Selma Lagerlöf: Unterschied zwischen den Versionen

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[[Kategorie:Skandinavische Literatur|Lagerlöf, Selma]]
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Version vom 21. Juni 2007, 18:04 Uhr

Selma Ottilia Lovisa Lagerlöf (* 20. November 1858 auf Gut Mårbacka in der Gemeinde Östra Ämtervik, Värmland, Schweden; † 16. März 1940 ebenda) war eine schwedische Schriftstellerin. Sie ist eine der bekanntesten Schriftstellerinnen des Landes und gehört zu den wenigen schwedischen Autoren, deren Werke unbestritten zur Weltliteratur zählen. Am 10. Dezember 1909 erhielt sie – als erste Frau – den Nobelpreis für Literatur.

Biographie

Kindheit und Jugend

Selma Lagerlöf wurde 1858 als Tochter des Gutsbesitzers Leutnant Erik Gustaf Lagerlöf geboren. Ihre Mutter Loise Lagerlöf, geborene Wallroth, stammte aus einer vermögenden Kaufmannsfamilie aus Filipstad. Selma Lagerlöfs Großeltern väterlicherseits, Daniel Lagerlöf, Regimentsschreiber und Gutsverwalter, und Lisa Maja Lagerlöf, geborene Wennerwik, stammten beide aus Pfarrersfamilien. Aus der Familie Lisa Maja Lagerlöfs stammte auch der Besitz des Guts Mårbacka, das vor der Großmutter bereits seit drei Generationen jeweils an die Töchter der Familie, die alle einen Pfarrer geheiratet hatten, weitervererbt worden war. Selma Lagerlöfs Großmutter war die erste, die nicht Frau eines Pfarrers wurde. Die Geschichte ihrer Großeltern väterlicherseits erzählte Selma Lagerlöf in Liljecronas Heim.

Selma Lagerlöf war das zweitjüngste von fünf Geschwistern. Der älteste Bruder, Daniel, wurde später Arzt in Kungälv, der zweitälteste Bruder, Johan, emigrierte nach Amerika. Das dritte Kind ihrer Eltern war Anna, die jung an Tuberkulose starb – das Thema Tuberkulose beschäftigte Selma Lagerlöf später in Nils Holgersson und Der Fuhrmann des Todes. Selma Lagerlöf hatte noch eine vier Jahre jüngere Schwester, Gerda, die ihr von allen Geschwistern am nächsten stand.

Selma Lagerlöf ging, anders als ihre Brüder, nicht zur Schule, sondern wurde mit ihren Schwestern von Gouvernanten zu Hause unterrichtet.

Selma Lagerlöf wurde mit einem Hüftleiden geboren, wobei sich heute kaum beurteilen lässt, wie schwerwiegend es wirklich war. Einerseits schildert sie in ihrem autobiographischen Werk Aus meinen Kindertagen, wie sie ihren Vater vergebens angefleht hat, nicht mit zum Ball nach Sunne mitfahren zu müssen, da sie nicht tanzen kann. Anderseits gibt es Äußerungen von ihr, dass sie sich auf einen Ball freut, und nach anderen Zeugnissen war sie beim Spielen mit anderen Kindern kaum behindert. Im Alter von drei Jahren waren ihre Beine nach einer Krankheit vollständig gelähmt, später verschwand die Lähmung jedoch wieder (eine Episode, die sie in Mårbacka schildert). Mit neun und dann noch einmal mit vierzehn Jahren erhielt Selma Lagerlöf in Stockholm eine Physiotherapie, die ihr anscheinend geholfen hat. Ein leichtes Hinken blieb zurück. Ihr (leichte) körperliche Behinderung stilisierte Selma Lagerlöf bewusst in ihrer Autobiografie: Gerade ihr Schicksal als Außenseiterin - Außenseiter spielen in Selma Lagerlöfs Werk eine wichtige Rolle, exemplarisch ist hier Jan i Skrolycka in Der Kaiser von Portugallien zu nennen - prädestinierte sie zum Schriftstellerberuf.

Als sich die wirtschaftliche Lage in Värmland in den 1860er Jahren verschlechterte, war davon auch das Gut der Familie betroffen. In den 1870er Jahren verschlimmerte sich die Situation immer mehr. Selma Lagerlöf erlebte dies als Jugendliche mit, und die Angst vor dem Verlust des Heims verarbeitete sie später in vielen Werken. 1890, nach dem Tod des Vaters und als Selma Lagerlöf dort schon nicht mehr lebte, musste Mårbacka wegen Schulden verkauft werden.

