilde/ Meeresspiegelanstieg durch instabile Eisschilde in Grönland und der Antarktis]. In: J. L. Lozán, H. Graßl, D. Kasang, M. Quante & J. Sillmann (Hrsg.). Warnsignal Klima: Herausforderung Wetterextreme – Ursachen, Auswirkungen & Handlungsoptionen. 224-230</ref>  Es gibt jedoch keine Belege, dass dieser Prozess bereits eingetreten ist. Auch bis zum Ende dieses Jahrhundert ist dafür die Wahrscheinlichkeit gering, wird aber vom Weltklimarat IPCC auch nicht ausgeschlossen.<ref name="IPCC 2023">IPCC (2023): Climate Change 2023: Synthesis Report, 3.1.3</ref>
==== Gletscher und Eiskappen ====
Ein weiterer wichtiger Faktor für den Anstieg des globalen Meeresspiegels sind die Gletscher der Erde. Sie tragen bis zum Ende des 21. Jahrhunderts je nach Szenario zwischen 7-17 cm (RCP2.6) und 12-26 cm (RCP8.5) zum Meeresspiegelanstieg bei. Hinzu kommen noch einmal 3-6 cm, wenn die Randgletscher von Grönland und Antarktis einbezogen werden. Große Unsicherheiten bestehen bei den Gletschern, die direkt ins Meer münden und ihr Eis durch Kalben verlieren. Das betrifft etwa 280 500 km<sup>2</sup> der globalen Gletscherfläche von 734 000 km<sup>2</sup> bzw. 38 %. Diese Gletscher können stoßweise in relativ kurzer Zeit sehr viel Eis verlieren. So hat etwa der Columbia-Gletscher in Alaska 7,65 Gt/Jahr zwischen 1996 und 2007 verloren, was allein von diesem Gletscher einem Beitrag von 1,3 % am gesamten durch Eisschmelze verursachten Meeresspiegelanstieg bedeutete.<ref>IPCC (2013): Climate Change 2013, Working Group I: The Science of Climate Change, 13.4.2</ref>


==== Grönland ====
==== Grönland ====
[[Bild:Greenland ice sheet SL2100.jpg|thumb|400px|Abb. 3: Beitrag des Grönländischen Eisschildes zum Meeresspiegelanstieg bis 2100 durch Abschmelzen an der Oberfläche und Eisdynamik nach dem Szenario RCP4.5. Die Farben in der Fläche zeigen den regionalen Beitrag durch Abschmelzen in mm Wasseräquivalente pro Jahr. Die lila bzw. grüne Linie zeigen das Zurückweichen der Gleichgewichtslinie zwischen Akkumulation und Ablation. Die schwarzen Linien zeigen neben dem Rand des Eisschildes die Abflussgebiete von vier wichtigen Auslassgletschern, deren Beitrag zum Meeresspiegelanstieg in den eingelassenen Kästchen dargestellt wird. Im Kästchen oben rechts wird der Beitrag des gesamten Eisschilds zum Meeresspiegelanstieg gezeigt: hellgrau die Bandbreite durch Abschmelzen, dunkelgrau die Bandbreite durch Eisdynamik.]]
[[Bild:Greenland ice sheet SL2100.jpg|thumb|400px|Abb. 4: Beitrag des Grönländischen Eisschildes zum Meeresspiegelanstieg bis 2100 durch Abschmelzen an der Oberfläche und Eisdynamik nach dem Szenario RCP4.5. Die Farben in der Fläche zeigen den regionalen Beitrag durch Abschmelzen in mm Wasseräquivalente pro Jahr. Die lila bzw. grüne Linie zeigen das Zurückweichen der Gleichgewichtslinie zwischen Akkumulation und Ablation. Die schwarzen Linien zeigen neben dem Rand des Eisschildes die Abflussgebiete von vier wichtigen Auslassgletschern, deren Beitrag zum Meeresspiegelanstieg in den eingelassenen Kästchen dargestellt wird. Im Kästchen oben rechts wird der Beitrag des gesamten Eisschilds zum Meeresspiegelanstieg gezeigt: hellgrau die Bandbreite durch Abschmelzen, dunkelgrau die Bandbreite durch Eisdynamik.]]
* Hauptartikel: [[Grönländischer Eisschild]]
* Hauptartikel: [[Grönländischer Eisschild]]


Auch wenn es noch umstritten ist, ob das Abschmelzen der großen Eisschilde gegenwärtig die Hauptursache für den Meeresspiegelanstieg ist oder nicht, geht davon für die fernere Zukunft mit Sicherheit die größte Gefahr aus. Das zeigt schon der Blick auf den gewaltigen Meeresspiegelanstieg seit dem Höhepunkt der letzten Kaltzeit um 120 m, der fast vollständig durch das Abschmelzen der Eismassen auf den Kontinenten der Nordhalbkugel verursacht wurde, während die Ausdehnung des Meerwassers durch Erwärmung daran nur einen verschwindend kleinen Anteil hatte. Auch in den nächsten Jahrhunderten und Jahrtausenden wird bei anhaltender globaler Erwärmung das Abschmelzen Grönlands und von Teilen der Antarktis den Meeresspiegel zunehmend beeinflussen, während der Anteil durch die Erwärmung des Ozeanwassers und der der Gletscher und Eiskappen immer geringer wird.
Für die fernere Zukunft geht mit Sicherheit die größte Gefahr für einen bedrohlichen Meeresspiegelanstieg von den großen Eischilden Grönland und Antarktis aus. Das zeigt schon der Blick auf den gewaltigen Meeresspiegelanstieg seit dem Höhepunkt der letzten Kaltzeit um 120 m, der fast vollständig durch das Abschmelzen der Eismassen auf den Kontinenten der Nordhalbkugel verursacht wurde, während die Ausdehnung des Meerwassers durch Erwärmung daran nur einen verschwindend kleinen Anteil hatte. Auch in den nächsten Jahrhunderten und Jahrtausenden wird bei anhaltender globaler Erwärmung das Abschmelzen Grönlands und von Teilen der Antarktis den Meeresspiegel zunehmend beeinflussen, während der Anteil durch die Erwärmung des Ozeanwassers und der der Gletscher und Eiskappen immer geringer wird.
 
