Samuel Beckett
Samuel Barclay Beckett (* 13. April 1906 in Dublin; † 22. Dezember 1989 in Paris) war aus Irland stammender Schriftsteller, der aber als britischer Staatsbürger geboren wurde und ab 1937 ständig in Frankreich lebte. Seine ersten Texte verfasste er in englischer Sprache, in seiner mittleren und fruchtbarsten Phase schrieb er überwiegend Französisch, später wechselte er, oft von Text zu Text, die Sprache und übersetzte seine Werke häufig selbst in die jeweils andere. Er gilt als einer der bedeutendsten Schriftsteller des zwanzigsten Jahrhunderts und wurde 1969 mit dem Nobelpreis für Literatur ausgezeichnet. Sein bekanntestes Werk wurde das 1953 uraufgeführte Stück En attendant Godot (Warten auf Godot).
Biographie
Entgegen dem Gerücht, er habe sein Geburtsdatum manipuliert und selbst auf den 13. April verlegt, den Karfreitag als Symbol für das Leid, kam Beckett tatsächlich an diesem Tag zur Welt. Er wuchs in einer bürgerlichen protestantischen Familie in Foxrock, einem Vorort Dublins, auf. Seine Kindheit und Jugend wurden überschattet von dem erbitterten Kampf, durch den die überwiegend katholischen Iren dem protestantischen England nach fast 400 Jahren Fremdherrschaft 1921 die Unabhängigkeit abtrotzten.
Im Oktober 1923, mit 17 Jahren, begann er am renommierten Dubliner Trinity College ein Studium der Fächer Französisch und Italienisch, in dessen Rahmen er 1926 erstmals nach Frankreich und 1927 nach Italien reiste.
Nach dem Abschluss seines Studiums wurde er für zwei Jahre Englisch-Lektor an der Pariser École Normale Supérieure, der französischen Elitehochschule für die Lehramtsfächer. In Paris knüpfte er Kontakt zu Literatenkreisen und lernte dabei auch seinen 24 Jahre älteren Landsmann James Joyce kennen, der sich schon vor längerer Zeit aus dem damals nicht zuletzt viktorianisch geprägten Irland dorthin zurückgezogen und inzwischen mit dem als Skandalroman betrachteten Ulysses (1922) einen gewissen Grad an Berühmtheit erlangt hatte. In Paris machte Beckett seine ersten ernsthaften schriftstellerischen Versuche, zunächst mit Lyrik in englischer Sprache. Von Paris aus reiste er mehrfach nach Deutschland, u. a. weil er sich in seine in Kassel lebende Cousine "Peggy" (eigentlich Ruth Margaret) Sinclair verliebt hatte.
1930 kehrte er nach Dublin zurück und wurde Assistent im Fach Französisch am Trinity College. Doch empfand er die geregelte Tätigkeit als Last, kündigte und ging 1932, nach einer längeren Reise durch Deutschland, wieder zurück nach Paris, um nur kurze Zeit später erneut nach Dublin zurückzukehren.
1933, nach dem plötzlichen Tod seines Vaters, eines mittelständischen Unternehmers, widersetzte er sich dem Druck seiner Mutter, als Partner seines Bruders in die Firma einzutreten. Vielmehr ging er nach London, wo er mühsam und oft depressiv von Zuwendungen der Mutter lebte und als Autor Fuß zu fassen suchte. Ein Bändchen erzählender Texte, das er unter dem zweideutigen Titel More Pricks than Kicks 1934 publizierte, blieb jedoch erfolglos und wurde überdies verboten; für seinen ersten Roman, Murphy, fand er lange Zeit keinen Verleger.
Nach einer halbjährigen Deutschlandreise (1936/37) - ein Tagebuch aus dieser Zeit wurde erst kürzlich entdeckt - ließ Beckett sich im Oktober 1937 endgültig in Paris nieder. Auch ein Überfall, bei dem ihm von einem Unbekannten ein lebensgefährlicher Messerstich zugefügt wurde, konnte seine Entscheidung nicht ändern. Sicherlich war hieran die junge Pianistin Suzanne Deschevaux-Dumesnil nicht unbeteiligt, die ihn als Genesenden im Krankenhaus besucht hatte und bald danach seine Lebensgefährtin, später (1961) seine Ehefrau wurde. Auch sprachlich französisierte er sich, indem er Murphy (der 1938 endlich in London erschienen war) selbst ins Französische übertrug.
