Climate Engineering und Arktisches Meereis

Aus Klimawandel
Abb. 1: SO2-Injektionen in Tg/Jahr bei Spitzbergen ab 2024 mit Abbruch um 2074 sowie angenommene Vulkanausbrüche (braune Säulen); gezeigt wird zudem der Temperatureffekt der Maßnahme und des Abbruchs (rote Linie)

Fragestellung

Nirgendwo ist die Wirkung des anthropogenen Klimawandels bereits heute so sichtbar wie bei der abnehmenden Ausdehnung des Arktischen Meereises. Das jahreszeitliche Minimum der Eisausdehnung im September hat sich von den 1970er und 1980er Jahren bis heute etwa halbiert. Die Abschmelzrate liegt bei ca. 10 % im Jahrzehnt. Nach dem RCP-Szenario 8.5 ist es wahrscheinlich, dass der Arktische Ozean im September noch vor Mitte des 21. Jahrhunderts eisfrei sein wird,[1] wobei nach einigen Modellrechnungen das auch schon in den 2030er Jahren der Fall sein könnte.[2] Die Folgen der rasanten Abnahme des Meereises sind schon heute sichtbar und könnten in wenigen Jahrzehnten dramatisch werden. Sie haben zum einen klimatische Veränderungen zur Folge. So führt die Abnahme von Eisflächen zu einer erhöhten Eis-Albedo-Rückkopplung und damit zu einer Intensivierung der Arktischen Verstärkung. Außerdem werden Extremereignisse in den mittleren Breiten mit dem Abschmelzen des arktischen Meereises in Zusammenhang gebracht.[3] Zum anderen sind auch die sensiblen arktischen Ökosysteme in ihrer heutigen Form durch ein Verschwinden des Meereises betroffen, mit dem Eisbären als Stellvertreter für das gefährdete Tierreich der Arktis.

Der vergleichsweise schnellen Reaktion der Meereisbedeckung auf klimatische Änderungen stehen die nur sehr schleppend in Gang kommenden und ungewissen Maßnahmen gegen den Klimawandel und deren eher langfristige Wirkung auf das Klimasystem gegenüber. Es liegt daher auf der Hand, über wirksame Maßnahmen nachzudenken, die das Climate Engineering bietet. Vor allem könnte eine künstlich Reduzierung der Sonneneinstrahlung (Solar Radiation Management (SRM)) zu einer fast unmittelbaren Abkühlung führen, wie man aus der Erforschung von starken Vulkaneruptionen wie etwa dem Vulkanausbruch des Mt. Pinatubo von 1991 weiß. Bei großen Vulkanausbrüchen gelangen Sulfataerosole in die Stratosphäre, die dort ca. ein Jahr verbleiben, die Sonneneinstrahlung reflektieren und eine Abkühlung über 2-3 Jahre bewirken. Ähnlich könnte man auch durch das Solar Radiation Management die einfallende Solarstrahlung reduzieren, die unteren Schichten der Atmosphäre abkühlen und so möglicherweise das arktische Meereis retten.

Überblick über verschiedene SRM-Maßnahmen

Bei den Maßnahmen zur Reduktion der Sonneneinstrahlung (SRM) werden sowohl globale wie regional begrenzte Maßnahmen diskutiert und deren Wirkung in Klimamodellexperimenten untersucht.

Globale Maßnahmen

Bei dem abstrakten G1-Szenario des GeoMIP-Projekts wird eine unmittelbare Vervierfachung der vorindustriellen CO2-Konzentration mit dem Ziel ausgeglichen, das arktische Meereises in seiner vorindustriellen Ausdehnung zu bewahren. Dieses Szenario geht von einer Reduktion der Sonneneinstrahlung jenseits der Atmosphäre, z.B. durch Spiegel im Weltraum, aus und ist wenig realistisch.[4]