Der Massenverlust des Grönländischen Eisschilds geschieht vor allem duch das Abschmelzen von Eis an der Oberfläche. Dabei spielt das Verhältnis von Schneefall und Abschmelzen die entscheidende Rolle. In jüngster der Zeit hat der Eisschild auf Grönland 36% mehr Masse verloren als durch Schneefall hinzukam.<ref name="Sasgen 2024"/> Grund ist die als [[Arktische Verstärkung]] bekannte Erwärmung der Region, die viermal stärker als der globale Durchschnitt ist. Durch das Tauen von Schnee verändert sich die Eisoberfläche. Zum einen bilden sich durch Schmelzen und Wiedergefrieren nackte Eisflächen, zum anderen entstehen durch Schmelzwasser Wassertümpel und Seen. In beiden Fällen wird die Oberfläche des Eisschilds deutlich dunkler, so dass die Albedo abnimmt (von 95% bei Neuschnee auf 45%) und mehr Sonnenstrahlen absorbiert. Dadurch wird mehr Energie an der Oberfläche aufgenommen und das Schmelzen weiter verstärkt, eine positive Rückkopplung. Grönland verliert aber auch Eis durch das Abfließen von gigantischen Eisströmen Richtung Küste, die hier in kleinere Auslassgletscher münden und ins Meer münden. Das Abfließen wird noch daduch verstärkt, dass Schmelzwasser durch Spalten unter den Eisschild gelangt und dort wie ein Schmierfilm die Abflussgeschwindigkeit verstärkt.<ref name="AWI">Printprodukte des Alfred-Wegener-Instituts: [https://www.awi.de/ueber-uns/publikationen/berichte-und-broschueren.html Das Grönländische Eis]</ref> Außerdem schmilzt das in den Ozean mündende Eis zunehmend schneller durch das sich infolge des Klimawandels erwärmende Meerwasser.<ref name="IPCC 2021c">IPCC AR6 WGI (2021c): Ocean, Cryosphere and Sea Level Change, 9.4.1</ref>


Der künftige Beitrag des Grönländischen Eisschilds zum Meeresspiegelanstieg wird zunehmend höher ausfallen.<ref>IPCC (2013): Climate Change 2013, Working Group I: The Science of Climate Change, 13.4.3</ref> Zum einen wird die wachsende Ablation (durch Schmelzen an der Oberfläche) die Akkumulation (durch Schneefall) mehr und mehr übertreffen. Der Niederschlag nimmt zwar nach Modellprojektionen um 5 % pro 1 °C Erwärmung über Grönland zu. Die Zunahme des Schneefalls ist jedoch geringer, weil der Anteil an Regen am Gesamtniederschlag mit der höheren Temperatur wächst. Die Gebiete und die Zeiten, in denen statt Schnee Regen fällt, werden immer ausgedehnter. In diesem Zusammenhang spielen außerdem Feedbackprozesse  eine Rolle, durch die Ein die Beschleunigung der Schmelzwasserproduktion zunimmt. Wenn helle Schneeflächen mit einer hohen Albedo beim Schmelzen durch dunklere Wasser- oder wiedergefrorene Eisoberflächen ersetzt werden, verringert sich die Albedo. Die Folge ist eine höhere Absorption von Strahlung, die zu höheren Temperaturen und stärkerem Abschmelzen des Eises führt.
Auch in den kommenden Jahrzehnten bis 2100 werden die Prozesse an der Oberfläche des Grönländischen Eisschilds gegenüber dem Eisabfluss in den Ozean den Eisverlust dominieren.<ref name="IPCC 2021d"/> Zukünftig wird die wachsende Ablation (durch Schmelzen an der Oberfläche) die Akkumulation (durch Schneefall) mehr und mehr übertreffen. Der Niederschlag nimmt zwar nach Modellprojektionen um 5 % pro 1 °C Erwärmung über Grönland zu. Die Zunahme des Schneefalls ist jedoch geringer, weil der Anteil an Regen am Gesamtniederschlag mit der höheren Temperatur wächst. Die Gebiete und die Zeiten, in denen statt Schnee Regen fällt, werden immer ausgedehnter.  


