Solar Radiation Management (SRM): Unterschied zwischen den Versionen

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Version vom 12. Oktober 2023, 17:48 Uhr

Warum Climate Engineering?

In der Klimapolitik besteht ein weitreichender Konsens darüber, dass bei einer Begrenzung der globalen Erwärmung im 21. Jahrhundert auf 2° C über dem vorindustriellen Wert eine gefährliche Störung des Klimasystems durch den Menschen gerade noch vermieden werden kann. Bei einer Überschreitung der 2°-C-Marke würden die Folgen des Klimawandels nicht mehr kontrolliert werden können. Wetterextreme und andere Klimafolgen würden ein gefährliches und kaum zu bewältigendes Maß annehmen und die ökonomischen Kosten unvertretbar hoch ansteigen lassen. Dass dieses 2°-Ziel erreicht werden kann, wird von vielen Experten sehr skeptisch beurteilt. Denn mit diesem Ziel ist nicht eine Erwärmung von 2 °C über dem heutigen Niveau gemeint, sondern über dem vorindustriellen Level. Gegenwärtig liegt die Erhöhung der globalen Mitteltemperatur aber bereits um etwa 0,9 °C über dem vorindustriellen Wert. Und man geht davon aus, dass weitere 0,5 °C bereits im Klimasystem, vor allem in den Ozeanen, stecken und sich nur noch nicht auf die bodennahen Lufttemperaturen ausgewirkt haben. Insofern wäre nur noch eine Erwärmung um weitere 0,6 °C möglich, wenn man das 2°-Ziel einhalten will. Das liegt deutlich unter dem Maß der bisherigen Erwärmung. Nach einer solchen radikalen Eindämmung der globalen Erwärmung sieht es gegenwärtig aber nicht aus. Vielmehr steigt die Konzentration von Kohlendioxid (CO2), des mit Abstand wichtigsten anthropogenen Treibhausgases in der Atmosphäre, ungebremst weiter an.

Angesichts dieser Lage werden auch künstliche Eingriffe in das Klimasystem diskutiert, um die globale Erwärmung zu begrenzen, die als Climate Engineering (CE) - oder auch Geoengineering - bekannt geworden sind. Dabei geht es grundsätzlich um zwei Arten von CE-Maßnahmen. Die eine Maßnahme, das Carbon Dioxide Removal (CDR), besteht aus Verfahren, die das Kohlendioxid, den Hauptverursacher des Klimawandels, teilweise wieder aus der Atmosphäre entfernen. Dazu gehören etwa das Anpflanzen von Bäumen, die unterirdische CO2-Speicherung oder die Algendüngung in den Ozeanen. Die andere Art des Climate Engineering ist darauf ausgerichtet, die Sonneneinstrahlung zu reduzieren und wird in der Fachwelt als Solar Radiation Management (SRM) bezeichnet. Mit dieser technischen Reduzierung der Solarstrahlung beschäftigt sich dieser Artikel.

Schema des Experiments G1 des The Geoengineering Model Intercomparison Project (GeoMIP)
Schema des Experiments G2 des The Geoengineering Model Intercomparison Project (GeoMIP)
Schema des Experiments G3 des The Geoengineering Model Intercomparison Project (GeoMIP)
Schema des Experiments G4 des The Geoengineering Model Intercomparison Project (GeoMIP)

Methoden des Solar Radiation Managements

Überblick

Das Solar Radiation Management (SRM) begegnet der globalen Erwärmung durch die Reduzierung der Solarstrahlung, die den Erdboden erreicht. Dabei werden vor allem die folgenden drei SRM-Methoden untersucht:

  1. Reflektoren (Spiegel) im Weltraum,
  2. die Injektion von Schwefeldioxid in die Stratosphäre zur Bildung von reflektierenden Partikeln (Sulfataerosole),
  3. die Aufhellung mariner Schichtwolken durch Primäre Meersalzaerosole, die als Kondensationskerne dienen.

