Klimaänderungen in Europa

Aus Klimawandel
Abb. 1: Klimastreifen von Europa

Das europäische Klima reicht von den Subtropen im Süden über das gemäßigte Klima in der Mitte bis zum borealen und Tundrenklima im Norden (Abb. 1). Es steht im Westen unter starkem Einfluss des Atlantischen Ozeans und wird nach Osten zunehmend kontinentaler. Westwinde und die sie begleitenden Sturmbahnen und Tiefdruckgebiete sind das wichtigste Klimamuster in Europa, das die täglichen und jährlichen Schwankungn bestimmt. Im Winter hat das Sibirische Hoch mit Kaltlufteinbrüchen einen starken Einfluss. Vom Mittelmeer bis nach Skandinavien bestimmt die Nordatlantische Oszillation die saisonalen klimatischen Schwankungen, besonders im Winter.[1] Ein weiteres wichtiges Klimaphänomen sind blockierende Wetterlagen, die durch den Jetstream gesteuert werden. Der Nordatlantikstrom sorgt, als Fortsetzung des Golfstroms, vor allem im Winter bis weit in den hohen Norden hinein insgesamt für ein sehr mildes Klima.

Veränderung der Temperatur

Abb. 2: Sommertemperaturen in Europa in den letzten 2000 Jahren in °C im Vergleich zum Mittel 1961-1990, blau: Proxydaten, rot: instrumentelle Daten

Ein Rückblick der Temperaturentwicklung in Mitteleuropa bis in das Mittelalter zeigt grob gesehen drei Klimaepochen, die mit der Entwicklung auf der gesamten Nordhalbkugel übereinstimmen :

  1. die Mittelalterliche Warmzeit,
  2. die Kleine Eiszeit,
  3. die Warmphase der letzten ca. 100 Jahre.

Von 1000 bis ungefähr 1300 nimmt die Temperatur bei starken Schwankungen von Jahr zu Jahr kontinuierlich zu. Danach zeigt sich von ca. 1400 bis 1900 eine relativ kühle Phase, mit besonders niedrigen Temperaturen im 16. und 17. Jahrhundert, die sog. Kleine Eiszeit, die bis ins 19. Jahrhundert reicht. Ab 1900 nehmen die Temperaturen ungewöhnlich stark zu und liegen in den letzten 30 Jahren deutlich über den höchsten Temperaturen der mittelalterlichen Warmzeit (Abb. 2).

Abb. 3: Änderung der jährlichen Mitteltemperatur (blau) und der 10-Jahresmittel (rot) in Europa 1750-2020 in absoluten Werten
Abb. 4: Änderung der globalen Mitteltemperatur von sechs WMO-Regionen (Kontinenten) in vier Klimaperioden

Die Temperaturen in Europa sind zwischen 1991 und 2020 um ca. 0,5 °C pro Jahrzehnt angestiegen und damit mehr als doppelt so stark wie das globale Mittel (Abb. 4). Europa ist damit noch vor Asien (ca. 0,4 °C/Jahrzehnt) der Kontinent, der sich am stärksten erwärmt hat. Die höchste Temperaturabweichung im Jahr 2021 vom Mittel der Jahre 1981-2010 hatten einige Gebiete Grönlands, vor allem im Norden und Nordwesten, und Spitzbergen mit über 2 °C zu verzeichnen.[2] Besonders stark haben sich in den letzten Jahren die Sommer erwärmt. Der Sommer 2022 war mit 1,4 °C über dem Mittel sogar der wärmste bisher gemessene Sommer. Im Südwesten und Westen Europas gab es bis zu 30% mehr warme Tage als im Durchschnitt. In Großbritannien wurden zum ersten Mal über 40 °C gemessen. Auch in anderen Teilen Westeuropas lagen die Höchsttemperaturen oft 10 °C über den typischen Maximumtemperaturen im Sommer.[3] Ein Blick auf die langfristige Veränderung der Sommertemperaturen zeigt, dass die Sommer der drei Jahrzehnte 1986-2015 die wärmsten Sommer der letzten 2000 Jahre waren. Der Trend zu immer wärmeren Sommern in den letzten Jahrzehnten war häufig von Hitzewellen begleitet.[4]