Höhere Temperaturen sowohl in der Atmosphäre wie im Ozean und die Produktion von Schmelzwasser haben außerdem einen viel diskutierten Einfluss auf die Dynamik des Eisschildes, d.h. vor allem auf die Fließbewegungen Richtung Meer. Das ist gegenwärtig schon durch Beobachtungen feststellbar. Der Eisverlust durch das Kalben ins Meer an der Front und das Abschmelzen von im Meer mündenden Gletscherzungen von Auslassgletschern führt schon heute zu erheblichen Eisverlusten, weil sie das Tempo erhöhen, mit dem der Eisschild ins Meer abfließt. Dieses Tempo wird auch dadurch beschleunigt, dass Schmelzwasser in Gletscherspalten unter den Eiskörper gerät und hier wie ein Schmierfilm wirkt.  
Höhere Temperaturen sowohl in der Atmosphäre wie im Ozean und die Produktion von Schmelzwasser haben außerdem einen viel diskutierten Einfluss auf die Dynamik des Eisschildes, d.h. vor allem auf die Fließbewegungen Richtung Meer. Das ist gegenwärtig schon durch Beobachtungen feststellbar. Der Eisverlust durch das Kalben ins Meer an der Front und das Abschmelzen von im Meer mündenden Gletscherzungen von Auslassgletschern führt schon heute zu erheblichen Eisverlusten, weil sie das Tempo erhöhen, mit dem der Eisschild ins Meer abfließt. Dieses Tempo wird auch dadurch beschleunigt, dass Schmelzwasser in Gletscherspalten unter den Eiskörper gerät und hier wie ein Schmierfilm wirkt.  
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Über längere Zeiträume ist ein weiterer wichtiger Feedback-Prozess die Verringerung der Höhe des Eisschildes durch das stetige Abschmelzen. Dadurch gerät die Eisoberfläche in Niveaus mit höheren Temperaturen als heute, was das weitere Abschmelzen beschleunigt. Weitere Prozesse, die auf das Abschmelzen des Grönländischen Eisschilds zurückwirken, sind Auswirkungen etwa des Schmelzwasserflusses auf Meeresströmungen, z.B. auf die thermohaline Zirkulation im Nordatlantik. Da das Süßwasser der Eisschmelze die thermohaline Zirkulation schwächen würde, wäre die Rückkopplung eher negativ und würde das Abschmelzen des Eisschildes auf Grönland abschwächen. Der Effekt wird jedoch für dieses Jahrhundert als sehr gering eingeschätzt.   
Über längere Zeiträume ist ein weiterer wichtiger Feedback-Prozess die Verringerung der Höhe des Eisschildes durch das stetige Abschmelzen. Dadurch gerät die Eisoberfläche in Niveaus mit höheren Temperaturen als heute, was das weitere Abschmelzen beschleunigt. Weitere Prozesse, die auf das Abschmelzen des Grönländischen Eisschilds zurückwirken, sind Auswirkungen etwa des Schmelzwasserflusses auf Meeresströmungen, z.B. auf die thermohaline Zirkulation im Nordatlantik. Da das Süßwasser der Eisschmelze die thermohaline Zirkulation schwächen würde, wäre die Rückkopplung eher negativ und würde das Abschmelzen des Eisschildes auf Grönland abschwächen. Der Effekt wird jedoch für dieses Jahrhundert als sehr gering eingeschätzt.   


Insgesamt wird der Beitrag des Grönländischen Eisschildes bis 2081-2100 im Vergleich zu 1986-2005 sowohl durch direktes Abschmelzen wie durch die Eisdynamik nach dem Szenario RCP8.5 auf 12 (maximal 23) cm eingeschätzt, nach RCP2.6 auf 7 (maximal 13) cm.<ref>IPCC (2013): Climate Change 2013, Working Group I: The Science of Climate Change, Table 13.5</ref>
Insgesamt wird der Beitrag des Grönländischen Eisschildes bis 2100 im Vergleich zu 1995-2014 sowohl durch direktes Abschmelzen wie durch die Eisdynamik nach dem Szenario SSP5-8.5 auf 13 (maximal 18) cm eingeschätzt, nach SSP2-4.5 auf auf 8 (maximal 13) cm.<ref name="IPCC 2021d">IPCC AR6 WGI (2021d): Ocean, Cryosphere and Sea Level Change, Table 9.2</ref>