Solche Maßnahmen können zwar der Auswirkung von anthropogenen Treibhausgasen auf die globale Temperatur entgegenwirken. Sie können aber nicht alle Effekte des Klimawandels rückgängig machen. Und alle Methoden besitzen eigene Risiken und Nebenwirkungen, die weitgehend noch nicht hinreichend erforscht sind.[1]

Das Solar Radiation Management wurde bisher am systematischsten vom Geoengineering Model Intercomparison Project (GeoMIP)[2] untersucht. Das GeoMIP hat beispielhafte Szenarien für Modellexperimente formuliert, die mit G1, G2 usw. bezeichnet wurden:[3]

G1: Das rein theoretische Experiment geht von einer plötzlichen Vervierfachung der vorindustriellen CO2-Konzentration aus, der mit einer Reduktion der Solarkonstanten außerhalb der Atmosphäre entgegengewirkt wird. Ziel ist die Wiederherstellung der globalen Mitteltemperatur des vorindustriellen Klimas.

G2: Auch hier wird die Solarkonstante außerhalb der Atmosphäre reduziert. Die Reduktion ist hier jedoch mit einem graduellen Anstieg des CO2-Gehalts um 1 % jährlich kombiniert. Auch hier wird die Wiederherstellung des vorindustriellen Klimas angestrebt, allerdings graduell. Nach 50 Jahren wird die Verringerung der Solarkonstante abgebrochen.

G3: Die Reduzierung der Sonneneinstrahlung wird in diesem Experiment ab 2020 durch die Injektion von Schwefeldioxid (SO2) in die Stratosphäre bewirkt und auf das laufende RCP-Szenario 4.5 angewendet. Die jährliche Menge an SO2 wird nach Bedarf bestimmt. Ziel ist es, die globale Mitteltemperatur ab 2020 konstant zu halten. Die SO2-Injektion wird nach 50 Jahren abgebrochen.

G4: Ebenfalls in Kombination mit dem Szenario RCP4.5 und ab 2020 werden bei diesem Experiment jährlich konstant 5 Tg[4] SO2 in die Stratosphäre eingebracht. Die Maßnahme wird ebenfalls nach 50 Jahren beendet.

Inzwischen sind die weiteren Experimente G5, G6 und G7 veröffentlicht, bei denen es u.a. um die Beeinflussung von niedrigen Wolken über dem Ozean und um die Manipulation von hohen Cirrus-Wolken geht.[5]

Spiegel im Weltall oder die Reduktion der Solarkonstanten (G1 und G2)

Die ersten systematischen Modelluntersuchungen haben sich mit einer Reduktion der Solarkonstanten außerhalb der Atmosphäre und deren Auswirkung auf das Klima befasst. Eine solche Wirkung könnte z.B. durch die Installation von Spiegeln im Weltraum, die die Sonnenstrahlen reflektieren, oder durch die Ausbringung von reflektierenden Partikeln erzielt werden. In Modellexperimenten wird die Abschwächung der Solarkonstanten, ohne dass das praktische Vorgehen berücksichtigt wird, als Ausgleich einer plötzlichen Vervierfachung der vorindustriellen CO2-Konzentration angenommen. Bei diesem Konzept handelt es sich um das Szenario G1 des Geoengineering Model Intercomparison Project (GeoMIP).

Eine Vervierfachung der vorindustriellen CO2-Konzentration würde auf einen Wert von 1139 ppm hinauslaufen, der ungefähr dem Szenario RCP8.5 am Ende des 21. Jahrhunderts entspricht. D.h. eine solche Erhöhung des Kohlendioxidgehalts der Atmosphäre durch menschliche Emissionen liegt durchaus im Bereich des Möglichen. Das Szenario RCP8.5 ist zwar das höchste der neuen Szenarien des Weltklimarats IPCC, wird aber dennoch oft als business-as-usual(weiter-wie-bisher-)-Szenario bezeichnet. Das G1-Szenario kann aber dennoch nicht als ein realistisches Szenario betrachtet werden, da eine plötzliche Vervierfachung der Konzentration von Kohlendioxid in der Realität nicht vorkommt. Die vorgenommene Abstraktion jedoch ermöglicht einen besseren Vergleich verschiedener Modelle, mit denen die Experimente durchgeführt werden. Dazu wurden u.a. vier verschiedene Erdsystemmodelle von unterschiedlichen Instituten (aus GB, Fr, Norwegen und HH) verwendet.[6]

