Waldbrände im Amazonas-Regenwald

Aus Klimawandel
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Waldbrände in Südamerika über drei Tage im August 2019 (24.-26.8.2019). Die roten Punkte geben nicht die reale Größe von Bränden wieder, sondern markieren Gitterzellen, in denen Feuer registriert wurden. Grün: Schutzgebiete.

Der Amazonas-Regenwald stellt mit fast 6 Mio km2 den größten tropischen Regenwald der Erde dar. Er beherbergt schätzungsweise 20 % der pflanzlichen und tierischen Arten der Erde. Seine großen Flüsse stehen für 18 % der Süßwasserzufuhr in die Ozeane. In den letzten 30 Jahren sind allein im brasilianischen Amazonasgebiet 600 000 km2 Waldfläche durch Abholzung und Brände vernichtet worden. Bei Fortsetzung des gegenwärtigen Trends könnten bis 2050 mehr als die Hälfte des Waldes verschwunden sein.[1]

Neben Südostasien ist das Amazonasgebiet dem Druck von wirtschaftlichen Aktivitäten wie Sojaanbau, Viehweide, Holzgewinnung, kleinbäuerlichem Anbau und Straßenbau besonders stark ausgesetzt, die den Regenwald von den Rändern her, teilweise aber auch in den Kernzonen zerstören. Diese Aktivitäten begünstigen die Entstehung und Ausbreitung von Feuer, das wiederum nicht selten auch als Instrument zur Waldbeseitigung eingesetzt wird.[2]

Waldbrände und Waldvernichtung in Rondonia (brasilianisches Amazonasgebiet). Die hellen Flächen zeigen in den meisten Fällen frisch gerodete Ackerflächen entlang von neu angelegten Straßen.

Waldbrände früher und heute

In der Evolutionsgeschichte des Amazonasgebietes sind Waldbrände eher selten: Naturbelassene Regenwälder sind unter Normalbedingungen feucht genug, um Brände zu verhindern, da sie durch ihre Evapotranspiration auch gleichzeitig genügend Niederschlag generieren. Der Amazonas-Regenwald war bisher durch seinen hohen Feuchtigkeitsgehalt und sein dichtes Blätterdach relativ resistent gegenüber Waldbränden. Ein geschlossenes Blätterdach in einem intakten Wald lässt in der Regel keine großen Brände entstehen. Selbst an den heißesten Tagen übersteigen die Temperaturen kaum 28 °C. Dem Feuer fallen dann eher kleinere und niedrigere Bäume zum Opfer. Typische Brände zerstören zwar 40 % der Bäume, aber nur 10 % der Biomasse, da die großen Bäume dem Feuer widerstehen. Die Feuerfront bewegt sich nur 100-150 m pro Tag voran, kann aber über Wochen und Monate aktiv bleiben.[3] Während der Trockenzeit kann es jedoch zu größeren Bränden in der bodennahen Vegetation oder von isolierten Bäumen kommen. Aber auch diese Feuer bewegen sich meist langsam und sind eher schwach, sodass sie nachts durch die erhöhte relative Feuchte des Regenwaldes schnell wieder erstickt werden und nur wenig Schaden anrichten.[4] Das Wiederkehrintervall solcher Brände lag unter natürlichen Bedingungen wahrscheinlich bei 500 bis 1000 Jahren.[5]

Wegen der Seltenheit von natürlichen Waldbränden ist die Mehrheit der Vegetation und der Tierarten im Amazonasgebiet an Feuer nicht angepasst. Daher sind einige Pflanzenarten auch bei Bränden von geringer Intensität ernsthaft gefährdet, z.B. weil ihre Samen und Samenbänke zerstört werden. Besonders sich wiederholende Feuer verschärfen diese Gefahren, so dass einige Arten lokal verschwinden können.[5]

Schon vor der Ankunft der Europäer haben die Ureinwohner Brasiliens seit 4000-5000 Jahren systematisch Feuer eingesetzt, um das Vordringen des Waldes in die Savanne durch Brände zu verhindern, um Wege und die Umgebung der Häuser frei zu halten, Flächen für den Wanderfeldbau zu schaffen und um Tiere zu jagen oder Abfall zu verbrennen. Zur Zeit der Eroberung durch die Portugiesen gab es im heutigen Brasilien einige Millionen Menschen, von denen manche in großen Dörfern von mehr als 70 000 Einwohnern lebten. Neun Zehntel der indianischen Bevölkerung wurden, meistens infolge von Krankheiten, ausgerottet. Damit ging auch die Feuer-Aktivität bis ca. 1750 zurück.[5]