==== Antarktis ====
==== Antarktis ====
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Gefährdet sind vor allem die großen Eisschelfe der Antarktischen Halbinsel und der Westantarktis. Bevor die großen antarktischen Eisschelfe, das Ross- und das Filchner-Ronne-Eisschelf jedoch ernsthaft bedroht sind, müsste es eine lokale Erwärmung von 5 bis 7 °C geben, die bis zum Ende des 21. Jahrhunderts eher unwahrscheinlich ist. Insgesamt schätzt der IPCC nach Sichtung der vorliegenden Literatur den Meeresspiegelanstieg bis zum Ende des 21. Jahrhunderts nur durch die dynamische Eisbewegungen des Antarktischen Eisschildes auf -1 bis +16 cm, unabhängig von den Szenarien. Die Bandbreite zeigt die große Unsicherheit und geringe Übereinstimmung bei den bisherigen Untersuchungen. Allerdings wird davon ausgegangen, dass sich der Beitrag durch die Eisdynamik nach dem Jahr 2100 fortsetzt.<ref>IPCC (2013): Climate Change 2013, Working Group I: The Science of Climate Change, 13.4.4, Table 13.5</ref>
Gefährdet sind vor allem die großen Eisschelfe der Antarktischen Halbinsel und der Westantarktis. Bevor die großen antarktischen Eisschelfe, das Ross- und das Filchner-Ronne-Eisschelf jedoch ernsthaft bedroht sind, müsste es eine lokale Erwärmung von 5 bis 7 °C geben, die bis zum Ende des 21. Jahrhunderts eher unwahrscheinlich ist. Insgesamt schätzt der IPCC nach Sichtung der vorliegenden Literatur den Meeresspiegelanstieg bis zum Ende des 21. Jahrhunderts nur durch die dynamische Eisbewegungen des Antarktischen Eisschildes auf -1 bis +16 cm, unabhängig von den Szenarien. Die Bandbreite zeigt die große Unsicherheit und geringe Übereinstimmung bei den bisherigen Untersuchungen. Allerdings wird davon ausgegangen, dass sich der Beitrag durch die Eisdynamik nach dem Jahr 2100 fortsetzt.<ref>IPCC (2013): Climate Change 2013, Working Group I: The Science of Climate Change, 13.4.4, Table 13.5</ref>
== Meeresspiegelanstieg bis 2100 ==
[[Bild:IPCC SLRglobal RCP4.5-8.5.jpg|thumb|520px|Abb. 4: Meeresspiegeländerung zwischen 1986-2005 und 2081-2100 nach den Szenarien RCP4.5 und RCP8.5; dargestellt ist das Mittel von 21 Modellrechnungen. ]]
Aussagen über den zukünftigen Meeresspiegelanstieg sind mit großen Unsicherheiten behaftet. Nicht nur, dass sie wie jede Klima"prognose" wegen der zugrundeliegenden Emissionsszenarien nur Entwürfe über mögliche Zukünfte darstellen. Bereits über das gegenwärtige Verhalten der [[Eisschilde]] in einem wärmeren Klima sind die Kenntnisse sehr begrenzt. Der globale Meeresspiegelanstieg der Zukunft wird durch Klimamodelle simuliert. Dabei unterscheidet man zwei Arten von Modellen, prozessbasierte und semi-empirische Modelle. Die prozessbasierten Modelle leiten den Meeresspiegelanstieg aus den Prozessen ab, die ihm zugrunde liegen, vor allem aus der Erwärmung des Meerwassers und dem Abschmelzen von Gletschern und Eisschilden. Die semi-empirischen Modelle, die in der Forschung eine geringere Rolle spielen, berechnen eine statistische Beziehung zwischen globaler Temperaturänderung und Meeresspiegelanstieg in der Vergangenheit und wenden die Ergebnisse auf die Zukunft an.<ref name="EEA 2016">European Environment Agency (2016): [http://www.eea.europa.eu/data-and-maps/indicators/sea-level-rise-4/assessment-2 Global and European sea level]</ref>
Nach dem jüngsten IPCC-Bericht AR5 wird nach prozessbasierten Modellen der globale Anstieg bei dem Szenario RCP2.6 bis zum Ende des 21. Jahrhunderts 26-54 cm und bei RCP8.5 45-81 cm betragen.<ref name="IPCC 2013 Summary">IPCC (2013): Working Group I Contribution to the IPCC Fifth Assessment Report Climate Change 2013: The Physical Science Basis. Summary for Policymakers</ref> Neuere Studien weisen darauf hin, dass prozessbasierte Modelle das Schmelzen der Eisschilde nicht ausreichend berücksichtigen und kommen teilweise zu höheren Ergebnissen von 0,7-1,2 m Meeresspiegelanstieg bis 2100 bei dem Szenario RCP8.5.<ref name="Jevrejeva 2014">Jevrejeva,S., A. Grinsted, and J. C. Moore (2014): Upper Limit for Sea Level Projections by 2100,Environmental Research Letters 9, no. 10: 104008, doi:10.1088/1748-9326/9/10/104008</ref> Diese Werte sind zwar weniger wahrscheinlich als die IPCC-Ergebnisse, können aber auch nicht ausgeschlossen werden. Der wichtigste Unsicherheitsfaktor ist dabei das Abschmelzen des West-Antarktischen Eisschildes.
Auf der Grundlage einer semi-empirischen Modellsimulation<ref>Rahmstorf, S. (2007): A Semi-Empirical Aproach to Projecting Future Sea-Level Rise, Science 315, 368-370</ref> wurde ein Anstieg des Meeresspiegels bis 2100 um 0,5 bis 1,4 m berechnet. Dieser Wert übersteigt deutlich die IPCC-Berechnungen. Dafür spricht, dass der Meeresspiegel gegenwärtig bereits um 3,1 cm pro Jahrzehnt steigt. Andere Untersuchungen über die letzten 1000 Jahre haben jedoch gezeigt, dass es zwischen der mittleren globalen Temperatur und dem Meeresspiegelanstieg keine einfache lineare Beziehung gibt.<ref>Hans von Storch, Eduardo Zorita, Jesús F. González-Rouco (2008): Relationship between global mean sea-level and global mean temperature in a climate simulation of the past millennium, Ocean Dynamics 58, 227–236</ref> Die zukünftigen Beziehungen zwischen Meeresspiegel und Temperatur müssen nicht dieselben sein wie die, die in den letzten Jahrzehnten beobachtet wurden.


== Langfristiger Meeresspiegelanstieg ==
== Langfristiger Meeresspiegelanstieg ==
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==Klimadaten zum Thema==
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==Schülerarbeiten zum Thema==
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'''Schülerarbeiten zum Thema des Artikels''' aus dem [https://bildungsserver.hamburg.de/themenschwerpunkte/klimawandel-und-klimafolgen/schulprojekt-klimawandel/ergebnisse-des-schulprojekts Schulprojekt Klimawandel]:
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* [https://bildungsserver.hamburg.de/resource/blob/756350/84ab750743ba114b159c4164b02194ba/2007-meeresspiegelanstieg-data.pdf Klimawandel und Meeresspiegelanstieg] über den gegenwärtigen und zukünftigen Meeresspiegelanstieg und seine Ursachen (Anne-Frank-Schule, Bargteheide)
* [http://bildungsserver.hamburg.de/contentblob/3113446/6a18a1527dcc6b8656ad0c94d2b9f381/data/2007-meeresspiegelanstieg.pdf Globaler Meeresspiegelanstieg] Ursachen des Meeresspiegelanstiegs in Gegenwart und Zukunft (Johanneum zu Lübeck)
* [https://bildungsserver.hamburg.de/resource/blob/756342/6a18a1527dcc6b8656ad0c94d2b9f381/2007-meeresspiegelanstieg-data.pdf Globaler Meeresspiegelanstieg] Ursachen des Meeresspiegelanstiegs in Gegenwart und Zukunft (Johanneum zu Lübeck)
* [http://bildungsserver.hamburg.de/contentblob/3365390/b1bca83091fdb010ebbc2528c38f3a17/data/2012-meeresspiegel-bangladesch-niederlande.pdf Meeresspiegelanstieg in Bangladesch und den Niederlanden] ein Vergleich (Gymnasium Allee Altona, Hamburg)
* [https://bildungsserver.hamburg.de/resource/blob/756568/4735a19e2b841ee2b4bb3ae61b1c43d7/2012-meeresspiegel-bangladesch-niederlande-data.pdf Meeresspiegelanstieg in Bangladesch und den Niederlanden] ein Vergleich (Gymnasium Allee Altona, Hamburg)
* [http://bildungsserver.hamburg.de/contentblob/3113364/c71a1ef1b395013eba98526a3d6c888d/data/2010-meeresspiegelanstieg-folgen.pdf Der Meeresspiegelanstieg und seine Bedrohung für einige Inseln] Folgen des Meeresspiegelanstiegs für tropische Inselstaaten (Anne-Frank-Schule, Bargteheide)
* [https://bildungsserver.hamburg.de/resource/blob/756352/11e8dd24fd4051e25470ac9152defa9c/2010-meeresspiegelanstieg-folgen-data.pdf Der Meeresspiegelanstieg und seine Bedrohung für einige Inseln] Folgen des Meeresspiegelanstiegs für tropische Inselstaaten (Anne-Frank-Schule, Bargteheide)
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== Weblinks ==
== Weblinks ==

Aktuelle Version vom 14. Dezember 2025, 17:44 Uhr

Abb. 1: CO2-Emissionen und der Meeresspiegelanstieg der Zukunft

Einleitung

Der jüngste Meeresspiegelanstieg weist zwei bedrohliche Merkmale für die Zukunft auf.