1939 wurde er vom Kriegsausbruch bei einem Besuch in Irland, das neutral blieb, überrascht, kehrte aber sofort nach Paris zurück. Ende 1940 schloss er sich dem französischen Widerstand, der Résistance an. Als 1942 seine Widerstandszelle, Gloria SMH, von einem katholischen Priester luxemburger Herkunft an die Gestapo verraten wurde, tauchte Beckett unter und ging mit Partnerin Suzanne in die unbesetzte Südhälfte Frankreichs, nach Roussillon. Hier verdingte er sich als Erntehelfer und Gelegenheitsarbeiter und schrieb nachts an seinem vorerst letzten englischsprachigen Roman, Watt (gedruckt erst 1953).
Nach der Befreiung Frankreichs 1944 kehrte er im April 1945 zurück nach Paris und meldete sich nach einem Besuch in Irland freiwillig als Rot-Kreuz-Helfer. Als solcher arbeitete er bis zum Jahresende, überwiegend als Dolmetscher, in einem Lazarett im normannischen Saint-Lô. Wieder in Paris, zog er sich ins Private zurück und begann, als nunmehr französischsprachiger Autor, seine fruchtbarste Schaffensphase. Zunächst hatte er allerdings Mühe, für seine Bücher Verlage zu finden, bis Suzanne den Verleger der Éditions de Minuit, Jérôme Lindon, für ihn gewann.
Es entstanden 1946 der Roman Mercier et Camier (gedruckt erst 1970) und 1948 die Romane Molloy und Malone meurt (beide gedruckt 1951). Ebenfalls 1948 entstand das Stück En attendant Godot, für das sich lange kein Theater fand, bis es Anfang 1953 mit überraschendem Erfolg endlich aufgeführt wurde und seinen Autor zu einer der Galionsfiguren des absurden Theaters machte.
Ab 1946 entstanden die Erzählungen des Bandes Textes pour rien (1956), 1949 der Roman L'Innomable (gedruckt 1953) und 1954-56 ein weiteres Stück: Fin de partie (Uraufführung 1957).
1953 fing Beckett an, beginnend mit Molloy, seine französisch verfassten Werke ins Englische zu übertragen. Dies brachte ihn dazu, teilweise wieder englisch zu schreiben, wobei er diese Texte meistens, mehr oder weniger anschließend, wiederum ins Französische übertrug.
1956 konzipierte er, beginnend mit All that fall, für den englischen Radiosender BBC eine Serie von Hörspielen, eine Gattung, die in Frankreich damals kaum bekannt war und mit der sich Beckett ein für ihn neues Feld erschloss.
1957/58 verfasste er den Roman From an Abandoned Work, 1958 das hörspielartige Stück Krapp’s last Tape (1961 von M. Mihalovici zur Oper verarbeitet in Bielefeld inszeniert).
1960 schrieb er französisch den Roman Comment c'est und englisch das Stück Happy Days (Uraufführung 1961 in New York), das er 1962 als Oh les beaux jours übertrug (Uraufführung 1963 in Venedig).
1961 wurde Beckett erstmals mit einem Literaturpreis ausgezeichnet, dem Prix international des éditeurs.
1963 verfasste er, neben den Hörspielen Words and Music und Cascando, die Komödie Play. Im selben Jahr wurde unter Mitwirkung des Autors das Hörspiel All that fall als Tous ceux qui tombent für das französische Fernsehen adaptiert und gesendet.
Hiermit war Beckett professionell in der Welt der Bilder angekommen, die ihn schon immer interessiert hatte. 1964 konzipierte er und drehte er in Zusammenarbeit mit dem Regisseur Alan Schneider (der 1961 schon den Godot verfilmt hatte) den stummfilmartigen Streifen Film, dessen Hauptrolle der Stummfilmstar Buster Keaton spielte und der im Jahr darauf in Venedig den „Prix de la Jeune Critique“ erhielt.