Auch mit den mehr realistischen SRM-Szenarien G3 und G4 des GeoMIP-Projekts wurden Modellläufe durchgeführt, die zeigen sollen, inwieweit das arktische Meereis vor dem Abschmelzen durch den Klimawandel bewahrt werden kann. G3 ist mit dem eher niedrigen RCP-Szenario 4.5 kombiniert und darauf ausgerichtet, die globale Mitteltemperatur ab 2020 konstant zu halten, was nur mit jährlich zunehmender Sulfatinjektion in die Stratosphäre möglich ist. Das G4-Szenario wird ebenfalls in Kombination mit dem Szenario RCP4.5 durchgeführt. Die Sulfatinjektion wird jedoch bei jährlich 5 Tg SO2 unverändert gelassen, weshalb der Strahlungsantrieb zwar zunächst abgesenkt wird, nach wenigen Jahren jedoch unter dem Einfluss von RCP4.5 wieder ansteigt.[5]

Regionale Maßnahmen

Die begrenzte Wirkung einer globalen Reduktion der Solarstrahlung auf das arktische Meereis (s.u.) hat dazu geführt, Experimente durchzuführen, in denen die Sonneneinstrahlung durch regional eingeschränkte Schwefeldioxid-Injektion reduziert wird. So wurde z.B. in einer Reihe von Modellexperimenten SO2 nur nördlich des 60. bzw. des 70. Breitengrades in die Stratosphäre eingebracht.[6] Als Hintergrund diente das RCP8.5-Szenario. Die Dauer der Modellläufe reichte von 2020 bis 2099. Dabei wurde die SO2-Injektion zunehmend erhöht, um durch die Reduktion der Sonneneinstrahlung den ansteigenden Strahlungsantrieb durch die erhöhte Treibhausgaskonzentration auszugleichen. Das führte am Ende des Jahrhunderts zu einer Verminderung der Einstrahlung um 3,3 % bzw. ca. 45 W/m2.

Eine andere Möglichkeit wird darin gesehen, mit einer SO2-Injektion über Spitzbergen in einer Höhe von 14,5 km eine etwa 1 km dicke Aerosolschicht in der arktischen Stratosphäre zu erzeugen. Die Maßnahme startet in den Modelluntersuchungen im Jahr 2018, wenn die angenommene minimale Meereisausdehnung etwa 3,0 Mio. km2 erreicht hat, und ist gekoppelt mit dem Szenario RCP4.5. Die Injektion wird nach und nach gesteigert bis auf 12,7 Tg SO2 im Jahr 2045, was etwas mehr als 50 % der SO2-Injektion bei dem Pinatubo-Ausbruch von 1991 entspricht. Bis 2074 wird die SO2-Injektion auf einem Niveau von etwa 10,5 bis 12,7 Tg SO2 jährlich fortgesetzt und dann abgebrochen. Gleichzeitig werden einige Vulkanausbrüche angenommen (Abb. 1).[2]

Abb. 2: Mitteltemperatur im Sommer (Juni-August) in der Arktis (nördlich von 60 °N) nach dem RCP4.5-Szenario (rot) und dem globalen Experiment G3 (blau). Außerdem wird die Ausdehnung des arktischen Meereises gezeigt (gestrichelt). Die vertikalen Linien um 2020 und 2070 bezeichnen Beginn und Abbruch des Climate-Engineering-Experiments. Dargestellt ist ein Modelllauf des englischen Hadley-Centers.

Klimatische Folgen

Da die Eis- und Schneeschmelze in der Arktis eng an die sommerlichen Temperaturen gebunden sind, sind zunächst die Auswirkungen auf die Temperaturen im Juni bis August von Bedeutung. Bei dem Szenario RCP4.5 ohne Climate Engineering steigen die Temperaturen in diesen Monaten um 0,4 °C pro Jahrzehnt, bei den globalen Experimenten mit SO2-Injektion G3 und G4 um 0,1 bzw. 0,3 °C pro Jahrzehnt. Die Arktis erwärmt sich also trotz der Reduktion der Sonneneinstrahlung weiter, wenn auch in einem geringeren Maße als bei dem RCP-Szenario 4.5 (Abb. 2). Das trifft auch für das G3-Szenario zu, obwohl die globale Mitteltemperatur bei diesem Szenario stabil gehalten wird. Besonders im Herbst (September bis November) zeigt sich eine deutliche arktische Verstärkung, d.h. eine stärkere Erwärmung in der Arktis als im globalen Mittel, weil es im Herbst am wenigsten Meereis und am meisten offenes Wasser mit den entsprechenden Rückkopplungseffekten gibt. Nach Beendigung der Schwefeldioxidinjektion kommt es 2070-2090 zu einer schnellen Anpassung an das Hintergrundszenario RCP4.5 mit lokalen Temperatursteigerungen von bis zu 2 °C/Jahrzehnt.[5]

