Meereis

Aus Klimawandel
Ausdehnung von Sommer- (hellblau) und Wintereis (weiß) in der Arktis und Antarktis im Jahr 2005/06

Als Meereis bezeichnet man das gefrorene Meerwasser der polaren Ozeane. Es spielt eine wichtige Rolle im Klimasystem der Erde.

Die Bildung von Meereis

Im Unterschied zu dem Eis der großen Eisschilde, das durch Niederschlag entsteht, wird Meereis hauptsächlich durch das Gefrieren von Meerwasser gebildet. Während der Gefrierpunkt von Süßwasser bei 0 °C liegt, befindet sich der von Meerwasser je nach Salzgehalt deutlich darunter. Im Meerwasser der Polargebiete bilden sich bei einer Wassertemperatur von unter -1.8 ºC millimetergroße Eiskristalle, die sich an der Wasseroberfläche ansammeln und zu einer Eisdecke zusammenfrieren. In den Prozess des Gefrierens selbst werden nur Wassermoleküle einbezogen, während die viel größeren Salzionen nicht in das Kritallgitter von Eis eingebaut weren können und größtenteils im Meerwasser zurück bleiben und dadurch dessen Salzgehalt und damit auch dessen Dichte erhöhen. Teilweise wird das Salz aber auch im Meereis selbst in kleinen Hohlräumen als flüssige, salzige Lake eingebaut,[1] so dass Meereis 25-50 % des Salzgehalts des Meerwassers enthält, aus dem es entstanden ist.[2] Meereis dehnt sich nicht nur in der Fläche aus, sondern wächst auch an der Basis der Eisschicht, sodass sie dicker wird.

Wechselwirkungen mit dem Klimasystem

Meereis und Atmosphäre

Meereis ist nicht nur ein wichtiger Indikator für Klimaänderungen, sondern auch ein bedeutender Klimafaktor. Von klimatisch großer Bedeutung ist die Eis-Albedo-Rückkopplung. Die hohe Albedo von 60 bis 90 % (letztere bei Neuschnee auf dem Eis) führt dazu, dass die einfallende Sonnenstrahlung größtenteils wieder in den Weltraum reflektiert wird. Besonders Frischschnee besitzt gegenüber Meereis eine höhere Albedo (0,8-0,9 im Vergleich zu 0,5-0,7).[3] Wenn also im Frühling die solare Einstrahlung wieder stärker und länger wird, reflektiert schneebedecktes Meereis mehr Strahlung als schneefreies Meereis und beginnt somit später zu schmelzen.[4] Dadurch erklären sich zu einem großen Teil die geringen Temperaturen in den hohen Breiten und die starken jahreszeitlichen Schwankungen der Temperatur in den Gebieten mit wechselnder Eisbedeckung. Auch bei längerfristigen Änderungen der Temperatur verstärkt die Eis-Albedo-Rückkopplung die Erwärmung bzw. Abkühlung. So wird die gegenwärtige stärkere Erwärmung der Arktis zumindest teilweise auf diesen Verstärkungseffekt zurückgeführt.

Meereis wirkt sich aber nicht nur auf die Temperatur der Atmosphäre aus, sondern besitzt auch einen Einfluss auf die atmosphärische Zirkulation. Die tiefen Temperaturen über dem Meereis bewirken einen starken Temperaturgradienten zu den angrenzenten wärmeren Gebieten niederer Breiten. Dadurch wird ein relativ stabiler zirkumpolarer Wind aus östlicher Richtung aufrecht gehalten, der das Eindringen warmer Luft aus den mittleren Breiten ebenso weitgehend verhindert wie das Ausbrechen von Kaltluft von den Polargebieten in die mittleren Breiten. Das starke Abschmelzen des arktischen Meereises in den letzten Jahren hat nun gerade diese Barriere durchlässiger gemacht und ist möglicherweise für einige der kalten Winter in Europa und Nordamerika in den letzten Jahren verantwortlich (vgl. Arktisches Meereis und Kalte Winter in Europa).

Meereis und Ozean

Meereis bildet außerdem eine wichtige Barriere zwischen Ozean und Atmosphäre und verhindert weitgehend deren Austausch von Bewegung (Wind und Meeresströmungen) und Gasen (Wasserdampf und CO2). Auch in Bezug auf Wärme wirkt das Meereis als isolierende Schicht zwischen kalter polarer Luft, die sich zum Winter hin schneller abkühlt als der Ozean, und relativ warmem Wasser. Während der Wintermonate dehnt sich das Meereis nicht nur in der Fläche aus, sondern wird auch dicker. Aber je dicker das Eis wird, desto mehr schirmt es den Ozean vom Wärmeverlust an die Atmosphäre ab. Das Meerwasser unter dem Eis bleibt daher relativ warm und verringert das Eiswachstum von unten her. [5] [4] Andere Faktoren, die die Stärke dieser Isolation beeinflussen, sind Salzgehalt und Temperatur des Meereises sowie Schnee auf dem Meereis: Je höher der Salzgehalt oder die Temperatur des Eises (z.B. bei jungem Eis), desto schlechter die Wärmeleitfähigkeit, und umso stärker ist dann auch die Isolation. [6] Auch Schnee leitet Wärme sehr schlecht. Wenn also Schnee auf Meereis fällt, wird der Ozean noch stärker isoliert und das Wachstum von Meereis an der Basis weiter verringert. [4] [2]

