ENSO und der anthropogene Treibhauseffekt

Aus Klimawandel
ENSO-Index 1950-2015. Der ENSO-Index setzt sich aus sechs Variablen zusammen: Luftdruck, meridionale und zonale Windkomponenten, Meeresoberflächentemperatur, Lufttemperatur, Wolkenbedeckung. Gezeigt ist die Standardabweichung vom Mittel 1950-1993; rot: El-Niño-, blau: La-Niña-Phasen.

Beobachtete Veränderungen

Niño-Regionen

Normalerweise wird für die Bestimmung von ENSO-Schwankungen die Meeresoberflächentemperatur in der Niño3-Region (s. Abb.) zugrunde gelegt, weil hier die stärksten Änderungen bei einem El Niño auftreten. Die frühesten Messungen gehen auf das Ende des 19. Jahrhunderts zurück, waren aber bis zum 2. Weltkrieg verhältnismäßig spärlich. Seit Anfang der 1980er Jahre kamen Satellitenbeobachtungen hinzu, so dass das aktuelle Verhalten deutlich besser eingeschätzt werden kann als das frühere Verhalten von ENSO. Es ist daher sehr schwierig die ENSO-Aktivität der letzten Jahrzehnte mit der vor dem 2. Weltkrieg zu vergleichen. Für die Zeit nach 1950 kann man erkennen, dass es starke Schwankungen in der ENSO-Aktivität von Jahr zu Jahr gab und dass einige Jahrzehnte wie die 1980er und 1990er Jahre als besonders aktiv erscheinen und andere wie die 1950er und 1960er eher inaktiv. Über die letzten ca. 50 Jahre hat die ENSO-Aktivität augenscheinlich zugenommen. Besonders herausragend sind die El-Niño-Ereignisse von 1982/83 und 1997/98, die beide als Jahrhundert-Ereignisse bezeichnet wurden. Nach 1998 gab es jedoch längere Zeit keine nennenswerten El-Niño-Ereignisse mehr.

Meeresoberflächentemperaturen in der Niño-3.4-Region 1950-2016

Das Jahr 2015 steuerte dann jedoch wieder auf einen besonders starken El Niño zu. Nachdem fast zwanzig Jahre lang bei der pazifischen ENSO-Schwankung die kalten La-Niña-Zustände dominiert haben und die El-Niño-Ereignisse nach dem Jahrhundert-Ereignis 1997/98 eher schwach ausgefallen waren, entwickelte sich im Winter 2015/16 ein neuer kräftiger El Niño. Je nachdem, welchen Temperatur-Index man zugrunde legt, war der jüngste El Niño möglicherweise sogar der mächtigste der drei großen El-Niño-Phänomende der letzten Jahrzehnte. Das ist z.B. der Fall bei dem sogenannten ONI(Oceanic Niño Index)-Index, der das Mittel der Meeresoberflächentemperatur über drei Monate im östlichen bis zentralen Pazifik (Niño3.4) bestimmt (s. Abb.).[1] Auch die Region spielt bei der Frage nach der Rangordnung der großen drei El Niños eine nicht unwesentliche Rolle. Misst man die Temperaturen weiter östlich oder ganz im Osten des ENSO-Gebietes, im sogenannten Nino-1.2-Gebiet, wird der jüngste El Niño von dem El Niño 1997/98 deutlich übertroffen.[2] Die Auswirkungen des letzten El Niño waren auch in ihrer Intensität ähnlich wie die der früheren Ereignisse. So war das Gebiet extremer Dürren im Amazonasgebiet sogar ausgedehnter als bei den früheren starken El Niños von 1982/83 und 1997/98.[3] Und die globalen Mitteltemperaturen erreichten als Folge der hohen Meeersoberflächentemperaturen im östlichen tropischen Pazifik Rekordwerte und machten 2015 und 2016 zu den den wärmsten je gemessenen Jahren.

Proxy-Daten wie Baumringe, Isotopen, chemische Zusammensetzung von Ozean- und Seesedimenten u.a. erlauben eine ungefähre Abschätzung weiter zurück liegender Aktivitäten. Danach gab es in den letzten 1000 Jahren Zeiten mit stärkerer ENSO-Aktivität wie Mitte des 17. und das späte 14. Jahrhundert und solche mit schwächerer Aktivität wie im 12., 14. und 15. Jahrhundert. Proxy-Daten zeigen, dass es das ENSO-Phänomen auch in den Kaltzeiten des Eiszeitalters gegeben hat, sogar im Letzten Glazialen Maximum (LGM) vor etwa 20 000 Jahren, als ENSO offenbar eine starke Aktivität besessen hat. Das zeigt, dass das Phänomen auf externe Antriebe wie die orbitale Strahlung reagieren kann.[4]