In solchen Experimenten bewirkte die Vervierfachung der CO2-Konzentration eine Veränderung der Strahlungsantrieb|Strahlungsbilanz an der Obergrenze der Atmosphäre um 6,4-9,6 W/m2.[6] In ähnlicher Größe müsste die Solarstrahlung durch Spiegel im All oder Ähnliches reduziert werden. Es hat sich jedoch gezeigt, dass die Verringerung der Solarkonstanten, um denselben Temperatureffekt am Boden zu erzielen, um 25 % mehr reduziert werden muss.[7] Der Grund ist, dass bei einer geringeren Sonneneinstrahlung weniger Wolken entstehen (da weniger Wasser verdunstet) und die Reduzierung der Wolkenbedeckung die Albedo des Planeten verringert.[6]

Aerosole in die Stratosphäre oder mehr Reflexion von Sonnenstrahlen (G3 und G4)

Zahlreiche Untersuchungen haben sich mit der Injektion von Schwefeldioxid (SO2) in die Stratosphäre befasst. Im Unterschied zu Spiegeln im All gilt ein solches Vorhaben als eher durchführbar, und es hat in der Natur in großen Vulkanausbrüchen ein Vorbild. Auch bei stärkeren Vulkanausbrüchen, wie z.B. bei dem gut untersuchten Ausbruch des Mt. Pinatubo 1991, werden größere Mengen an Schwefeldioxid bis in die Stratosphäre geschleudert, wo sie zu Schwefelsäure (H2SO4) und Sulfataerosolen umgewandelt werden. Die Sulfataerosole reflektieren einen Teil der einfallenden Sonnenstrahlen und kühlen damit die untere Atmosphäre. Die Aerosole verweilen in der Stratosphäre ein bis zwei Jahre, wenn die Vulkaneruption in den Tropen stattfindet, einige Monate bei Eruptionen in höheren Breiten. Bei Ausbrüchen in den Tropen wird das Schwefeldioxid durch die hier vorherrschenden vertikalen Luftströmungen in großen Mengen relativ hoch in die Stratosphäre transportiert und dort durch die stratosphärische Zirkulation Richtung Pole verteilt. Die daraus entstandenen Aerosole sinken dann vor allem in den Jetstream-Regionen der mittleren Breiten wieder in die Troposphäre ab, wo sie hauptsächlich durch Niederschläge in kurzer Zeit aus der Atmosphäre entfernt werden. In der Stratosphäre gibt es kaum vertikale Bewegungen und keine Niederschläge, so dass die Aerosole hauptsächlich durch ihr eigenes Gewicht langsam nach unten sinken. Dabei sinken größere Teilchen, die sich durch Koagulation (Zusammenballung) bilden können, schneller abwärts als kleinere Partikel. Nach einem Jahr befindet sich in der Regel nur noch ein Drittel der Aerosole in der Stratosphäre.[8]