Schon als junges Mädchen las Selma Lagerlöf leidenschaftlich gern und interessierte sich für die Sagen und Geschichten ihrer Heimat, die sie von ihrem Vater und ihrer Großmutter hörte. Auf dem Dachboden führte sie gern selbstgeschriebene Puppentheaterstücke auf. Für Hausarbeit und das, was als passende Beschäftigung für Mädchen angesehen wurde, zeigte sie hingegen kein Interesse.

Ausbildung und Berufstätigkeit

Gegen den Wunsch ihres Vaters ging Selma Lagerlöf 1881 nach Stockholm und besuchte bis 1882 ein Mädchengymnasium. Von 1882 bis 1885 machte sie eine Ausbildung zur Volksschullehrerin am Königlichen Höheren Lehrerinnenseminar in Stockholm. 1885 starb Selma Lagerlöfs Vater. Im gleichen Jahr trat sie eine Stelle als Volksschullehrerin in Landskrona an. Diese Tätigkeit übte sie bis 1895 aus.

Während ihrer Zeit in Landskrona schrieb Selma Lagerlöf ihren ersten Roman, Gösta Berling. Dem Roman lagen Geschichten über die Menschen ihrer Heimat zu Grunde, die Selma Lagerlöf als Kind gehört hatte. 1890 nahm sie mit fünf Kapiteln aus dem entstehenden Roman an einem Novellenwettbewerb der Zeitschrift Idun teil und gewann. 1891 erschien schließlich der fertige Roman.

Der Roman erhielt zunächst überwiegend negative Kritiken und verkaufte sich schlecht. Entgegen Selma Lagerlöfs ursprünglichen Erwartung reichten die Einnahmen zunächst bei weitem nicht dafür aus, den Lehrerinnenberuf aufzugeben. Erst nach einer außerordentlich positiven Rezension des bekannten dänischen Literaturkritikers Georg Brandes im Jahr 1893 setzte sich Gösta Berling auch in Schweden allmählich durch und ist heute eines der am meisten gelesenen schwedischen Bücher.

Freie Schriftstellerin

1895 gab Selma Lagerlöf den Lehrerinnenberuf auf und unternahm zunächst bis 1896 eine große Reise durch Südeuropa. Ergebnis dieser Reise war der Roman Die Wunder des Antichrist. 1897 zog Selma Lagerlöf nach Falun in Dalarna, einerseits, weil ihre Schwester Gerda sie darum gebeten hatte, anderseits, weil Dalarna als Zentrum schwedischen Brauchtums und schwedischer Volkskultur galt. In der Gemeinde Nås in der Nähe von Falun war im Jahr 1896 eine Gruppe von Bauern in Folge einer religiösen Erweckung nach Jerusalem ausgewandert, um sich dort einer amerikanischen Sekte anzuschließen. Dies machte Selma Lagerlöf zum Thema ihres Romans Jerusalem – neben Vilhelm Mobergs Auswandererromanen das zweite große Auswandererepos in der schwedischen Literatur. Der erste Band von Jerusalem war bereits unmittelbar nach seinem Erscheinen einen großer Erfolg bei Kritikern und Publikum und bedeutete Selma Lagerlöfs endgültigen Durchbruch als Schriftstellerin.

1906 schrieb Selma Lagerlöf ihr bekanntestes Buch, Die wunderbare Reise des kleinen Nils Holgersson mit den Wildgänsen. Dieser Roman entstand im Auftrag des schwedischen Volkschullehrerverbandes und sollte in den Schulen als Lesebuch verwendet werden. Nils Holgersson ist die phantastische Geschichte eines vierzehnjährigen Jungen, der zur Strafe für seine Bösartigkeit in ein Wichtelmännchen verwandelt wird und gemeinsam mit den Wildgänsen durch ganz Schweden reist, wobei er in vielerlei moralische Konflikte gerät. Nils Holgersson stellt gleichzeitig einen Erziehungs- und Entwicklungsroman und ein liebevolles Porträt Schwedens dar. Die einzelnen Landschaften werden, häufig in Form von Sagen und Märchen, vorgestellt, wobei auch damals aktuelle Informationen beispielsweise über die wirtschaftliche und soziale Entwicklung Schwedens eingestreut werden. Nils Holgersson wurde in mehr als 30 Sprachen übersetzt. Bedeutung erlangte der Roman auch dadurch, dass zum ersten Mal in einem literarischen Werk die neue schwedische Rechtschreibung angewendet wurde.

