Dürren im Mittelmeerraum

Aus Klimawandel
Abb. 1: Der italienische Stausee Lago di Montespluga 2013 und während der Po-Dürre 2022

Mediterrane Dürren und der Klimawandel

Wenige Wetterextreme richten so große ökologische und ökonomische Schäden an wie Dürren, unter denen jedes Jahr Millionen von Menschen zu leiden haben. Wegen ihrer langen Dauer und ihrer großräumigen Ausdehnung zählen Dürren für manche Regionen sogar zu den folgenreichsten Naturkatastrophen. Sie können den Grundwasserspiegel senken, Staudämme austrocknen (Abb. 1), die Wasserressourcen verringern und die Wasserqualität verschlechtern, was zu Hungerkatastrophen und Krankheiten führen kann. Dürren begünstigen Waldbrände und bedrohen in der Landwirtschaft die Nahrungsmittelproduktion durch Ernteschäden und Ertragsrückgänge. Ausbleibende Niederschläge sind zwar eine grundlegende Bedingung für das Entstehen von Dürren, aber nicht der einzige Einflussfaktor. Von wesentlicher Bedeutung sind auch die Temperatur und die davon abhängige Evapotranspiration (Verdunstung und Transpiration der Pflanzen), die bei höheren Temperaturen eine Austrocknung des Bodens und der Pflanzen bewirkt.

Abb. 2: Niederschlag, relative Luftfeuchtigkeit, Bodenfeuchte und Lufttemperatur 1979-2023 in SW-Europa

Die Bedeutung von Temperatur und Verdunstung für die Entstehung von Dürren zeigt sich besonders in der Region rund um das Mittelmeer. Der Mittelmeerraum wird auch deshalb als Hotspot des Klimawandels bezeichnet,[1] weil er zunehmend stark von Dürren betroffen ist. Dabei haben sich die mittleren jährlichen Niederschläge über längere Zeiträume, etwa im 20. Jahrhundert, kaum verändert (Abb. 2, o.l.). Allenfalls gibt es dekadische Schwankungen mit zu- und abnehmenden Phasen, die u.a. mit denen der Nordatlantischen Oszillation (NAO) in Zusammenhang gebracht wurden. Ein Zusammenhang mit der kontinuierlichen Zunahme anthropogener Treibhausgaskonzentration kann kaum nachgewiesen werden.[2] Nach Gonzalez-Hidalgo et al. (2023)[3] haben die jährlichen Niederschläge auch über der Iberischen Halbinsel nicht signifikant abgenommen und an manchen Monaten sogar zugenommen. So wurden für September und Oktober positive Trends festgestellt, für März schwache Abnahmen der Niederschläge. Neben der NAO könnten auch die abnehmende Belastung durch anthropogene Sulfataerosole eine Rolle gespielt haben.

Dennoch wurde die westliche Mittelmeer-Region (SW-Europa) "trockener". Sowohl die bodennahe Luftfeuchtigkeit (Abb. 2, o.r.) wie die Bodenfeuchte in den oberen 7 cm (Abb. 2, u.l.) zeigen seit den 1990er Jahren einen deutlich negativen Trend. Entscheidender Grund ist die zunehmende Lufttemperatur (Abb. 2, u.r.), durch die die Verdunstung und damit die Austrocknung des oberen Bodens und der bodennahen Luftschicht verstärkt wird. Darin und in den durch hohe Temperaturen, höhere Verdunstung und trockene Böden wesentlich verursachten Dürren zeigen sich dann doch die Auswirkungen der globalen Erwärmung. Das wird gestützt durch Modellsimulationen, die für das 21. Jahrhundert eine Abnahme der Niederschläge im Mittelmeerraum um 4% pro 1 °C globale Erwärmung sowie häufigere und länger anhaltende Dürren projizieren.[1]