Eine Möglichkeit des Solar Radiation Managements zur Verringerung der Sonneneinstrahlung könnte darin bestehen, ähnlich wie bei Vulkanausbrüchen Schwefeldioxid mit Hilfe von Flugzeugen, Ballons oder Kanonen [8] in der Stratosphäre auszubringen und auf diese Weise künstliche stratosphärische Wolken aus Sulfataerosolen zu erzeugen, die das einfallende Sonnenlicht reflektieren. Da die Partikel nach ein bis zwei Jahren wieder absinken, müsste die künstliche Injektion von Schwefeldioxid in die Stratosphäre so lange wiederholt werden, wie eine Verringerung des Treibhauseffekts durch z.B. zunehmende CO2-Emissionen nötig erscheint. Da zudem das CO2 über Jahrhunderte in der Atmosphäre verbleibt und sich bei fortgesetzter Emission zunehmend ansammelt und damit die globale Temperatur stetig in die Höhe treibt, wird mit der Zeit mehr und mehr Schwefeldioxid in die Stratosphäre eingebracht werden müssen, um den sich verstärkenden anthropogenen Treibhauseffekt auszugleichen. Hinzu kommt, dass die stetige Nachlieferung von SO2 in die untere Stratosphäre dazu führt, dass die neuen kleineren Partikel sich mit den vorhandenen Partikeln zu größeren Teilchen durch Koagulation verbinden, die weniger effektiv die Strahlung reflektieren, weil sie schneller absinken. Modellstudien weisen darauf hin, dass zum Ausgleich einer Verdoppelung des CO2-Gehalts der Atmosphäre mindestens 10 Mio t Schwefel jährlich nötig wären, was ungefähr der Menge entspricht, die bei dem Pinatubo-Ausbruch in die Stratosphäre gelangt ist.[9] Die Kosten eines solchen Unterfangens würden sich für den Transport von 1 Mio. t Material auf 1-3 Milliarden US$ pro Jahr belaufen.[10] Ein weiterer Faktor, der die Schwefelinjektion in die Höhe treibt, ist der Rückgang der Wolkenbedeckung bei verringerter Sonneneinstrahlung, weil durch die damit verbundene Abkühlung weniger Wasser verdunstet und damit weniger Wasserdampf in der Atmosphäre vorhanden ist, der zu Wolkentröpfchen kondensieren kann. Daher muss die Sonneneinstrahlung zusätzlich um 25 % mehr reduziert werden.[7]

Wolkenaufhellung

Klimaänderungen

Globale Mitteltemperatur

Theoretisch kann das Solar Radiation Management dem anthropogenen Klimawandel relativ schnell entgegenwirken und die Erde auf z.B. das vorindustrielle Niveau der globalen Mitteltemperatur in ein bis zwei Jahrzehnten abkühlen. Schon die Pinatubo-Eruption 1991, als die Oberflächentemperatur innerhalb von 1-2 Jahren um 0,5 °C abnahm, zeigte die Möglichkeit einer solchen Temperaturabsenkung auf.[1] Die Modellsimulationen zum Climate Engineering haben SRM-Maßnahmen simuliert, die zu unterschiedlichen globalen Mitteltemperaturen als Folge einer Abkühlung führen. Das G1-Experiment, das die Reduktion der Sonneneinstrahlung mit einer plötzlichen Vervierfachung des vorindustriellen CO2-Gehalts der Atmosphäre kombiniert, stellt die globale Mitteltemperatur des vorindustriellen Klimas wieder her.[7] Das am häufigsten durchgeführte G3-Experiment ist zumeist darauf ausgelegt, die Strahlungsbilanz und damit die globale Mitteltemperatur um 2020 zu stabilisieren.[6] Ein anderes Experiment lässt die Temperatur des Szenarios RCP8.5 im Jahre 2035 durch Aerosoleinbringung in die Stratosphäre um ca. 1 °C auf das Niveau am Ende des 20. Jahrhunderts absenken.[11]

Damit scheint eine Absenkung der globalen Mitteltemperatur auf Werte vor dem menschlichen Eingriff in das Klimasystem im Bereich des Möglichen zu liegen. Eine Untersuchung, die sich mit der nötigen Aerosoleinbringung in die Stratosphäre gerade bei höheren Treibhausgas-Szenarien und über einen längeren Zeitraum befasst, zeigt jedoch auch Grenzen des Machbaren auf.[12] Würde man z.B. bei dem hohen Szenario RCP8.5 den Strahlungsantrieb am Ende des 21. Jahrhunderts auf das Niveau von 2020 reduzieren wollen, wäre ein negativer Antrieb von 5,5 W/m2 nötig. Das wäre nur erreichbar mit einer Schwefelinjektion von 45 Tg jährlich, was 6-7 Pinatubo-Ausbrüchen bzw. 85 % der gesamten anthropogenen Schwefelemissionen des Jahres 2010 entsprechen würde. Die technische Umsetzung einer solchen Maßnahme ist sehr fraglich, weshalb SRM-Maßnahmen erfolgversprechend allenfalls in Kombination mit einem niedrigen Treibhausgas-Szenario, d.h. aus heutiger Sicht mit einer Verringerung der Emissionen von Treibhausgasen, erscheinen.

