Klimaänderungen in Hochgebirgen

Aus Klimawandel
Schematische Darstellung von Hochgebirgsregionen, ihrer Beziehung zum Umland und der Einfluss des Klimawandels. M: Masse in Gigatonnen, F: Massenflüsse in Gt/Jahr

Bedeutung von Hochgebirgen

Hochgebirge sind durch den Klimawandel überdurchschnittlich stark betroffen. Die Temperaturen stiegen in den letzten Jahrzehnten in einigen Gebirgsregionen dreimal so stark wie im globalen Durchschnitt. Eine der gravierendsten Folgen ist der Rückgang der Schneebedeckung und der Gebirgsgletscher, deren Massenabnahme für die Periode 2006-2015 im globalen Mittel auf 490 kg/m2/Jahr geschätzt wurde.[1] Das hat wiederum Konsequenzen für die Flusssysteme, die in Hochgebirgen entspringen und große Mengen an Wasser, Nährstoffen und Sedimenten bis weit in benachbarte Tieflandgebiete transportieren. Die Hochgebirge der Welt generieren im Vergleich zu den Gebieten flussabwärts einen deutlich höheren Abfluss durch orographisch bedingte höhere Niederschläge und halten durch Speicherung in Schnee, Eis und Seen den Abfluss auch in Trockenzeiten aufrecht. Ihre Pufferwirkung garantiert zu einem erheblichen Teil die Wasserversorgung für natürlichen Ökosysteme, die Landwirtschaft, die kommunalen Wassersysteme, zahlreiche Wasserkraftwerke und die Industrie.[2] [3]

Datenprobleme

Allerdings sind die Nachweise über eine stärkere Erwärmung in den Hochgebirgen noch mit erheblichen Unsicherheiten behaftet. Die größte Schwierigkeit, Aussagen über die Erwärmung in Hochgebirgen zu machen, ist die geringe Anzahl langfristiger (mindestens über 20 Jahre langer) Messergebnisse. Nur 3 % der über 7000 Stationen des globalen Netzwerkes von Wetterstationen GHCNv3 (Global Historical Climatology Networkversion 3) liegen über 2000 m und nur 0,7 % über 3000 m, während sie über 5000 m praktisch nicht vorhanden sind.[4] Auch regional sind die Unterschiede groß. Gegenüber den Alpen ist die Abdeckung der Hochgebirge Asiens mit Wetterstationen nur gering. Besonders gilt das für die Erfassung der Schneebedeckung, eines in Hochgebirgen besonders wichtigen Parameters.[5] Anders als in der ebenfalls durch Wetterstationen nur schlecht erfassten Arktis sind Hochgebirge jedoch alles andere als homogen und zeigen auf kleinstem Raum extreme klimatische Unterschiede. Hinzu kommt, dass die meisten Stationen in Tälern liegen, während steile Hänge, Plateaus oder Gipfel kaum erfasst sind. Satellitendaten sind auch nur bedingt eine Lösung, da sie wegen häufiger Wolkenbedeckung lückenhaft sind und nur schlecht mit Beobachtungsdaten am Boden abgeglichen werden können. Auch Berechnungen mit Klimamodellen sind wenig befriedigend. Heutige Klimamodelle besitzen eine zu geringe räumliche Auflösung, die wegen der komplexen Topographie weniger als 5 km betragen müsste, wovon man noch weit entfernt ist.

Globale Trends

Durch den Klimawandel sind die Wasserspeicher der Hochgebirge langfristig in vielen Fällen gefährdet. Die Temperaturen in den Hochgebirgen des westlichen Nordamerika, der europäischen Alpen und Asiens haben in den letzten Jahrzehnten um 0,3 °C pro Jahrzehnt zugenommen, d.h. deutlich mehr als die globale Mitteltemperatur mit 0,2 °C/Jahrzehnt. Die regionalen Erwärmungsraten sind stark von der Jahreszeit abhängig. So ist die Erwärmung in den europäischen Alpen am deutlichsten im Sommer und Frühling, im Hochland von Tibet dagegen im Winter.[6] Im Allgemeinen ist die Erwärmung stärker in höheren Regionen als in den tieferen Lagen der Hochgebirge. Gründe dafür sind z.B.: In einer trockenen und kalten Atmosphäre, wie sie sich in hohen Lagen findet, führt jede Zunahme der atmosphärischen Feuchtigkeit durch höhere Temperaturen zu einer noch stärkeren Erwärmung. Außerdem spielt der Schnee-Albedo-Effekt eine wichtige Rolle: Wo die Schneebedeckung zurückgeht, nimmt die Absorption der Sonneneinstrahlung zu, was zur Erwärmung der Lufttemperatur und zu einer weiteren Schneeschmelze führt. Schließlich ist der Abkühlungseffekt durch Aerosole stärker in tieferen als in höheren Niveaus.[7]

