Der alte Mann und das Meer
Der alte Mann und das Meer ist eine Novelle von Ernest Hemingway. Sie wurde 1951 auf Kuba geschrieben und im Jahr 1952 unter dem englischen Titel The old Man and the Sea veröffentlicht. Die Novelle ist das letzte zu seinen Lebzeiten veröffentlichte Werk Hemingways und sein bekanntestes Werk überhaupt. Die Handlung ist auf einen kubanischen Fischer namens Santiago fokussiert, der mit einem gigantischen Marlin ringt. Obwohl das Werk Gegenstand einer harten Kritik war, gilt es als eines der bedeutsamsten Werke in der Literatur des 20. Jahrhunderts und der Werke Hemingways. Der alte Mann und das Meer bestätigte noch einmal Hemingways Bedeutung für die Weltliteratur und trug dazu bei, dass ihm 1954 der Nobelpreis für Literatur verliehen wurde.
Hintergründe und Publikation
Die meisten Biographen sind sich einig, dass die Werke Hemingways, die nach Wem die Stunde schlägt erschienen, also nach 1940 bis 1952, die schwächsten seiner Karriere sind. Vor allem die Novelle Über den Fluss und in die Wälder von 1950 wurde von der Kritik nahezu einmütig als Selbstparodie beurteilt. Offenbar führte seine Teilnahme am Zweiten Weltkrieg als alliierter Kriegsberichterstatter nicht zu einer ebenso fruchtbaren Schaffensphase, wie sie seine Erlebnisse im Ersten Weltkrieg (In einem Anderen Land, 1929) oder im Spanischen Bürgerkrieg (Wem die Stunde schlägt) nach sich gezogen hatten.
Hemingway hatte ursprünglich geplant, die Geschichte von Santiago dem Fischer, aus der sich später Der alte Mann und das Meer herausbildete, als Teil eines großen Werks, das er The Sea Book nennen wollte, zu verwenden. Einige Aspekte dieses Buchs finden sich in der postum veröffentlichten Novelle Inseln im Strom. Positive Resonanz auf die Santiago-Geschichte veranlasste Hemingway aber dann doch, ein selbstständiges Werk zu verfassen.
Die Novelle erschien zuerst in ihrer Gesamtheit mit 26.500 Wörtern in der Ausgabe vom 1. September 1952 des Life Magazins. Von der Ausgabe wurden 5,2 Millionen Hefte binnen zwei Tagen verkauft. Das Echo der erschienenen Kritik war überaus positiv, im Gegensatz zu vorherigen Kritiken zu Hemingways Arbeiten.
Gewidmet war das Buch seinem Verleger Charles Scribner und Lektor Max Perkins. Bizarrerweise war bei einem Teil der frühen Ausgaben der Titel falsch geschrieben als The Old Men and the Sea, zu deutsch Die alten Männer und das Meer.
Ins Deutsche wurde die Novelle von Annemarie Horschitz-Horst übersetzt. Diese bislang (2006) einzige deutschsprachige Version erschien zuerst 1952 gleichzeitig im Steinberg-Verlag in Zürich und im Rowohlt-Verlag in Hamburg. Das Buch entwickelte sich rasch zum Bestseller: Allein im Rowohlt-Verlag erschienen bis 1999 insgesamt 968.000 Exemplare.
Inspirationen für den Charakter
Hemingway lebte ab 1940 zusammen mit seiner dritten Frau, Martha Gellhorn, auf Kuba. Eine seiner liebsten Beschäftigungen dort war es, auf seinem Boot, das er Pilar nannte, zu segeln und zu fischen. Biographen sind sich nahezu einig, dass als Vorlage für den Charakter des Santiago der kubanische Fischer Gregorio Fuentes diente.
Fuentes wurde 1897 auf Lanzarote geboren und wanderte nach Kuba aus, als er sechs Jahre alt war. Dort traf er Hemingway erstmals 1928, der ihn in den dreißiger Jahren bezahlte, um nach seinem Boot zu sehen. Zwischen Hemingway und Fuentes bildete sich im folgenden eine tiefe Freundschaft. Fuentes war für über 30 Jahre der Kapitän der Pilar; dies schließt die Zeit ein, in der sich Hemingway nicht auf Kuba befand.
