Arktische Vegetation

Aus Klimawandel

Die Arktis

Anders als die Antarktis, die fast ganz von Eis bedeckt und von großen Wassermassen umgeben vom Rest der Welt isoliert ist, besteht die Arktis m Zentrum aus dem kleinsten Ozean der Erde und einem angrenzenden schmalen Landstreifen, der den Nordrand der großen Kontinente Eurasien und Nordamerika bildet. Der Arktische Ozean bedeckt etwa 10 Mio km2. Das Landgebiet der Arktis umfasst 7,1 Mio km2, was etwa 4,8 % der globalen Landfläche ausmacht. Landschaftlich ist die terrestrische Arktis durch die offene Landschaft der Tundra und die nördlich anschließende polare Wüste gekennzeichnet.[1]

Die südliche Grenze der Arktis ist nicht eindeutig. Geophysikalisch gesehen ist die Arktis das Gebiet nördliche des Polarkreises. In ökologischer Hinsicht wird zumeist das Gebiet nördlich der Baumgrenze mit einer Temperatur unter 10-12 °C im wärmsten Monat Juli zur Arktis gezählt. Es gibt jedoch keine klare Grenze zwischen dem Gebiet der borealen Wälder im Süden und der Tundra im Norden, sondern lediglich eine Übergangszone zwischen einem geschlossenen Waldgebiete, einer gemischten Wald-Tundra-Zone und der Tundra. Diese Übergangszone ist mit 30-150 km relativ schmal, erstreckt sich aber rund um die nördliche Hemisphäre und ist 13 400 km lang. Sie wird gelegentlich auch als Subarktis oder Baum-Tundra bezeichnet. Sie verläuft mal mehr südlich, mal nördlich des Polarkreises bei 66,5 °N. Verantwortlich dafür sind vor allem kalte und warme Meeresströmungen, die wie im östlichen Kanada die arktische Tundra bis fast 51 °N nach Süden vordringen lassen und in Norwegen noch bei 69 °N Ackerbau ermöglichen. Klimatisch wird die Arktis oft durch die 10 °C-Isotherme im Juli nach Süden abgegrenzt.[2]

Die Vegetation der Arktis

Da die terrestrische Arktis den Nordrand der großen Kontinente Eurasien und Nordamerika einnimmt, steht sie in engem Austausch mit Flora und Fauna der südlich angrenzenden Regionen. Eine Folge ist der im Vergleich zur Antartkis hohe terrestrische Artenreichtum von 14 000 Arten sowie das Vorhandensein von auf dem Land lebenden Raubtieren wie Fuchs, Wolf und Eisbär. Das Fehlen solcher Raubtiere hat in der Antarktis den Pinguinen ihre hohe Population erst ermöglicht.

Dennoch ist auch die Arktis im Vergleich mit anderen Regionen der Erde eher artenarm. Gründe sind das relativ junge Alter der Ökosysteme seit der letzten Eiszeit, die geringe solare Einstrahlung, die extrem starken Unterschiede zwischen Sommer- und Wintertemperaturen mit bis zu 80 °C Differenz und die Abnahme der Lebensgrundlagen mit zunehmender Breite. Bestimmende Faktoren sind außerdem kühle Sommer sowie eine kurze Wachstumszeit mit niedriger Primärproduktion und geringer Biomasse.[1]

Der Artenreichtum der Gefäßpflanzen-Flora nimmt nach Norden stark ab. Die Hoch-Arktis, deren Landschaft durch Frostschutt geprägt ist, ist nahezu vegetationslos. In der Nieder-Arktis herrscht die Tundra vor, mit Sträuchern, Gräsern und Moosen. Es folgt nach Süden die Sub-Arktis als Übergang zur bewaldeten Taiga.[3]

Die arktische Tundra seit der letzten Eiszeit

Die arktische Tundra besteht aus relativ jungen Pflanzengemeinschaften. Der größte Teil der Pflanzen in der heutigen Arktis ist in den letzten 8000-10000 Jahren eingewandert.[3] Während des letzten Glazialen Maximums vor ca. 21 000 Jahren lagen große Eisschilde über weite Bereiche der Arktis, auch über heutigen Schelfgebieten, da der Meeresspiegel etwa 120 m tiefer lag. Ausnahmen waren Ostsibirien, Alaska sowie die heutige Beringstraße, die damals eine Landbrücke zwischen Sibirien und Alaska bildete. Südlich der Eisschilde existierte eine baumfreie, der heutigen Tundra ähnliche Vegetation, die jedoch wegen der höheren Sonneneinstrahlung im Sommer wesentlich produktiver war und insofern eher einer Steppe ähnelte und z.B. den Mammuts genügend Nahrung bot. Diese glaziale Steppen-Tundra war etwa doppelt so groß wie die heutige arktische Tundra und reichte über 1000 km weiter nach Süden. Und sie war artenreicher als die Tundra der Gegenwart.[2]

