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* [https://bildungsserver.hamburg.de/resource/blob/265248/e1f3aa27b4997ae4b9cd0b46ad3af55a/2014-nordpolareis-data.pdf Arktisches Meereis] Ursachen und Folgen der Eisschmelze (Schülerpraktikant am DKRZ)
* [https://bildungsserver.hamburg.de/resource/blob/756408/1aceb225f6e10ab4fbaa35aede5974d4/2014-nordpolareis-data.pdf Arktisches Meereis] Ursachen und Folgen der Eisschmelze (Schülerpraktikant am DKRZ)
* [https://bildungsserver.hamburg.de/resource/blob/265194/401bcd03b98c3621c73e61c45c1691bf/2014-nordostpassage-data.pdf Die Nordostpassage] über wirtschaftliche und ökologische Auswirkungen einer freien Nordostpassage (Gymnasium Grootmoor, Hamburg)
* [https://bildungsserver.hamburg.de/resource/blob/756244/66cd7751585f72c73ebeeabc4698d81a/2014-nordostpassage-data.pdf Die Nordostpassage] über wirtschaftliche und ökologische Auswirkungen einer freien Nordostpassage (Gymnasium Grootmoor, Hamburg)
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Aktuelle Version vom 21. November 2024, 18:38 Uhr

Abb. 1: Das Meereis-Minimum im September 2012 im Vergleich zu dem mittleren Minimum 1979-2000 (gelb).

Veränderungen des arktischen Meereises

Abb. 2: Septembermittel der Meereisausdehnung in der Arktis 1979-2020. Meereisausdehnung: Fläche mit über 15 % Meereisbedeckung.
Abb. 3: Meereisausdehnung im Sept. 2020 im Vergleich mit weiteren Jahren und dem Mittel 1981-2010 (mit Schwankungsbreite) in Mio. km2.

Veränderungen der Ausdehnung

Die Ausdehnung von Meereis[1] lässt sich seit den 1970er Jahren ziemlich gut durch Satellitenbeobachtungen erfassen. Alle Beobachtungen zeigen für die letzten Jahrzehnte eine deutliche Abnahme der arktischen Meereisbedeckung, im spätsommerlichen Minimum im September um etwa 8 % pro Jahrzehnt. Die Meereisdecke der Antarktis nahm dagegen bis 2017 im Winter leicht um 0,5% pro Jahrzehnt zu und blieb im Sommer ungefähr gleich. Seitdem nimmt aber auch das antarktische Meereis stark ab. Im Spätsommer 2022 und 2023 wurden dabei Rekordwerte erzielt. Zum ersten Mal lag die Ausdehnung des Meereises rund um die Antarktis bei weniger als 2 Mio. km2. Auch der Trend in der Arktis hat sich in den letzten Jahren noch verstärkt. Seit den 1950er und 1960er Jahren hat sich im September, dem Monat mit der geringsten Ausdehnung im Jahresverlauf, die Meereisausdehnung um mehr als die Hälfte verringert. Betrug sie damals noch etwa 8 Mio km2, so lag sie im September 2012 bei nur noch 3,4 Mio. km2 und im September 2020 bei 3,7 Mio. km2.

Abb. 4: Meereisausdehnung und -konzentration am 17.9.2020 in %

Von 1979 bis 2006 betrug die Abnahme der Meereisbedeckung im September 8,9 % pro Jahrzehnt. Während 1982 die Ausdehnungen noch 7,5 Millionen km2 betrug, waren es 2005 nur noch 5,6 Millionen km2, eine Differenz von 25 %.[2] Das Minimum von 2005 wurde jedoch noch bei weitem übertroffen von den Verhältnissen im Jahre 2007, als das Minimum am 16. September nur noch 4,14 Million km2 betrug.[3] Die Nordwestpassage war seit Beginn der Satellitenmessungen zum ersten Mal eisfrei. 2008 wurde das Minimum von 2007 nur wenig verfehlt. Aber dieses Mal waren dafür beide Schiffspassagen, die Nordwest- und die Nordostpassage, offen.[4] Die Minima 2007 und 2008 lagen sogar um 37 % unter dem Mittel von 1980-1999, was zur Folge hatte, dass 60 % des arktischen Ozeans nicht vom Eis bedeckt waren. Die Simulation von Klimamodellen hatte ein solches Minimum erst 30 Jahre später erwartet.[5]