Fuentes, der an Krebs litt, starb 2002 im Alter von 104 Jahren. Kurz vor seinem Tod spendete er die Pilar der kubanischen Regierung. Der alte Mann und das Meer hat er nie gelesen.
Zusammenfassung der Geschichte
Der alte Mann und das Meer erzählt einen epischen Kampf zwischen einem alten, erfahrenen Fischer und einem gigantischen Marlin, wahrscheinlich der größte Fang seines Lebens, allgemein zwischen den Menschen und der Gewalt der Natur.
Die Novelle beginnt mit der Eröffnung, dass der Fischer namens Santiago seit 84 Tagen ohne Fang ausgefahren ist. Er ist dermaßen vom Pech verfolgt, dass die Eltern seines Gehilfen Manolin diesem verboten haben, weiterhin mit ihm auszufahren und ihn stattdessen mit erfolgreicheren Fischern ausschicken. Noch immer mit Santiago verbunden, schleicht sich Manolin aber jeden Abend in dessen Hütte, schleppt dessen Netze, füttert den alten Mann, und die beiden diskutieren über amerikanischen Baseball, vornehmlich über Joe DiMaggio, Santiagos Idol. Dort offenbart Santiago Manolin, dass er am nächsten Tag weit in den Golf hinaus fahren wird, zuversichtlich, dass seine Pechsträhne dort ein Ende haben wird.
So fährt Santiago am 85. Tag allein weit in den Golf hinaus. Er legt seine Leinen aus. Gegen Mittag des ersten Tages beißt ein großer Fisch an, von dem er sicher ist, dass es sich um einen Marlin handelt. Santiago kann den großen Fisch nicht in das Boot ziehen, stattdessen zieht der Fisch das Boot. So vergehen zwei Tage und zwei Nächte des Kampfes, in denen der alte Mann den Zug des Fisches und das schneidende Seil allein mit seinen Händen hält. Trotz der Wunden und des Schmerzes, den der Marlin ihm zufügt, findet Santiago eine Bindung zu dem Fisch, den er seinen Bruder zu nennen beginnt.
Am dritten Tag des Leidenswegs beginnt der Fisch das Schiff zu drehen, was dem Fischer seine Erschöpfung anzeigt. Santiago, völlig erschöpft und im Delirium, schafft es, seine Harpune zu greifen und den Fisch zu töten.
Er bindet den Fisch an sein Boot und macht sich auf den Heimweg, während er über den hohen Preis, den der Fisch erzielen wird, und die vielen Menschen, die er ernähren wird, nachdenkt. Dabei stellt Santiago fest, dass der Fisch eine so große Würde verkörpert, dass es niemanden gibt, der es wert wäre, ihn zu essen.
Während des weiteren Heimwegs werden eine Vielzahl von Haien von dem Blut angezogen, das der Marlin verliert. Den ersten von ihnen, einen großen Makohai, kann Santiago mit seiner Harpune töten, die er dabei aber verliert. Ohne Harpune tötet er drei weitere Haie mit Hilfe seines Messers, das dann aber zerbricht. Mit einem Knüppel versucht er die folgenden Haie zu erschlagen, was aber nur bedingt glückt. Nachts jedoch reißen die Haie alles Fleisch vom Körper des Marlin, Santiago bleibt nur das blanke Skelett. Schließlich erreicht er vor der Morgendämmerung des vierten Tages den Hafen. Santiago geißelt sich selbst dafür, den Marlin verloren zu haben, und trägt den schweren Mast seines Schiffes auf seinen Schultern zu seiner Hütte. Dort fällt er sofort in einen tiefen Schlaf.
