Dürren in Europa

Aus Klimawandel
Absenkung des Stauseeniveaus im Haweswater Reservoir, Lake District Nord-England, nach der Dürre im Sommer 2003.

Dürren in Europa

Dürren stellen eine der schwerwiegendsten natürlichen Katastrophen dar, die hohe ökonomische, soziale und ökologische Kosten verursachen. Da Dürren sehr komplexe Ereignisse sind, ist es schwierig sie zu definieren und zeitlich abzugrenzen. Man unterscheidet vor allem zwischen meteorologischen, hydrologischen und landwirtschaftlichen Dürren. Meteorologische Dürren, die durch Niederschlagsdefizite, hohe Temperaturen und eine hohe Verdunstung gekennzeichnet sind, sind für die anderen Dürren grundlegend. Um Dürren zu messen, wurden verschiedene Dürre-Indizes entwickelt. Weltweit wird häufig der Palmer drought severity index (PDSI) benutzt, bei dem die Bodenfeuchtigkeit eine zentrale Rolle spielt. In Europa werden vor allem der auf Niederschlagsmessungen beruhende Standardized Precipitation Index (SPI) und der zusätzlich die potentielle Verdunstung und damit die Temperatur berücksichtigende Standardized Precipitation-Evapotranspiration Index (SPEI) angewendet.[1]

Auch wenn Europa nicht zu den dürregefährdetsten Regionen der Welt gehört, so haben auch hier viele Gebiete immer wieder unter starker Trockenheit zu leiden. So waren zwischen 2006 und 2010 etwa 15 % des EU-Gebietes und 17 % der EU-Bevölkerung im Jahresmittel von Dürren betroffen.[2] Die wirtschaftlichen Verluste wurden auf 100 Mrd. € geschätzt.[1] Durch den Klimawandel und erhöhten Wasserverbrauch werden die Folgen von Dürren zukünftig wahrscheinlich noch schwerwiegender ausfallen.

Historische Dürren

Trockenheit und Feuchtigkeit in Europa im Mittelalter, der Kleinen Eiszeit und der Moderne nach dem Palmer drought severity index

Ähnlich wie in Nordamerika hat es auch in Europa, wie Untersuchungen aus Baumringen ergeben haben, in früheren Jahrhunderten große und langandauernde Dürren gegeben.[3] Das betrifft vor allem die Mittelalterliche Warmzeit, die über große Teile Nord- und Mitteleuropas deutlich trockener als die Kleine Eiszeit und die Moderne war. So ist die Megadürre zwischen 1000 und 1200 in Mittel- und Nordeuropa im Hinblick auf Dauer und Intensität durchaus mit den Megadürren in Kalifornien und Nevada von 832 bis 1074 vergleichbar. Große Dürreperioden waren allerdings in Europa ähnlich wie in Nordamerika nicht auf die Mittelalterliche Warmzeit beschränkt. Weitere Megadürren ereigneten sich über 34 Jahre von 1437 bis 1473 im nördlichen Mitteleuropa und über 10 Jahre von 1798 bis 1808 in England und Wales. Demgegenüber ist die aktuelle Periode (1998-2012) ungewöhnlich feucht. Man muss schon bis in die erste Hälfte des 18. Jahrhunderts (1721-1739) zurückgehen, um eine feuchtere Periode zu finden. Die Gründe für diese Entwicklung sind nicht geklärt.

Entwicklung seit 1950

Änderung der Dürrehäufigkeit von 1950 bis 2012 in Ereignisse pro Jahrzehnt

Niederschlagsmessungen und andere instrumentelle Daten erlauben zumindest seit der Mitte des 20. Jahrhunderts ein genaueres Bild der Dürreentwicklung. So hat es zwischen 1950 und 2010 in Europa 21 große Dürren gegeben, wovon sich sechs nach 2000 ereigneten,[1] gefolgt von weiteren Dürren nach 2010. Insgesamt kann Europa im Hinblick auf die Entwicklung von Dürren seit der Mitte des 20. Jahrhunderts in zwei große Regionen aufgeteilt werden: Der Nordosten zeigt seit den 1950er Jahren einen abnehmenden, der Südwesten einen zunehmenden Trend. So hat die Dürre-Häufigkeit auf der Iberischen Halbinsel, in Südfrankreich, auf den Britischen Inseln, in Norddeutschland, Österreich, Ungarn, der Tschechischen Republik, der Slowakei, im Ural und auf Zypern deutlich zugenommen. Langandauernde Ereignisse kommen vor allem auf der Iberischen Halbinsel und in Italien häufiger vor, in Skandinavien, Weißrussland, der Ukraine und Russland dagegen seltener.[1]

