ENSO-Folgen: Europa
Aus Beobachtungsstudien wird davon ausgegangen, dass es während des Nordwinters bei El-Niño- bzw La-Niña-Ereignissen auch einen schwachen Einfluss von ENSO auf den Nordatlantik und Europa gibt. Modelluntersuchungen mit einer höheren Auflösung haben im Zusammenhang mit El-Niño-Ereignissen eine Schwächung des mittleren meridionalen nordatlantischen Druckgradienten und damit der Nordatlantischen Oszillation (NAO) ergeben und eine südwärtige Verschiebung der nordatlantischen Sturmbahnen. Die klimatischen Folgen sind feuchtere Bedingungen über Mitteleuropa und dem westlichen Mittelmeerraum und kühlere Temperaturen über Skandinavien.[1] Beobachtungen bestätigen im wesentlichen diese Ergebnisse. Danach gibt es einen signifikanten Zusammenhang zwischen ENSO und den Niederschlägen im Mittelmeer-Raum mit saisonal wechselnden Merkmalen. Während eines El-Niños zeigen die Niederschläge im westlichen Mittelmeer einen Anstieg von 10% im Herbst vor der Reifephase des Ereignisses und eine entsprechende Verringerung im Frühling darauf.[2]
Spätere Studien haben einen wechselnden Einfluss je nach Jahreszeit ausgemacht.[3] Das europäische Wetter wird ganz stark durch die Nordatlantische Oszillation (NAO) bestimmt, eine Luftdruckschwankung zwischen dem Tief bei Island und dem Azorenhoch, die den Einstrom atlantischer Luftmassen in das europäische Festland reguliert. Die NAO steht offensichtlich unter dem Einfluss der El-Niño-Southern-Oscillation, auch wenn die Wirkung nur schwach ist. So sind die jährlichen Schwankungen des Luftdrucks über dem südwestlichen Nordatlantik im Februar-März im Zeitraum 1873-1996 auf einer monatlichen Zeitskala nur zu 16-25% durch ENSO-Ereignisse zu erklären. Der Einfluss ist aber stark von der Jahreszeit abhängig: Im November und Dezember nimmt der Luftdruck zwischen Grönland und den britischen Inseln deutlich zu und steigt im Bereich des Azorenhochs. El-Niño-Ereignisse sind daher im Frühwinter mit einer Verstärkung der NAO und einer zunehmenden Häufigkeit zonaler Wetterlagen verbunden. Nach Nordwest- und Nordeuropa strömen dann relativ milde und feuchte atlantische Luftmassen ein, während die Mittelmeerregion relativ trocken bleibt. In der Zeit von Januar bis März kommt es eher zu einer Abschwächung der NAO, wodurch das kontinentale Hoch über Osteuropa sich weiter nach Westen ausbreiten kann. Die atlantischen Tiefdruckzonen verlagern sich von Irland nach Mitteleuropa und bringen dem mediterranen Raum verhältnismäßig große Niederschläge.
Erklärt wird dieser Effekt durch den Einfluss des pazifischen Alëuten-Tiefs auf das atlantische Island-Tief.[3] Das Alëuten-Tief ist während eines El-Niño-Winters ungewöhnlich stark ausgebildet, was zum Einstrom warmer maritimer Luft nach Nordamerika und zu hohen Temperaturen besonders über Kanada führt. Damit wird der ansonsten im Winter starke thermale Land-Meer-Gegensatz im nordwestlichen Atlantik deutlich abgeschwächt. Als Folge entwickeln sich weniger Tiefdruckzellen über diesem Gebiet, das Island-Tief füllt sich auf, und die nordatlantischen Stürme schwächen sich ab und werden nach Süden bis in die mediterrane Region abgedrängt. In La-Niña-Wintern ist die Intensität des Alëuten-Tiefs dagegen stark reduziert. Über Nordamerika ist es verhältnismäßig kalt, weil der Zustrom warmer Meeresluft von Westen fehlt, wodurch im Osten des Kontinents der thermale Kontrast zum Atlantik erhöht und die Zyklogenese angetrieben wird. Die Folge ist eine Intensivierung des Island-Tiefs, das die nordatlantischen Stürme verstärkt, deren Bahnen sich weiter nach Norden verschieben. Im November und Dezember spielt die Fernwirkung des Alëuten-Tiefs offensichtlich eine geringere Rolle. Hier wirkt sich möglicherweise die Erwärmung der gesamten tropischen Troposphäre durch die erhöhte ostpazifische Meeresoberflächentemperatur während eines El Niños (bzw. Abkühlung während einer La Niña) direkt aus. Die Erhöhung des thermalen Gegensatzes an der planetarischen Frontalzone treibt den Jetstream und damit die Westwinde an. Diese Hypothesen schließen andere Mechanismen wie saisonale Einflüsse oder eine Wirkungskette vom tropischen Pazifik über den tropischen Atlantik auf das Azorenhoch nicht aus.
Der stärkste Einfluss von ENSO auf das europäische und nordafrikanische Klima findet sich allerdings im Frühjahr (März-Mai). Der Einfluss der nordatlantischen Oszillation ist in dieser Zeit relativ schwach, weshalb sich ENSO direkter durchsetzen kann. Bei einem starken El Niño im Winter sind die Folgen im anschließenden Frühling ein verstärkter Niederschlag im nördlichen und mittleren Europa. Erhöhte Frühjahrsniederschläge im südlichen Irland, England, Frankreich, Mitteleuropa und südlichen Skandinavien: verstärkte Westwinde und erhöhte Zahl von Zyklonen. und reduzierte Niederschläge über der iberischen Halbinsel und dem nordwestlichen Afrika: Hochdruckwetter mit absinkender Luft. Möglicherweise spielt der tropische Atlantik die Schlüsselolle für diese verzögerte Verbindung zwischen ENSO und dem europäischen Klima.[4]
Einzelnachweise
- ↑ Merkel, U., and M. Latif (2002): A high resolution AGCM study of the El Niño impact on the North Atlantic/European sector, Geophysical Research Letters 29, No. 12, 5/1-5/4
- ↑ Mariotti, A., N. Zeng, and K.-M. Lau (2002): Euro-Mediterranean rainfall and ENSO-a seasonally varying relationship, Geophysical Research Letters 29, No. 12, 59/1-59/4
- ↑ 3,0 3,1 Moron, V., and G. Plaut (2003): The impact of El Niño-southern oscillation upon weather regimes over Europe and the North Atlantic during boreal winter, International Journal of Climatology 23, 363-379
- ↑ Lativ, M., A. Groetzner (2000): The equatorial atlantic oscillation and its response to ENSO, Climate Dynamics 16, 213-218
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