Die regionalen und mit dem RCP8.5-Szenario gekoppelten Experimente haben weitere klimatische Folgen zutage gebracht.[6] So kommt es durch die Minderung der Sonneneinstrahlung über der Arktis und die damit einhergehende Abkühlung zu einer verminderten Verdunstung und geringeren Wolkenbildung. Dadurch erreicht wieder mehr Strahlung die Erdoberfläche und eine zusätzliche Reduktion der Solarstrahlung wird nötig, um die gewünschte Ausdehnung der Meereisfläche zu erhalten. Im Winter ist die Reduktion der kurzwelligen Strahlung der Sonne weitgehend irrelevant, weil die Sonne kaum scheint. In den Wintermonaten bestimmen Änderungen des sensiblen und latenten Wärmeflusses das Strahlungsbudget, die auch vom Feuchtigkeitstransport aus niederen Breiten abhängig sind. Aufgrund der hohen Treibhausgaskonzentration nach dem Szenario RCP8.5 ist die Ausstrahlung verhältnismäßig gering. Über den eisfreien Wasserflächen findet ein starker Wärmefluss vom im Sommer aufgewärmten Ozean in die kühlere winterliche Atmosphäre statt, der die Atmosphäre deutlich erwärmt.

Bei einer auf die Arktis begrenzten Verringerung der Solarstrahlung kommt es auch zu Veränderungen der Wärmeflüsse in die Arktis.[6] Bei dem Szenario RCP8.5, mit dem diese CE-Maßnahme gekoppelt ist, erwärmen sich die mittleren und niederen Breiten relativ stark, während die hohen Breiten durch die Reduzierung der Sonneneinstrahlung auf einer verhältnismäßig niedrigen Temperatur gehalten werden. Dadurch vergrößert sich der Temperaturgradient zwischen der Arktis und den südlich gelegenen Regionen. Die von Süden her eindringenden Luftmassen werden im Laufe der Zeit zunehmend wärmer und enthalten mehr Wasserdampf, der über den kühleren Zonen nördlich des 60. Breitengrades kondensiert und Wärme freisetzt. Daher ist vor allem der Transport latenter Wärme in die Arktis deutlich höher als gegenwärtig, was dem Abkühlungseffekt durch die Reduzierung der Solarstrahlung stark entgegenwirkt.

Folgen für das Arktische Meereis

Wie wirken sich die klimatischen Änderungen durch SRM-Maßnahmen nun auf den Meereisverlust in der Arktis aus? Die Modelluntersuchungen mit den globalen SRM-Szenarien G3 und G4 des GeoMIP-Projekts, die mit dem RCP4.5-Szenario gekoppelt sind, zeigen nur eine begrenzte Wirkung der CE-Maßnahmen auf die Bewahrung des arktischen Meereises (Abb. 2). Nach dem Szenario RCP4.5 ohne Climate Engineering gibt es in diesen Experimenten im Zeitraum 2020-2070 einen Meereisverlust im September von 5x104 km2 pro Jahr. Aber auch bei den beiden globalen SRM-Methoden G3 und G4 nimmt das arktische Meereis ab, bei G3 um 1x104 km2 pro Jahr und bei G4 um 4x104 km2 pro Jahr, also bei dem G4-Szenario, bei dem die Injektion von SO2 nicht mit dem zunehmenden anthropogenen Treibhauseffekt gesteigert wird, sondern konstant bleibt, nur geringfügig weniger als bei dem RCP4.5-Szenario. Diese Abnahme führt dazu, dass nach beiden Szenarien bei den meisten Modellexperimenten am Ende der Maßnahme, d.h. um 2070, weniger als 14 % von der Meereisausdehnung im September der Jahre 2010-2019 übrigbleibt, die SRM-Methoden sich also als wenig wirksam erweisen. Nach Beendigung der Maßnahmen im Jahre 2070 pendelt sich die Meereisausdehnung innerhalb von 10 Jahren auf das Niveau des Szenarios RCP4.5 ein und steuert auf ein völliges Verschwinden gegen Ende des Jahrhunderts zu.[5]