Die Europäer übernahmen zunächst den Gebrauch des Feuers beim Wanderfeldbau, ohne jedoch die sorgfältige und geplante Nutzung des Feuers durch die indigene Bevölkerung beizubehalten. Brände entstehen heute nicht selten versehentlich und in der Trockenzeit, während die indigene Bevölkerung Brände zumeist zum Beginn der Regenzeit gelegt haben. Dadurch erreichen Brände heute oft größere Ausmaße, ereignen sich häufiger und geraten nicht selten außer Kontrolle. Hinzu kommen die bewusst gelegten Feuer im großen Stil, um landwirtschaftliche Flächen zu schaffen oder Straßen durch den Amazonas-Regenwald anzulegen.

2019 hat der Klimawandel durch die Fridays-for-Future-Bewegung in vielen Ländern eine ungewohnte Beachtung erfahren. Eine Folge war auch, dass die aktuellen Brände im Amazonas-Regenwald in den Medien und politischen Erklärungen und Forderungen eine wichtige Rolle spielten. Was die Anzahl der Feuer anging, fielen sie jedoch zumindest bis Ende August 2019 gegenüber früheren Jahren nicht aus dem Rahmen. Die Intensität der Brände war jedoch im August 2019 deutlich stärker als in den Jahren 2012-2018. Eine weitere Besonderheit ist, dass sich die Brände hauptsächlich entlang wichtiger Straßen ereigneten, was ein Hinweis darauf ist, dass sie für Rodungen künstlich gelegt wurden.[6]

Feuernutzung im Übergangswald

Wechselwirkungen zwischen Feuer, Grasinvasion und Klimawandel im Amazonasgebiet

Heute wird vor allem im Rahmen der Expansion des Agrobusiness in der Übergangszone zwischen Regenwald und Cerrado (der brasilianischen Savanne), die etwa 400 000 km2 umfasst, Feuer eingesetzt, wobei die vorhandene Vegetation durch ausgedehnte Viehweiden und Sojafelder ersetzt wird. Der Kahlschlag oder das selektive Herausschlagen großer Bäume geht der Anlage von Bränden häufig voraus. Das Feuer wird dann wiederholt genutzt, um das erneute Wachstum von Holzpflanzen zu verhindern. Im Vergleich zur vorkolumbianischen Zeit hat sich das Feuerregime auf diese Weise deutlich verändert, mit der Folge von Bodendegradation, invasiver Besiedlung und allgemeinem Verlust von Biodiversität. Wenn diese Praktiken mit extremen Wetterereignissen (Dürren) zusammentreffen, die durch El Niño-Ereignisse oder auch durch Temperaturanomalien im Atlantik verursacht sein können, kann es zu großen, verheerenden Bränden kommen.[5] Dabei dringt das Gras der Savanne in den geschlossenen Laubwald vor und es kommt zu einer vom Feuer ausgehenden positiven Rückkopplung zwischen Bränden und Grasinvasion, die die Grenze zwischen Regenwald und Savanne immer weiter in den Regenwald vorschiebt.

Dieses Vordringen der Grasvegetation in den Regenwald wurde in Mato Grosso durch großräumig angelegte Feuerexperimente in den Jahren 2005-2007 untersucht.[7] Dabei wurde beobachtet, dass sich das Laubdach des Waldes durch die Brände lichtet und mehr Strahlung auf den Boden gelangt mit der Folge eines trockeneren Mikroklimas. Der Niederschlag wurde weniger stark von der geringeren Pflanzenmasse aufgenommen und floss stärker am Boden ab, was zudem noch durch das Verbrennen des Bodenbewuchses begünstigt wird. In der Folge wurde die Verdunstung herabgesetzt und damit auch die vor Ort entstehenden Niederschläge.