Ein neues Rekordminimum, das noch einmal deutlich unter dem Wert von 2007 lag, wurde dann im September 2012 erreicht (Abb. 1 und 2). Die 4-Millionen-km2-Marke wurde deutlich unterschritten. Am 16. September betrug die Eisbedeckung 3,41 Mio. km2 und lag damit um 760 000 km2, was etwa der doppelten Fläche Deutschlands entspricht, unter dem Minimum von 2007. Damit wurde der Mittelwert der Jahre 1979-2000 von 6,7 Mio. km2 nahezu halbiert. Ein Grund für den starken Eisverlust 2012 ist darin zu sehen, dass das Meereis der Arktis zunehmend dünner geworden ist. Dieses dünne Eis kann leichter durch besondere Wetterereignisse aufgebrochen und abgeschmolzen werden. So hat Anfang August 2012 auch ein großes Tiefdruckgebiet mit starken Stürmen über der Arktis dazu beigetragen, dass das dünne Eis über weite Flächen zerstört wurde.[6] Allerdings betrug der Anteil des Sturmtiefs an der Eis-Reduktion nur 4,4 %, so dass auch ohne das Sturmtief das Rekordminimum im Jahr 2012 erreicht worden wäre.[7]

Nach 2012 hatte sich die Abnahme des arktischen Meereises etwas verlangsamt. Mitte September 2020 verringerte sich die Ausdehnung jedoch fast so stark wie 2012 (Abb. 3). Sie lag am 15. September bei 3,74 Mio. km2 und fiel damit seit Beginn der Satellitenmessungen nach 2012 zum zweiten Mal unter 4 Mio. km2. Nördlich von Skandinavien und Russland bildete sich eine breite eisfreie Zone. Die Eiskante lag nördlich des 85. Breitengrads weit nördlich der Inselgruppen Spitzbergen, Franz-Josef-Land und Sewernaja Semlja und damit so weit im Norden wie bisher noch nie in der Satellitenära (Abb. 4).[8]

Veränderungen von Eisdicke und -volumen

Auch die Meereisdicke scheint in der Arktis deutlich abgenommen zu haben. Das Meereis der Arktis wird unter heutigen Klimabedingungen einige Dezimeter bis etwa drei Meter dick. Es bildet daher nur eine dünne Haut auf dem Arktischen Ozean und kann leicht durch Winde und Meeresströmungen bewegt und dabei auch aufgerissen oder zusammengeschoben werden. Regional und lokal kann das Eis infolgedessen sehr unterschiedlich dick sein. Dabei findet sich das dickste Eis nicht unbedingt in Gebieten mit den niedrigsten Temperaturen, sonder vielmehr dort, wo es durch Eisdrift zusammengeschoben wird. Im Arktischen Ozean gibt es entsprechend den mittleren Windsystemen zwei große Driftsysteme. Im Beaufortwirbel nördlich der Küsten Alaskas zirkuliert das Eis im Uhrzeigersinn. Im Transpolarstrom wird es von den Küsten Sibiriens über den Nordpol in die Framstraße zwischen Spitzbergen und Grönland transportiert.[9] Entsprechend finden sich großräumig gesehen das dünnste Eis vor den Küsten Sibiriens und das dickste Eis vor den Küsten Grönlands und Kanadas. Genauer findet sich das dickste Eis im Frühjahr mit rund 3 m in der Beaufortsee und im Gebiet des Nordpols, das dünnste mit rund 1 m zu Beginn des Herbstes in der Kara-, Laptew- und Tschuktschensee.[10] Außer durch punktuelle Bohrungen wurde die Eisdicke in der Vergangenheit vor allem durch Echolotmessungen von U-Booten aus gemessen. In jüngster Zeit sind elektromagnetische Induktionsmessungen durch Hubschraubersonden hinzugekommen. Die U-Boot-Messungen zeigen zwischen den 1950er und 1990er Jahren im zentralen Arktischen Ozean eine Abnahme der Eisdicke um 43% bzw. von 3,1 auf 1,8 m. Die Hubschrauber-Messungen ergaben eine Abnahme von 2,5 auf 1,95 m bzw. um 22% von 1991 bis 2001 zwischen Spitzbergen und dem Nordpol.[11]

Abb. 5: Änderung des Meereisvolumens in der Arktis 1984 bis 2018 nach verschiedenen Messungen