Abb. 3: SPEI-Index 1950 bis 2022 in SO-Frankreich und N-Italien

Um die Änderung des Auftretens und der Intensität von Dürren zu erfassen, ist daher eine Berücksichtigung neben den Niederschlägen auch von Temperatur und Verdunstung notwendig, wie sie der häufig verwendete SPEI-Index vornimmt. Die Anwendung auf die im Jahr 2022 besonders von Dürren betroffenen Regionen SO-Frankreich und N-Italien zeigt deutlich zunehmende negative SPEI-Werte seit den 1990er Jahren mit den trockensten Verhältnissen im Jahre 2022 (Abb. 3). Die ausschlaggebenden Faktoren sind räumlich und zeitlich ausgedehntere Hochdruckbedingungen, höhere Temperaturen, eine dramatisch verstärkte Verdunstung und daraus folgende Bodentrockenheit, die im Wesentlichen auf den Klimawandel zurückzuführen sind.[4] Für die Rekord-Dürre 2022 in der Po-Ebene spielte zusätzlich, möglicherweise sogar entscheidend ein veränderter Schneefall eine Rolle (s.u.).[5]

Dürren der jüngsten Zeit

Die Dürre in der Po-Ebene 2022

Die Dürre 2022 in der Po-Ebene gilt als die schlimmste Dürre in der Region während der letzten 200 Jahre. Nie wurden so geringe Abflussmengen des größten italienischen Flusses, von dem eine der am dichtesten besiedelten Regionen Europa und der wichtigste Agrarraum Italiens abhängig sind, gemessen. Die Abflussmengen lagen um 30% unter denen von 2006, dem zweittrockensten Jahr der letzten Jahrzehnte. Besonders negativ waren die Wasserstände im Juni und Juli, den Monaten mit dem höchsten Bewässerungsbedarf.[5] Als Folge fiel vielfach die Bewässerung der landwirtschaftlichen Flächen aus, und aufgrund des niedrigen Wasserstands kam es zu einem nie dagewesenen Eindringen von Salzwasser bis zu 40 km von der Küste entfernt.[4] Staudämme am Alpenrand liefen leer (Abb. 1). In mehreren Städten wurde das Wasser rationiert, und die Leistung von Wasserkraftwerken wurde stark eingeschränkt.[5]

Abb. 4: Schnee-Wasser-Equivalent im Po-Becken im März 2022, verändert, übersetzt.

Die Wetterbedingungen waren im Winter 2021/22 durch einen Hochdruckrücken von Nordafrika bis zu den Britischen Inseln und von den Azoren bis nach Italien gekennzeichnet. Die Temperaturen lagen um 1,5 °C über dem Mittel von 1961-1990. Und die Niederschläge fielen zwischen 40% und 50% niedriger bzw. 300 mm geringer gegenüber der Periode 1991-2020 aus. Als Folge lag die Schneebedeckung im März 2022 bis zu 70% unter dem Durchschnitt (Abb. 4), der niedrigste Wert seit 1920/30, und die Schneegrenze in den Alpen befand sich mehrere Hundert m unter der üblichen Höhe.[6] Aufgrund höherer Temperaturen im Winter und Frühling von bis zu 3,5 °C Abweichung vom Mittel[7] fielen in tieferen Lagen die Niederschläge nicht nur als Regen statt als Schnee, sondern es schmolz auch der gefallene Schnee deutlich früher als in den Jahren davor.[6] Hohe Temperaturen sorgten vor allem im Sommer zusätzlich für eine höhere Verdunstung, die den Wassermangel auf den Bewässerungsflächen, die in jüngster Zeit deutlich zugenommen haben, weiter verstärkte.[5]