Film blieb jedoch der letzte originäre Film Becketts, denn 1965 wendete er sich dem Medium Fernsehen zu und verfasste als sein erstes genuines Fernsehstück Dis Joe, das er der BBC anbot. Da sich die Produktion dort verzögerte, das Stück aber inzwischen ins Deutsche übertragen worden war, entschloss sich der Süddeutsche Rundfunk, es unter der Regie des Autors zu produzieren. Es wurde 1966, an dessen 60. Geburtstag, gesendet und öffnete ihm die Tore des SDR, der in den 70er Jahren noch mehrere Stücke von und mit ihm produzierte.
1967 versuchte Beckett sich in Berlin als Theaterregisseur mit seinem Stück Endspiel (Fin de partie) von 1956.
1968 erschien unter dem Titel Comédie et actes divers ein Sammelband französisch verfasster bzw. ins Französische übertragener Stücke.
Spätestens ab dem Ende der fünfziger Jahre war Beckett ein anerkannter Autor. Seine Texte wurden rasch zum Druck angenommen und seine Stücke umgehend aufgeführt oder produziert. Er figurierte sogar, obwohl von Natur aus eher scheu und notorisch depressiv, ein wenig als Star im Pariser Literaturbetrieb. 1969 erhielt er den Nobelpreis für Literatur, blieb der Überreichungszeremonie jedoch fern.
In den Folgejahren verfasste er neben der Erzählung Le Dépeupleur (1970) zahlreiche weitere kürzere Texte, die in der Zeitschrift (?) Minuit abgedruckt wurden und hin und wieder gesammelt in Bandform erschienen.
Insgesamt allerdings zog er sich als Person mehr und mehr zurück und verschwand auch als Autor langsam aus dem Bewusstsein der Öffentlichkeit. Viele Leute waren bei der Nachricht von seinem Tod erstaunt, dass er überhaupt noch gelebt hatte.
Heute wird er, trotz gelegentlicher Ehrenrettungen, immer weniger gelesen. Seine erzählenden Werke gelten bei vielen Lesern als schwer verdauliche Kost. Es wird ihnen nachgesagt, sie besäßen in der Regel keine erkennbare Handlung und vermittelten eine Atmosphäre von Sinnentleerung, Überdruss und Aussichtslosigkeit. Tatsächlich jedoch sind sie - wie auch "Warten auf Godot" - voller sprachlicher und mathematischer Spiele und intellektueller Pointen und vor einem düsteren Hintergrund überaus unterhaltsam. Becketts Ruhm beruht jedoch vor allem auf dem nach wie vor erfolgreichen Godot, dessen Titel "Warten auf Godot" auch in Deutschland zur Redewendung geworden ist und dessen vier Figuren eine menschliche Grundsituation zu verkörpern scheinen, nämlich das Warten auf eine vermeintlich nahe Erfüllung oder Erlöserfigur. Der Rätselcharakter von "Warten auf Godot" hat zu zahllosen Deutungs- und Interpretationsversuchen geführt, zum Beispiel von Günther Anders in seinem Werk "Die Antiquiertheit des Menschen". Auch gab es zahlreiche Deutungsversuche zur "Godot"-Figur; so meinte man etwa, in einer ersten, vielleicht politisch motivierten Konzeption des Werkes sei er eine satirisch gemeinte Verkörperung de Gaulles gewesen.
Zu Becketts Freunden zählten Maler wie Bram Van Velde oder Avigdor Arikha (dessen Frau, Anne Atik, später ein Buch über ihn schrieb: Wie es war), und Schriftsteller wie Robert Pinget oder Harold Pinter, der selbst als Schauspieler in Stücken Becketts mitwirkte. Wichtige Schauspieler in Becketts Stücken waren z.B. Roger Blin, Billie Whitelaw, Jack MacGowran und Patrick Magee.
Darüber hinaus inspirierte Becketts Werk eine Reihe von bedeutenden Komponisten des 20. Jahrhunderts wie György Kurtág, Morton Feldman, Philip Glass (Company, 1983) und Heinz Holliger, bildende Künstler wie Bruce Nauman und den Drehbuchautor und Dramatiker Charlie Kaufman. In der deutschsprachigen Literatur ist sein Einfluss auf Thomas Bernhard, Peter Weiss und Ror Wolf beträchtlich.
Werk
Bedeutung und Wirkung
Unterricht
Literatur
Weblinks
Samuel Beckett Linksammlung auf dem Hamburger Bildungsserver
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