Das Eisvolumen wird einerseits durch die Dicke des Eises bestimmt, andererseits durch seine Ausdehnung. Im Jahresverlauf zeigt das Eisvolumen über den ganzen Arktischen Ozean ein Minimum von 6770 km3 im September sowie ein Maximum von 21 737 km3 im Mai. Zwischen 1984 und 2018 hat das Volumen des Meereises des Arktischen Ozeans auf der Basis von Berechnungen aus dem Alter des Eises jährlich um -474 km3/Jahr abgenommen. Bei anderen Methoden liegen die Werte z.T. deutlich darunter. Die stärkste Abnahme wurde im Mai mit -537 km3/Jahr, die geringste im September mit -251 km3/Jahr festgestellt.[10] Nach Modellsimulationen, die versuchen, die Meereisdicke und ihre Veränderungen und damit auch die Abnahme des Eisvolumens nachzubilden,[12] hat das Volumen des arktischen Meereises am Ende des Sommers von 20.000 km3 in den 1980er Jahren auf bis zu 4000 km3 in den 2010er Jahren abgenommen. Das bedeutet einen Verlust von Dreivierteln des Gesamtvolumens des Meereises. Andere Berechnungen kommen auf eine Halbierung des Eisvolumens zwischen den 1980er und 2010er Jahren (Abb. 5). Dabei wird die Änderung des Eisvolumens von November bis Mai zu 80% (im August und September zu 50%) durch die Abnahme der Eisdicke und nur zu 30% durch die Abnahme der Eisausdehnung verursacht.[10]

Abb. 6: Änderung des arktischen Meereisalters in der Woche 22.-28. Oktober 1985 bis 2019. Ausdehnung in Mio. km2.

Ein- und mehrjähriges Eis

Satellitenbeobachtung und Bojen erlauben eine Bestimmung des Eisalters seit den 1980er Jahren. In den frühen und mittleren 1980er Jahren bestanden 38 % der Eisbedeckung im Frühling aus einjährigem Eis, der Rest aus älterem Eis, wovon 30 % fünf und mehr Jahre alt war.[13] 1985 war ca. ein Drittel der Eisausdehnung des Arktischen Ozeans bzw. 2,52 Mio. km2 vier Jahre und älter, im März 2019 waren es nur noch 1,2% bzw. 0,09 Mio. km2. Heute wird die Meereisbedeckung durch einjähriges Eis dominiert. Es machte im März 2019 etwa 70% aus, im Vergleich zu 35-50% in den 1980er Jahren.[14] Von Jahr zu Jahr gibt es allerdings Schwankungen, die jedoch den langfristigen Trend nicht umkehren. So hatte sich 2020 der Anteil von vier- und mehrjährigem Eis auf 4.3% bzw. 326 km2 gegenüber 2019 etwas erhöht.[15] Einjähriges Eis im Frühling bedeutet, dass dieses Eis sich im vorhergehenden Herbst und Winter gebildet hat. Mehrjähriges Eis ist im Allgemeinen dicker als einjähriges Eis und widerstandsfähiger gegenüber Veränderungen durch atmosphärische und ozeanische Antriebskräfte. Das einjährige Eis ist dünner und schmilzt leichter im Sommer.

Ursachen der Eisschmelze

Abb. 7: Reflexion und Absorption von Sonneneinstrahlung bei Meereis und eisfreiem Ozean

Für die beobachteten Veränderungen der Eisausdehnung und Meereisdicke kommen verschiedene Ursachen in Frage. Sie können sowohl thermischer wie dynamischer Natur und natürlich oder anthropogen bedingt sein.

Änderungen des Klimas

Die wichtigste Ursache des starken Abschmelzens des arktischen Meereises liegt in der globalen Erwärmung, die aufgrund verschiedener Mechanismen in der Arktis besonders stark ausfiel (s. Arktische Verstärkung). Bei einer globalen Erwärmung um 1 °C verringert sich im September die Eisausdehnung der Arktis auf längere Sicht um 3,3-4 Mio. km2, im März um ca. 1,6 Mio. km2. Der jährliche Eisverlust pro Tonne CO2-Emission reicht von 1 m2 im Winter bis mehr als 3 m2 im Sommer. Die Emission einer Tonne CO2 wird z.B. bei einem Flug von London nach New York und zurück durch einen einzelnen Passagier verursacht. Bei weiteren Emissionen von 800 Gt CO2 wird der Arktische Ozean im August und September eisfrei werden, bei einer Emissionen von 1400 GtC vom Juli bis Oktober. Die aktuelle Emissionsrate beträgt ca. 40 Gt CO2 pro Jahr.[16]