Wenn das Eis im Sommer nicht komplett abschmilzt, wird es mehrjähriges Eis genannt. Es nimmt im nächsten Winter zunächst weiter an Dicke zu, isoliert dadurch jedoch immer stärker den darunterliegenden Ozean von der kalten Atmosphäre und vermindert wie erläutert das Eiswachstum unter Wasser. Hinzu kommt, dass sich auf diesem mehrjährigen Eis früh eine Schneedecke bildet, die in den Wintermonaten an Mächtigkeit zunimmt und das Eis und somit den Ozean sehr effektiv isoliert. Diese beiden Effekte haben zur Folge, dass mehrjähriges Eis sehr viel langsamer dicker wird als einjähriges Eis. Letzteres kann im Frühjahr sogar die Dicke des mehrjährigen Eises übertreffen.[7] Insgesamt hat die winterliche Isolation des Wassers zur Folge, dass der Ozean im nächsten Sommer deutlich wärmer ist als ohne das winterliche Meereis, was nach der Eisschmelze zu wärmeren Sommern führt. Im Sommer erwärmt sich die Atmosphäre schneller als der Ozean. Kaltes Oberflächenwasser, über dem es während des Winters kein Eis gegeben hat, bremst diese Erwärmung relativ stark ab. Warmes Wasser, das unter dem schmelzenden Eis frei wird, dämpft die Erwärmung der Atmosphäre deutlich weniger.

Dieser Mechanismus hat nun allerdings zur Folge, dass es durch das Abschmelzen von Meereis durch den gegenwärtigen Klimawandel nicht nur eine positive Rückkopplung durch die abnehmende Albedo gibt, die den Schmelzprozess weiter antreibt, sondern auch eine entgegengesetzt wirkende negative Rückkoplung, die mit der beschriebenen Wärmeisolation von Meereis zusammenhängt. Wenn das Eis in einem Sommer stärker abschmilzt als im vorhergegangenen, gibt es zum nächsten Winter hin mehr eisfreies Wasser, von dem deutlich mehr Wärme an die Atmosphäre abgegeben wird als im Winter zuvor. Über dem kühleren Wasser kan sich daher früher und schneller Eis bilden

Anders als bei Eisschilden erfolgt die Reaktion von Meereis auf klimatische Veränderungen nahezu unmittelbar. Die Ausdehnung von Meereisgebieten und die Dicke des Meereises reagieren daher deutlich auf die jahreszeitlichen Temperaturänderungen. So schwankt die Meereisausdehnung in der Arktis zwischen 15 Millionen km2 im Winter und 4-5 Millionen km2 im Sommer und in der Antarktis sogar zwischen 18 und 3 Millionen km2. Diese extremen jahreszeitlichen Schwankungen machen es schwierig, längerfristige Trends zu bestimmen. Auch die Position von Meereis ist sehr viel dynamischer als die von Eis auf dem Land. Sowohl Wind als auch Ozeanströmungen führen zu Verschiebungen der Meereisflächen: Auf kleinen Zeitskalen ist Wind der entscheidende Antrieb, während über einen längeren Zeitraum die Meeresströmungen ausschlaggebend sind.[5]

Das arktische Meereis

Das antarktische Meereis

Einzelnachweise

  1. Notz, D. (2011): Meereis in der Arktis und Antarktis, in: José L. Lozán et al. (Hrsg.): Warnsignal Klima: Die Meere - Änderungen und Risiken. Wissenschaftliche Auswertungen, Hamburg, 96-101; aktualisierte Fassung online
  2. 2,0 2,1 IPCC (2013): Climate Change 2013, Working Group I: The Science of Climate Change, 4.2.1
  3. Tom Markvart, Luis CastaŁżer (2003). Practical Handbook of Photovoltaics: Fundamentals and Applications. Elsevier. ISBN 1-85617-390-9.
  4. 4,0 4,1 4,2 Fichefet, T., Tartinville, B., Goosse, H. (2000): Sensitivity of the Antarctic sea ice to the thermal conductivity of snow. Geophysical Research Letters, Vol. 27, No.3, pp. 401-404.
  5. 5,0 5,1 Peixoto, J.-P., Oort, A. H.: Physics of Climate (1992). Springer-Verlag New York, ISBN: 978-0-88318-712-8.
  6. Wadhams, P.: Ice in the Ocean (2000). Overseas Publishers Association, Gordon and Breach Science Publishers imprint. ISBN 90-5699-296-1.
  7. Notz, D. (2010): Das große Schmelzen: Meereis im Klimawandel Max-Planck-Gesellschaft, Tätigkeitsbericht 2009/10

Literatur

  • Notz, D. (2011): Meereis in der Arktis und Antarktis, in: José L. Lozán et al. (Hrsg.): Warnsignal Klima: Die Meere - Änderungen und Risiken. Wissenschaftliche Auswertungen, Hamburg, 96-101; aktualisierte Fassung online
  • Haas, C. (2005): Auf dünnem Eis? - Eisdickenänderungen im Nordpolarmeer, in: José L. Lozán / Hartmut Graßl / Hans-W. Hubberten / Peter Hupfer / Ludwig Karbe / Dieter Piepenburg (Hrsg.): Warnsignale aus den Polarregionen. Wissenschaftliche Auswertungen, Hamburg, 97-101
  • Bareiss, J., K. Görgen, A. Helbig (2005): Arktisches Meereis - Ursachen der Variabilität und Trends in den vergangenen 30 Jahren, in: José L. Lozán / Hartmut Graßl / Hans-W. Hubberten / Peter Hupfer / Ludwig Karbe / Dieter Piepenburg (Hrsg.): Warnsignale aus den Polarregionen. Wissenschaftliche Auswertungen, Hamburg, 218-225

Weblinks

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