Außertropische Stürme

Aus Klimawandel
Abb. 1: Während des Sturms Kyrill am 18.1.2007 umgeknickter Strommast bei Magdeburg-Ottersleben

Außertropische Stürme gehören mit Hitzewellen, Dürren, Starkniederschlägen und Tropischen Wirbelstürmen zu den Wetterextremen, die möglicherweise durch den Klimawandel verstärkt oder häufiger auftreten werden.

Stürme in mittleren und hohen Breiten

Nicht nur die Hurrikane, sondern auch die Stürme in den außertropischen Regionen stellen eine wichtige Bedrohung durch extreme Wetterereignisse dar. Sie können sowohl auf dem Land wie über dem Meer starke Zerstörungen anrichten, z.B. Dächer abdecken, Bäume umknicken, Schiffe in Seenot bringen und Sturmfluten verursachen. Die Hauptgebiete außertropischer Stürme sind auf der Nordhalbkugel der Nordatlantik und der Nordpazifik mit Auswirkungen auf Nordamerika und Nordwesteuropa. Die Hauptjahreszeit der Sturmaktivität ist der Winter. Auf der Südhalbkugel ist die außertropische Sturmtätigkeit zwischen dem 30 und 65 Breitengrad konzentriert mit dem Schwerpunkt rund um die Ostantarktis.

In Deutschland hatte zuletzt der Sturm Kyrill über ein relativ großes Gebiet starke Schäden an Verkehrswegen, Gebäuden und Wäldern verursacht und 11 Menschenleben gefordert. Er erreichte Spitzengeschwindigkeiten von 200 km/h.[1] Da dieser Sturm in einen ungewöhnlich warmen Winter fiel und nahezu zeitgleich mit dem Erscheinen des vierten Berichts des Weltklimarates auftrat, wurde in der Öffentlichkeit darüber diskutiert, inwieweit durch den Klimawandel mit stärkeren und häufigeren Stürmen zu rechnen ist.

Hat die Sturmaktivität zugenommen?

Stürme im Jahresmittel

Abb. 2: Veränderung der Windgeschwindigkeit in der Deutschen Bucht 1879-2005 in m/sec und die globale Temperaturentwicklung

Die Frage, ob die Sturmtätigkeit z.B. im Nordatlantikraum zugenommen hat, ist nicht einfach zu entscheiden, was nicht zuletzt ein Problem der Datenlage ist. Während Temperaturdaten in ausreichendem Maße zur Verfügung stehen, um daraus etwa für die letzten 120 Jahre einen Trend abzuleiten, ist das bei Winddaten nicht der Fall. Konsistente längere Windgeschwindigkeitsmessungen sind nahezu nicht verfügbar. Neben fehlenden Messreihen spielen die Verlegung von Messstationen (wie z.B. in Hamburg vom Hafen zum Flughafen) oder die Veränderung der Umgebung (wie durch die Beseitigung eines Waldes im Luv in Südschweden) eine Rolle. Bessere Erkenntnisse erlauben Ableitungen der Windgeschwindigkeit aus dem Luftdruck oder dem Wasserstandsniveau.

Der Rückblick in die letzten Jahrzehnte und Jahrhunderte auf Grundlage der zur Verfügung stehenden Daten lässt eine Beziehung zwischen steigender Temperatur und stärkeren Stürmen nur begrenzt erkennen. So zeigen die Jahresmittel der Windgeschwindigkeit in der Deutschen Bucht zwischen 1879 und 2005 insgesamt keinen Trend, der der Temperaturentwicklung entspräche (Abb. 1). Die Variabilität von Jahr zu Jahr ist sehr ausgeprägt; außerdem lässt sich eine Dekadenschwankung erkennen. Um 1900 zeigen Nordwest- und Mitteleuropa eine relativ hohe Sturmaktivität, die Anfang des 20. Jahrhunderts abnimmt, während die Temperatur steigt. Nur in den 1940er und seit Ende der 1960er Jahren verstärkt sich die Sturmaktivität wieder. Von den 1970er bis in die 1990er Jahre ist eine deutliche Zunahme der Windgeschwindigkeit zu erkennen, die man zu der globalen Erwärmung in Beziehung setzen könnte, die jedoch seit Mitte der 1990er wieder einer Abnahme weicht, obwohl der Temperaturanstieg sich fortsetzte.

Auch an anderen europäischen Stationen lässt sich kein längerfristiger Trend feststellen. So zeigen Stationen in Südschweden, für die weit zurückreichende Luftdruckdaten vorliegen, zwar ebenfalls eine Zunahme der Sturmtätigkeit in den 1980er und 1990er Jahren, die aber nicht auffälliger ist als Ende des 19. Jahrhunderts und wohl im Rahmen der natürlichen Schwankungen liegt.[2] Interessant in diesem Zusammenhang ist, dass auch Untersuchungen mit Hilfe von Klimamodellen über die historische Entwicklung des Sturmklimas keine Kopplung zwischen Temperatur und Stürmen aufweisen. So ist etwa im Späten Maunder Minimum (1675-1710), der kältesten Phase der Kleinen Eiszeit, keine Reduktion der Sturmaktivität feststellbar.[3]

Jahreszeitliche Änderungen

Etwa anders sieht die Sachlage aus, wenn die Sturmentwicklung saisonal und regional differenziert betrachtet wird.[4] Im Jahresmittel liegt das Maximum nach aktualisierten Daten in den frühen 1990er Jahren etwa auf dem Niveau desjenigen um 1900. Dabei gibt es jedoch große regionale und saisonale Differenzen. Das Maximum um 1900 ist vor allem ein Sommer-Maximum, das seitdem fast für die gesamte Nordostatlantische Region einen Abwärtstrend aufweist, besonders deutlich über der Nordsee. Im Winter hat die Sturmaktivität in der Nordsee über die letzten ca. 120 Jahre dagegen zugenommen, während sie über dem westlichen Nordostatlantik zwischen Norwegen und Island abgenommen hat. Das Maximum um 1990 ist fast überall nur im Winter und Frühling, nicht aber im Sommer und Herbst zu erkennen.