Unterschied in der Oberflächentemperatur in Kelvin zwischen dem SRM-Szenario G1 und dem vorindustriellen Klima (piControl)

Regionale Temperaturen

Modelluntersuchungen haben also ergeben, dass sich die globale Mitteltemperatur durch die technische Manipulation der Sonneneinstrahlung bis zu einem gewissen Grad wieder absenken lässt. Alle Modelle zeigen aber auch, dass die SRM-Maßnahmen nicht in der Lage sind, die globale Erwärmung durch Treibhausgase auch regional im selben Maße auszugleichen. Durch die Reduktion der Solarstrahlung kann ein früheres Klima, z.B. das vorindustrielle Klima oder das Klima am Ende des 20. Jahrhunderts, nicht wieder hergestellt werden. Es entsteht dadurch vielmehr ein völlig neues Klima, das regional deutlich von dem früheren Klima abweicht. Das bedeutet aber auch, dass SRM-Maßnahmen manche Regionen begünstigen, andere benachteiligen.

Im Allgemeinen werden durch SRM-Maßnahmen die mittleren und hohen Breiten weniger stark und die Tropen stärker abgekühlt. Modellsimulationen, die eine Vervierfachung des vorindustriellen Klimas durch eine Reduktion der Solarkonstanten ausgleichen, zeigen eine um ca. -0,5 °C stärkere Abkühlung als im globalen Mittel in den tropischen und eine um 0,8-1,8 °C weniger starke Abkühlung in den hohen Breiten. Die Polarregionen sind in diesem SRM-Klima, das die globale Mitteltemperatur vor Beginn der Industrialisierung wiederherstellt, also um etwa einen Grad wärmer als vorindustriell, die Tropen um einen halben Grad kühler. Damit reduziert sich der Temperaturgradient zwischen hohen und niederen Breiten, mit Auswirkungen auf die atmosphärische Zirkulation und den Wasserkreislauf. Zwischen Ozeanen und Kontinenten gibt es einen ähnlichen Unterschied. Die Temperaturen über den Ozeanen kühlen sich durch SRM-Maßnahmen stärker ab als über den Landmassen.[6]

Die regionalen Abweichungen sind vor allem darin begründet, dass Treibhausgase die langwellige und SRM-Maßnahmen die kurzwellige Strahlung beeinflussen. Treibhausgase besitzen infolgedessen auch nachts und im polaren Winter einen Effekt auf den Strahlungsantrieb und wirken dadurch gleichmäßig rund um den Globus und zu allen Tages- und Jahreszeiten, während die Reduzierung der Sonneneinstrahlung sich je nach Breite und Jahreszeit unterschiedlich auswirkt. Das Solar Radiation Management hat dort den stärksten Effekt, wo die Sonne am stärksten und am längsten scheint, nämlich in den Tropen. Zu dem Unterschied trägt auch bei, dass die meisten Treibhausgase aufgrund ihrer langen Lebensdauer in der Atmosphäre gleichmäßig verteilt sind und eine zunehmende CO2-Konzentration die gesamte Troposphäre erwärmt. Aerosolpartikel, die künstlich in den Tropen in die Stratosphäre eingebracht werden, können aufgrund ihrer kurzen Lebensdauer nicht überall gleich verteilt werden. Außerdem wirkt sich die Reduktion von Sonnenstrahlen nur wenig in der oberen und mittleren Troposphäre aus, sondern primär am Boden und in den darüber liegenden unteren Luftschichten.[13] Die damit verbundene stärkere Abkühlung der unteren Luftschichten macht die Atmosphäre stabiler, unterdrückt die Konvektion und verringert so die Niederschläge.[6]