Dürren und Hitzewellen gehen meistens Hand in Hand. Eine hohe Trockenheit führt in der Konsequenz zu einer geringeren Verdunstung und damit auch zu einer geringeren Abkühlung durch Verdunstung. Hohe Temperaturen verstärken zunächst die Verdunstung, wodurch Vegetation und Boden austrocknen und eine weitere Verdunstung unmöglich wird. Daher waren die extrem heißen Sommer in den Jahren 2003 in West-, 2010 in Ost- und 2015 in Mittel-Ost-Europa auch immer sehr trockene Sommer.

Die Häufigkeit extrem heißer Sommer hat sich in letzter Zeit in Europa stark erhöht. Dazu gehörten besonders die Jahre 2003 im westlichen Europa, 2010 in Russland und 2015 in Mittel- und Osteuropa, aber auch 1994 in Mitteleuropa und im südöstlichen Baltikum sowie 2006 erneut in Westeuropa. Über den Zeitraum von 1880 bis 2003 hat sich die Häufigkeit von Hitzewellen verdoppelt und die Anzahl heißer Tage verdreifacht.[4]

Mit den Hitzewellen einhergehend wurden in den letzten 15 Jahren auch starke meteorologische Dürren beobachtet, so im Sommer 2003 in West- und Mitteleuropa, 2004/2005 auf der Iberischen Halbinsel, im Frühjahr 2011 in Deutschland, 2011/2012 in Mittel-Ost-Europa und Südost-Europa sowie 2015 in Mittel- und Osteuropa. Untersuchungen über längere Zeiträume haben aber auch gezeigt, dass es auch in den 1940er und 1950er Jahren starke Dürreereignisse in Europa gegeben hat. Die Zunahme extrem hoher Sommertemperaturen und Dürren ist wahrscheinlich verbunden mit der allgemeinen Erwärmung in Europa besonders seit den 1990er Jahren.[4][5]

Die Dürre 2015

Rang der Augustniederschläge 2015 für den Zeitraum 1950-2015. 1st. bezeichnet den trockensten Monat seit 1950 in der jeweiligen Region, 2nd. den zweittrockensten usw. Alle Positionen über 8 sind weiß dargestellt, d.h. der August 2015 rangierte unter den trockenen Monaten in dem jeweiligen Gebiet mindestens an 9. Stelle.

Beispielhaft für die Dürren der jüngsten Zeit sei hier die vielfach untersuchte[4][5][6] Dürre von 2015 in Mittel- und Osteuropa vorgestellt. Nach 2003, 2010 und 2013 war der Sommer 2015 der vierte in einer Reihe aufeinander folgender ungewöhnlich heißer und trockener Sommer im neuen Jahrtausend. Die Maximum-Temperaturen lagen deutlich über dem langjährigen Mittel von 1971 bis 2000, im Westen des Kontinents um 2 °C, im Osten um 3 °C und in einzelnen Monaten und Gebieten (so im August in Polen und der Ukraine) sogar um 5 °C. Der Sommer 2015 war der drittwärmste Sommer in Europa seit 1910. In Deutschland lag die höchste Temperatur bei 40,3 °C in Kitzingen, womit der bisherige Rekordwert von 2003 eingestellt wurde, in Italien mit 42,8 °C in Catania und in Spanien mit 45,2 °C in Córdoba.[5] Die Anzahl sehr heißer Tage (>35 °C) war an einigen Orten besonders hoch, so in Wien mit 18 Tagen. Die Hitzewellen waren teilweise 2003 und 2010 länger als 2015, aber 2015 folgten mehrere Hitzewellen aufeinander, so im Juli und August in Wien mit zwei Hitzewellen über jeweils zwei Wochen.[4]

