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'''Jean-Jacques Rousseau''' (* 28. Juni 1712 in Genf; † 2. Juli 1778 in Ermenonville bei Paris) war ein französisch-schweizerischer Schriftsteller, Philosoph, Pädagoge und Komponist. Er war einer der einflussreichsten europäischen Autoren des 18. Jahrhunderts. | '''Jean-Jacques Rousseau''' (* 28. Juni 1712 in Genf; † 2. Juli 1778 in Ermenonville bei Paris) war ein französisch-schweizerischer Schriftsteller, Philosoph, Pädagoge und Komponist. Er war einer der einflussreichsten europäischen Autoren des 18. Jahrhunderts. | ||
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==Biographie== | ==Biographie== | ||
Rousseau wurde in der calvinistischen Schweizer Republik Genf als Sohn des Uhrmachers Isaak Rousseau geboren, dessen Vorfahren als Hugenotten aus Frankreich dorthin ausgewandert waren. Rousseaus Mutter, Tochter eines protestantischen Pfarrers, starb wenige Tage nach seiner Geburt. Eine jüngere Schwester des Vaters zog in den Haushalt ein und kümmerte sich um das Kind. Der Vater selbst erzog den kränklichen Knaben offenbar im Rahmen seiner Möglichkeiten und förderte z. B. seine Leselust. Als er Genf 1722 wegen Tätlichkeiten bei einem Streit verlassen musste, kam der Zehnjährige zu einem Pastor in Pension und lebte später einige Zeit im Haushalt einer anderen Tante. Mit zwölf wurde er Lehrling bei einem Gerichtsschreiber, ein Jahr später bei einem Graveur. | Rousseau wurde in der calvinistischen Schweizer Republik Genf als Sohn des Uhrmachers Isaak Rousseau geboren, dessen Vorfahren als Hugenotten aus Frankreich dorthin ausgewandert waren. Rousseaus Mutter, Tochter eines protestantischen Pfarrers, starb wenige Tage nach seiner Geburt. Eine jüngere Schwester des Vaters zog in den Haushalt ein und kümmerte sich um das Kind. Der Vater selbst erzog den kränklichen Knaben offenbar im Rahmen seiner Möglichkeiten und förderte z. B. seine Leselust. Als er Genf 1722 wegen Tätlichkeiten bei einem Streit verlassen musste, kam der Zehnjährige zu einem Pastor in Pension und lebte später einige Zeit im Haushalt einer anderen Tante. Mit zwölf wurde er Lehrling bei einem Gerichtsschreiber, ein Jahr später bei einem Graveur. | ||
Als er 1728 bei der Rückkehr von einem Sonntagsausflug das Stadttor schon verschlossen fand, folgte er einem schon länger gehegten Wunsch und ging auf Wanderschaft. In Savoyen geriet er nach einigen Tagen an einen katholischen Geistlichen, der ihn an eine Madame de Warens in Annecy vermittelte, die gerade aus der Schweiz nach Savoyen ausgewandert und Katholikin geworden war. Sie nahm Rousseau auf, schickte ihn aber drei Tage später | Als er 1728 bei der Rückkehr von einem Sonntagsausflug das Stadttor schon verschlossen fand, folgte er einem schon länger gehegten Wunsch und ging auf Wanderschaft. In Savoyen geriet er nach einigen Tagen an einen katholischen Geistlichen, der ihn an eine Madame de Warens in Annecy vermittelte, die gerade aus der Schweiz nach Savoyen ausgewandert und Katholikin geworden war. Sie nahm Rousseau auf, schickte ihn aber drei Tage später nach Turin, wo er sich nach kurzer Unterweisung im Hospice des catéchumènes katholisch taufen ließ. Er verdingte sich als Diener und später als Sekretär in adeligen Turiner Häusern. Ein Jahr später kehrte er zu Mme de Warens zurück. Ihrem Vorschlag folgend trat er in das Priesterseminar von Annecy ein, allerdings nur für kurze Zeit. Darauf vermittelte sie ihn an den Leiter der Dom-Musikschule, da er sich an ihren Hausmusikstunden gern singend beteiligt hatte. Dieser nahm ihn zu sich und unterrichtete ihn in Chorgesang und Flöte. Es folgten einige fruchtbare Monate, in denen Rousseau die theoretischen Grundlagen der Musik kennenlernte. Als sein Lehrer eine neue Stelle in Lyon antrat, blieb er zunächst bei ihm, kehrte dann aber nach Annecy zurück. | ||