An die so entstandene hellere und trockenere Umgebung sind die Gräser der Savanne besser angepasst als die Pflanzen des Regenwaldes. Bäume werden außerdem eher nachhaltig durch Feuer zerstört als Gräser, da sie anders als Gräser nur selten aus Wurzeln keimen und für das Wachstum länger brauchen. Ein weiterer wichtiger Unterschied ist die Verbreitung der Samen, die bei den meisten tropischen Bäumen durch Vögel, Insekten und andere Tiere erfolgt, die nach einem Brand das Gebiet weitgehend meiden. Bei vielen Grasarten werden dagegen die Pollen durch Wind übertragen, was durch die Zerstörung des Kronendaches durch Feuer erleichtert wird. Auch mit dem geringeren Nährstoffgehalt in den Böden nach starken Bränden kommen Gräser besser zurecht als überlebende Bäume und Sämlinge.[7]

Das Feuer-Gras-Feedback wird besonders begünstigt durch importierte afrikanische C4-Grasarten wie Molasse- oder Guineagras als Viehfutter. Ohne ein Laubdach sind diese Gräser den Witterungsbedingungen stärker ausgesetzt, trocknen bei Dürre schnell aus und stellen so ein leicht entzündbares Brennmaterial dar. In Waldgebieten auf Hawaii wurde z.B. beobachtet, dass sich durch die Einführung dieser C4-Grasarten die Feuerhäufigkeit verneunfacht hat.[7]

Waldbrände im Kernregenwald

Stufen der Entstehung von Sekundärwald durch Feuer im Amazonasgebiet: a) durch Feuer nicht beschädigter Wald mit geschlossenem Kronendach, b) durch einmaligen Brand beschädigter Wald mit ca. zur Hälfte zerstörtem Kronendach, c) Wald, der mehrfach gebrannt hat, mit Sekundärvegetation und Zerstörung der Stockwerkstruktur des Regenwaldes.

Waldbrände, die auf dem Hintergrund starker Dürren entstehen, können jedoch auch erhebliche Auswirkungen im Kerngebiet des Amazonasregenwaldes haben. So kam es am Ende einer der längsten Dürren seit Menschengedenken infolge des Jahrhundert-El-Ninos 1997/98 im Rio-Maró-Becken im westlichen Pará zu ausgedehnten Waldbränden, die ca. 11 700 km2 Regenwald erfassten. Zudem erlebte das Gebiet in den Folgejahren weitere, wenn auch kleinere Brände.[2] In vielen Fällen fielen die ausgewachsenen alten Bäume dem Feuer zum Opfer, das Laubdach wurde ausgedünnt und die typische vertikale Struktur des Regenwaldes ging verloren. Drei bis neun Jahre nach dem Feuer wuchsen nur noch brusthohe Bäume mit einem Durchmesser von 10-20 cm heran. Neun Jahre nach dem Brand konnte ein eindeutiger Wandel der Pflanzengemeinschaft hin zu kleinen Bäumen, Büschen und Sämlingen festgestellt werden. Dabei breiteten sich Pionierpflanzen aus, die für einen dichten Wiederbewuchs sorgten, der teilweise den Verlust von Bäumen des Primärwaldes kompensieren konnte. Diese Pioniervegetation ist jedoch selber höchst feueranfällig, wodurch der Prozess der Verarmung des Waldes durch Feuer verstärkt wird. Ein weiterer Faktor ist die Vernichtung der Tierpopulation, vor allem von Vögeln und Insekten, die für die Verbreitung von Samen vieler angestammter Pflanzen verantwortlich ist. Das favorisiert auch im Kernregenwald das Vordringen von Gräsern, deren Samen sich durch Wind verbreiten.

Diese Veränderungen des tropischen Regenwaldes, wie sie etwa auch in Südostasien vorkommen, wurden vielfach als „Savannisierung“ beschrieben. Nach Barlow&Peres (2008) gehen daraus jedoch neue Wälder hervor, die durch kurzlebige Pionierpflanzen bestimmt sind und eher Sekundärwäldern auf degradiertem Boden gleichen als Savannen. Sie besitzen eine deutlich geringere Biomasse als die Primärwälder, sodass der Amazonas sein Potential als CO2-Senke weitgehend verlieren könnte.[2]