Der Unterschied zwischen den kühleren Ozeanen und den wärmeren Kontinenten erklärt sich vor allem durch die geringere Verdunstung (und den geringeren latenten Wärmefluss) über dem Land. Die Verdunstung ist in Modellsimulationen besonders gering über Landmassen, die mit Vegetation bedeckt sind. Der Grund kann die Reaktion der Stomata (Spaltöffnungen der Blätter) auf die Erhöhung der CO2-Konzentration sein, die trotz des Solar Radiation Managments im Hintergrund je nach Szenario weiterläuft.[6] Bei mehr CO2 in der Atmosphäre kann der Gasaustausch durch die Stomata effizienter erfolgen, denn die Pflanze braucht nicht mehr so viel Luft aufzunehmen, um eine bestimmte Menge Kohlendioxid zu erhalten. Die Stomata müssen sich daher weniger weit öffnen, wodurch die Pflanzen dann auch weniger Wasser verdunsten und damit den latenten Wärmefluss reduzieren.[14]

Unterschied in der Niederschlagsverteilung in mm/Tag zwischen dem SRM-Szenario G1 und dem vorindustriellen Klima (piControl))

Niederschläge

Ein robustes, d.h. von allen Modellen bestätigtes, Ergebnis ist außerdem die Abnahme der Niederschläge in der G1-Welt gegenüber den vorindustriellen Verhältnissen. Die genauen Werte schwanken zwischen 3,6 und 6,1 % im globalen Mittel. Am stärksten nehmen die Niederschläge in den mittleren Breiten beider Hemisphären ab, um ca. 4 % auf der Südhalbkugel und um 6-12 % auf der nördlichen Erdhälfte. Die Gründe liegen in der verringerten Verdunstung und einer Unterdrückung der Konvektion vor allem in den Tropen. Die Abnahme der kurzwelligen Strahlung kühlt besonders den Boden und die untere Atmosphäre ab, so dass die Verdunstung verringert und die Stabilität der Atmosphäre verstärkt werden. Die stärksten Niederschlagsänderungen finden sich in den Tropen, wo die Niederschlagsraten am höchsten sind. Über den Kontinenten trägt besonders die Reduktion des latenten Wärmeflusses zum Muster der Niederschlagsveränderung bei. Die geringeren Niederschläge in den mittleren Breiten werden auch durch eine Reduktion des Temperaturgradienten zwischen den Tropen und den gemäßigten Klimazonen verursacht, der sich, wie oben ausgeführt, dadurch ergibt, dass die mittleren Breiten weniger stark abgekühlt werden als die niederen Breiten. Die Folge des verringerten Temperaturunterschieds ist, dass die Süd-Nord-gerichteten (bzw. auf der Südhalbkugel Nord-Süd-gerichteten) Luftströmungen abnehmen und dadurch weniger Wärme und Wasserdampf von niederen in höhere Breiten transportiert wird.[6][13]

Bei SRM-Maßnahmen zum Ausgleich einer Vervierfachung des CO2-Gehalts der Atmosphäre nehmen die Niederschläge global um ca. 5 % ab. Ohne Kompensation durch die Reduktion der Solarkonstanten würden die Niederschläge bei 4xCO2 global um 9 % zunehmen. Bei einer solchen Treibhausgasverstärkung käme es regional zu einer Niederschlagsverringerung in den Subtropen, z.B. im Mittelmeerraum, während durch SRM-Maßnahmen vor allem die mittleren Breiten von einer Abnahme der Niederschläge betroffen wären.[7]