Dort stellte er fest, dass Madame de Warens nach Paris abgereist war. Hierauf ging er erneut auf Wanderschaft, die ihn unter anderem nach Lausanne und Neuchâtel führte, wo er sich erfolglos als Musiklehrer versuchte, und erstmals auch nach Paris. Hier arbeitete er im Sommer 1731 als Diener eines jungen Schweizers. | Dort stellte er fest, dass Madame de Warens nach Paris abgereist war. Hierauf ging er erneut auf Wanderschaft, die ihn unter anderem nach Lausanne und Neuchâtel führte, wo er sich erfolglos als Musiklehrer versuchte, und erstmals auch nach Paris. Hier arbeitete er im Sommer 1731 als Diener eines jungen Schweizers. | ||
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Hier fand er 1745 Anschluss an diverse Mäzene (bei denen er seine fertige Oper aufführen konnte) und knüpfte Kontakte zu an anderen jungen Intellektuellen. So lernte er Denis Diderot und Jean le Rond d’Alembert, den Mitherausgeber der 1746 von Diderot initiierten Encyclopédie kennen. Daneben liierte er sich mit der 23-jährigen Wäscherin Thérèse Levasseur. | Hier fand er 1745 Anschluss an diverse Mäzene (bei denen er seine fertige Oper aufführen konnte) und knüpfte Kontakte zu an anderen jungen Intellektuellen. So lernte er Denis Diderot und Jean le Rond d’Alembert, den Mitherausgeber der 1746 von Diderot initiierten Encyclopédie kennen. Daneben liierte er sich mit der 23-jährigen Wäscherin Thérèse Levasseur. | ||
Es folgten weitere Jahre der literarischen Gehversuche (z.B. schrieb er 1747 eine Komödie, L’Engagement téméraire) und der materiellen Unsicherheit. Letztere führte auch dazu, dass Thérèse ihre 1746 und 1748 geborenen Kinder jeweils bei den „Findelkindern“ (Enfants trouvés) abgab, wo sie wahrscheinlich nicht überlebten, so wie die meisten der so entsorgten Säuglinge. Voltaire machte dies dem späteren pädagogischen Theoretiker zum Vorwurf. Rousseau entschuldigte diese damals durchaus nicht ungewöhnliche Praxis damit, dass seine Arbeit schlecht oder gar nicht honoriert werde, so dass Thérèse auch für seinen Lebensunterhalt aufkommen müsse und sich nicht mit der Aufzucht belasten könne. | Es folgten weitere Jahre der literarischen Gehversuche (z.B. schrieb er 1747 eine Komödie, L’Engagement téméraire) und der materiellen Unsicherheit. Letztere führte auch dazu, dass Thérèse ihre 1746 und 1748 geborenen Kinder jeweils bei den „Findelkindern“ (Enfants trouvés) abgab, wo sie wahrscheinlich nicht überlebten, so wie die meisten der so entsorgten Säuglinge. [[Voltaire]] machte dies dem späteren pädagogischen Theoretiker zum Vorwurf. Rousseau entschuldigte diese damals durchaus nicht ungewöhnliche Praxis damit, dass seine Arbeit schlecht oder gar nicht honoriert werde, so dass Thérèse auch für seinen Lebensunterhalt aufkommen müsse und sich nicht mit der Aufzucht belasten könne. | ||