1907 wurde Selma Lagerlöf die Ehrendoktorwürde der Philosophie von der Universität Uppsala verliehen. 1909 erhielt Selma Lagerlöf – als erste Frau – den Literaturnobelpreis, „auf Grund des edlen Idealismus, des Phantasiereichtums und der seelenvollen Darstellung, die ihre Dichtung prägen“, wie es in der Begründung hieß. 1914 wurde Selma Lagerlöf als erste Frau zum Mitglied der Schwedischen Akademie gewählt.

Gutsbesitzerin

Am Neujahrstag des Jahres 1908 kaufte Selma Lagerlöf das Gutshaus von Mårbacka zurück. 1910 konnte sie mit dem Nobelpreisgeld auch das Land zurückkaufen, 1914 schließlich konnte sie durch erneute Aufkäufe das Land verdoppeln.

Selma Lagerlöf betrieb in Mårbacka Landwirtschaft sowie eine Fabrik zur Produktion von Hafermehl und widmete ihrem Gut viel Zeit, Energie und nicht zuletzt Geld. Gleichzeitig hatte sie aber zunächst ihren Lebensmittelpunkt weiter in Falun, wo sie eine kleine Villa gekauft hatte. Nach einem kleineren Umbau von 1908-1909 ließ Selma Lagerlöf Mårbacka von 1921-1923 schließlich zu einem repräsentativen Herrenhaus im historisierenden Stil umbauen, das mit dem bescheidenen roten Holzhaus, das es vorher war, nicht mehr viel gemein hatte. Seit dieser Zeit lebte Selma Lagerlöf das ganze Jahr auf Mårbacka.

Selma Lagerlöf veröffentlichte auch nach dem Nobelpreis bedeutende Romane, darunter 1911 Liljecronas Heim und 1914 Der Kaiser von Portugallien, zwei Werke, in denen sie von ihrer Heimat und deren Menschen erzählt. Ihr letztes großes Romanprojekt war die 1925-1928 erschiene Trilogie Die Löwenskölds, die sich gleichzeitig als Geschichte eines schicksalsmächtigen Fluches und als hellsichtige Analyse des Narzissmus’ der Zentralfigur lesen lässt. Ein geplanter vierter Band kam nicht mehr zustande.

In ihren späteren Jahren schrieb sie eine dreiteilige Autobiographie: Mårbacka, Aus meinen Kindertagen sowie Tagebuch der Selma Ottilia Lovisa Lagerlöf, ihr letztes vollendetes Werk. Die Autobiograpie ist keine Schilderung des eigenen Lebens im herkömmlichen Sinne, sondern besteht aus Erzählungen aus ihrer Kindheit, die einem bestimmten Zweck dienen: Die Hintergründe ihres schriftstellerischen Wirkens dazustellen.

Selma Lagerlöf war eine enge Freundin Sophie Elkans. Ebenfalls eine enge Freundschaft verband Selma Lagerlöf mit Valborg Olander. Sophie Elkan und Valborg Olander waren recht eifersüchtig aufeinander und gingen einander aus dem Weg. Der 1990 veröffentlichte Briefwechsel Selma Lagerlöfs mit Sophie Elkan ist eine wichtige Quelle für Leben und Werk Selma Lagerlöfs. Mindestens ebenso wichtig sind ihre Briefe an Valborg Olander, die Ying Toijer-Nilsson 2006 herausgegeben hat. Nicht nur ihr Alltagsleben auf Mårbacka schildert Selma mit all seinen Facetten, die Sammlung enthält auch eine große Zahl an Liebesbriefen Selmas an Valborg, aus denen deutlich wird, dass die beiden Frauen über Jahrzehnte bis zu Selmas Tod eine heimlich gehaltene enge Beziehung unterhielten. Aus den Briefen geht ebenfalls hervor, dass Selmas Beziehung zu Sophie Elkan nur platonisch war.

1907 wurde Selma Lagerlöf gebeten, einen sechsjährigen Jungen namens Nils Holgersson aufzunehmen, wobei die zufällige Namensgleichheit mit Selma Lagerlöfs Romanheld die Ursache dafür war, dass man sich gerade an Selma Lagerlöf wandte. Sie widmete ihrem Pflegesohn viel Engagement, wenn auch ihre Pläne, ihn zu einem intellektuell gebildeten Menschen und potentiellen Erben von Mårbacka zu erziehen, fehlschlugen. Nils Holgersson wurde schließlich Bauarbeiter, wanderte nach Amerika aus und war in Chicago am Bau vieler Wolkenkratzer beteiligt.