Gegen Ende der letzten Eiszeit vor rund 15 000 bis 12 000 Jahren wurde die Steppen-Tundra in den südlichen Bereichen durch eine Busch-Tundra und schließlich durch boreale Wälder ersetzt. Das anschließende frühe Holozän erlebte dann eine höhere Einstrahlung als heute und war eine relativ warme Epoche. Die wärmeren Sommer führten zu einer weiteren Ausdehnung der Wälder als gegenwärtig, wobei auch das positive Albedo-Feedback durch die dunklere Waldoberfläche eine wichtige Rolle spielte. Das Tempo der Waldausdehnung wird auf 0,2 bis 2 km pro Jahr geschätzt; die Baumgrenze lag 50-200 km nördlich der heutigen Baumgrenze. Im nördlichen Russland hatte z.B. um 10 200 Jahre v.h. die Baumgrenze die aktuelle Küstenlinie zum Arktischen Ozean erreicht, wobei die damalige Küstenlinie wegen des niedrigeren Meeresspiegels allerdings weiter nördlich lag. Als anschließend der Meeresspiegel weiter anstieg, wurde die Tundra in ihrer Ausdehnung über mehrere Tausend Jahre auf ein Minimum von etwa 80 % der heutigen Fläche reduziert. In der zweiten Hälfte des Holozän zeichnete sich dann jedoch wieder ein Abkühlungstrend ab, der bis zur Kleinen Eiszeit anhielt. Die Folge war ein Rückzug der Baumgrenze nach Süden, die um 4 500 v.h. etwa ihre heutige Position erreichte. Gleichzeitig dehnte sich die Tundra aus.[2]

Aktuelle Veränderungen der arktischen Tundra

In der arktischen Tundra ist die Produktivität der Vegetation bereits in den letzten Jahrzehnten sowohl in Nordamerika wie im nördlichen Eurasien deutlich angestiegen. Eine wesentliche Ursache ist das starke Anwachsen und die flächenmäßige Ausdehnung der Strauchvegetation, die z.B. im subarktischen Schweden in den letzten 20 Jahren um 200 % zugenommen hat.[4] Dadurch hat die oberirdische Biomasse der Tundra um etwa 20 % bzw. von ca. 357 g/m2 auf 430 g/m2 zugenommen.[5] Ein Beleg ist das durch Satelliten beobachtete Grünerwerden von weiten Gebieten der arktischen Tundralandschaft, was mit hoher Wahrscheinlichkeit auf die globale Erwärmung zurückgeführt werden kann.[6] Zwischen 1982 und 2012 ist ein Drittel der Arktis im Zusammenhang mit wärmeren Sommermonaten grüner geworden.

Allerdings werden die Pflanzen der Tundra nicht nur durch die höheren Temperaturen verändert. Auch andere Faktoren wie die Zunahme der Anzahl der Pflanzenfresser, die industrielle Entwicklung und zunehmende Trockenheit spielen eine Rolle. So haben die Trampelpfade von Rentieren im nördlichen Finnland dazu geführt, dass große Flächen von Flechten verschwunden sind.[4] Einige dieser Faktoren haben möglicherweise dazu geführt, dass seit der Jahrhundertwende in bestimmten Gebieten ein Brauerwerden der Tundra beobachtet wurde. Die Ursachen sind nicht endgültig geklärt. Neben den oben genannten möglichen Ursachen kommen auch die Verringerung von Permafrost und anschließende hydrologische Veränderungen, in einigen Gebieten geringere Sommertemperaturen, in anderen extreme Hitze, stärkere Stürme und der Ausbruch von Krankheiten in Frage.[5]

Da sich über der Strauchvegetation im Vergleich zu Gräsern, Flechten und Moosen eine weniger dichte und zusammenhängende Schneedecke bildet, wird dadurch die Oberflächenalbedo reduziert und es kommt zu einer positiven Rückkopplung, die eine verstärkte Erwärmung und weitere Verbreitung der Strauchvegetation zur Folge hat. Eine Auswirkung ist das Tauen von Permafrost, eine weitere die Zunahme von Feuerausbrüchen.[6]

Die arktische Tundra im 21. Jahrhundert

In der Größenordnung entspricht der Unterschied zwischen dem Klima der Eiszeit und der Gegenwart etwa dem, der durch den anthropogenen Klimawandel bis zum Ende des 21. Jahrhunderts zu erwarten ist. Die Veränderungen vollziehen sich jedoch in einem wesentlich höheren Tempo. Die Folgen für die arktische Vegetation werden nach Modellprojektionen darin bestehen, dass in einem Zeitraum von 100 Jahren 11-50 % der Tundra durch borealen Wald ersetzet wird. Das Vordringen des Waldes wird nach einem ähnlichen Muster wie während der Erwärmung im frühen Holozän ablaufen, aber in deutlich kürzerer Zeit.[7] Insofern wird die zukünftige Entwicklung der arktischen Vegetation wahrscheinlich ohne Analogie in der Vergangenheit sein.