In Hochgebirgen gab es in den letzten Jahrzehnten keinen klaren Trend für die Niederschläge insgesamt. Der Schneefall hat jedoch vor allem durch die höheren Temperaturen abgenommen, besonders in den unteren Lagen. Projektionen für das 21. Jahrhundert zeigen für viele Gebirgsregionen eine Zunahme der Jahresniederschläge um 5-20 %. Abnahmen wird es dagegen im Mittelmeerraum und den südlichen Anden geben. Die europäischen Alpen müssen mit einer Zunahme von extremen Niederschlägen rechnen.[6]

Die Dauer der Schneebedeckung in Hochgebirgen hat in den letzten Jahrzehnten im Allgemeinen um 5 Tage pro Jahrzehnt abgenommen. Abgenommen haben auch die Schneetiefe und die Schneemasse. Diese Veränderungen können in tieferen Lagen darauf zurückgeführt werden, dass durch die zunehmende Erwärmung mehr Niederschlag als Regen statt als Schnee fällt. Nach Modellprojektionen wird sich dieser Trend fortsetzen. In den tieferen Lagen der europäischen Alpen, im westlichen Nordamerika, im Himalaya und in den subtropischen Anden werden Schneetiefe und –masse unabhängig vom Szenario bis zur Mitte des 21. Jahrhunderts im Vergleich zu 1986-2005 um 25 % und bis zum Ende des 21. Jahrhunderts nach dem Szenario RCP8.5 um 80 % und nach RCP4.5 um 30 % abnehmen.[8]

Klimaänderungen in einzelnen Hochgebirgen

Das Hochland von Tibet

Die meisten Untersuchungen und Datenerhebungen beziehen sich auf einzelne Hochgebirge wie z.B. das Hochland von Tibet. Aufgrund seiner ausgedehnten Schnee- und Eisflächen wird das Hochland von Tibet auch als dritter Pol der Erde bezeichnet. Seine mittlere Höhe liegt bei über 4000 m. Klimatische Änderungen besitzen eine große Bedeutung für die Wasserversorgung eines großen Teils der Bevölkerung im südlichen und südöstlichen Asien. Das Hochland von Tibet gilt als eine der empfindlichsten Regionen gegenüber dem Klimawandel. Die Erwärmung in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts setzte früher ein (in den frühen 1950er Jahren) als sonst auf der nördlichen Hemisphäre (1970er Jahre). Sie war im letzten halben Jahrhundert mit 0,32 °C/Jahrzehnt besonders stark im Winter. Für den Zeitraum 1991-2012 soll in Höhen um 2000 m die Erwärmung etwas unter 0,4 °C pro Jahrzehnt, bei 3500 m Höhe ca. 0,7 °C/Jahrzehnt betragen haben.[4] Auch Satellitendaten legen eine Zunahme des Erwärmungstrends zwischen 3000 und 5000 m Höhe nahe, während über 5000 m offensichtlich keine stärkere Erwärmung stattgefunden hat. Regional wurden hohe Temperaturzunahmen vor allem im westlichen indischen Himalaya mit 0,46 °C/Jahrzehnt (im Winter sogar 0,82 °C/Jahrzehnt) festgestellt. Mögliche Ursachen für die Wintererwärmung sind eine geringere Schneebedeckung mit der Folge einer geringeren Albedo und ein höherer Anteil an Regenniederschlägen im Winter (s.u.).[3]

Die Südlichen Rocky Mountains

Auch in den Südlichen Rocky Mountains wurden hohe Temperaturzunahmen festgestellt. Sie liegen für die letzten drei Jahrzehnte bei 0,5-1,0 °C pro Jahrzehnt und sind besonders im Winter und Sommer ausgeprägt. Zwischen 1952 und 1980 wurde dagegen eine leichte Abkühlung beobachtet, die auf die starke Belastung durch anthropogene Aerosole zurückgeführt wird. Eine stärkere Temperatursteigerung mit zunehmender Höhe konnte nicht eindeutig nachgewiesen werden, weil Beobachtungsstationen über 2000 m kaum vorhanden sind und ab 3000 m nahezu ganz fehlen.[3]