  1. Der Meeresspiegelanstieg hat sich zunehmend beschleunigt. So hat sich die Anstiegsrate in den letzten drei Jahrzehnten mehr als verdoppelt, d.h. von 2,1 mm/Jahr in 1993-2003 auf 4,3 mm/Jahr im Zeitraum 2013-2023.[1] In dem Ausnahmejahr 2024, als die globale Mitteltemperatur über 1,5 °C lag, betrug die Anstiegsrate sogar 5,9 mm pro Jahr. Regional kam es 2024 im westlichen tropischen Pazifik und im westlichen und nordöstlichen Indischen Ozean zu extremen Anstiegen um ca. 10 cm im Vergleich zu 2023.[2] Sehr hohe Anstiegsraten von mehr als 10 mm pro Jahr könnten die Möglichkeiten von Anpassungsmaßnahmen wie Deichbauten oder Sperrwerke überfordern.[3]
  2. Gletscher und Eisschilde stellen in den letzten beiden Jahrzehnten die dominierende Quelle des Meeresspiegelsanstiegs dar und übertreffen inzwischen die thermische Ausdehnung. Und davon ist inzwischen das Abschmelzen der Eisschilde bedeutender geworden als das Schmelzen der Gletscher. Besorgniserregend ist diese Entwicklung insofern, weil die Eisschilde mit großem Abstand das größte Potential für den zukünftigen Anstieg des Meeresspiegels besitzen und weil in der Forschung über kritische Eisschild-Prozesse noch große Unsicherheiten bestehen. Das vollständige Abschmelzen des Grönländischen Eisschilds steht für 7,4 m und das des Antarktischen Eisschildes für 57,5 m Meeresspiegelanstieg. Rückkopplungen zwischen Schmelzprozessen der Eisschilde mit Ozean und Atmosphäre könnten bis 2100 mehr als das Doppelte des bisher angenommenen Meeresspiegelanstiegs ergeben.[3]

IPCC-Projektionen

Abb. 2: Anstieg des globalen Meeresspiegels nach den Szenarien RCP2.6 und RCP8.5 bis 2100 - IPCC-Sonderbericht SROCC 2019

Der Meeresspiegelanstieg der Zukunft ist eine sehr schwierig zu bestimmende Größe. In Abhängigkeit von den Klimaszenarien und der daraus abgeleiteten Erwärmung lassen sich gewisse Bandbreiten der Veränderung bestimmen. Bei einer niedrigen Erwärmung um 2.0 °C bis 2100 gegenüber der vorindustriellen Zeit (1850-1900) schätzt der IPCC in seinem jüngsten Bericht[4] den Meeresspiegelanstieg bis 2100 auf 51 cm (bei einer Spannbreite von 40-69 cm). Bei einer starken Erwärmung um 5 °C könnte der Anstieg des Meeresspiegels bei 81 cm (69-105 cm) liegen.[5] Der Anteil der thermischen Ausdehnung wird dabei bei dem niedrigen Erwärmungsgrad auf 14 cm angenommen, bei dem hohen Erwärmungsgrad auf 30 cm. Die Zunahme der Ozeanmasse durch das Abschmelzen von Eis ist wesentlich schwieriger zu prognostizieren. Die Eisschilde und Gletscher werden zusammen wahrscheinlich einen Beitrag von 23 cm bzw. 43 cm leisten.[6] Auch die Anstiegsrate wird sich je nach Szenario deutlich beschleunigen und bei einer Erwärmung um 2,0 °C bei 5 mm/Jahr liegen und bei 5,0 °C bei 7,2 mm/Jahr.[5]

Abb. 3: Anstieg des globalen Meeresspiegels nach den SSP-Szenarien bis 2050 und 2100

Der jüngste Bericht des IPCC betont in seinem Synthese-Bericht von 2023, dass bei anhaltender Erwärmung der Tiefsee und des Abschmelzens der Eisschilde über Jahrhunderte bis Jahrtausende der weitere Anstieg des Meeresspiegels unvermeidbar ist. Auch nach einem Ende der globalen Erwärmung durch den Menschen wird der Meeresspiegel über Jahrtausende erhöht bleiben.[7]

Bei einer anhaltenden Erwärmung zwischen 2 °C und 3 °C werden der grönländische und der westantarktische Eisschilde über mehrere Jahrtausende wahrscheinlich vollständig abschmelzen. Bei einer Erwärmung um 1,5°C wird der globale Meeresspiegel in den nächsten 2000 Jahren um etwa 2-3 m ansteigen. Bei einer Erwärmung um 2 °C wird der Meeresspiegelanstieg 2-6 m betragen. Die Modellprojektionen stimmen dabei weitgehend mit erdgeschichtlichen Epochen überein, in denen ähnliche Klimaverhältnisse herrschten, wie sie durch den menschlichen Klimawandel zu erwarten sind. Der globale mittlere Meeresspiegel lag vor etwa 3 Millionen Jahren im Pliozän, als die globalen Temperaturen 2,5 °C bis 4 °C höher waren als vorindustriell, um 5-25 m höher als heute. Wahrscheinlich ist mit einem solchen Anstieg des Meeresspiegels aber erst in Tausenden von Jahren zu rechnen.[7]

Künftige Ursachen

Als Ursachen für den Meeresspiegel-Anstieg kommen vor allem die thermale Expansion des Meerwassers durch die Erwärmung der Ozeane (thermosterischer Anstieg) und die Zunahme des Wasservolumens durch das Abschmelzen von Eis auf dem Land (eustatischer Anstieg) in Frage.