Temperatur- und Niederschlagsentwicklung bei einem SRM-Abbruch nach Klimamodell-Experimenten: a) Veränderung in der globalen Mitteltemperatur in °C und b) der mittleren globalen Niederschläge in %. Die durchgezogene Linie zeigt Temperatur und Niederchlag bei einem SRM-Experiment, das den Ausgleich eines Anstiegs der CO2-Konzentration von 1 %/Jahr simuliert und nach 50 Jahren abgebrochen wird. Die gestrichelte Linie zeigt die Simulation bei dem Anstieg der CO2-Konzentration von 1 %/Jahr ohne SRM-Maßnahme.
Die Abbildung zeigt den gemessenen globalen Temperaturanstieg ab 1970 (schwarz) und seine Fortsetzung nach dem Szenario RCP8.5 (rot). Ab 2035 startet das Solar Radiation Management (SRM), das die globale Mitteltemperatur in ca. 10 Jahren auf das Niveau vom Ende des 20. Jahrhunderts absinken lässt (blau). 2060 wird das SRM beendet, wodurch die globale Mitteltemperatur in ca. 10 Jahren fast das Niveau des Szenario RCP8.5 erreicht (orange; zwei Modellexperimente). Unten wird die vorindustrielle globale Mitteltemperatur angezeigt (grau). Die Weiterführung der blauen SRM-Kurve zeigt, dass sich nach dieser Modellsimulation durch fortgesetzte SRM-Maßnahmen ab 2050 das Klima am Ende des 20. Jahrhunderts wiederherstellen ließe. SAT=Surface Air Temperature (bodennahe Lufttemperatur)

Abbruch des Solar Radiation Managements

Hohe CO2-Konzentrationen durch anthropogene Emissionen können in der Atmosphäre über mehrere Jahrhunderte anhalten. Das Solar Radiation Management müsste ebenso lange durchgeführt werden, wenn man damit den Strahlungsantrieb durch Treibhausgase ausgleichen will. Falls die CO2-Konzentration zunehmend steigt, müsste auch die künstliche Verringerung der Sonneneinstrahlung proportional steigen. Ob das durchgeführt werden kann, ist aus verschiedenen Gründen fraglich. Es könnte zu politischen Differenzen zwischen den Staaten der Erde kommen, die von der Verringerung der Sonneneinstrahlung unterschiedlich betroffen sein werden. Technische Probleme und Kostenfragen oder eine veränderte Beurteilung der Folgen technischer Eingriffe in das Klimasystem könnten weitere Gründe sein, die eine Fortsetzung des Solar Radiation Managements verhindern könnten.

Falls die Maßnahmen z.B. nach 50 Jahren abgesetzt werden sollten, hat das erhebliche klimatische Konsequenzen, die zu erforschen nicht weniger wichtig ist als die der SRM-Maßnahmen selbst. So kommt es unmittelbar nach dem Abbruch des Solar Radiation Managements zu einem rapiden Anstieg der globalen Mitteltemperatur auf das Niveau, das ohne SRM geherrscht hätte. Ähnlich werden die Niederschläge in kurzer Zeit zunehmen. Die schnelle Erwärmung wird sich auf Ökosystem auswirken und die menschlichen Anpassungsmöglichkeiten wahrscheinlich überfordern. Außerdem wird durch die Erwärmung die Kohlenstoffsenke des Ozeans geschwächt, was wiederum einen CO2-Anstieg in der Atmosphäre und eine weitere Erwärmung zur Folge hätte.[9] Es ist daher wichtig, auch den Fall eines Abbruchs von Climate Engineering zu untersuchen.

Jede Unterbrechung der SO2-Injektion in die Stratosphäre würde eine schnelle Rückkehr zum natürlichen Aerosol-Niveau in 1-2 Jahren führen. Die Sonnenstrahlen würden wieder ohne künstliche Behinderung die Stratosphäre passieren und entsprechend würde der Strahlungsantrieb zunehmen und die globale Temperatur stark ansteigen, je nach dem Hintergrundklima durch den Strahlungsantrieb der Treibhausgase, das durch die SRM-Maßnahme lediglich maskiert wurde, um 1 °C/Jahrzehnt oder mehr.[11] Mit Hilfe eines Ensembles von Modellen wurde beispielhaft untersucht, wie sich die Einbringung von Schwefeldioxid in die Stratosphäre und ihr unvermittelter Abbruch auf ein künftiges Klima nach dem Szenario RCP8.5 auswirken. Dabei wurden zunächst ab 2035 in die Stratosphäre 8 Tg Schwefel in drei Jahren eingebracht, bis die globale Mitteltemperatur nach einigen Jahren zu dem Niveau am Ende des 20. Jahrhunderts abgesenkt war. Um dieses Temperaturniveau zu halten, musste in den folgenden Jahren die Konzentration der Sulfat-Aerosole stetig um 0,76 Tg S/Jahr erhöht werden. Nach 25 Jahren wurde die Schwefel-Ausbringung dann plötzlich abgebrochen. Die Folgen waren dramatisch. Die globale Mitteltemperatur nahm in dem Modellexperiment um fast 4 °C in 30 Jahren zu, mehr als doppelt so schnell wie bei dem RCP8.5-Szenario und sechs Mal so schnell wie der Temperaturanstieg seit 1970 bis zur Gegenwart (0,2 °C/Jahrzehnt).[11]