1749 war ein entscheidendes Jahr für Rousseau. Zu Jahresbeginn wurde er von d'Alembert mit der Abfassung musikologischer Artikel für die Encyclopédie betraut. Im Herbst besuchte er den in der Festung Vincennes inhaftierten Diderot und las unterwegs im Mercure de France die Preisfrage der Académie von Dijon: « Le Rétablissement des sciences et des arts a-t-il contribué à épurer les mœurs? » (deutsch: „Hat die Wiederherstellung der Wissenschaften und Künste dazu beigetragen, die Sitten zu reinigen?“). Er hatte die provokante Idee, die Frage zu verneinen, und schrieb seinen asketischen Discours sur les Sciences et les Arts („Abhandlung über die Wissenschaften und die Künste“), worin er die nach Luxus strebende zeitgenössische europäische Gesellschaft in die sittliche Dekadenz abgleiten sieht. Der Discours lief den Vorstellungen vieler Intellektueller der Zeit zwar völlig entgegen, wurde aber von den Vertretern des aufstrebenden französischen Bürgertums gut aufgenommen. Rousseau erhielt 1750 den ersten Preis und wurde, auch dank der Diskussion, die er auslöste, über Nacht europaweit bekannt. | 1749 war ein entscheidendes Jahr für Rousseau. Zu Jahresbeginn wurde er von d'Alembert mit der Abfassung musikologischer Artikel für die Encyclopédie betraut. Im Herbst besuchte er den in der Festung Vincennes inhaftierten Diderot und las unterwegs im Mercure de France die Preisfrage der Académie von Dijon: « Le Rétablissement des sciences et des arts a-t-il contribué à épurer les mœurs? » (deutsch: „Hat die Wiederherstellung der Wissenschaften und Künste dazu beigetragen, die Sitten zu reinigen?“). Er hatte die provokante Idee, die Frage zu verneinen, und schrieb seinen asketischen Discours sur les Sciences et les Arts („Abhandlung über die Wissenschaften und die Künste“), worin er die nach Luxus strebende zeitgenössische europäische Gesellschaft in die sittliche Dekadenz abgleiten sieht. Der Discours lief den Vorstellungen vieler Intellektueller der Zeit zwar völlig entgegen, wurde aber von den Vertretern des aufstrebenden französischen Bürgertums gut aufgenommen. Rousseau erhielt 1750 den ersten Preis und wurde, auch dank der Diskussion, die er auslöste, über Nacht europaweit bekannt. | ||
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Wegen der zahlreichen Verunglimpfungen und tatsächlichen Verfolgungen seit 1762 entwickelte Rousseau nach und nach einen Verfolgungswahn. Dieser erzeugte einen Erklärungs- und Rechtfertigungsdrang, aus dem heraus er ab 1763 eine ganze Reihe kürzerer und längerer autobiografischer Texte verfasste. Der bekannteste und umfangreichste darunter waren die auch intime und für den Autor unvorteilhafte Details ausbreitenden Confessions („Bekenntnisse“, 1765–70), die erst posthum publiziert wurden und die Untergattung der selbstentblößenden Autobiografie begründeten. Den Titel wählte Rousseau in selbstbewusster Anspielung auf die Confessiones des Augustinus. | Wegen der zahlreichen Verunglimpfungen und tatsächlichen Verfolgungen seit 1762 entwickelte Rousseau nach und nach einen Verfolgungswahn. Dieser erzeugte einen Erklärungs- und Rechtfertigungsdrang, aus dem heraus er ab 1763 eine ganze Reihe kürzerer und längerer autobiografischer Texte verfasste. Der bekannteste und umfangreichste darunter waren die auch intime und für den Autor unvorteilhafte Details ausbreitenden Confessions („Bekenntnisse“, 1765–70), die erst posthum publiziert wurden und die Untergattung der selbstentblößenden Autobiografie begründeten. Den Titel wählte Rousseau in selbstbewusster Anspielung auf die Confessiones des Augustinus. | ||