Soziales und politisches Engagement

Selma Lagerlöf engagierte sich insbesondere in Frauenfragen. 1911 hielt sie in Stockholm bei einem internationalen Frauenkongress die vielbeachtete Rede Hem och stat („Heim und Staat“), in welcher sie die „weibliche“ Schöpfung des Heimes, in dem Frieden und Geborgenheit herrschen, der „männlichen“ Schöpfung des von Macht und Gewalt geprägten Staates gegenüberstellt. Dass eine weltbekannte Frau, Nobelpreisträgerin und Gutsbesitzerin, sprach, der das elementare staatsbürgerliche Recht, nämlich das Wahlrecht, verweigert wurde, machte die Rede besonders brisant.

1933 beteiligte sich Selma Lagerlöf an einem Komitee zur Rettung jüdischer Flüchtlinge aus Deutschland. 1940 half sie der deutsch-jüdischen Schriftstellerin Nelly Sachs nach Schweden zu fliehen, und rettete so deren Leben.

Auch im Kleinen war Selma Lagerlöf aktiv: In ihrer Heimatgemeinde Östra Ämtervik saß sie im Gemeinderat und war Mitglied der Armenverwaltung.

Auf Grund ihrer Popularität bekam Selma Lagerlöf zahllose Bitt- und Bettelbriefe aus dem In- und Ausland. Sie half, so gut sie konnte, und schickte oft kleine oder auch nicht so kleine Geldbeträge. Auch in den Krisenjahren in der Weltwirtschaftskrise entließ sie keine Arbeiter, sondern stellte in Mårbacka sogar neue ein, um die Not der Menschen zu lindern.

Aus heutiger Sicht kaum verständlich ist, dass Selma Lagerlöf - wie viele andere Angehörige der schwedischen Kulturelite (z. B. Anders Zorn, Carl Larsson und Ellen Key) - Sympathien für so genannte „rassenhygienische Maßnahmen“ hatte und sogar das „Rassenbiologische Institut“ des Nazi-Sympathisanten Herman Lundborg unterstützte [1].


Literarische Bedeutung

Thematik

Selma Lagerlöf wird häufig in erster Linie als Schriftstellerin betrachtet, die ihre värmländische Heimat schildert. Tatsächlich spielt die Schilderung ihrer Heimat in ihrem Werk – beispielsweise in Gösta Berling, Liljecronas Heim und Der Kaiser von Portugallien – auch eine große Rolle. Selma Lagerlöf sah es als eine Lebensaufgabe an, die Lebensweise in ihrer Heimat und auf dem Gut ihrer Eltern zu darzustellen und so für spätere Generationen zu bewahren.

Die Bandbreite der von Selma Lagerlöf behandelten Themen geht aber weit darüber hinaus: Ein immer wiederkehrendes Motiv in ihrem Werk ist die Notwendigkeit, Schuld zu sühnen, einerseits und die versöhnende und erlösende Kraft der Liebe andererseits. Auch interessierte sich Selma Lagerlöf lebhaft für die menschliche Psychologie und die Schilderung von Seelenzuständen.

Ein wichtiges Thema für Selma Lagerlöf ist das Heim und die durch ein Heim vermittelte Geborgenheit und Sicherheit. In dem Roman Liljecronas Heim wird dies schon im Titel deutlich. Vorbild ist hier wie auch in anderen Werken des elterliche Gut Mårbacka, das geradezu als Musterbild eines Heimes gefeiert und bewusst idealisiert wird. Auch in Nils Holgersson findet sich (im Kapitel En liten herrgård) eine liebevolle Beschreibung des Guts, auf dem Selma Lagerlöf aufgewachsen ist. Im Zusammenhang mit dem Heim wird häufig die Bedrohung des Heims und die Angst vor dem Verlust des Heimes behandelt. In Gösta Berling wird dies gleich mehrfach thematisiert: Über die Majorin heißt es, sie sei nicht die einzige, die den Verlust eines geliebten Heimes erleben musste, und die Schrecken einer Auktion, bei der das Heim versteigert wird, werden im Kapitel Auktionen på Björne geschildert. Auch in Jerusalem wird die Versteigerung des heimatlichen Hofs eindrucksvoll dargestellt.

Ein anderes häufig vorkommendes Thema ist die Konfrontation weiblich–männlich, archetypisch etwa in Herrn Arnes Schatz. Die weiche, hingebungsvolle, liebende Elsalill stößt auf den grausamen, bösartigen und verschlagenen Sir Archie und geht hieran zu Grunde. Häufig sind es bei Selma Lagerlöf starke, tüchtige und selbstbewusste Frauen, die sich gegen schwache und unfähige Männer durchsetzen müssen: Von der Majorin in Gösta Berling über Micaela Palmeri in Die Wunder des Antichrist und Karin Ingmarsdotter in Jerusalem bis hin zu Charlotte Löwensköld und Anna Svärd in der Löwensköld-Trilogie kehrt diese Konstellation immer wieder.