Abb. 3: Die Abb. zeigt die Veränderung der Ausdehnung des arktischen Meereises in den Monaten Juli-September nach dem RCP8.5-Szenario (schwarz) und bei einer regionalen SO2-Injektion (rot) nördlich von 60 °N, die der vierfachen Menge der globalen Injektion entspricht, um die Meereisausdehnung bei ca. 5 Mio. km2 zu erhalten.

Die mit dem RCP8.5-Szenario gekoppelten regionalen Experimente[6] zeigen ebenfalls keine befriedigenden Ergebnisse für den Erhalt des arktischen Meereises. Um zu demselben Ergebnis wie bei der globalen SO2-Injektion zu kommen, ist aufgrund der klimatischen Nebenwirkungen eine viermal so hohe regionale Reduktion der Sonneneinstrahlung erforderlich. Um etwa 82 % des gegenwärtigen Eisgebietes im September zu erhalten, ist nach diesen Berechnungen eine regionale Reduktion der solaren Einstrahlung um 13 % oder 180 W/m2 nötig, was zu erreichen auch bei einer nur regionalen Maßnahme als völlig unrealistisch eingeschätzt wird. Das regionale Dimmen der Sonne bietet daher hiernach keine geeignete Maßnahme, um das arktische Meereis bei dem hohen Szenario RCP8.5 vor dem gänzlichen Abschmelzen zu bewahren (Abb. 3).

Nach dem Modellexperiment, das eine SO2-Injektion über Spitzbergen mit dem RCP4.5-Szenario koppelt,[2] besteht dagegen durchaus die Möglichkeit, den Eisverlustes durch Climate Engineering zu kontrollieren. Hier kann die Ausdehnung des arktischen Meereises durch eine Injektion von etwa 12 Tg SO2 jährlich bei ca. 5 Mio. km2 bis zum Abbruch der Maßnahme eingehalten werden. Die Einbringung der benötigten Schwefeldioxidmenge durch Tankflugzeuge wird als aufwendig, aber nicht unmöglich angesehen. Als problematisch werden die Nebeneffekte auf das globale Klima eingeschätzt, z.B. eine Reduktion der Niederschläge auf der Nordhalbkugel um 7.4 %.

Einzelnachweise

  1. IPCC (2013): Climate Change 2013, Working Group I: The Science of Climate Change, 12.4.6.1
  2. 2,0 2,1 2,2 Jackson, L. S., J. A. Crook, A. Jarvis, D. Leedal, A. Ridgwell, N. Vaughan, and P. M. Forster (2015): Assessing the controllability of Arctic sea ice extent by sulfate aerosol geoengineering, Geophysical Research Letters, 42, 1223–1231, doi:10.1002/2014GL062240
  3. Francis, J.A., et al. (2009): Winter Northern Hemisphere weather patterns remember summer Arctic sea-ice extent. Geophys. Res. Lett., 36, L07503, doi:10.1029/2009GL037274
  4. Moore, J. C., et al. (2013): Arctic sea ice and atmospheric circulation under the GeoMIP G1 scenario, J. Geophys. Res. Atmos., doi:10.1002/2013JD021060
  5. 5,0 5,1 5,2 Berdahl, M., A. Robock, D. Ji, J. C. Moore, A. Jones, B. Kravitz, and S. Watanabe (2014): Arctic cryosphere response in the Geoengineering Model Intercomparison Project G3 and G4 scenarios, J. Geophys. Res. Atmos., 119, 1308–1321, doi:10.1002/2013JD020627
  6. 6,0 6,1 6,2 6,3 Tilmes, S., A. Jahn, J. E. Kay, M. Holland, and J.-F. Lamarque (2014): Can regional climate engineering save the summer Arctic sea ice?, Geophys. Res. Lett., 41, 880–885, doi:10.1002/2013GL058731


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