Erwärmung des Ozeans

Die Ausdehnung des Ozeanwassers kann zwei Ursachen haben, die Wärmeaufnahme des Ozeans und eine mögliche Abnahme des Salzgehalts. Die Erwärmung des Meerwassers ist hiervon bei weitem die wichtigste Ursache. In bestimmten Regionen kann aber auch der Salzgehalt die dominierende Rolle spielen.

Die Energiezunahme des Klimasystems durch den Klimawandel wird zu mehr als 90 % vom Ozean aufgenommen. Durch die Erwärmung des Ozeans dehnt sich das Meerwasser aus und bewirkt einen Anstieg des Meeresspiegels. In den ersten Jahrzehnten des 21. Jahrhunderts erwärmen sich vor allem die oberen Schichten der Wassermasse. Mit der Zeit wird die Erwärmung in tiefere Schichten abgegeben, was vor allem im Nördlichen Atlantik und Südlichen Ozean passiert, weil hier die vertikale Zirkulation und turbulente Mischungsvorgänge am ausgeprägtesten sind. Bis 2100 wird der Meeresspiegelanstieg durch thermale Expansion nach dem niedrigen Szenario SSP1-2.6 im Mittel 14 cm betragen und nach SSP5-8.5 im Mittel 30 cm.[6]

Abschmelzen von Landeis

Gletscher und Eiskappen

Ein weiterer wichtiger Faktor für den Anstieg des globalen Meeresspiegels sind die Gletscher der Erde. Sie tragen bis zum Ende des 21. Jahrhunderts je nach Szenario zwischen 7-17 cm (RCP2.6) und 12-26 cm (RCP8.5) zum Meeresspiegelanstieg bei. Hinzu kommen noch einmal 3-6 cm, wenn die Randgletscher von Grönland und Antarktis einbezogen werden. Große Unsicherheiten bestehen bei den Gletschern, die direkt ins Meer münden und ihr Eis durch Kalben verlieren. Das betrifft etwa 280 500 km2 der globalen Gletscherfläche von 734 000 km2 bzw. 38 %. Diese Gletscher können stoßweise in relativ kurzer Zeit sehr viel Eis verlieren. So hat etwa der Columbia-Gletscher in Alaska 7,65 Gt/Jahr zwischen 1996 und 2007 verloren, was allein von diesem Gletscher einem Beitrag von 1,3 % am gesamten durch Eisschmelze verursachten Meeresspiegelanstieg bedeutete.[8]

Eisschilde

Abb. 4: Feedback-Prozesse, die zu einem schnellen Rückzug des Eisschilds führen können: (1) Absenkung der Oberfläche und verstärktes Abschmelzen, (2) Instabilität mariner Ränder durch Eindringen von Meerwasser und Rückzug der Grundlinie, (3) Kalben an hohen Eiskliffs.

Die einzigen Eisschilde auf der Erde, der Grönländische und der Antarktische Eisschild, sind mehrere km dick und sind von Ozeanen umgeben. Damit hängen bestimmte Rückkopplungsvorgänge zusammen, die das Abschmelzen der Eisschilde beschleunigen können. Ein Abschmelzen an der Oberfläche (Abb. links), wovon besonders Grönland betroffen ist, führt dazu, dass die Eisoberfläche allmählich an Höhe verliert und in tieferen Lagen höheren Temperaturen ausgesetzt ist, was das Abschmelzen beschleunigen kann. Dem wirkt entgegen, dass durch den Abfluss der Eismasse ins Meer der Untergrund entlastet wird und sich durch die Reaktion des Magmas unter der Erdkruste anhebt. Die Eisoberfläche könnte dadurch gar nicht oder nur wenig absinken.[3]

Ein weiterer Effekt stellt sich ein, wenn ein Eisschild die Erdkruste unter ihm durch sein Gewicht vom Rand zur Mitte hin verstärkt nach unten drückt und durch sein Abfließen große Schelfeisflächen ausbildet (Abb. Mitte). Das ist besonders am Rand der Westantarktis der Fall, da hier große Teile des Eisschilds auf Felsuntergrund unter dem Meeresspiegel aufliegen. Hier dringt warmes und stark salzhaltiges Meerwasser unter das Schelfeis und verschiebt die Aufsetzlinie, die Trennlinie zwischen dem auf festem Untergrund liegenden Eisschild und dem schwimmenden Schelfeis, zunehmend nach Innen. Durch den nach Innen abfallenden Untergrund und den Kontakt zum Meerwasser ist die Aufsetzlinie instabil. Durch deren Rückverlagerung wird mehr Eis in Schelfeis verwandelt, das durch Erwärmung, Meeresströmungen und Wind zerstört werden kann, was wiederum mehr Masse vom Eisschild nachfließen lässt.[3]

Der dritte Effekt (Abb. rechts) könnte am Rand von sich ausbreitendem Schelfeis entstehen, das durch Erwärmung und dynamische Kräfte der Atmosphäre und des Ozeans zerstört wird und sich durch Kalben in große Eisberge auflöst.[9] Es gibt jedoch keine Belege, dass dieser Prozess bereits eingetreten ist. Auch bis zum Ende dieses Jahrhundert ist dafür die Wahrscheinlichkeit gering, wird aber vom Weltklimarat IPCC auch nicht ausgeschlossen.[7]

Grönland

Abb. 4: Beitrag des Grönländischen Eisschildes zum Meeresspiegelanstieg bis 2100 durch Abschmelzen an der Oberfläche und Eisdynamik nach dem Szenario RCP4.5. Die Farben in der Fläche zeigen den regionalen Beitrag durch Abschmelzen in mm Wasseräquivalente pro Jahr. Die lila bzw. grüne Linie zeigen das Zurückweichen der Gleichgewichtslinie zwischen Akkumulation und Ablation. Die schwarzen Linien zeigen neben dem Rand des Eisschildes die Abflussgebiete von vier wichtigen Auslassgletschern, deren Beitrag zum Meeresspiegelanstieg in den eingelassenen Kästchen dargestellt wird. Im Kästchen oben rechts wird der Beitrag des gesamten Eisschilds zum Meeresspiegelanstieg gezeigt: hellgrau die Bandbreite durch Abschmelzen, dunkelgrau die Bandbreite durch Eisdynamik.

