Projektionen Kohlendioxid
Aus den vorgegebenen Emissionsszenarien lassen sich nur mit großen Unsicherheiten die entsprechenden Konzentrationsszenarien abschätzen. Der Grund liegt darin, dass das emittierte CO2 in einen Kreislauf eingeht, der aus komplizierten Wechselwirkungen zwischen Atmosphäre, Landbiosphäre und Ozean besteht. Diese Wechselwirkungen reagieren zudem noch auf den Klimawandel und wirken auf diesen zurück. Im Kern geht es um die Frage, ob Landbiosphäre und Ozean in den kommenden Jahrzehnten in der Lage sein werden, im gleichen Maße Kohlendioxid aus der Atmosphäre aufzunehmen wie gegenwärtig. Aktuell wird von beiden mehr CO2 aus der Atmosphäre aufgenommen als an sie abgegeben; d.h. Landbiosphäre und Ozean sind heute eine CO2-Senke. Wahrscheinlich werden sie aufgrund des Klimawandels jedoch zukünftig eine Kohlendioxid-Quelle sein, d.h. mehr Kohlendioxid an die Atmosphäre abgeben, als sie von ihr aufnehmen. Falls es dahin käme, würde zwischen Kohlenstoffkreislauf und Klimawandel eine positive Rückkopplung in Gang gesetzt, die die globale Erwärmung weiter verstärken wird.
Landbiosphäre
Die Landbiosphäre hat in den letzten zwei bis drei Jahrzehnten als CO2-Senke fungiert, die fast ein Drittel des aus der Verbrennung von fossilen Energieträgern stammenden Kohlendioxids aufgenommen hat. Das könnte sich in den nächsten Jahrzehnten umkehren. Die Gründe könnten auf der einen Seite bei den Prozessen liegen, die zur Aufnahme von CO2 durch die Vegetation führen, d.h. vor allem bei einer verminderten Photosyntheseleistung der Pflanzen. Sie könnten andererseits aber auch in einer erhöhten Abgabe von CO2 an die Atmosphäre liegen, z.B. in einer größeren Zersetzung von organischem Material und im Auftauen von Permafrost. Die Ursachen dafür können in drei verschiedenen Veränderungen liegen: 1. in einer veränderten chemischen Zusammensetzung der Atmosphäre, d.h. vor allem in einem höheren CO2-Gehalt; 2. in klimatischen Veränderungen wie vor allem höheren Temperaturen und 3. in Veränderungen der Landnutzung wie Abholzungen von Wäldern, Entwässerung von Feuchtgebieten usw.
Experimente haben gezeigt, dass die Photosyntheserate im Allgemeinen ab einer CO2-Konzentration von 800-1000 ppm nicht mehr gesteigert wird. Bei einzelnen Pflanzenarten liegt diese Grenze schon bei 450-550 ppm.[1] Allerdings ist die Photosynthese besonders in gemäßigten Breiten auch durch eine mangelnde Zufuhr von Stickstoff limitiert. Eine höhere Stickstoffzufuhr, etwa durch die Düngung in der Landwirtschaft (NH3 und NO3) oder durch die Verbrennung von fossilen Brennstoffen (als NO und NO2) kann das Pflanzenwachstum und damit auch die Photosyntheseleistung fördern. Da künftige Steigerungen der Stickstoffzufuhr aber vor allem in tropischen Regionen Amerikas, in Südafrika, China und Indien erwartet werden, wo jetzt schon wenig Mangel an Stickstoff herrscht, wird nach neueren Modellrechnungen der Effekt als nicht besonders hoch veranschlagt.[1]