Die Alpen

Temperaturveränderungen in der Alpen-Region relativ zu 1901-2000

Das klimatisch am besten untersuchte Hochgebirge der Welt sind die Alpen. Sie haben sich seit dem späten 19. Jahrhundert doppelt so stark erwärmt wie die globale Mitteltemperatur. So ist auch die Erwärmung in den Schweizer Alpen im 20. Jahrhundert deutlich stärker als im globalen oder hemisphärischen Durchschnitt. Eine jüngere Untersuchung kommt zu dem Ergebnis, dass die Wintertemperaturen um 0,4 °C und die Sommertemperaturen um 0,46 °C pro Jahrzehnt angestiegen sind.[3] Allerdings zeigten sich in den Alpen nicht die erwartbaren Unterschiede zwischen den Höhenlagen. Teilweise stiegen die Temperaturen in den letzten Jahrzehnten in den tieferen Lagen sogar stärker an als in den höheren Regionen. Als Ursache wird die Aerosolbelastung angenommen, die bis in die 1980er Jahre hinein in den Tälern und umliegenden Tiefländern relativ hoch war und dann stark zurückging, die höheren Bergregionen aber kaum betroffen hat. Der deutliche Rückgang der Aeosolbelastung durch entsprechende Luftreinhaltungsmaßnahmen in Europa hat sich in den Tiefländern und Tälern in einem relativ starken Temperaturanstieg niedergeschlagen. Die Alpen werden außerdem durch natürliche Klimaschwankungen wie die Nordatlantische Oszillation beeinflusst.

Ursachen

Der Albedo-Effekt

Worin liegen die wichtigsten Ursachen für den stärkeren Temperaturanstieg in Hochgebirgen? Als wichtigste Ursache wird der Schnee- und Eis-Albedo-Effekt angenommen. In Reaktion auf eine Temperaturzunahme schmilzt mehr Schnee, wodurch eine dunklere Bodenoberfläche frei wird, die die Albedo senkt. Dadurch wird mehr Solarstrahlung absorbiert und als Wärmestrahlung abgegeben, wodurch die ursprüngliche Erwärmung verstärkt wird. Da dieser Rückkopplungseffekt die einfallende Sonnenstrahlung betrifft, verändert er primär die Maximumtemperatur am Tage. Ein anderer Feedback-Mechanismus betrifft die Minimumtemperatur während der Nächte: Eine Verringerung der Schneebedeckung erhöht die Bodenfeuchte, was eine längere Speicherung der Solarenergie im Boden zur Folge hat, die nachts als langwellige Wärmestrahlung abgegeben wird. Beide Feedbacks sind am stärksten in Höhen, wo sich die Schneegrenze bzw. die 0 °C-Isotherme befinden. Wie Untersuchungen auf dem Hochland von Tibet ergeben haben, hat sich die Dauer der Schneesaison in allen Höhenlagen verringert. Am stärksten war das der Fall in Höhen von 4000-6000 m.[3] Ein ähnlicher Prozess wie der Schnee- und Eis-Albedo-Effekt spielt sich durch die Anhebung der Baumgrenze ab. Eine mit Wald bedeckte Oberfläche ist dunkler als nackter Felsboden und besitzt eine geringere Albedo.[4]

Wolken

Auch Veränderungen in der Wolkenbedeckung haben über verschiedene Mechanismen Einfluss auf die Zunahme der Erwärmung mit der Höhe. Sie betreffen einerseits die Strahlungsverhältnisse, und zwar sowohl die kurzwellige Einstrahlung der Sonne als auch die vom Boden oder von Partikeln in der Atmosphäre ausgehende langwellige Strahlung. Eine Abnahme der Wolkenbedeckung am Tage würde z.B. die Maximumtemperaturen erhöhen, da mehr Sonnenstrahlen auf den Boden treffen würden, während die Nachttemperaturen niedriger würden, weil die langwellige Ausstrahlung stärker wäre. Umgekehrt würde eine Zunahme der Wolkendecke infolge des Treibhauseffekts von Wolken nachts die Minimumtemperaturen erhöhen. Über Veränderungen der Wolkenbedeckung in bestimmten Regionen liegen jedoch nur vereinzelt Messergebnisse vor. So wurde in den Schweizer Alpen über Hochebenen, über denen sich nachts häufiger Strato-Cumulus-Wolken gebildet haben, ein stärkerer Anstieg der Minimumtemperaturen als in der Umgebung festgestellt. Eine ebenfalls beobachtete stärkere Erhöhung der Tagestemperatur im Herbst wurde in der Abnahme von Nebel begründet, wodurch die einfallende Sonnenstrahlung zugenommen habe. Für das Hochland von Tibet konnte gezeigt werden, dass die Abnahme der Wolkenbedeckung eine stärkere Erwärmung am Tage bewirkt hat.[3]