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Im Frühjahr 1770 verließ Rousseau seinen Bauernhof Richtung Paris. Bei einem Aufenthalt in Lyon ließ der Vorsteher der Kaufmannschaft ihm zu Ehren seinen Devin und sein lyrisches Kleindrama Pygmalion aufführen. Ab Juni lebte er wieder, zurückgezogen und von den Behörden geduldet, mit Thérèse in Paris. Er wurde hin und wieder zu Lesungen eingeladen und es scharten sich einige Sympathisanten und Jünger um ihn, darunter ab 1771 der später sehr bekannte Autor Bernardin de Saint-Pierre. | Im Frühjahr 1770 verließ Rousseau seinen Bauernhof Richtung Paris. Bei einem Aufenthalt in Lyon ließ der Vorsteher der Kaufmannschaft ihm zu Ehren seinen Devin und sein lyrisches Kleindrama Pygmalion aufführen. Ab Juni lebte er wieder, zurückgezogen und von den Behörden geduldet, mit Thérèse in Paris. Er wurde hin und wieder zu Lesungen eingeladen und es scharten sich einige Sympathisanten und Jünger um ihn, darunter ab 1771 der später sehr bekannte Autor Bernardin de Saint-Pierre. | ||
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1794 ließ der jakobinische Wohlfahrtsausschuss seine Gebeine triumphal ins Pariser Panthéon überführen. | 1794 ließ der jakobinische Wohlfahrtsausschuss seine Gebeine triumphal ins Pariser Panthéon überführen. | ||
== Werke == | |||
* [[Abhandlung über den Ursprung und die Grundlagen der Ungleichheit unter den Menschen]] | |||
* [[Julie oder Die neue Heloise]] | |||
* [[Emil oder über die Erziehung]] | |||
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Aktuelle Version vom 7. Mai 2009, 12:20 Uhr
Jean-Jacques Rousseau (* 28. Juni 1712 in Genf; † 2. Juli 1778 in Ermenonville bei Paris) war ein französisch-schweizerischer Schriftsteller, Philosoph, Pädagoge und Komponist. Er war einer der einflussreichsten europäischen Autoren des 18. Jahrhunderts.
Biographie
Rousseau wurde in der calvinistischen Schweizer Republik Genf als Sohn des Uhrmachers Isaak Rousseau geboren, dessen Vorfahren als Hugenotten aus Frankreich dorthin ausgewandert waren. Rousseaus Mutter, Tochter eines protestantischen Pfarrers, starb wenige Tage nach seiner Geburt. Eine jüngere Schwester des Vaters zog in den Haushalt ein und kümmerte sich um das Kind. Der Vater selbst erzog den kränklichen Knaben offenbar im Rahmen seiner Möglichkeiten und förderte z. B. seine Leselust. Als er Genf 1722 wegen Tätlichkeiten bei einem Streit verlassen musste, kam der Zehnjährige zu einem Pastor in Pension und lebte später einige Zeit im Haushalt einer anderen Tante. Mit zwölf wurde er Lehrling bei einem Gerichtsschreiber, ein Jahr später bei einem Graveur.
Als er 1728 bei der Rückkehr von einem Sonntagsausflug das Stadttor schon verschlossen fand, folgte er einem schon länger gehegten Wunsch und ging auf Wanderschaft. In Savoyen geriet er nach einigen Tagen an einen katholischen Geistlichen, der ihn an eine Madame de Warens in Annecy vermittelte, die gerade aus der Schweiz nach Savoyen ausgewandert und Katholikin geworden war. Sie nahm Rousseau auf, schickte ihn aber drei Tage später nach Turin, wo er sich nach kurzer Unterweisung im Hospice des catéchumènes katholisch taufen ließ. Er verdingte sich als Diener und später als Sekretär in adeligen Turiner Häusern. Ein Jahr später kehrte er zu Mme de Warens zurück. Ihrem Vorschlag folgend trat er in das Priesterseminar von Annecy ein, allerdings nur für kurze Zeit. Darauf vermittelte sie ihn an den Leiter der Dom-Musikschule, da er sich an ihren Hausmusikstunden gern singend beteiligt hatte. Dieser nahm ihn zu sich und unterrichtete ihn in Chorgesang und Flöte. Es folgten einige fruchtbare Monate, in denen Rousseau die theoretischen Grundlagen der Musik kennenlernte. Als sein Lehrer eine neue Stelle in Lyon antrat, blieb er zunächst bei ihm, kehrte dann aber nach Annecy zurück.