Der Einfluss des Klimawandels

Auch der Klimawandel könnte die Gefahr von Waldbränden im Amazonasgebiet weiter erhöhen. Projektionen von Klimamodellen lassen ein deutlich wärmeres und trockeneres Klima für die Zukunft erwarten, so dass der Regenwald des Amazonasgebietes in den nächsten Jahrzehnten wesentlich gefährdeter durch Waldbrände werden könnte. Einzelne Modellberechnungen gehen von einem hohen Temperaturanstieg von bis zu 9 °C und einer Abnahme der jährlichen Niederschläge um 64 % bis 2100 im Amazonasgebiet aus. Zunehmende Dürren, vor allem verursacht durch häufigere El-Niño-Verhältnisse, würden den Regenwald stark dezimieren. Und der trockene Wald werde eine leichte Beute von Bränden werden. Eine Reduktion des Waldbestandes um 50 % bis 2100 wird hiernach für möglich gehalten.[8]

Solche Modellrechnungen sind jedoch mit großen Unsicherheiten behaftet. So zeigte sich, dass sie die aktuellen Niederschläge weit unter- und die Länge von Trockenzeiten überschätzten. Vor allem aber geben die Modelle die Trockenresistenz der Bäume nicht zutreffend wieder. Ausgewachsene Bäume im Amazonasgebiet beziehen ihr Wasser aus bis zu 10 m Tiefe. Wie die extreme Dürre im Jahre 2005 zeigte, sind solche Bäume in der Lage, auch längere Niederschlagsdefizite durch Grundwasseraufnahme auszugleichen.[3] Nach neueren Modellsimulationen wird denn auch die Wahrscheinlichkeit, dass der Amazonas-Regenwald durch den Klimawandel abstirbt, weniger befürchtet.[1] Bei einer Häufung von Dürren im Gefolge des Klimawandels und einer zunehmenden Fragmentierung der geschlossenen Walddecke durch menschliche Eingriffe ist aber mit einer erhöhten Waldbrandgefahr zu rechnen.[3] Ob dabei eine Verstärkung El-Niño-artiger Zustände eine Rolle spielen wird, ist nach heutigem Stand der Forschung keineswegs ausgemacht.[9]

Einzelnachweise

  1. 1,0 1,1 IPCC (2014): Climate Change 2014, Working Group II: Impacts, Adaptation and Vulnerability, Box 4-3
  2. 2,0 2,1 2,2 Barlow, J., and C.A. Peres (2008): Fire-mediated dieback and compositional cascade in an Amazonian forest. Philosophical Transactions of the Royal Society B 363(1498): 1787-1794. doi: 10.1098/rstb.2007.0013
  3. 3,0 3,1 3,2 Cochrane, M.A., C.P. Barber (2009): Climate change, human land use and future fires in the Amazon. Global Change Biology 15, 601–612
  4. Brando, P.M., J.K. Balch, D.C. Nepstad, D.C. Morton, F.E. Putz et al. (2014): Abrupt increases in Amazonian tree mortality due to drought-fire interactions. Proc. Natl. Acad. Sci. USA 111(17), 6347–52
  5. 5,0 5,1 5,2 5,3 Pivello, V.R. 2011. The use of fire in the cerrado and Amazonian rainforests of Brazil: past and present. Fire Ecology 7(1): 24-39. doi: 10.4996/fireecology.0701024
  6. NASA Earth Oberservatory (2019): Uptick in Amazon Fire Activity in 2019, https://www.earthobservatory.nasa.gov/images/145498/uptick-in-amazon-fire-activity-in-2019
  7. 7,0 7,1 7,2 Balch, J.K., D.C. Nepstad, and L.M. Curran (2009): Pattern and process: fire-initiated grass invasion at Amazon transitional forest edges, in: M.A. Cochrane (editor): Tropical fire ecology: climate change, land use and ecosystem dynamics, 481-502, Springer Praxis Books, Hei¬delberg
  8. Cox PM, Betts RA, Collins M, Harris PP, Huntingford C, Jones CD (2004): Amazonian forest dieback under climate-carbon cycle projections for the 21st century. Theoretical and Applied Climatology, 78, 137–156
  9. Vecchi, G. A. & Wittenberg, A. T.(2010): El Niño and our future climate: Where do we stand? Wiley Interdisciplinary Reviews: Climate Change 1, 260-270


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