Außer durch den Albedo- und den Treibhauseffekt haben Wolken auch durch die Kondensation einen Einfluss auf die Erwärmung der Atmosphäre. Bei der Kondensation von Wasserdampf wird latente Wärme frei, die zuvor bei der Verdunstung bzw. Umwandlung von Wasser in Wasserdampf gespeichert wurde. Daher wird eine verstärkte Erwärmung in Höhe des Kondensationslevels bei einem höheren Wasserdampfgehalt der Atmosphäre erwartet. Durch die allgemeine Erwärmung wird das Kondensationsniveau angehoben, wodurch vor allem höhere Lagen von diesem Effekt profitieren.[4] Die allgemeine Erwärmung bewirkt außerdem, dass sich mehr Wasserdampf in der Atmosphäre befindet, der als Treibhausgas wirkt und damit die Atmosphäre erwärmt. Der Treibhauseffekt von Wasserdampf ist besonders groß, wenn der Wasserdampfgehalt ursprünglich sehr niedrig ist, wie das in höheren Lagen im Winter der Fall ist. Ein solcher Effekt wurde sowohl für die Schweizer Alpen wie für das Hochland von Tibet nachgewiesen.[3]

Aerosole

Auch Ruß-Aerosole können zur Erwärmung in Hochgebirgen beitragen. Sie wirken auf zweierlei Art: Solange sie in der Atmosphäre schweben, absorbieren sie kurzwellige Strahlung, emittieren sie als langwellige Wärmestrahlung und erwärmen auf diese Weise die Umgebung. Aerosole, die sich auf Schneeflächen ablagern, schaffen dunklere Flächen und senken die Albedo. Besonders im Frühling kann sich eine bis 5 km hoch reichende Aerosolschicht, die durch anthropogene Aktivitäten (Verbrennung von fossiler Energie und andere Quellen) entstanden ist, über Nord-Indien bis in den Himalaya hinein und bis zum Hochland von Tibet bilden, die möglicherweise für die Hälfte der Erwärmung in dieser Region verantwortlich ist. Da Rußpartikel in der Atmosphäre zunächst das unmittelbare Umfeld erwärmen, können sie auch dazu führen, dass sich Wolken auflösen, wodurch wiederum die Einstrahlung am Tage und die Ausstrahlung nachts erhöht wird. Eine ähnliche Wirkung wie Ruß haben Staub-Aerosole. In den nördlichen Rocky Mountains konnte gezeigt werden, dass bei starkem Wind im Frühling große Mengen an Staub von den trockenen Gebieten im Westen Richtung Rocky Mountains geweht werden. Dort lagert sich der Staub auf Schneeflächen ab und senkt deutlich die Albedo, wodurch die Absorption der Sonneneinstrahlung erhöht und die Schneeschmelze verstärkt wird. Ein Grund für den hohen Staubanfall ist in dieser Region die Bodenzerstörung durch die Landwirtschaft u.a. menschliche Aktivitäten.[3]

Einzelnachweise

  1. IPCC (2019): IPCC Special Report on the Ocean and Cryosphere in a Changing Climate, Chapter 2: High Mountain Areas
  2. Huss, M., B. Bookhagen, C. Huggel, D. Jacobsen, R.S. Bradley, J.J. Clague, M. Vuille, W. Buytaert, D.R. Cayan, G. Greenwood, B.G. Mark, A.M. Milner, R. Weingartner. M. Winder (2017): Toward mountains without permanent snow and ice. Earth’s Future 5:418–435. https://doi.org/10.1002/2016ef000514
  3. 3,0 3,1 3,2 3,3 3,4 3,5 3,6 3,7 Rangwala, I., & James R. Miller (2012): Climate change in mountains: a review of elevation-dependent warming and its possible causes, Climatic Change 114, 527–547
  4. 4,0 4,1 4,2 4,3 Pepin, N., et al. (2015): Elevation-dependent warming in mountain regions of the world, Nature Climate Change, DOI: 10.1038/NCLIMATE2563
  5. Helfricht, K. & M. Olefs (2020): Einfluss des Klimawandels auf die Schneebedeckung. In: Lozán J. L., S.-W. Breckle, H. Graßl et al. (Hrsg.): Warnsignal Klima: Hochgebirge im Wandel. S. 181-187. doi:10.25592/warnsignal-klima.hochgebirge-im-wandel.27.
  6. 6,0 6,1 IPCC (2019): IPCC Special Report on the Ocean and Cryosphere in a Changing Climate, Chapter 2: High Mountain Areas, 2.2.1
  7. IPCC (2019): IPCC Special Report on the Ocean and Cryosphere in a Changing Climate, Chapter 2: High Mountain Areas, Box 2.1
  8. IPCC 2019b: IPCC Special Report on the Ocean and Cryosphere in a Changing Climate, Chapter 2: High Mountain Areas, 2.2.2


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