Dort stellte er fest, dass Madame de Warens nach Paris abgereist war. Hierauf ging er erneut auf Wanderschaft, die ihn unter anderem nach Lausanne und Neuchâtel führte, wo er sich erfolglos als Musiklehrer versuchte, und erstmals auch nach Paris. Hier arbeitete er im Sommer 1731 als Diener eines jungen Schweizers.
Nachdem er erfahren hatte, dass Mme de Warens wieder in Savoyen war, nunmehr in Chambéry, wurde er wieder vorstellig bei ihr. In der Tat nahm sie ihn nun wie einen Ziehsohn bei sich auf und vermittelte ihm eine Schreiberstelle im Katasteramt, die er jedoch 1732 nach acht Monaten aufgab, um als Musiklehrer zu arbeiten.
Es folgten fünf relativ glückliche, für seine Bildung – die er fast gänzlich autodidaktisch erwarb – sehr wichtige Jahre. Er las, musizierte, experimentierte und begann zu schreiben. Auch wurde er etwas widerstrebend von „Maman“, wie er sie nannte (obwohl sie nur 13 Jahre älter war als er), in die Liebe eingeführt.
Im Sommer 1737 erlitt er eine Augenverletzung bei einem chemischen Experiment und reiste im Herbst zu einem Arzt nach Montpellier. Als er Anfang 1738 zurückkehrte, hatte Madame de Warens mit ihrem neuen Sekretär und Hausverwalter ein Verhältnis begonnen. Rousseau blieb trotzdem noch zwei Jahre, bis er sich im Frühjahr 1740 als Hauslehrer in Lyon verdingte.
1742 reiste er nach Paris, um ein von ihm entwickeltes Notensystem von der Académie des Sciences patentieren zu lassen. Er durfte es dort präsentieren, bekam auch ein Zertifikat und ließ Anfang 1743 seine Präsentation als Dissertation sur la musique moderne im Druck erscheinen, doch blieb die Sache folgenlos.
Immerhin erhielt er in Paris Zugang zum Salon von Madame Dupin und konnte einige Verbindungen knüpfen. Auch begann er eine Oper: Les Muses galantes. Im Sommer 1743 wurde er dem neuernannten französischen Botschafter in Venedig als Privatsekretär empfohlen und reiste dorthin. Das Verhältnis endete aber im Streit und Rousseau kehrte im Herbst 1744 nach Paris zurück.
Paris
Hier fand er 1745 Anschluss an diverse Mäzene (bei denen er seine fertige Oper aufführen konnte) und knüpfte Kontakte zu an anderen jungen Intellektuellen. So lernte er Denis Diderot und Jean le Rond d’Alembert, den Mitherausgeber der 1746 von Diderot initiierten Encyclopédie kennen. Daneben liierte er sich mit der 23-jährigen Wäscherin Thérèse Levasseur.
Es folgten weitere Jahre der literarischen Gehversuche (z.B. schrieb er 1747 eine Komödie, L’Engagement téméraire) und der materiellen Unsicherheit. Letztere führte auch dazu, dass Thérèse ihre 1746 und 1748 geborenen Kinder jeweils bei den „Findelkindern“ (Enfants trouvés) abgab, wo sie wahrscheinlich nicht überlebten, so wie die meisten der so entsorgten Säuglinge. Voltaire machte dies dem späteren pädagogischen Theoretiker zum Vorwurf. Rousseau entschuldigte diese damals durchaus nicht ungewöhnliche Praxis damit, dass seine Arbeit schlecht oder gar nicht honoriert werde, so dass Thérèse auch für seinen Lebensunterhalt aufkommen müsse und sich nicht mit der Aufzucht belasten könne.