Für die fernere Zukunft geht mit Sicherheit die größte Gefahr für einen bedrohlichen Meeresspiegelanstieg von den großen Eischilden Grönland und Antarktis aus. Das zeigt schon der Blick auf den gewaltigen Meeresspiegelanstieg seit dem Höhepunkt der letzten Kaltzeit um 120 m, der fast vollständig durch das Abschmelzen der Eismassen auf den Kontinenten der Nordhalbkugel verursacht wurde, während die Ausdehnung des Meerwassers durch Erwärmung daran nur einen verschwindend kleinen Anteil hatte. Auch in den nächsten Jahrhunderten und Jahrtausenden wird bei anhaltender globaler Erwärmung das Abschmelzen Grönlands und von Teilen der Antarktis den Meeresspiegel zunehmend beeinflussen, während der Anteil durch die Erwärmung des Ozeanwassers und der der Gletscher und Eiskappen immer geringer wird.

Der Massenverlust des Grönländischen Eisschilds geschieht vor allem duch das Abschmelzen von Eis an der Oberfläche. Dabei spielt das Verhältnis von Schneefall und Abschmelzen die entscheidende Rolle. In jüngster der Zeit hat der Eisschild auf Grönland 36% mehr Masse verloren als durch Schneefall hinzukam.[9] Grund ist die als Arktische Verstärkung bekannte Erwärmung der Region, die viermal stärker als der globale Durchschnitt ist. Durch das Tauen von Schnee verändert sich die Eisoberfläche. Zum einen bilden sich durch Schmelzen und Wiedergefrieren nackte Eisflächen, zum anderen entstehen durch Schmelzwasser Wassertümpel und Seen. In beiden Fällen wird die Oberfläche des Eisschilds deutlich dunkler, so dass die Albedo abnimmt (von 95% bei Neuschnee auf 45%) und mehr Sonnenstrahlen absorbiert. Dadurch wird mehr Energie an der Oberfläche aufgenommen und das Schmelzen weiter verstärkt, eine positive Rückkopplung. Grönland verliert aber auch Eis durch das Abfließen von gigantischen Eisströmen Richtung Küste, die hier in kleinere Auslassgletscher münden und ins Meer münden. Das Abfließen wird noch daduch verstärkt, dass Schmelzwasser durch Spalten unter den Eisschild gelangt und dort wie ein Schmierfilm die Abflussgeschwindigkeit verstärkt.[10] Außerdem schmilzt das in den Ozean mündende Eis zunehmend schneller durch das sich infolge des Klimawandels erwärmende Meerwasser.[11]

Auch in den kommenden Jahrzehnten bis 2100 werden die Prozesse an der Oberfläche des Grönländischen Eisschilds gegenüber dem Eisabfluss in den Ozean den Eisverlust dominieren.[12] Zukünftig wird die wachsende Ablation (durch Schmelzen an der Oberfläche) die Akkumulation (durch Schneefall) mehr und mehr übertreffen. Der Niederschlag nimmt zwar nach Modellprojektionen um 5 % pro 1 °C Erwärmung über Grönland zu. Die Zunahme des Schneefalls ist jedoch geringer, weil der Anteil an Regen am Gesamtniederschlag mit der höheren Temperatur wächst. Die Gebiete und die Zeiten, in denen statt Schnee Regen fällt, werden immer ausgedehnter.

Höhere Temperaturen sowohl in der Atmosphäre wie im Ozean und die Produktion von Schmelzwasser haben außerdem einen viel diskutierten Einfluss auf die Dynamik des Eisschildes, d.h. vor allem auf die Fließbewegungen Richtung Meer. Das ist gegenwärtig schon durch Beobachtungen feststellbar. Der Eisverlust durch das Kalben ins Meer an der Front und das Abschmelzen von im Meer mündenden Gletscherzungen von Auslassgletschern führt schon heute zu erheblichen Eisverlusten, weil sie das Tempo erhöhen, mit dem der Eisschild ins Meer abfließt. Dieses Tempo wird auch dadurch beschleunigt, dass Schmelzwasser in Gletscherspalten unter den Eiskörper gerät und hier wie ein Schmierfilm wirkt.

Über längere Zeiträume ist ein weiterer wichtiger Feedback-Prozess die Verringerung der Höhe des Eisschildes durch das stetige Abschmelzen. Dadurch gerät die Eisoberfläche in Niveaus mit höheren Temperaturen als heute, was das weitere Abschmelzen beschleunigt. Weitere Prozesse, die auf das Abschmelzen des Grönländischen Eisschilds zurückwirken, sind Auswirkungen etwa des Schmelzwasserflusses auf Meeresströmungen, z.B. auf die thermohaline Zirkulation im Nordatlantik. Da das Süßwasser der Eisschmelze die thermohaline Zirkulation schwächen würde, wäre die Rückkopplung eher negativ und würde das Abschmelzen des Eisschildes auf Grönland abschwächen. Der Effekt wird jedoch für dieses Jahrhundert als sehr gering eingeschätzt.