Außerdem drang in den letzten zwei bis drei Jahrzehnten verstärkt warmes Meereswasser aus dem Atlantik und Pazifik in den Arktischen Ozean ein. Eine Folge der Erwärmung von Atmosphäre und Meerwasser war die Vorverlegung des Beginns der sommerlichen Eisschmelze und die Verschiebung ihres Endes in den späteren Herbst hinein. Die dadurch verkürzte winterliche Eisbildungsperiode erlaubte in vielen Regionen, in denen früher mehrjähriges Eis lag, keine Eisdicken mehr, die den nächsten Sommer überdauerten. Die Schmelzsaison beginnt um drei Tage pro Jahrzehnt früher und hört um 6 Tage pro Jahrzehnt später auf. Die größte Verlängerung der Schmelzsaison zeigt die Barentssee mit 40 Tagen/Jahrzehnt. Über die gesamte Zeit Satellitenbeobachtung von 40 Jahren kam es in der Arktis insgesamt zu einem früheren Schmelzbeginn von 12 Tagen und einem späteren Schmelzende von 28 Tagen bzw. zu einer Verlängerung der Schmelzsaison um 40 Tage.[16]

Änderungen der Albedo

Ein weiterer sehr wichtiger Effekt ist die Änderung der Albedo: Die Ausdehnung eisfreier Flächen reduziert großflächig die Reflexion und verstärkt die Absorption der solaren Einstrahlung durch das Meerwasser (Abb. 6). Offenes Wasser hat eine Albedo von lediglich 0,07 gegenüber 0,65 von unbedecktem und 0,85 bei schneebedecktem Eis.[13] Dadurch erwärmt sich nicht nur das Meerwasser, sondern auch die darüber liegende Atmosphäre, wodurch weiteres Eis zum Schmelzen gebracht und die Eisbildung im Herbst verzögert wird. Die sich auf diese Weise selbst verstärkende Meereis-Albedo-Rückkopplung hat so von Jahr zu Jahr zu einer immer geringer werdenden Eisbedeckung geführt.

Abb. 8: Entwicklung der Meereis-Albedo (oben) und der Albedo des gesamten Gebietes von Meereis und offenem Ozean (unten) in der Arktis 1982-2009

Die Oberflächenalbedo des Arktischen Ozeans ist in den letzten Jahrzehnten deutlich zurückgegangen. Das betrifft sowohl die kombinierte Fläche von Offenem Ozean und Eisflächen als auch die Albedo auf den Eisflächen selbst. Zum einen ist der Rückgang der Albedo bedingt durch die Verringerung der Meereisfläche, durch die eine zunehmende Wasseroberfläche frei wird, die eine deutlich kleinere Albedo als Eis besitzt. Aber auch die Eisflächen selbst haben sich zunehmend in Richtung einer geringeren Albedo verändert. Das frühe Schmelzen im Jahresverlauf beseitigt den frisch gefallenen Schnee und gibt dunklere Eisflächen frei und es bilden sich Schmelzwasserflächen auf dem Eis.[17] Besonders extrem war die Eis-Albedo-Rückkopplung im Jahre 2007. Im Mittel überleben 40 % des einjährigen und 80 % des älteren Eises die Schmelzsaison. 2007 waren im September jedoch nur 16 % des einjährigen Eises übrig. Und in manchen Regionen nahm der obere Ozean fünf mal mehr solare Energie auf als im Durchschnitt der Jahre 1979-2005.[13]

Auch die Ablagerung von Ruß auf arktischem Eis und Schnee verringert die Albedo der Oberfläche und erhöht die Absorption von Strahlung, wodurch es ebenfalls zum Schmelzen von Eis und Schnee kommt. Die Masse des arktischen Rußes stammt aus Gebieten südlich des 60. Breitengrades, besonders aus Nordamerika, Europa, Russland und Asien. In Jahren verbreiteter Waldbrände stammen allein 30 % der arktischen Rußablagerungen aus Waldbränden in Nordamerika und Sibirien.[18]

Die positive Rückkopplung durch den Eis-Albedo-Effekt führt jedoch in der Arktis nicht zu einem Kipppunkt, der das Abschmelzen durch Selbstverstärkung ungebremst beschleunigen würde. Ihr steht ein negativer Feedback-Prozess gegenüber. Bei einem starken Eisverlust im Sommer kommt es im darauf folgenden Winter in den Regionen, die im Sommer eisfrei geworden sind, zu einer starken Wärmeabgabe des Ozeans an die Atmosphäre. Das kühlere Meerwasser wiederum fördert im späteren Winter den Gefrierprozess. Der folgende Sommer zeigt daher gegenüber dem Vorjahr in der Regel wieder eine größere Eisbedeckung. Diese negative Rückkopplung schwächt sich jedoch mit der zunehmenden Erwärmung der Arktis auch im Winter ab.[16]