1749 war ein entscheidendes Jahr für Rousseau. Zu Jahresbeginn wurde er von d'Alembert mit der Abfassung musikologischer Artikel für die Encyclopédie betraut. Im Herbst besuchte er den in der Festung Vincennes inhaftierten Diderot und las unterwegs im Mercure de France die Preisfrage der Académie von Dijon: « Le Rétablissement des sciences et des arts a-t-il contribué à épurer les mœurs? » (deutsch: „Hat die Wiederherstellung der Wissenschaften und Künste dazu beigetragen, die Sitten zu reinigen?“). Er hatte die provokante Idee, die Frage zu verneinen, und schrieb seinen asketischen Discours sur les Sciences et les Arts („Abhandlung über die Wissenschaften und die Künste“), worin er die nach Luxus strebende zeitgenössische europäische Gesellschaft in die sittliche Dekadenz abgleiten sieht. Der Discours lief den Vorstellungen vieler Intellektueller der Zeit zwar völlig entgegen, wurde aber von den Vertretern des aufstrebenden französischen Bürgertums gut aufgenommen. Rousseau erhielt 1750 den ersten Preis und wurde, auch dank der Diskussion, die er auslöste, über Nacht europaweit bekannt.
Inzwischen verdiente er auch etwas Geld und konnte mit Thérèse zusammenziehen, was sie beide nicht hinderte, sich 1751 auch von einem dritten Neugeborenen zu trennen.
Ende 1752 wurde mit großem Erfolg seine Oper Le Devin de village („der Dorfwahrsager“) zunächst vor dem Hof und 1753 auch in Paris aufgeführt. Rousseau sollte sogar dem König vorgestellt werden, doch entzog er sich der Ehrung (und verpasste wahrscheinlich die Zuweisung einer jährlichen „Pension“). Nach dem Erfolg des Devin wurde vom Théâtre-Français auch seine Komödie Narcisse, ein Jugendwerk, angenommen.
Beginnende Schwierigkeiten
Rousseau hätte sich nun etablieren können, doch fing er im Gegenteil an, sich in eine Art Fundamentalopposition zu begeben. Noch 1753 begann er eine zweite kritische Preisschrift (s. u.). Daneben ließ er eine wenig schmeichelhafte Lettre sur la musique française erscheinen, auf die das Opernorchester mit dem Erhängen einer Rousseau-Puppe reagierte. 1754 reiste er (mit Zwischenstation bei Mme de Warens) ins protestantische Genf, nahm dort die Staatsbürgerschaft wieder an und schwor dem Katholizismus ab.
1755 publizierte er, vorsichtshalber in Amsterdam, seinen Discours sur l'origine et les fondements de l'inégalité parmi les hommes („Abhandlung über Ursprünge und Grundlagen der Ungleichheit unter den Menschen“), der wiederum die Antwort auf eine Preisfrage der Académie de Dijon war: « Quelle est l'origine de l'inégalité parmi les hommes, et est-elle autorisée par la loi naturelle? » (deutsch: „Was ist der Ursprung der Ungleichheit unter den Menschen, und wird sie vom Naturrecht erlaubt?“). Rousseau, der Kleinbürger ohne Besitz, erklärt hierin die soziale Ungleichheit aus der Herausbildung der Arbeitsteilung und der dadurch ermöglichten Aneignung der Erträge der Arbeit Vieler durch einige Wenige, die anschließend auch die Herrschaft übernehmen und autoritäre Staatswesen organisieren, um ihren Besitzstand zu schützen. Rousseau wurde mit dieser wahrhaft revolutionären Schrift einer der Väter des europäischen Sozialismus.