Die Zunahme der Wachstumszeit, höhere Temperaturen und höhere Niederschläge haben die Photosyntheserate in den letzten beiden Jahrzehnten des 20. Jahrhunderts deutlich erhöht. Auch für das nächste halbe Jahrhundert sagen Modellprognosen eine Zunahme der terrestrischen Kohlenstoff-Senke voraus. Später im 21. Jahrhundert wird nach denselben Modellen die erhöhte Bodenatmung die CO2-Aufnahme übertreffen, und die tropische Senke wird durch Dürren aufgelöst. Damit wird die Landbiosphäre in der 2. Hälfte des 21. Jahrhunderts eine CO2-Quelle. Neuere Beobachtungen zeigen, dass auch die zunehmende Variabilität des Klimas, insbesondere Hitzewellen und Dürren, regionale CO2-Senken deutlich abschwächen. So hat die europäische Hitzewelle 2003 die Bruttoprimärproduktion in Europa um 30 % gesenkt und die Kohlenstoffsenke der europäischen Ökosysteme in eine starke Quelle verwandelt. Ursachen waren das Niederschlagsdefizit und die extreme Sommerhitze. Durch eine Zunahme zukünftiger Dürre-Ereignisse könnten die terrestrischen Ökosysteme der gemäßigten Breiten früher als von den Modellen berechnet zu einer CO2-Quelle werden.[2]
Eine besondere Rolle spielen dabei die Permafrostböden der hohen nördlichen Breiten. In ihnen sind über 400 Gt Kohlenstoff seit Tausenden von Jahren, z.T. seit der letzten Eiszeit, akkumuliert. Die Erwärmung schreitet hier aufgrund schrumpfender Schnee- und Eisflächen und damit verbundener positiver Rückkopplungseffekte besonders stark voran. Möglicherweise wird der heute 10 Mio. km2 umfassende bodennahe Permafrost bis zum Jahrhundertende auf 1 Mio. km2 zusammengeschrumpft sein. Dadurch würden dann große Mengen an Kohlenstoff freigesetzt werden, vielleicht in einem Umfang um bis zu 100 Gt C.[1] Die bei Erwärmung im Boden ablaufenden Prozesse sind noch wenig verstanden und können ebenfalls zu sich selbst verstärkenden Effekten führen. So könnte der bei Erwärmung gesteigerte Stoffwechsel von Mikroorganismen die Temperatur im Boden erhöhen, was den Dauerfrost weiter schmelzen ließe.[3] Ob der Kohlenstoff als Methan oder Kohlendioxid freigesetzt wird, hängt von den lokalen hydrologischen Bedingungen ab, die darüber entscheiden, ob Zersetzungsprozesse anaerob (unter Luftabschluss) oder aerob ablaufen. Allerdings wird mit der Verlagerung der Permafrostgrenze nach Norden sich auch die Vegetationszone nordwärts ausbreiten, wodurch dann wieder mehr Kohlenstoff durch Photosynthese gebunden wird. Ob dadurch die Kohlenstoff-Verluste durch das Auftauen von Permafrost wettgemacht werden, ist fraglich. Global gesehen wird die Umwandlung des Amazonas-Regenwaldes in eine Savanne ebenfalls zu gewaltigen CO2-Freisetzungen führen.
In Europa und den USA hat in den letzten Jahrzehnten der Waldbestand auf aufgegebenem Ackerland deutlich zugenommen. Die Ausdehnung dieser relativ jungen Wälder wird auch für die beobachtete CO2-Senke in diesen Regionen verantwortlich gemacht. Für die nächsten Jahrzehnte und global gesehen dürfte dieser Effekt jedoch von untergeordneter Bedeutung bleiben. Mit dem Alter werden die Wälder eine zunehmend ausgeglichene Kohlenstoffbilanz aufweisen, und in anderen Teilen der Welt läuft eher der umgekehrte Prozess ab: Aufgrund der wachsenden Bevölkerung und des wachsenden Nahrungsmittel- und Holzbedarfs werden vor allem in der Dritten Welt und in den aufstrebenden Schwellenländern zunehmend Wälder in Ackerland umgewandelt.