Atmosphärische Dynamik

Eine weitere Ursache sind Veränderungen in der atmosphärischen Dynamik hin zu einem positiven AO- und NAO-Index und zu einer negativen Phase der Pazifischen Dekadenoszillation (PDO). Diese Veränderungen hatten zur Folge, dass sich der Beaufortwirbel abschwächte und Zyklonen zunehmend in das arktische Kerngebiet eindrangen. Das wiederum bewirkte, dass zunehmend Eis aus dem Arktischen Ozean in den Nordatlantik transportiert wurde. Auch der Zustrom wärmeren Wassers aus dem Atlantik könnte hiermit zusammenhängen.[19] Da die Position der Eisgrenze im Ozean wiederum die Atmosphäre beeinflusst, ist es wahrscheinlich, dass das Zurückweichen des Eises auch das häufigere Vordringen von Zyklonen begünstigt. In den letzten Jahren haben sich der AO- wie der PDO-Index wieder normalisiert. Die Eisschmelze geht dennoch weiter.

Die Gründe dafür liegen möglicherweise darin, dass die Abschmelzvorgänge in den 1980er und 1990er Jahren durch das Zusammentreffen einer stärkeren Erwärmung und Veränderungen der AO und PDO zunächst angestoßen wurden, dann aber eine Eigendynamik entwickelt haben, die sich auch nach der Normalisierung von AO und PDO nicht wieder umkehren ließ. Zunächst haben nach dieser Theorie[20] zwar externe Faktoren eine zunehmende Verringerung der Eisausdehnung und -dicke verursacht, die sich aber nach dem teilweisen Wegfall dieser Faktoren selbst trägt. D.h. der jüngste Rückzug des Eises ist nach diesere Auffassung nicht mehr primär auf den externen Antrieb zurückzuführen, sondern auf die Wirkung der Eis-Albedo-Rückkopplung.

Klimatische Folgen

Die großen Meereisflächen der Arktis besitzen nicht nur einen Einfluss auf die Strahlung (s.o.), sondern auch auf die atmosphärische Dynamik. Aufgrund der tiefen Temperaturen über dem Eis rund um den Nordpol kommt es zum Absinken von Luftmassen. Dadurch bildet sich in der Höhe über dem arktischen Meereis ein Tiefdruckgebiet. Die in das Tief einströmende Luft wird durch die Corioliskraft zu einem sich gegen den Uhrzeigersinn drehenden zirkumpolaren Wirbel umgelenkt. Obwohl dieser Polarwirbel am Nordpol weniger stabil ist als am Südpol, verhindert er weitgehend den Luftmassenaustausch mit den niedrigeren Breiten. So kommt es vor allem im Winter selten zum Einstrom warmer, aber ebenfalls selten zum Ausstrom kalter Luft. Damit im Zusammenhang steht auch die Ausbildung eines starken Polarjets und einer starken Nordatlatischen Oszillation.

Abb. 9: Mögliche Änderung des Polarjets durch das Abschmelzen des arktischen Meereises: a) starker Jetstream durch starken Temperaturgegensatz zwischen Arktis und mittleren Breiten; b) schwacher und mäandrierender Jetstream durch Abschwächung des Temperaturgegensatzes.

Wenn sich wie in den letzten Jahren die Meereisausdehnung im Sommer stark verringert, kommt es im Endeffekt zu einer Schwächung des Polarwirbels: Warme Luft kann dann besser in das Polargebiet eindringen und kalte Luft in niedrigere Breiten ausströmen. Der Mechanismus ist etwa folgender: Das Nordpolarmeer nimmt im Sommer über die freien Wasserflächen mehr Wärme durch die Sonneneinstrahlung auf. Diese gibt es in den folgenden Monaten an die Atmosphäre ab. Durch die wärmere Atmosphäre wird der Temperaturgegensatz zwischen den polaren und den mittleren Breiten verringert und damit der Polar-Jet bzw. die Polarfront und die Nordatlantische Oszillation geschwächt. Als Folge können Kaltluftmassen aus den arktischen Breiten bis nach Europa und die USA vordringen.[21] Ein schwächerer Polarjet bewegt sich langsamer von Osten nach Westen und mäandriert stärker. Als Folge kommt es zu blockierenden Wetterlagen, durch die Extremwetter längere Zeit stationär bleiben. Für Europa z.B. bedeutet das, dass sowohl Kälteperioden im Winter wie Hitzewellen im Sommer über einen längeren Zeitraum anhalten können. Allerdings sind diese Zusammenhänge wissenschaftlich noch umstritten.[22]