Eine ebenfalls häufig wiederkehrende Thematik ist die problematische Vater-Tochter-Beziehung: Melchior Sinclaire und Marianne Sinclaire in Gösta Berling, Cavaliere Palmeri und Micaela Palmeri in Die Wunder des Antichrist, Pfarrer Lyselius und Maja Lisa Lyselius in Liljecronas Heim und Jan i Skrolycka und Klara Gulla in Der Kaiser von Portugallien: Immer sind diese Beziehungen von inniger Liebe, aber auch schweren Konflikten geprägt.

Selma Lagerlöf behandelt gerne auch aktuelle Geschehnisse und Entwicklungen: In Die Wunder des Antichrist versucht sie, Christentum und Sozialismus miteinander auszusöhnen, in Jerusalem behandelt sie den Verfall der Autorität der lutherischen schwedischen Staatskirche und das Aufkommen neuer Volksbewegungen, Das heilige Leben ist ein ergreifendes pazifistisches Plädoyer angesichts der Schrecken des Ersten Weltkriegs.

Schreibweise

Die Romane und Erzählungen von Selma Lagerlöf wirken auf den ersten Blick naiv und erwecken den Anschein, in einer uralten mündlichen Erzähltradition geschrieben zu sein. So ist es typisch, dass ihre Romane aus einzelnen Kapiteln bestehen, die in sich jeweils abgeschlossene Episoden darstellen. Das Einleitungskapitel von Jerusalem I etwa, Ingmarssönerna („Die Ingmarssöhne“), fungierte ursprünglich sogar als selbstständige Novelle. Dies verführte viele Kritiker, Selma Lagerlöf für eine naive Märchentante zu halten. Oscar Levertin bezeichnete 1903 Selma Lagerlöf als „literarische Anomalie“, die „alleine aus der Einfalt ihres Herzens“ spreche, und noch 1989 nannte sie Sven Delblanc einen „Atavismus“.

In Wahrheit arbeitet Selma Lagerlöf jedoch äußerst bewusst mit raffinierten erzähltechnischen Methoden. Dies zeigt sich beispielsweise an der anspruchsvollen Konstruktion von Jerusalem, wo sie scheinbar zusammenhanglose Einzelkapitel zu einem komplexen Bau, dessen Grundstruktur sich erst nach und nach erschließt, zusammensetzt, oder an dem geschickte Wechsel der Erzählperspektive in Der Kaiser von Portugallien.

Auch das für die Werke von Selma Lagerlöf charakteristische Auftreten übernatürlicher Mächte und Erscheinungen darf nicht als Wunderglaube missverstanden werden, sondern hat immer einen ganz gezielten, häufig symbolischen Zweck im Rahmen der Komposition.

In Gösta Berling schreibt Selma Lagerlöf in einem hochgestimmten, überschwänglichen, emphatischen Ton, häufig mit direkten Anrufen an den Leser (Beispiel: O sena tiders barn! – O Kinder späterer Zeiten!) In späteren Werken ändert sie ihren Stil und pflegt eine lakonische, schlichte, an die isländische Saga gemahnende Schreibart.

Selma Lagerlöfs scheinbar naive Sprache ist in Wahrheit alles andere als naiv. Ein Vergleich ihrer Literatur mit ihren privaten Äußerungen etwa in Briefen, in denen sie natürlich und zwanglos schreibt, zeigt, wie kunstvoll ihre Sprache ist. „Es strengt an, einfach zu sein“, schrieb sie einmal.

Selma Lagerlöf gestaltet Menschenschicksale mit großer elementarer Kraft. Es gelingt ihr, ohne Längen Spannung zu erzeugen und von der ersten bis zur letzten Seite durchzuhalten. Dass sie bis heute Leser zu fesseln vermag, belegt die Qualität ihrer Werke.

Neben Romanen schrieb sie ihr ganzes Leben auch Kurzgeschichten, Erzählungen und Legenden. Einmal wagte sie sich sogar an ein Gedicht in Alexandrinern, Slåtterkarlar på Ekolsund aus Troll och människor I. Die dramatische Form lag ihr hingegen nicht. Sie selbst bearbeitete ihre Erzählungen Dunungen und Herrn Arnes Schatz für das Theater. Beide Theaterstücke waren bei Publikum und Kritik ein Misserfolg.

Werk

  • Peer Gynt
  • Nora oder ein Puppenheim
  • Gespenster
  • Die Wildente

Literatur

Weblinks

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