Die hohen Temperaturen gingen einher mit einer starken Trockenheit, die sie durch eine hohe Verdunstung teilweise mit verursachten. Das Jahr startete zwar mit überdurchschnittlichen Niederschlägen, zeigte aber ab Mai deutlich trockenere Bedingungen, die im Osten im August ihre stärkste Ausprägung erfuhren. Fehlende Niederschläge und hohe Verdunstungsraten senkten die Bodenfeuchtigkeit, trockneten die Vegetation aus und führten zu extrem niedrigen Abflusswerten besonders in Mittel- und Osteuropa.[5] Über das gesamte Gebiet der mittleren Breiten Europas von Frankreich bis zur Ukraine gemittelt gab es an 73 von 92 Sommertagen keinen hydrologisch effektiven Niederschlag, im Osten (z.B. in Moldawien) sogar an 83 Tagen. Auch die Dauer der Trockenperioden, die in Europa allgemein besonders seit den 1990er Jahren zugenommen hat, war sehr lang. Je nach zugrundeliegendem Trockenheitsindex war 2015 sogar trockener oder nur geringfügig weniger trocken als das europäische Hitzejahr 2003.[4]

Dürren 2018-2020

Ursachen von Dürren in Europa

Omega-Wetterlage im August 2015 bei 500 hPa (ca. 5500 m Höhe)

Dürren sind allgemein mit bestimmten Großwetterlagen verbunden. In der Regel herrschen Hochdruckbedingungen vor, bei denen absinkende Luftmassen und eine geringe Bewölkung eine erhöhte Einstrahlung bewirken. In jüngster Zeit sind diese Verhältnisse häufiger mit einer blockierenden Ω-Wetterlage (Omega-Wetterlage) bei 500 hPa (ca. 5500 m Höhe) verbunden. Dabei herrschen positive Abweichungen des Luftdrucks über dem nordöstlichen Kanada und Grönland, negative über dem mittleren Nordatlantik und wiederum positive über Europa. Die Tiefdruckbahnen werden über Europa nach Norden abgedrängt und warme und trockene Luft wird von Afrika und Südeuropa nordwärts gezogen. Diese Wetterlage wurde in jüngster Zeit häufig mit der stärkeren Erwärmung in der Arktis, der sog. Arktischen Verstärkung, und dem Abschmelzen des arktischen Meereises und damit mit dem Klimawandel in Zusammenhang gebracht. Die Folge der stärkeren Erwärmung in der Arktis gegenüber den südlich angrenzenden Regionen ist ein verringerter Temperaturgegensatz zwischen hohen und mittleren Breiten. Dadurch kommt es zu einer Abschwächung des Polarjets, der sich langsamer von Westen nach Osten bewegt und stärkere Mäander ausbildet. Als Konsequenz bleiben Hoch- und Tiefdruckgebiete längere Zeit stationär und bewirken eine blockierende Wetterlage. Sowohl ein Hochdruckgebiet mit Hitze und Dürre wie ein Tief mit starken Niederschlägen und Überschwemmungen können auf diese Weise ein bis zwei Wochen in derselben Region verharren bzw. nur langsam weiter ziehen. Im Winter kann die Folge auch das Eindringen von Kaltluft aus der Arktis nach Europa sein.

Begleitet sind Dürren und Hitzewellen in jüngster Zeit außerdem häufig von besonderen Bedingungen in den angrenzenden Meeren. So waren die Jahre 2003, 2010 und 2015 mit den wärmsten Meeresoberflächentemperaturen in den letzten 160 Jahren verbunden. Möglicherweise könnten die überdurchschnittlichen Temperaturen des Mittelmeers die eigentliche Ursache für die Dürre 2015 gewesen sein.[5] Die genauen Mechanismen, durch die die Meeresoberflächentemperatur im Mittelmeer die atmosphärische Zirkulation über Europa beeinflusst, sind jedoch nicht endgültig geklärt.

Dürren im 21. Jahrhundert

Änderung der Dürrehäufigkeit zwischen der jüngsten Vergangenheit (1981-2010) und dem Ende des 21. Jahrhunderts (2071-2100) nach dem A1B-Szenario. Die Skala gibt die Veränderung der Ereignisse pro Jahrzehnt an, links nach dem SPI-Index (s. Text), rechts nach dem SPEI-Index.