Tatsächlich ist seit dem Jahr 2005 der sommerliche Eisrückgang deutlich beschleunigt, insbesondere in den Rekordjahren 2007 und 2012. Im Oktober 2009 wurden in der mittleren Troposphäre über große Teile des Nordpolarmeeres bis zu 5 °C höhere Temperaturen gemessen als im Mittel der Jahre 1968-96. Diese Erwärmung führte zur Destabilisierung des Polarwirbels und ließ kalte und feuchte Luft aus der Arktis bis nach Nordamerika, Nordeuropa und Nordostasien dringen. Während die Arktis im Winter Temperaturabweichungen von +4 bis +12 °C zu verzeichnen hatte, lagen die Temperaturen auf den südlich angrenzenden Kontinenten z.T. um -10 °C unter dem Mittelwert. Dieses als "Warme Arktis - Kalte Kontinente" bezeichnete Klimamuster ist in den letzten 160 Jahren nur vier Mal vorgekommen. Aufgrund des zu erwartenden weiteren Rückgangs der arktischen Eisbedeckung kann es in Zukunft häufiger geschehen, dass arktische Kaltluft weit nach Süden vordringt und z.B. in Europa für kalte und schneereiche Winter sorgt.[23]

Die höheren Temperaturen in der Arktis ermöglichen gleichzeitig auch einen höheren Wasserdampfgehalt in der Luft. Einerseits führt dies zu mehr Niederschlag (in Form von Schnee, denn die Temperaturen sind im Winter ja immer noch unterhalb des Gefrierpunktes). Andererseits bedeutet mehr Wasserdampf auch eine stärkere Erwärmung der Atmosphäre, was wiederum mehr Wasserdampfgehalt ermöglichen würde usw. Diese Rückkopplung nennt man Wasserdampf-Rückkopplung.

Weniger Eisbildung im Winter führt zusammen mit mehr Süßwassereintrag aufgrund der Eisschmelze dazu, dass der Salzgehalt des polaren Ozeanwassers nicht mehr so stark erhöht wird und der Antrieb für das Absinken von W assermassen in der thermohalinen Zirkulation verringert wird. Durch das Meereis wurden außerdem die arktischen Küsten bisher vor starken Wellengängen und Stürmen bewahrt. Je weniger Meereis nun vorhanden ist, desto mehr müssen die Küsten mit der Abtragung von Boden und Überschwemmungen rechnen; vor allem Permafrostböden sind hierdurch anfällig.

Abb. 10: Abnahme des arktischen Meereises nach Jahreszeit in Abhängigkeit von der globalen Erwärmung.

Projektionen

Alle Klimamodellrechnungen zeigen bis zum Ende des 21. Jahrhunderts eine starke Reduzierung der Eisfläche im Sommer, z.T. sogar ihr völliges Verschwinden schon zum Ende dieses Jahrhunderts. Dabei wird in der Regel als „eisfreier Sommer“ eine Eisbedeckung am Ende des Sommers von weniger als 1 Mio. km2 definiert.[24][25] Der Zeitpunkt, an dem es zu einem eisfreien Sommer kommt, wird von den Modellen jedoch sehr unterschiedlich eingeschätzt. Ein Grund ist die natürliche Variabilität des arktischen Klimas (s.o.), die das Eintreten einer eisfreien Arktis im Sommer um bis zu 20 Jahre verschieben kann. Bei einer Begrenzung der globalen Erwärmung auf 1,5 °C würde auch noch am Ende des 21. Jahrunderts arktisches Sommereis fast jährlich vorhandenen sein. Bei einer 2°C-Erwärmung wären eisfreie Sommer allerdings schon mit einer Wahrscheinlichkeit von 10-35% zu erwarten (Abb. 10).[26]

Abb. 11: Änderung der Masse des arktisches Meereises 1960 bis 2100 nach verschiedenen CMIP6-Modellsimulationen in 1000 Gt

Berücksichtigt man alle Rückkopplungseffekte im arktischen Raum (s.o.), ist eine eisfreie Arktis auch bei einer stärkeren globalen Erwärmung in den nächsten Jahren keineswegs sicher bzw. stabil und unumkehrbar.[27] Zwar wärmt sich das Oberflächenwasser des Arktischen Ozeans im Sommer stark auf. Ab September und verstärkt in den folgenden Monaten, wenn die Sonne im arktischen Winter das Wasser nicht mehr erwärmt, gibt der eisfreie Ozean jedoch mehr Wärme an die Atmosphäre ab als ein teilweise mit Eis bedeckter Ozean, da die isolierende Eisbedeckung fehlt. Ab November bildet sich dann neues Eis in schnellem Tempo, da dünnes Eis schneller wächst als dickeres Eis. Hinzu kommt, dass die vom Ozean her aufgewärmte Atmosphäre das Eindringen von wärmerer Luft aus niederen Breiten in den arktischen Raum eher behindert. Das Abschmelzen des arktischen Eises wird demnach durch verschiedene und gegenläufige Rückkopplungsmechanismen bestimmt. Dass hier ein sog. Kipp-Punkt vorliegt, hält die referierte Studie des Hamburger Max-Planck-Instituts für Meteorologie daher für unwahrscheinlich.