Anfang 1756 lehnte er den Bibliothekarsposten ab, den ihm die Stadt Genf anbot. Stattdessen siedelte er um nach Montmorency nördlich von Paris als Gast der vielseitig interessierten, selbst schriftstellernden Mme d'Épinay, einer Freundin von Diderot. Mit diesem und dem Kreis der „philosophes“ um ihn verfeindete er sich allerdings 1758, als er auf den kritischen Genf-Artikel, den d’Alembert für die Encyclopédie verfasst hatte, mit der Lettre à d'Alembert sur les spectacles reagierte, worin der Theaterautor das Theater, ein Lieblingskind der Aufklärung, als potentiell unsittlich und als unnütz angeprangerte.
In Montmorency mietete 1758 er ein Häuschen und war vorübergehend auch Gast des hochadeligen Duc de Luxembourg. Innerhalb von knapp sechs Jahren schrieb er hier seine erfolgreichsten und langfristig wirksamsten Werke: den empfindsamen Briefroman La Nouvelle Héloïse („Die neue Heloise“, 1756–58, erschienen 1761), der die letztlich unmögliche Liebe des bürgerlichen Intellektuellen Saint-Preux zu der adligen Julie d'Étanges darstellt und z. T. von Rousseaus Leidenschaft für die Schwägerin von Mme d’Épinay, Mme d’Houdetot, inspiriert war; weiter den Bildungsroman Émile (1759–61, erschienen 1762), indem dafür eintritt, dass Kinder und Jugendliche sich selbst und ihrer Natur überlassen und von zivilisatorischen Einflüssen abgeschottet werden, und drittens die staatstheoretische Schrift Du Contrat social („der Gesellschaftsvertrag“, 1760/61, erschienen 1762), die die Rechte der Individuen gegenüber dem Staat, aber auch dessen Ansprüche gegenüber den Individuen zu definieren und zu begründen versucht und den heute so wichtigen Begriff der Volkssouveränität prägt, auf dem die Legitimität von Volksentscheiden und allgemeinen Wahlen gründet.
Während La Nouvelle Héloïse sofort nach ihrem Erscheinen Anfang 1761 ein großer Erfolg war und eine Welle von Briefromanen in ganz Europa auslöste (darunter Goethes Werther), wurde der Contrat social nach seinem Erscheinen im April 1762 verboten, ebenso die Schrift Émile, als sie Ende Mai erschien. Die Sorbonne verurteilte das Buch Anfang Juni, das Parlement von Paris verbot es wenige Tage danach und erließ einen Haftbefehl gegen den Autor. Stein des Anstoßes war vor allem die im Emile als Einschub enthaltene Profession de foi d'un vicaire savoyard („Glaubensbekenntnis eines savoyischen Vikars“), worin Rousseau eine quasi religiöse Verehrung der vormenschlichen Natur propagiert. Auch die calvinistischen Oberen in Genf waren entrüstet. Sie verboten das Buch noch im Juli und erließen ebenfalls Haftbefehl.
Neuerliches Wanderleben
Rousseau, der sofort geflüchtet war, fand Aufnahme bei einem Freund im Kanton Bern, wurde aber sehr rasch ausgewiesen. Im Juli wandte er sich über den Gouverneur der damaligen preußischen Exklave Neuchâtel/Neuenburg an Friedrich den Großen, der ihm Asyl und etwas später sogar Bürgerrecht gewährte. Rousseau ließ sich nieder im neuenburgischen Städtchen Môtiers, wohin er Thérèse nachholte und wo er begann, sich als Armenier zu kleiden. Anfang 1763 stellte er hier sein wohl noch in Montmorency begonnenes Dictionnaire de la musique fertig. 1764 begann er mit botanischen Studien.
