Einzelne El-Niño-Ereignisse

Aus Klimawandel
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El Niño 1997/98

Als 1982/83 der erste sogenannte "Jahrhundert"-El Niño mit zum Teil verheerenden weltweiten Wirkungen auftrat, waren nicht nur die betroffenen Menschen, sondern auch die Wissenschaft überrascht. Man hatte den El-Niño weder vorhergesagt noch bis kurz vor seinem Höhepunkt überhaupt erkannt. Das war der Anlass für die Errichtung eines den gesamten Pazifik entlang des Äquators umspannenden Netzwerkes von Messbojen, das im Rahmen des 1994 abgeschlossenen internationalen TOGA-Programms (TOGA steht für "Tropical Ocean Global Atmosphere") eingerichtet wurde. Die Daten dieser Messbojen und die von verbesserten Land- und Schiffsmessungen wurden über Satelliten gebündelt und den Forschungsinstituten in aller Welt zur Verfügung gestellt. Dadurch konnte über den nächsten "Jahrhundert"-El-Niño von 1997/98 ein reichhaltiges Datenmaterial gesammelt werden, das ein ziemlich genaues Bild über Entstehung, Ablauf und Ende des Ereignisses erlaubte.[1] Und der El Niño konnte von Computermodellen fast ein dreiviertel Jahr vorhergesagt, wenn auch nicht in seiner Stärke erkannt werden.

Der Beginn

3-D-Visualisierung des El Niño von 1997/98

Der El Niño von 1997/98 brachte nicht nur das globale Wettergeschehen und die pazifischen Ökosysteme durcheinander, sondern verursachte schätzungsweise auch 33 Milliarden Dollar an Schäden und kostete rund 23 000 Menschen weltweit das Leben. Er übertraf in seiner Stärke und Wirkung deutlich den El Niño von 1982/83 und wurde von manchen Beobachtern als "das Wetterereignis des Jahrhunderts" bezeichnet. Er begann mit einer Schwächung der Passatwinde im westlichen und zentralen äquatorialen Pazifik, die Anfang 1997 zu einer schnellen Entwicklung ungewöhnlich warmer Meeresoberflächentemperaturen (SST) im östlichen Pazifik führten. Das westliche pazifische Warmwasser (SST >29 °C) wanderte mit dem Zusammenbruch der Passatwinde ostwärts, und die äquatoriale Kaltzunge, die als Folge des äquatorialen Auftriebs normalerweise den östlichen und zentralen Pazifik bis zur Datumsgrenze bestimmt, konnte sich im Nordsommer und -herbst 1997 nicht herausbilden. Der El Niño entwickelte sich so schnell, dass es bei den Meeresoberflächentemperaturen in jedem Monat von Juni bis Dezember 1997 zu einem neuen Rekord seit der Mitte des 19. Jahrhunderts kam. Auf der Höhe des Ereignisses, im Dezember 1997, füllte 28-29 °C warmes Wasser das gesamte äquatoriale Pazifik-Becken. Die Temperaturen lagen damit in der Region der kalten Zunge im Durchschnitt um 4 °C und mehr über dem Mittel.

Begleiterscheinungen

Die Schwächung und Umkehr der Passatwinde Anfang 1997 wurde durch eine Serie von Westwindereignissen entlang des Äquators angestoßen. Diese Ereignisse waren eine Folge der Madden-Julian-Oszillation (MJO), einer atmosphärischen Welle mit Ursprung über dem Indischen Ozean.[2] Durch diese Westwinde angetriebene ozeanische Strömungen transportierten Warmwasser entlang des Äquators nach Osten. Als Folge expandierte der Warmwasserbereich nach Osten und verstärkte die Westwinde. Die sich verstärkenden Westwinde lösten entlang des Äquators sogenannte Kelvinwellen mit wachsender Amplitude aus, die ostwärts wanderten und das Ozeanbecken in ca. zwei Monaten überquerten und Ende 1997 zur Absenkung der Thermokline im östlichen Pazifik um mehr als 90 m führten. Eine Absenkung der Thermokline begünstigte die Entwicklung von warmen Oberflächentemperaturen, weil das tiefere Kaltwasserreservoir, das den Auftrieb in die äquatoriale Kaltwasserzunge speist, in größere Tiefen gedrückt wurde. Im Westpazifik hob sich die Thermokline gleichzeitig um 20-40 m, und die Meeresoberflächentemperaturen gingen etwas herunter, hauptsächlich durch den Wärmeverlustes aufgrund verstärkter Verdunstung und durch die größere vertikale Durchmischung des Meereswassers aufgrund der MJO-verursachten ozeanischen Turbulenzen. Das Netto-Resultat dieser Prozesse war eine Abflachung der Neigung der Thermokline und das Verschwinden des normalen Ost-West-SST-Gradienten entlang des Äquators mit der Folge einer weiteren Abschwächung der Passatwinde.

Das Ende

Zu Beginn des Jahres 1998 überschritten die Meeresoberflächentemperaturen im östlichen Pazifik 29 °C, da die warme Anomalie noch durch die saisonale Erwärmung verstärkt wurde. Jetzt breitete sich aber der Anstieg der Thermokline von Westen her langsam in den zentralen und östlichen Pazifik aus. Östlich der Datumslinie blieben die SSTs jedoch ungewöhnlich hoch. Erst als die Passatwinde im östlichen Pazifik Mitte Mai plötzlich zur normalen Stärke zurückkehrten, konnte das kalte Tiefenwasser wieder aufsteigen. Wegen der großen Nähe der Thermokline zur Meeresoberfläche kam es in der äquatorialen Kaltzunge zu einem regelrechten Temperatursturz. Stellenweise fiel die SST um 8 °C in 30 Tagen, d.h. um mehr als das Zehnfache der normalen Abkühlungsrate um diese Jahreszeit. El Niño war zu Ende, und die kalten La-Niña-Bedingungen wurden etabliert.

Die Beobachtungen des "Jahrhundert"-El-Niños von 1997/98 können nicht nur zur Beantwortung der Frage nach den Mechanismen, die für El-Niño-Ereignisse überhaupt verantwortlich sind, beitragen. Sie werfen zugleich die Frage auf, worin die besonderen Gründe für diesen außerordentlich starken El Niño (und für seinen Vorgänger von 1982/83) liegen könnten und warum im 20. Jahrhundert eine Tendenz zu immer stärkeren El Niños und schwächeren und weniger häufigeren La-Niña-Ereignissen zu beobachten ist.

El Niño 2015/16

Einzelnachweise

  1. vgl. für die folgende Darstellung McPhaden, M.J. (1999): Genesis and Evolution of the 1997-98 El Niño, Science 283, 950-954; McPhaden, M.J. (1999): The child prodigy of 1997-98, Nature 398, 559-562
  2. Kirchhübel, L. - DWD (2015): Die Madden-Julian-Oszillation


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