Abb. 12: Beobachtete Änderungen der arktischen Meereisfläche nach verschiedenen Satelliten-Datensätzen zwischen 1979 und 2019. Ab 2020 Modellprojektionen der Meereisflächenänderung unter Berücksichtigung der beobachteten Beziehung zwischen Meereisänderungen und der Zunahme der Treibhausgaskonzentration bei vier Szenarien.

Dennoch ist bei Beibehaltung der gegenwärtigen Trends in einzelnen Regionen wie den Schelfmeeren des Arktischen Ozeans ein durchgehend eisfreier Sommer in nächster Zeit wahrscheinlich, wie es ihn im September ja z.T. bereits jetzt schon gibt. So werden nach Onarheim et al. (2018)[28] die Tschuktschen-, die Laptew-, Beaufort- und Ostsibirische See in den 2020er Jahren im Sommer eisfrei werden. Die Hudsonbai ist schon heute eisfrei im Sommer, wenn auch im Winter noch vollständig mit Eis bedeckt. Auch die Karasee ist gegenwärtig im Sommer eisfrei. Die Barents- und Grönlandsee werden um 2050 auch im Winter eisfrei werden. Beim Ochotskischen Meer, der Baffinbai und dem Golf von St. Lorenz ist in den 2080 Jahren damit zu rechnen.

Die neueste Generation von Klimamodellen (CMIP6), die Simulationen für den 6. Sachstandsbericht des Weltklimarats IPCC durchführen, der ab 2021 erscheinen soll, sind in der Lage, auch die Änderung der gesamten Masse des arktischen Meereises bis 2100 genauer zu berechnen (Abb. 11).[29] Danach hat sich die Eismasse im März von 15 000 bis 30 000 Gt um 1960 bis 2020 auf 10 000 bis 20 000 Gt verringert und wird gegen Ende des 21. Jahrhunderts nur noch 0 bis 5 000 Gt betragen. Das bedeutet, dass um 2100 selbst in dem Monat mit der stärksten Eisbedeckung fast nur noch einjähriges und dünnes Eis den Arktischen Ozean bedecken wird. Kim et al. (2023)[30] vergleichen drei Satelliten-Datensätze über die Änderung der Meereisfläche und bestimmen mit Hilfe von CMIP6-Modellsimulationen den Anteil der Treibhausgase an der Änderung. Anthropogene Aerosole und natürliche Schwankungen spielten nach Modellberechnungen bisher so gut wie keine Rolle. Auf der Basis der beobachteten Beziehung von Eisflächenänderung und Treibhausgaszunahme wurden dann bis 2100 Modellsimulationen nach vier verschiedenen Szenarien durchgeführt (Abb. 12). Hiernach ist mit den ersten eisfreien Jahren in der Arktis in den Sommermonaten bereits in den 2030er bis 2050er Jahren zu rechnen. Nach dem niedrigen Szenario SSP1-2.6 wäre nur der September eisfrei, nach den anderen Szenarien auch andere Monate im Jahr, so nach SSP2-4.5 August und September und nach SSP5-8.5 Juni bis Oktober. Ohne Berücksichtigung der empirischen Beziehung zwischen Eisfläche und Treibhausgase würde die Arktis nach allen Szenarien bis auf das niedrige Szenario SSP1-2.6 erst in den 2050er bis 2060er Jahren eisfrei.