Insgesamt wird der Beitrag des Grönländischen Eisschildes bis 2100 im Vergleich zu 1995-2014 sowohl durch direktes Abschmelzen wie durch die Eisdynamik nach dem Szenario SSP5-8.5 auf 13 (maximal 18) cm eingeschätzt, nach SSP2-4.5 auf auf 8 (maximal 13) cm.[12]

Antarktis

Für das 21. Jahrhundert wird das oberflächliche Abschmelzen des antarktischen Eisschildes wegen der niedrigen Temperaturen als relativ gering eingeschätzt. Ausnahmen sind die Küstenzonen und die Antarktische Halbinsel. Der Schneefall wird dagegen zunehmen, weil die Atmosphäre sich erwärmt und mehr Wasserdampf aufnehmen kann. Netto wird damit die Masse des Eisschildes um ca. 5 % zunehmen und damit zu einer Absenkung des Meeresspiegels nur durch Schneefall und oberflächliches Abschmelzen um 2 cm nach dem Szenario RCP2.6 und um 4 cm nach RCP8.5 bis 2100 führen.[13]

Der Antarktische Eisschild verliert jedoch nicht nur an Masse durch oberflächliches Abtauen, sondern auch durch den Abfluss von Eis über verschiedene Auslassgletscher Richtung Meer. Berücksichtigt man diese Eisdynamik, ist damit zu rechnen, dass der Antarktische Eisschild durchaus einen positiven Beitrag zum Anstieg des Meeresspiegels bis 2100 leisten wird, der vom IPCC mit einem mittleren Wert von 4 cm unabhängig von den Szenarien angegeben wird.[14] Dabei spielt vor allem das vorgelagerte Eisschelf eine entscheidende Rolle, das den Abfluss des Eises Richtung Ozean wie ein Widerlager verlangsamt. Löst sich dieses Eisschelf auf, kann das Eis ungehinderter ins Meer fließen, so wie es bei der bekannten Auflösung des Larsen-B-Schelfeises an der Ostküste der Antarktischen Halbinsel im Jahre 2002 der Fall war, das zeitweilig bis zu einer Verachtfachung der Abflussgeschwindigkeit der nachgelagerten Auslassgletscher geführt hat. Das Schelfeis ist zum einen durch das Abtauen an der Oberfläche wie beim Larsen-B-Schelfeis gefährdet, zum anderen durch Abschmelzen von unten, ausgelöst durch wärmeres Ozeanwasser. Diese Prozesse und die Folgen für die Eisdynamik sind nicht nur sehr schwierig zu beobachten, sondern auch nur begrenzt in Klimamodellen abzubilden. Es gibt daher auch keine verlässlichen Berechnungen bis zum Ende des Jahrhunderts.[15]

Gefährdet sind vor allem die großen Eisschelfe der Antarktischen Halbinsel und der Westantarktis. Bevor die großen antarktischen Eisschelfe, das Ross- und das Filchner-Ronne-Eisschelf jedoch ernsthaft bedroht sind, müsste es eine lokale Erwärmung von 5 bis 7 °C geben, die bis zum Ende des 21. Jahrhunderts eher unwahrscheinlich ist. Insgesamt schätzt der IPCC nach Sichtung der vorliegenden Literatur den Meeresspiegelanstieg bis zum Ende des 21. Jahrhunderts nur durch die dynamische Eisbewegungen des Antarktischen Eisschildes auf -1 bis +16 cm, unabhängig von den Szenarien. Die Bandbreite zeigt die große Unsicherheit und geringe Übereinstimmung bei den bisherigen Untersuchungen. Allerdings wird davon ausgegangen, dass sich der Beitrag durch die Eisdynamik nach dem Jahr 2100 fortsetzt.[16]

Langfristiger Meeresspiegelanstieg


Einzelnachweise

  1. Copernicus Climate Change Service (2024): Mean sea level globally
  2. Hamlington, B.D., S. Fournier, P.R. Thompson, et al. (2025): Sea level rise in 2024. Nature Reviews Earth Environment 6, 246–248
  3. 3,0 3,1 3,2 3,3 Stokes, C.R., J.L. Bamber, A. Dutton et al. (2025): Warming of +1.5 °C is too high for polar ice sheets. Commun Earth Environ 6, 351
  4. Die Unterschiede zu dem vorhergehenden Bericht, Abb. 1 und 2, sind gering.
  5. 5,0 5,1 IPCC AR6 WGI (2021a): Ocean, Cryosphere and Sea Level Change, Table 9.10
  6. 6,0 6,1 IPCC AR6 WGI (2021b): Ocean, Cryosphere and Sea Level Change, Table 9.8
  7. 7,0 7,1 7,2 IPCC (2023): Climate Change 2023: Synthesis Report, 3.1.3
  8. IPCC (2013): Climate Change 2013, Working Group I: The Science of Climate Change, 13.4.2
  9. 9,0 9,1 Sasgen, I., O. Eisen, R. Timmerman et al. (2024): Meeresspiegelanstieg durch instabile Eisschilde in Grönland und der Antarktis. In: J. L. Lozán, H. Graßl, D. Kasang, M. Quante & J. Sillmann (Hrsg.). Warnsignal Klima: Herausforderung Wetterextreme – Ursachen, Auswirkungen & Handlungsoptionen. 224-230
  10. Printprodukte des Alfred-Wegener-Instituts: Das Grönländische Eis
  11. IPCC AR6 WGI (2021c): Ocean, Cryosphere and Sea Level Change, 9.4.1
  12. 12,0 12,1 IPCC AR6 WGI (2021d): Ocean, Cryosphere and Sea Level Change, Table 9.2
  13. IPCC (2013): Climate Change 2013, Working Group I: The Science of Climate Change, 13.4.4, FAQ 13.2, Table 13.5
  14. IPCC (2013): Climate Change 2013, Working Group I: The Science of Climate Change, Table 13.5
  15. IPCC (2013): Climate Change 2013, Working Group I: The Science of Climate Change, 13.4.4
  16. IPCC (2013): Climate Change 2013, Working Group I: The Science of Climate Change, 13.4.4, Table 13.5


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