ENSO und die globale Erwärmung

Vor allem der El Niño von 1997/98 hat die Diskussion darüber angefacht, inwieweit sich in den bisherigen ENSO-Aktivitäten bereits die globale Erwärmung bemerkbar macht. So gibt es zwar Analysen, die die El-Niño-Aktivität der letzten 50-100 Jahre als Folge einer zunehmenden CO2-Konzentration interpretiert haben, aber ein wirklicher Nachweis fehlt immer noch. Die meisten Studien zeigen eher, dass die ENSO-Aktivität in dieser Zeit im Rahmen der natürlichen Variabilität liegt. Die Zusammenhänge sind so komplex, dass nicht einmal das Vorzeichen einer Änderung von ENSO durch die globale Erwärmung klar ist. Es gibt zu viele Faktoren, die ENSO beeinflussen können, so die Lage der Thermokline, die Stärke der Passate, die Wolkenbedeckung und die Strahlung. Nach einigen Modellberechnungen können sich Änderungen von ENSO wie in den letzten 1000 Jahren auch ohne Strahlungsantrieb allein aus interner Variabilität ereignen.[4] Dazu passt eine Langzeituntersuchung, die durch Analysen fossiler Korallen zu dem Ergebnis kommt, dass es in den letzten ca. 1000 Jahren keinen erkennbaren Zusammenhang zwischen ENSO und dem jeweiligen Hintergrundklima gegeben hat.[5] So gab es während der sogenannten "Kleinen Eiszeit" im 17. Jahrhundert starke El-Niño-Ereignisse und während des Mittelalterlichen Optimums keine auffällige ENSO-Aktivität. Die Variabilität des ENSO-Phänomens scheint hiernach unabhängig von den klimatischen Randbedingungen zu sein und im wesentlichen aus einer internen Dynamik heraus erzeugt zu werden.

Projektionen

Die globale Erwärmung wird nach Modellprojektionen zu Änderungen einiger globaler Muster führen, die auch wichtige Faktoren für ENSO sind. So wird erwartet, dass die Hadley- und Walker-Zirkulation durch die globale Erwärmung abgeschwächt werden. Damit werden auch die Passatwinde schwächer, was auch sowohl durch Beobachtungen wie Modelle bestätigt ist. Die Schwächung der Passate wird zu einer Abflachung der Thermokline führen sowie zu einer Reduzierung des kalten Auftriebswassers im Osten und einer relativen Erwärmung der ostpazifischen Meeresoberflächentemperatur im Vergleich zum Westen.[6] Allgemein wird erwartet, dass sich die Meeresoberflächentemperatur stärker im Ostpazifik als im Westpazifik erwärmt.[7] Der westpazifische Warmwasserpool wird sich dadurch weiter nach Osten ausdehnen. Als Folge werden sich die Passate weiter abschwächen. Im zentralen und östlichen äquatorialen Pazifik werden mehr Niederschläge fallen. Diese Änderungen werden als El-Niño-artig beschrieben, sind jedoch schwächer als bei einem El Niño und folgen anderen Mechanismen. Unklar bleiben die Folgen der globalen Erwärmung auf die Wolkenbildung und deren Einfluss auf die Strahlung und das ENSO-System. Vor allem aber ist nicht geklärt, ob der veränderte mittlere Status des tropischen Klimas im Pazifik-Raum auf die natürlichen Dekadenschwankungen des ENSO-Systems einen nennenswerten Einfluss haben wird. Nach dem Stand der gegenwärtigen Forschung ist es daher nicht zu entscheiden, ob die ENSO-Aktivität durch die globale Erwärmung zunehmen, abnehmen oder unverändert bleiben wird.[4][8]

Einzelnachweise

  1. Barnard, P.L., et al. (2017): Extreme oceanographic forcing and coastal response due to the 2015–2016 El Nino, Nature Communications, DOI: 10.1038/ncomms14365
  2. Huang, B., M. L'Heureux, Z.-Z. Hu, and H.-M. Zhang (2016): Ranking the strongest ENSO events while incorporating SST uncertainty, Geophys. Res. Lett., 43, 9165–9172, doi:10.1002/2016GL070888.
  3. Jiménez-Muñoz, J. C. et al. (2016): Record-breaking warming and extreme drought in the Amazon rainforest during the course of El Niño 2015–2016. Sci. Rep. 6, 33130; doi: 10.1038/srep33130
  4. 4,0 4,1 4,2 Vecchi, G. A. & Wittenberg, A. T.(2010): El Niño and our future climate: Where do we stand? Wiley Interdisciplinary Reviews: Climate Change 1, 260-270
  5. Cobb, K.M., C.D. Charles, H. Cheng, R.L. Edwards (2003): El Niño/Southern Oscillation and tropical Pacific climate during the last millennium, Nature 424, 271-276
  6. Collins, M. et al. (2010): The impact of global warming on the tropical Pacific Ocean and El Niño. Nature Geoscience 3: 391-397
  7. IPCC (2007): Climate Change 2007, Working Group I: The Science of Climate Change, 10.3.5.3
  8. IPCC (2007): Climate Change 2007, Working Group I: The Science of Climate Change, 10.3.5.4

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