Einzelnachweise

  1. Eine Ausdehnung von Meereis liegt nur dann vor, wenn eine Datenzelle zu mindestens 15 % mit Meereis bedeckt ist. Genaueres s.: meereisportal.de
  2. Gerland, S., Aars, J., Bracegirdle, T., Carmack, E., Hop, H., Hovelsrud, G.K., Kovacs, K.M., Lydersen, C., Perovich, D.K., Richter-Menge, J., Rybråten, S., Strøm, H., & Turner, J. (2007): Ice in the Sea. Chapter 5 of Global Outlook for Ice and Snow. UN Environment Program (UNEP), 63-96 online
  3. National Snow and Ice Data Center: Arctic Sea Ice News Fall 2007
  4. Vgl. tagesschau.de (Nachricht vom 28.08.2008): Eisschmelze in der Arktis • Nordost- und Nordwestpassage erstmals eisfrei
  5. Wang, M., and J.E. Overland (2009): A sea ice free summer Arctic within 30 years? Geophys. Res. Lett., 36, L07502, doi: 10.1029/2009GL037820
  6. National Snow and Ice Data Center: Arctic sea ice extent settles at record seasonal minimum
  7. J. Zhang, R. Lindsay, A. Schweiger and M. Steele (2013): The impact of an intense summer cyclone on 2012 Arctic sea ice retreat, Geophysical Research Letters, DOI: 10.1002/grl.50190
  8. NASA National Snow & Ice Data Center (2020): Arctic Sea Ice News & Analysis
  9. Tomczak, T., Godfrey, S. (2003): Regional Oceanography: an Introduction. Daya Publishing House, Delhi
  10. 10,0 10,1 10,2 Liu, Y., J.R. Key, X. Wang, and M. Tschudi (2020): Multidecadal Arctic sea ice thickness and volume derived from ice age, The Cryosphere, 14, 1325–1345, https://doi.org/10.5194/tc-14-1325-2020
  11. Haas, C. (2005): Auf dünnem Eis? - Eisdickenänderungen im Nordpolarmeer, in: José L. Lozán / Hartmut Graßl / Hans-W. Hubberten / Peter Hupfer / Ludwig Karbe / Dieter Piepenburg (Hrsg.): Warnsignale aus den Polarregionen. Wissenschaftliche Auswertungen, Hamburg, 97-101
  12. Dirk Notz (2015): Das aktuelle Abschmelzen des arktischen Meereises, in: Lozán, J.L., H. Graßl, D. Kasang, D. Notz und H. Escher-Vetter: Warnsignal Klima: Das Eis der Erde, Wissenschaftliche Auswertungen, Hamburg 2015, 199-203
  13. 13,0 13,1 13,2 J.C. Stroeve, et al. (2012): The Arctic’s rapidly shrinking sea ice cover: a research synthesis, Climatic Change 110, 1005–1027
  14. Perovich, D., W. Meier, M. Tschudi, et al. (2019): Sea Ice, in: Richter-Menge, J., M. L. Druckenmiller, and M. Jeffries, Eds., 2019: Arctic Report Card 2019, https://www.arctic.noaa.gov/Report-Card
  15. National Snow & Ice Data Center (2020): Storm Damage
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Literatur

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  • Haas, C. (2005): Auf dünnem Eis? - Eisdickenänderungen im Nordpolarmeer, in: José L. Lozán / Hartmut Graßl / Hans-W. Hubberten / Peter Hupfer / Ludwig Karbe / Dieter Piepenburg (Hrsg.): Warnsignale aus den Polarregionen. Wissenschaftliche Auswertungen, Hamburg, 97-101
  • Bareiss, J., K. Görgen, A. Helbig (2005): Arktisches Meereis - Ursachen der Variabilität und Trends in den vergangenen 30 Jahren, in: José L. Lozán / Hartmut Graßl / Hans-W. Hubberten / Peter Hupfer / Ludwig Karbe / Dieter Piepenburg (Hrsg.): Warnsignale aus den Polarregionen. Wissenschaftliche Auswertungen, Hamburg, 218-225

Weblinks


Klimadaten zum Thema

Klimadaten zum Thema selbst auswerten? Hier können Sie aus Regionaldaten zur Arktis mit dem Visualisierungsprogramm Panoply eigene Karten erzeugen.






Hier finden Sie eine: Anleitung zur Visualisierung der Daten.

Klimamodell-Experimente zum Thema

Mit dem einfachen Klimamodell Monash Simple Climate Model (MSCM) können Experimente zur Bedeutung von Eis und Schnee im Klimasystem durchgeführt werden:

Schülerarbeiten zum Thema

Schülerarbeiten zum Thema des Artikels aus dem Schulprojekt Klimawandel:

  • Arktis über Gefahren und Chancen durch den Klimawandel in der Arktis (Gymnasium Allee, Hamburg)
  • Arktisches Meereis Ursachen und Folgen der Eisschmelze (Schülerpraktikant am DKRZ)
  • Die Nordostpassage über wirtschaftliche und ökologische Auswirkungen einer freien Nordostpassage (Gymnasium Grootmoor, Hamburg)

Bildergalerie zum Thema

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