Nach dem Bericht des Weltklimarates IPCC von 2014 wird die globale Erwärmung allgemein dazu führen, dass global die trockenen Gebiete trockener und die feuchten Gebiete feuchter werden. Das trifft auch auf Europa als Ganzes zu: Südeuropa wird nach Modellprojektionen des Szenarios A1B trockener und Nordeuropa feuchter. So wird die Mittelmeerregion am Ende des 21. Jahrhunderts (2071-2100) mehr, längere und stärkere Dürren erfahren, besonders in Spanien, Griechenland und der Türkei, Skandinavien dagegen weniger, kürzere und schwächere Dürren.

Je nach zugrunde liegendem Dürre-Index nimmt die Dürrehäufigkeit nach dem A1B-Szenario im Mittelmeerraum bis zum Ende des 21. Jahrhunderts mehr oder weniger stark zu, nach dem SPI-Index, der nur die Niederschläge berücksichtigt, um bis zu 2 Dürreereignisse mehr pro Jahrzehnt und nach dem SPEI-Index, in den auch Temperatur und die Verdunstung eingehen, um bis zu 2,5 Ereignisse mehr pro Jahrzehnt.[7] In Mitteleuropa zeigt sich ein gemischtes Bild. Deutschland und die Benelux-Länder zeigen eine Abnahme der Dürrehäufigkeit unter Berücksichtigung nur der Niederschläge, das östliche Mitteleuropa eine leichte Zunahme. Wenn die Verdunstung mit einbezogen wird, nimmt die Anzahl der Dürren von Ostdeutschland bis nach Osteuropa dagegen deutlich zu. Besonders stark ist die Abnahme der Dürrehäufigkeit aufgrund zunehmender Niederschläge in Skandinavien und dem nordwestlichen Russland ausgeprägt. Da auch hier die Temperaturen stark ansteigen und die Verdunstung zunehmen wird, fällt dieser Trend etwas schwächer nach dem SPEI-Index aus.

Einzelnachweise

  1. 1,0 1,1 1,2 1,3 Spinoni, J., Naumann, G., Vogt, J., Barbosa, P. (2016). Meteorological Droughts in Europe: Events and Impacts – Past Trends and Future Projections. Publications Office of the European Union, Luxembourg, EUR 27748 EN, doi:10.2788/450449
  2. European Environment Agency (2017): Climate change, impacts and vulnerability in Europe 2016, EEA Report No 1/2017
  3. Cook, E. R., et al. (2015): Old World megadroughts and pluvials during the Common Era, Science Advances, 1(10), e1500561, doi:10.1126/sciadv.1500561
  4. 4,0 4,1 4,2 4,3 4,4 Hoy, A., S. Hänsel, P. Skalak, Z. Ustrnul, and Ol. Bochnícek (2017): The extreme European summer of 2015 in a long-term perspective, International Journal Of Climatology 37, 943-962
  5. 5,0 5,1 5,2 5,3 5,4 Ionita, M., L.M. Tallaksen, D.G. Kingston, J.H. Stagge, G. Laaha, H.A.J. Van Lanen, P. Scholz, S.M. Chelcea, and K. Haslinger (2017): The European 2015 drought from a climatological perspective, Hydrology and Earth System Science 21, 1397–1419
  6. Laaha, G., Gauster, T., Tallaksen, L. M., Vidal, J.-P., Stahl, K., Prudhomme, C., Heudorfer, B., Vlnas, R., Ionita, M., Van Lanen, H. A. J., Adler, M.-J., Caillouet, L., Delus, C., Fendekova, M., Gailliez, S., Hannaford, J., Kingston, D., Van Loon, A. F., Mediero, L., Osuch, M., Romanowicz, R., Sauquet, E., Stagge, J. H., and Wong, W. K. (2016): The European 2015 drought from a hydrological perspective, Hydrol. Earth Syst. Sci. Discuss., doi:10.5194/hess-2016-366
  7. Spinoni, J., G. Naumann, and J. Vogt (2015): Spatial patterns of European droughts under a moderate emission scenario, Advances in Science & Research, 12, 179–186

Weblinks


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