Im Sommer, der für das Wachstum der Vegetation wichtigsten Jahreszeit, nimmt die Temperatur bei einem SRM-Abbruch in den ersten 5 Jahren auf den Kontinenten sogar um 3,3 °C/Jahrzehnt zu, über großen Gebiete der hohen nördlichen Breiten sogar um fast 8 °C/Jahrzehnt. Während der ersten 20 Jahre nach dem Abbruch schwächt sich der Trend auf global 1,25 °C und in manchen Regionen auf 2-2,5 °C pro Jahrzehnt dann etwas ab.[11]

Einzelnachweise

  1. 1,0 1,1 IPCC (2013): Climate Change 2013, Working Group I: The Science of Climate Change, FAQ 7.3
  2. The Geoengineering Model Intercomparison Project (GeoMIP)
  3. Kravitz, B., Robock, A., Boucher, O., Schmidt, H., Taylor, K. E., Stenchikov, G., and Schulz, M.: The Geoengineering Model Intercomparison Project (GeoMIP) (2011): Atmospheric Science Letters, 12, 162–167, doi:10.1002/asl.316, 2011
  4. 1 Tg = 1 Teragramm = 1 Megatonne (Mt) = 1 Milliarde Kilogramm = 1 Billion Gramm
  5. Kravitz, B., et al. (2015): The Geoengineering Model Intercomparison Project Phase 6 (GeoMIP6): simulation design and preliminary results, Geoscientific Model Development, 8, 3379–3392
  6. 6,0 6,1 6,2 6,3 6,4 6,5 6,6 6,7 Schmidt, H., K. Alterskjær, D. Bou Karam, O. Boucher, A. Jones, J.E. Kristjansson, U. Niemeier, M. Schulz, A. Aaheim, F. Benduhn, M. Lawrence, and C. Timmreck (2012): Solar irridiance reduction to counteract radiative forcing from a quadrupling of CO2: Climate responses simulated by four Earth system models. Earth Syst. Dynam., Eart Syst. Dynam., 3, 63-78
  7. 7,0 7,1 7,2 7,3 Schmidt, H., et al. (2012): IMPLICC: Implications and risks of engineering solar radiation to limit climate change. Synthesis report for policy makers and the interested public
  8. 8,0 8,1 Robock, A. (2014): Stratospheric Aerosol Geoengineering
  9. 9,0 9,1 IPCC (2013): Climate Change 2013, Working Group I: The Science of Climate Change, 7.7.2.1
  10. McClellan, J., D.W. Keith, and J. Apt (2012): Cost analysis of stratospheric albedo modification delivery systems, Environmental Research Letters, doi:10.1088/1748-9326/7/3/034019
  11. 11,0 11,1 11,2 11,3 McCusker, K.E., K.C. Armour, C.M. Bitz, and D.S. Battisti (2014): Rapid and extensive warming following cessation of solar radiation management, Environmental Research Letter, doi:10.1088/1748-9326/9/2/024005
  12. U. Niemeier and C. Timmreck (2015): What is the limit of climate engineering by stratospheric injection of SO2?, Atmos. Chem. Phys., 15, 9129-9141, doi:10.5194/acp-15-9129-2015
  13. 13,0 13,1 IPCC (2013): Climate Change 2013, Working Group I: The Science of Climate Change, 7.7.3.1
  14. Näheres dazu unter Landnutzung


Klimadaten zum Thema

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