Als er sich Ende 1765 auch in Môtiers unwillkommen und verfolgt fühlte, nahm er eine Einladung des Philosophen David Hume an und ließ sich einen Durchreise-Pass für Frankreich ausstellen. Bei einem Aufenthalt in Straßburg wurde er mit einer Aufführung des Devin de village geehrt, in Paris war er Gast des Prince de Conti und empfing bei ihm Besuche von Sympathisanten.
Das Jahr 1766 und die erste Jahreshälfte 1767 verbrachte er überwiegend in England, anfangs bei Hume, mit dem er sich aber zerstritt und der ihn attackierte. Immerhin fand Rousseau in England auch Sympathisanten, die z.B. den König bewogen, ihm eine Pension zu gewähren. 1767 und 1768 lebte er an verschiedenen Orten Frankreichs, unter anderem auf einem Schloss von Conti. Da der Haftbefehl des Pariser Parlaments nicht aufgehoben war, reiste er unter einem Decknamen und gab Thérèse als seine Schwester aus. 1769 und 1770 lebten sie auf einem Bergbauernhof in der südostfranzösischen Dauphiné, nachdem sie im August 1768 daselbst geheiratet hatten.
Wegen der zahlreichen Verunglimpfungen und tatsächlichen Verfolgungen seit 1762 entwickelte Rousseau nach und nach einen Verfolgungswahn. Dieser erzeugte einen Erklärungs- und Rechtfertigungsdrang, aus dem heraus er ab 1763 eine ganze Reihe kürzerer und längerer autobiografischer Texte verfasste. Der bekannteste und umfangreichste darunter waren die auch intime und für den Autor unvorteilhafte Details ausbreitenden Confessions („Bekenntnisse“, 1765–70), die erst posthum publiziert wurden und die Untergattung der selbstentblößenden Autobiografie begründeten. Den Titel wählte Rousseau in selbstbewusster Anspielung auf die Confessiones des Augustinus.
Im Frühjahr 1770 verließ Rousseau seinen Bauernhof Richtung Paris. Bei einem Aufenthalt in Lyon ließ der Vorsteher der Kaufmannschaft ihm zu Ehren seinen Devin und sein lyrisches Kleindrama Pygmalion aufführen. Ab Juni lebte er wieder, zurückgezogen und von den Behörden geduldet, mit Thérèse in Paris. Er wurde hin und wieder zu Lesungen eingeladen und es scharten sich einige Sympathisanten und Jünger um ihn, darunter ab 1771 der später sehr bekannte Autor Bernardin de Saint-Pierre.
1772-1775 verfasste er den autobiografischen Dialog Rousseau juge de Jean Jacques. 1774 gab er sein Dictionnaire des termes d’usage en botanique in Druck. 1776-1778 schrieb er sein letztes längeres Werk: die in lyrischer Prosa gehaltenen Rêveries du promeneur solitaire, („Träumereien des einsamen Spaziergängers“), die auf ebenfalls neue Art Gegenwartsmomente zum Ausgangspunkt von autobiografischen Rückblicken machen und mit ihrem Einfangen von Naturstimmungen als eine Vorbereitung der Romantik gelten.
Im Mai 1778 folgte er einer Einladung des Marquis de Girardin auf dessen Schloss Ermenonville, wo er kurz danach starb. Er wurde auf der Île des peupliers („Insel der Pappeln“) im Schlosspark begraben.
1794 ließ der jakobinische Wohlfahrtsausschuss seine Gebeine triumphal ins Pariser Panthéon überführen.
Werke
- Abhandlung über den Ursprung und die Grundlagen der Ungleichheit unter den Menschen
- Julie oder Die neue Heloise
- Emil oder über die Erziehung
Bedeutung und Wirkung
Rousseaus gilt als einer der wichtigsten geistigen Wegbereiter der Französischen Revolution. Einen grossen Einfluss hatte er auch auf die politischen Theorien des 19. und 20. Jahrhunderts.
Literatur
Weblinks
Jean-Jacques Rousseau Linksammlung auf dem Hamburger Bildungsserver
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