Ozean
CO2-Partialdruck und Temperatur
Auch für den Ozean wird angenommen, dass er sich im Laufe des 21. Jahrhunderts von einer Kohlenstoffsenke in eine Kohlenstoffquelle verwandelt.[4] Die Aufnahmekapazität von CO2 durch den Ozean wird durch eine Reihe von Prozessen bestimmt, die sowohl durch die CO2-Konzentration der Atmosphäre wie durch den klimatischen Wandel beeinflusst werden (s. Kohlenstoff im Ozean). Die direkte Aufnahme von Kohlendioxid aus der Atmosphäre wird durch die Differenz im CO2-Partialdruck zwischen oberem Ozean (ozeanische Deckschicht) und Atmosphäre bestimmt. Steigt der CO2-Partialdruck in der Atmosphäre, d.h. nimmt die Kohlendioxidkonzentration in der Atmosphäre zu, wird bei gleich bleibenden sonstigen Bedingungen vom Ozean mehr CO2 aufgenommen.
Bei steigendem CO2-Gehalt der Atmosphäre nimmt jedoch auch die Temperatur der Atmosphäre zu und in der Folge auch die der oberen Schicht des Ozeans. Wasser mit höherer Temperatur kann aber weniger Kohlenstoff aufnehmen als Wasser mit geringerer Temperatur, da mit ansteigender Temperatur der Partialdruck von CO2 auch ohne weiteres CO2 ansteigt. Bei einer Temperaturerhöhung von 1 °C steigt er über einen längeren Zeitraum (Jahrhunderte) um 7-10 ppm.[5] Je nach Szenario kann bis zum Ende des Jahrhunderts durch diesen Effekt die Gesamtaufnahme von CO2 um 9–14 % geringer ausfallen.[6]
Die Physikalischen Pumpe
Ein weiterer Effekt, der in Zukunft die Aufnahmekapazität von CO2 durch den Ozean verringern kann, ist die Abschwächung der sog. Physikalischen Pumpe. Darunter versteht man den Transport von Kohlendioxid durch absinkende Wassermassen, wie sie vor allem im Nordatlantik und z.T. im Südlichen Ozean rund um die Antarktis als Teil der thermohalinen Zirkulation vorkommen. Bei einer Erwärmung der Deckschicht wird das Absinken geschwächt und weniger Kohlendioxid wird in die Tiefe transportiert. Dadurch erhöht sich der CO2-Partialdruck im oberen Ozean, der weniger CO2 aus der Atmosphäre aufnehmen kann.
Ozeanchemie
Anders als in der Atmosphäre wird Kohlendioxid im Meerwasser fast vollständig in eine neue chemische Verbindungen umgewandelt. Es reagiert mit Wasser und Karbonat zu Hydrogenkarbonat (CO2 + CO32- + H2O ↔ 2 HCO3-). Durch diese Reaktion wird die Karbonat-Konzentration im Ozean verringert und die von Hydrogenkarbonat (HCO3-) erhöht. Die Konzentration von Karbonat, das in geringen Mengen aus der Verwitterung an Land über die Flüsse nachgeliefert wird, ist daher eine kritische Größe für die CO2-Aufnahmekapazität des Ozeans. Bei steigender CO2-Aufnahme steht zunehmend weniger Karbonat für die chemische Reaktion mit Kohlendioxid zur Verfügung. Dadurch verbleibt ein zunehmender Anteil des aufgenommenen Kohlendioxids in seiner ursprünglichen Form im Wasser, und die Möglichkeit des Oberflächenwassers, weiteres Kohlendioxid aus der Atmosphäre aufzunehmen, verringert sich. Nach Modellrechnungen würde bei einem Anstieg der atmosphärischen CO2-Konzentration auf 750 ppm allein durch diesen Effekt die Aufnahmekapazität des Ozeans um 10 % zurückgehen.[6]
Biologische Prozesse