Die Baumgrenze wird gegen 2100 wahrscheinlich mehr als 500 km weiter nördlich liegen als heute, wobei die Rate der Migration 5-10 km/Jahr (gegenüber 0,2-2 km/Jahr am Ende der letzten Eiszeit) betragen könnte.[2] Aktuellere Modellprojektionen sehen 11-50 % der Tundra bis 2100 durch Wald ersetzt, bei einer Verschiebung der Baumgrenze nach Norden um 7,4-20 km pro Jahr. Nach Beobachtungsdaten, die eine maximale Verschiebung der Baumgrenze nach Norden von 3-10 m pro Jahr ergeben haben, ist dieses prognostizierte Migrationstempo möglicherweise jedoch deutlich zu hoch. Außerdem hat sich in den letzten 100 Jahren die Baumgrenze nur in 52 % der untersuchten Gebiete in höhere Breiten verschoben.[4]

Veränderung der Vegetationsbedeckung werden erheblich Rückkopplungsprozesse zur Folge haben. Durch die Erwärmung und den CO2-Düngungsdeffekt wird sich die jährliche Nettoprimärproduktion im Allgemeinen erhöhen. Das wird wahrscheinlich zu einer höheren CO2-Aufnahme und einer Zunahme der Verdunstung führen, wodurch die Klimaerwärmung abgeschwächt würde, also ein negativer Rückkopplungseffekt eintritt. Lokal kann die Schattenbildung von Büschen und Bäumen auch die Bodentemperatur erniedrigen und damit das Auftauen von Permafrost sowie die Freisetzung von Kohlenstoff verringern – ebenfalls ein negativer Rückkopplungseffekt. Andererseits ist mit einer positiven Rückkopplung durch die Abnahme der Albedo zu rechnen, die nach bisherigen Berechnungen dominieren wird. So kann sich die Albedo im Frühling um bis zu 18 % verringern. Aber auch die Verdunstung kann zu einer positiven Rückkopplung führen, weil dadurch die Wasserdampfkonzentration in der Atmosphäre steigt und Wasserdampf aber ein Treibhausgas ist.[7], [8]

In Europa werden besonders die Ökosysteme in den skandinavischen Gebirgsregionen von Veränderungen betroffen sein. Wälder werden sich bis 2071-2100 in die Hochgebirge ausbreiten, wo heute eine niederwüchsige Tundra vorherrscht, und durch Schatten dir bodenwüchsige Vegetation unterdrücken. Die Verschiebung der Baumgrenze verursacht zusätzlich zu der Schneeschmelze eine weitere Reduzierung der Albedo im Winter um 0,15-0,20, die zu einer Temperaturerhöhung von 0,2 bis 1,0 °C führt. Der Grund ist die Bedeckung der Schneefläche durch dunklere Baumkronen. Eine ähnliche Albedo-Reduzierung wird es auch im Frühjahr geben. Allerdings wird der Erwärmungseffekt teilweise durch eine höhere Verdunstung ausgeglichen, die eine Abkühlung bewirkt. Im Sommer und Herbst überwiegt sogar der Verdunstungseffekt. Walbewuchs speichert eine größere Menge Niederschlag im Vergleich zur Tundravegetation. Bei der Verdunstung entsteht verstärkt latente Wärme, die der unteren Atmosphäre Energie entzieht. Im Winter ist dagegen wegen der niedrigen Temperaturen der Verdunstungsfaktor vernachlässigbar.[9]

Einzelnachweise

  1. 1,0 1,1 Conservation of Arctic Flora and Fauna (CAFF), Arctic Council (2013): Arctic Biodiversity Assessment Status and trends in Arctic biodiversity. Synthesis.
  2. 2,0 2,1 2,2 2,3 ACIA (2005): Arctic Climate Impact Assessment 2005, Chapter 7: Arctic Tundra and Polar Desert Ecosystems
  3. 3,0 3,1 Daniels, F.J.A., D. Thannheiser und C. Wüthrich (2014): Flora und Vegetation des terrestrischen Bereichs. – In: J. L. Lozan et al. Warnsignale Klima. Die Polarregionen. Hamburg, S.128-135
  4. 4,0 4,1 4,2 IPCC (2014): Climate Change 2014, Working Group II: Impacts, Adaptation and Vulnerability, 28.2.3.1.2
  5. 5,0 5,1 Epstein, H.E., et al. (2014): Tundra Greenness, NOAA Arctic Report Card: Update for 2014
  6. 6,0 6,1 IPCC (2014): Climate Change 2014, Working Group II: Impacts, Adaptation and Vulnerability, 4.3.3.4
  7. 7,0 7,1 IPCC (2014): Climate Change 2014, Working Group II: Impacts, Adaptation and Vulnerability, 28.3.3.1
  8. Pearson, R.G., et al. (2013): Shifts in Arctic vegetation and associated feedbacks under climate change, Nature Climate Change 3, 673–677, doi:10.1038/nclimate1858
  9. Wramneby, A., B. Smith, and P. Samuelsson, 2010: Hot spots of vegetation – climate feedbacks under future greenhouse forcing in Europe. Journal of Geophysical Research D: Atmospheres, 115(D21), D21119, doi:10.1029/2010JD014307

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