Am nächsten Tag treffen viele Fischer um Santiagos Boot ein, an dem immer noch das Skelett des Marlins festgebunden ist. Touristen aus einem nahen Cafè halten es für ein Haiskelett. Nur Manolin sorgt sich um den alten Mann und bricht in Tränen aus, als er ihn sicher schlafend findet. Dann bringt er die Zeitung und Kaffee. Nach Santiagos Erwachen versprechen sich die beiden, wieder zusammen zu fischen. Santiago schläft vorerst aber weiter und träumt von Löwen an einem afrikanischen Strand.
Reaktion und kritische Analyse
Der alte Mann und das Meer belebte Hemingways literarische Reputation erneut und führte zu einer Neubewertung seines ganzen Werks. Die Novelle wurde schnell sehr populär und schuf ein neues Vertrauen der Leser in Hemingways Talent. Der Verleger Charles Scribner nannte die Novelle Neue Klassik und verglich sie mit William Faulkners Der Bär von 1942 und Herman Melvilles Moby Dick von 1851.
Die Kritik wechselte schnell vom positiven Bild, das bis zur Verehrung der vorsichtigen Mystik und pseudoreligiösen Intonation reichte, zur Reduktion auf bloße Täuschung. Letzteres mit dem Hinweis darauf, dass Hemingway, einst ein hingebungsvoller Schüler des Realismus, sich in einer Schilderung Santiagos als übernatürliche, fast hellseherische Unmöglichkeit verliere und scheitere. Somit folgte einer zuerst außerordentlich positiven Kritik eine Interpretation der Novelle als enttäuschendes kleineres Werk. Erwähnenswert in Bezug auf diesen Wechsel ist vor allem der Kritiker Philip Young. 1952, gleich nach dem Erscheinen der Novelle, schrieb dieser: „[Es ist das Buch], in dem [Hemingway] das feinste einzelne Ding, das er je ausdrückte und das er je auszudrücken hoffen kann, ausdrückt.“ 1966 bemerkte derselbe Autor, dass in „der verfehlten Novelle“ Hemingway sich zu oft „selbst verliert“.
Eine gängige Interpretation lässt sich kurz wie folgt formulieren: Ein Mann kann besiegt, aber nicht vernichtet werden.
Auszeichnungen
Hemingway erhielt eine Vielzahl von Auszeichnungen mit Der alte Mann und das Meer. Am 4. März 1953 erhielt er den Pulitzer-Preis für Literatur in der Kategorie Roman. Im selben Jahr wurde ihm von der American Academy of Letters die Award of Merit Medal for the Novel verliehen. Schließlich erhielt Hemingway 1954 den Nobelpreis für Literatur, „für seine Meisterschaft in der Kunst des Erzählens, erst gerade demonstriert in Der alte Mann und das Meer, und für seinen Einfluss, den er auf den heutigen Stil wirkte.“
Verfilmungen
Von den Filmen, die auf der Novelle basieren, ist vor allem der aus dem Jahre 1958 stammende Film mit Spencer Tracy als Santiago und Felipe Pazos als Manolin erwähnenswert. Das Drehbuch wurde von Peter Viertel adaptiert. Regie führten John Sturges, Henry King (uncredited) und Fred Zinnemann (uncredited). Der Film gewann den Academy Award für die beste Musik und war nominiert in den Kategorien „Bester Hauptdarsteller“ und „Beste Kamera“.
Ein anderer populärer Film ist ein Fernsehfilm aus dem Jahr 1989 mit Anthony Quinn in der Rolle des Santiago. In dieser Version tauchen zwei Charaktere, die nicht in der Novelle vorkommen, auf: Tom und Mary Pruitt, gespielt von Gary Cole und Patricia Clarkson.
Im Jahr 1999, dem 100. Geburtsjahr Hemingways, erschien ein aus 29.000 handgemalten Einzelbildern bestehender Großbildanimationsfilm von Alexandr Petrov. Das Projekt war 1995 begonnen worden, nachdem Petrov die kanadische Animationsfilmfirma Productions Pascal Blais getroffen hatte. Dieser Film gewann den Oscar als bester animierter Kurzfilm.
Weblinks
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