Betrachtet man die besonders starke Erwärmung der ca. letzten 30 Jahre im Hinblick auf die Sommer- und Winterentwicklung geographisch, so fällt ein Trend auf, wie er ähnlich auch für die nächsten 100 Jahre projiziert wird: Im Winter findet sich die stärkste Erwärmung in Skandinavien und Nordosteuropa, im Sommer im Mittelmeerraum. Für die ungewöhnlich starke Erwärmung im Norden spielt der Eis-/Schnee-Albedo-Effekt die entscheidende Rolle: Der Rückgang von Schnee- und Eisflächen führt zu einer höheren Strahlungsabsorption. Die starke Erwärmung im Osten und Nordosten Europas 2015 mit bis zu 5 °C gegenüber 1981-2010 in Finnland war aber auch durch eine starke NAO bedingt. Dagegen nahmen in Südeuropa die Temperaturen vor allem im Sommer zu. So lagen die Temperaturen in Teilen Italiens, aber auch im südlichen Mitteleuropa im Sommer 2015 um ca. 3 °C über dem Mittel von 1981 bis 2010.[5] Die sommerliche Erwärmung im Mittelmeerraum ist primär durch die Niederschlagsdefizite und ausgetrockneten Böden bedingt, die die Evapotranspiration und damit deren Abkühlungseffekt stark einschränken.

Änderungen des Niederschlags

Die jährlichen Niederschläge über Europa insgesamt zeigen seit 1960 keinen klaren Trend. Allerdings wurden in den einzelnen Großregionen sichtliche Änderungen beobachtet. So hat der Jahresniederschlag seit 1960 in Nordost- und Nordwesteuropa um bis zu 70 mm pro Jahrzehnt zugenommen, vor allem im Winter. In einigen Teilen Südeuropas ist dagegen ein Rückgang der jährlichen Niederschläge um bis zu 90 mm pro Jahrzehnt, z.B. auf der Iberischen Halbinsel, zu verzeichnen. In den mittleren Breiten gibt es keine signifikanten Änderungen der jährlichen Niederschläge. Die mittleren Sommerniederschläge sind in den meisten Teilen Südeuropas um bis zu 20 mm pro Jahrzehnt deutlich zurückgegangen, während in Teilen Nordeuropas Zunahmen von bis zu 18 mm pro Jahrzehnt beobachtet wurden.[6]

Abb. 5: Schematische Darstellung des Einflusses der Eis-/Shnee-Albedo auf das Klima

Ursachen der Klimaänderung

Angesichts der Klimaänderungeen in Europa stellt sich vor allem die Frage, welches die Gründe für die starke jährliche Erwärmung im Jahresmittel und im Sommer sind. Als wesentlicher Grund gilt der anthropogene Treibhauseffekt, der durch die Emission von Kohlendioxid, Methan und anderen Treibhausgasen verursacht wird. Da die wichtigsten dieser Treibhausgase mindestens mehrere Jahre und zum Teil noch wesentlich länger in der Atmosphäre verbleiben, sind sie fast gleichmäßig über den Globus verteilt. Besonderheiten der europäischen Temperaturentwicklung können daher nicht durch den globalen anthropogenen Treibhauseffekt erklärt werden. Allerdings können Rückkopplungseffekte der globalen Erwärmung mit regionalen Klimakomponenten eine Erklärung sein. So spielt etwa der Eis-/Schnee-Albedo-Effekt für die starke Erwärmung in Skandinavien und Nordosteuropa im Winterhalbjahr die entscheidende Rolle. Das Abschmelzen von Schnee- und Eisflächen hat zur Folge, dass weniger Sonnenstrahlen reflektiert werden und so den Boden aufheizen, der wiederum durch die Abgabe von langwelliger Wärmestrahlung die darüber liegende Luft erwärmt, die wiederum zu mehr Schneeschmelze führt usw. Eine ähnliche positive Rückkopplung zwischen Atmosphäre und Boden erklärt auch die starke sommerliche Erwärmung besonders in Südeuropa im Sommer. Geringe Niederschläge, ein klarer Himmel und eine starke Einstrahlung lassen hier Boden und Pflanzen austrocknen. Die Folge ist eine ausbleibende Verdunstung und damit ein damit verbundener fehlender Abkühlungseffekt, wodurch der Boden weiter erwärmt wird, aber Wolkenbildung kaum noch stattfindet, mit der Konsequenz stärkerer Einstrahlung und steigender Temperatur, wodurch sich der Boden noch weiter erwärmt usw.[7]