Dürren auf Sizilien und Sardinien 2024

Zwei Jahre später kam es in Italien erneut zu einer starken Dürre, dieses Mal auf den großen Inseln Sizilien und Sardinien. Beide Inseln sind wichtige landwirtschaftliche und touristische Zentren. Sie haben wie auch andere Regionen der Mittelmeerregion 2023 und 2024 unter außergewöhnlich geringen Niederschlägen und von Mai 2024 an unter extremen Dürrebedingungen gelitten. Sizilien erklärte im Mai 2024 den Wasser-Notstand. Die Wasserreservoire waren fast leer, obwohl bereits seit Februar der Wasserverbrauch rationiert war. In den letzten Monaten des Jahres 2023 betrugen die Niederschlagsdefizite auf Sizilien 220 mm, in manchen Regionen bis zu 80%. Durch die gleichzeitig höchsten Temperaturen in den letzten 30 Jahren verstärkte sich die Verdunstung mit der Folge der geringsten Bodenfeuchtigkeit seit 1995.[8]

Die Wasserversorgung der 5 Mio. Einwohner Siziliens beruht auf Wasser aus Oberflächen-Reservoiren und Grundwasservorräten. Die Wasserleitungen und Speicheranlagen sind zu einem großen Teil veraltet und verlieren die Hälfte des Wassers bei der Einspeisung in das Versorgungsnetzwerk. Sardinien besitzt ein reichhaltigeres Wasserangebot durch Flüsse und den größten Stausee Italiens, aber auch durch das Grundwasserangebot. Die Wassergewinnung und -verteilung ist auf neuestem Stand bis hin zur Satellitensteuerung. Dennoch ist auch hier der Wasserverlust bei der Verteilung hoch.[8]

Der Wassermangel während der jüngsten Dürre machte sich vor allem für die Landwirtschaft bemerkbar. Auf Sizilien waren die Bauern gezwungen Citrus-Pflanzen auszureißen, ihre Tiere zu schlachten oder durch teure private Wassertanks zu versorgen. In einigen Regionen fielen die Oliven vor der Ernte unreif von den Bäumen. Auch der Tourismus litt unter dem Wassernotstand. Durch den hohen Verbrauch beanspruchen Touristen gerade dann viel Wasser, wenn es am knappsten ist. Auf Sizilien mussten einige Städte Touristen abweisen, weil sie deren Versorgung mit Wasser nicht garantieren konnten.[8]

Einzelnachweise

  1. 1,0 1,1 IPCC AR6, WGII (2022): Cross-Chapter Paper 4: Mediterranean Region, FAQ CCP4.1
  2. MedECC (2020): Climate and Environmental Change in the Mediterranean Basin – Current Situation and Risks for the Future. First Mediterranean Assessment Report [Cramer, W., Guiot, J., Marini, K. (eds.)] Union for the Mediterranean, Plan Bleu, UNEP/MAP, Marseille, France, 632pp. ISBN: 978-2-9577416-0-1 / DOI: 10.5281/zenodo.7224821
  3. Gonzalez-Hidalgo, J. C., S. Beguería, D. Peña-Angulo & V. Trullenque-Blanco (2023): MOPREDAS_century database and precipitation trends in mainland Spain, 1916–2020. International Journal of Climatology, 43(8), 3828–3840
  4. 4,0 4,1 Faranda, D. and S. Pascale and B. Bulut (2023): Persistent anticyclonic conditions and climate change exacerbated the exceptional 2022 European-Mediterranean drought, Environmental Research Letters 18, 3
  5. 5,0 5,1 5,2 5,3 Montanari, A., H. Nguyen, S. Rubinetti et al. (2023): Why the 2022 Po River drought is the worst in the past two centuries.Sci. Adv.9, eadg8304. DOI:10.1126/sciadv.adg8304
  6. 6,0 6,1 Avanzi, F., F. Munerol, M. Milelli et al. (2024): Winter snow deficit was a harbinger of summer 2022 socio-hydrologic drought in the Po Basin, Italy. Commun Earth Environ 5, 64
  7. Bonaldo, D., Bellafiore, D., Ferrarin, C. et al. (2023): The summer 2022 drought: a taste of future climate for the Po valley (Italy)?. Reg Environ Change 23, 1
  8. 8,0 8,1 8,2 Zachariah, M., G. Fioravanti, J.C. Acosta Navarro (2024): Climate change key driver of extreme drought in water scarce Sicily and Sardinia

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