Abb. 3: Windgeschwindigkeits- und NAO-Index im Winter über dem NO-Atlantik (10-Jahresmittel)

Eine Beziehung zur Temperaturentwicklung lässt sich aber auch daraus nicht ableiten. Vielmehr zeigt sich bei saisonaler Betrachtung im Winter und Frühjahr eine enge Korrelation zwischen der Nordatlantischen Oszillation (NAO) und der Sturmaktivität: Je höher der NAO-Index, desto kräftiger sind die Nordostatlantischen Sturmaktivitäten, vor allem in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts (Abb. 2). Beim Vergleich der Jahresmittel ergibt sich dagegen nur ein geringer Einfluss der NAO auf die Sturmaktivität.[5]

Bei etwas großräumigerer Betrachtung lässt sich feststellen, dass sich die Sturmbahnen im Nordatlantik und Nordpazifik in den letzten Jahrzehnten polwärts verschoben haben, im Nordatlantik im Winter z.B. um 180 km.[6] Damit einher sind eine Zunahme der Tiefdruckaktivität im Winter in den höheren Breiten und eine Abnahme in den mittleren Breiten des nordatlantischen Raumes festzustellen. In Übereinstimmung damit haben in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts die Wellenhöhen im subtropischen Nordatlantik ab- und im nordöstlichen Nordatlantik zugenommen. Ob sich hier bereits ein Einfluss des anthropogenen Klimawandels zeigt, muss offen bleiben.[4]

Zukünftige Sturmentwicklung

Abb. 4: Erwartete Zunahme der windbedingten Sturmfluthöhen in m am Ende des 21. Jahrhunderts nach dem A2-Szenario

Allerdings zeigen nahezu alle Modellrechnungen für das 21. Jahrhundert, dass eine stärkere anthropogene Veränderung des Klimas auch die außertropischen Sturmaktivitäten beeinflusst. Übereinstimmend werden für beide Hemisphären eine weitere Verschiebung der Sturmbahnen polwärts und eine größere Sturmaktivität in höheren Breiten simuliert.[7] Als wichtigstes Ergebnis aus verschiedenen Modellrechnungen ergibt sich, dass sowohl auf der Nord- wie auf der Südhalbkugel die Anzahl der starken Tiefdruckgebiete (mit einem Kerndruck unter 970 hPa) im Winter zu-, während die Gesamtzahl der Tiefdruckgebiete abnehmen wird. Von verschiedenen Modellen wurde sowohl für den Nordostatlantik wie für den Nordostpazifik eine Zunahme extremer Tiefdruckgebiete projiziert. Über dem Mittelmeer wird dagegen eher eine starke Reduktion bei den winterlichen Zyklonen angenommen. Auch auf der Südhalbkugel wird vor allem um 40 °S im Süd-Winter eine starke Reduktion der Zahl der Tiefs über Australien und Neuseeland berechnet. Im Süd-Winter wird dagegen auch hier von einer Zunahme der Intensität der Tiefdruckgebiete ausgegangen.[8]

Für die Nordsee wird mit einer Zunahme der Westwindstärke im Winter um bis zu 10 % gerechnet. Damit sind Auswirkungen auf die Sturmfluten an der Nordseeküste verbunden, die um 30 bis 40 cm allein durch stärkere Winde steigen werden (Abb. 4). Darauf addiert muss noch der Betrag durch den Meeresspiegelanstieg werden.

Einzelnachweise

  1. Gerhard Müller-Westermeier (2007): Beschreibung und klimatologische Bewertung des Orkantiefs „Kyrill“, Deutscher Wetterdienst
  2. Bärring, L., und H. von Storch (2004): Scandinavian storminess since about 1800, Geophysical Research Letters 31:L20202
  3. Von Storch, H. und R. Weisse: Regional storm climate and related marine hazards in the Northeast Atlantic, in: Diaz, H.F. and Murnane, R.J. (eds.), Climate Extremes and Society, Cambridge: Cambridge University Press, ISBN 978-0-521-87028-3, p. 54-73
  4. 4,0 4,1 Wang, X.L., et al. (2008): Trends and variability of storminess in the Northeast Atlantic region, 1874-2007, Climate Dynamics published online Dec. 2008
  5. Matulla, C. et al. (2007): European Storminess: late nineteenth century to present, Climate Dynamics 31, 125-130
  6. IPCC (2007): Climate Change 2007, Working Group I: The Science of Climate Change, 3.5.3
  7. IPCC (2007): Climate Change 2007, Working Group I: The Science of Climate Change, 10.3.6.4
  8. Ulbrich, U., G.C. Leckebusch and J.G. Pinto (2009): Extra-tropical cyclones in the present and future climate: a review, Theoretical and Applied Climatology 96, 117-131



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