Anders als die bisher erwähnten physikalischen und chemischen Effekte werden biologische Prozesse die Aufnahmekapazität des Ozeans von CO2 in Zukunft sehr wahrscheinlich erhöhen. Das in der Deckschicht des Ozeans befindliche Phytoplankton nimmt Kohlenstoff in Form von Kohlendioxid oder Hydrogenkarbonat durch Photosynthese auf und verringert so den Partialdruck von CO2 in der oberen Wasserschicht, wodurch mehr Kohlendioxid aus der Atmosphäre aufgenommen werden kann. Das hierdurch erzeugte organische Material sinkt teilweise als Gewebepartikel in größere Tiefe und wird dort durch Zersetzung in anorganischen Kohlenstoff zurückverwandelt, der durch aufsteigendes Wasser wieder an die Oberfläche gelangt. Der biologische Effekt könnte in Zukunft durch höhere Nährstoffeinträge intensiviert werden, eventuell durch eine künstliche Zufuhr von Eisendünger zusätzlich verstärkt. Allgemein wird jedoch davon ausgegangen, dass er zu schwach sein wird, um die Wirkung der physikalischen und chemischen Prozesse umzukehren.[7]
Zusammenfassung
Mehrere neuere Modellrechnungen, die die Rückkopplung zwischen terrestrischem und ozeanischem CO2-Kreislauf und Klimawandel nach dem A2-Szenario für das 21. Jahrhundert berechnet haben, kommen zu dem Ergebnis, dass ein zunehmender Anteil des emittierten Kohlendioxids in der Atmosphäre verbleiben wird. D.h. der Anteil, den Ozean und Land aufnehmen können, wird merklich sinken. In absoluten Werten wird das durch Rückkopplungen zwischen Klimawandel und CO2-Kreislauf zusätzlich in der Atmosphäre verbleibende Kohlendioxid nach diesen Modellrechnungen zwischen 20 und 224 ppm betragen.[8]
Projektionen nach den neuen RCP-Szenarien
Für den 5. Sachstandsbericht des IPCC, der 2013/14 erscheinen wird, sind neue Szenarien entwickelt worden, die als „Repräsentative Konzentrationspfade“ (Representative Concentration Pathways - RCPs) bezeichnet werden. Die folgende Abbildung zeigt die Kohlendioxidemissionen und -konzentrationen nach diesen Szenarien. Die Ziffern in den Bezeichnungen der RCP-Szenarien beziehen sich auf den Strahlungsantrieb am Ende des 21. Jahrhunderts. RCP8.5 bedeutet, dass gegenüber dem vorindustriellen Wert die Konzentration von CO2 und anderen Treibhausgasen im Jahre 2100 einen Strahungsantrieb von 8,5 W/m2 bewirkt. Dieses Szenario unterscheidet sich kaum von dem SRES-Szenario A1FI. Die Szenarien RCP6 und RCP4.5 entsprechen ungefähr den bisherigen Szenarien B1 und A1T. Das Szenario RCP2.6 liegt deutlich unter den bisherigen IPCC-Szenarien und strebt das 2-Grad-Ziel an.
Einzelnachweise
- ↑ 1,0 1,1 1,2 Canadell JG, Pataki D, Gifford R, Houghton RA, Lou Y, Raupach MR, Smith P, Steffen W (2007): Saturation of the terrestrial carbon sink, in: Terrestrial Ecosystems in a Changing World, Canadell JG, Pataki D, Pitelka L (eds.), pp. 59-78
- ↑ Ciais, Ph. Et al. (2005): Europe-wide reduction in primary productivity caused by the heat and drought in 2003, Nature 437, 529-533
- ↑ Heimann, M. & M. Reichstein (2008): Terrestrial ecosystem carbon dynamics and climate feedbacks, Nature 451, 289-292
- ↑ IPCC (2007): Climate Change 2007, Working Group I: The Science of Climate Change, 10.4.2
- ↑ IPCC (2007): Climate Change 2007, Working Group I: The Science of Climate Change, 7.3.4.3
- ↑ 6,0 6,1 Wissenschaftlicher Beirat der Bundesregierung Globale Umweltveränderungen (2006): Die Zukunft der Meere - zu warm, zu hoch, zu sauer, Sondergutachten, Berlin, S. 70
- ↑ IPCC (2007): Climate Change 2007, Working Group I: The Science of Climate Change, 7.3.4.3
- ↑ IPCC (2007): Climate Change 2007, Working Group I: The Science of Climate Change, 7.3.5.2
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