Ein weiterer Erklärungsansatz für die starke Erwärmung Europas im Zuge des Klimawandels sind dynamische Prozesse in der Atmosphäre wie im Nordatlantik. Er läuft darauf hinaus, dass sich die vom Nordatlantik nach Osten ziehenden Tiefdruckbahnen, die für Mittel und Nordeuropa im Sommer, für den Mittelmeerraum im Winter die Niederschläge bringen, nach Norden verschoben haben. Als Ursache wird das sog. „Erwärmungsloch“ südlich von Grönland gesehen, wo die Meeresoberflächentemperatur sich in den letzten Jahrzehnten nicht erwärmt, sondern abgekühlt hat. Von einigen Autoren wird dieses Phänomen auf die Abschwächung der Nordatlantischen Umwälzzirkulation (früher Thermohaline Zirkulation) zurückgeführt. Ob die Ursache dieser Abschwächung auf den Klimawandel beruht oder natürlichen Dekaden-Schwankungen unterliegt, ist jedoch in der Forschung nicht endgültig geklärt.[8] Als Folge dieser Abkühlung im Nordatlantik werden von Tuel & Eltahir (2021)[7] ungewöhnliche Hochdrucklagen westlich der Britischen Inseln angeführt, die feuchte Luftmassen vom Atlantik nach Norden ablenken, so dass sie Mitteleuropa kaum noch erreichen.

Abb. 6: SO2-Emissionen nach Regionen 1950-2020. Die Abbildung zeigt die zunehmende Abnahme der Aerosolkonzentration seit den 1980er Jahren, besonders in Europa und Nordamerika.

Eine dritte Erklärung bezieht sich auf anthropogene Emissionen, die nicht eine Erwärmung, sondern eine Abkühlung zur Folge haben. Gemeint sind durch menschliche Aktivitäten entstehende Aerosole, und zwar vor allem Sulfataerosole (SO4), die ähnlich wie Kohlendioxid durch die Verbrennung fossiler Energieträger in die Atmosphäre gelangen. Nach dem 2. Weltkrieg bis ca. 1980 hat die Aerosolbelastung in Europa stark zugenommen (Abb. 6), eine Phase die wegen der Abschirmung der Solareinstrahlung als „globale Verdunkelung“ (engl. „global dimming“) bezeichnet wird. Als Folge sind die Temperaturen in Europa und besonders in Nordamerika trotz zunehmender Treibhausgasemissionen kaum gestiegen. Danach wurde durch politische Entscheidungen zur Luftreinhaltung die Emission von Aerosolen mehr und mehr verringert. Es begann die Phase der „globalen Aufhellung“ (engl. „global brightening“), in der sich die Wirkung der steigenden Treibhausgaskonzentration und einer erhöhten Sonneneinstrahlung in einer zunehmenden Erwärmung zeigten. Die Abnahme der Aerosol-Konzentration von 1979 bis 2020 machte sich wegen der höheren Solarstrahlung besonders im Sommer bemerkbar. Allein die Abnahme der Aerosol-Konzentration führte zu einer Erwärmung der jährlichen Mitteltemperatur um etwa 1 °C. Insgesamt betrug die Temperaturzunahme in Europa seit den 1980er Jahren jedoch das Doppelte der globalen Erwärmung, weil sich zusätzlich der Treibhauseffekt auswirkte, der durch die Aerosolbelastung maskiert worden war.[9]

Kalte Winter in Europa

In den letzten Jahren kam es in weiten Teilen Europas in den Wintermonaten, im Jahr 2013 sogar noch im meteorologischen Frühlungsmonat März, zu starken Kälteeinbrüchen. Das hat in der Öffentlichkeit Zweifel am Klimawandel genährt und in der Wissenschaft die Suche nach Erklärungen angetrieben.

Einzelnachweise

  1. IPCC AR6 WGI (2021): Atlas, 8.1.1
  2. WMO (2022): State of the Climate in Europe 2021
  3. Copernicus Climate Change Service (2023): European State of the Climate 2022
  4. Luterbacher, J., J.P. Werner, J.E. Smerdon et al. (2016): European summer temperatures since Roman times. Environmental, Research Letters, 11(2), 024001.
  5. van den Besselaar, E., R. Cornes, C. Photiadou, G.van der Schrier, G. Verver, A. Klein Tank, A. Squintu (2016): 2015: joint warmest year on record in Europe
  6. European Environment Agency (2021): Mean precipitation
  7. 7,0 7,1 Tuel, A., and E.A.B. Eltahir (2021): Mechanisms of European Summer Drying under Climate Change, Journal of Climate 34, 22, 8913-8931
  8. IPCC AR6 WGI (2021): Climate Change 2021: The Physical Science Basis, Ch. 2.3.3.4
  9. Glantz, P., O. G. Fawole, J. Ström, M. Wild, K. J. Noone (2022): Unmasking the Effects of Aerosols on Greenhouse Warming Over Europe, Journal of Geophysical Research: Atmospheres, 10.1029/2021JD035889, 127, 22

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