Milan Kundera

Aus Weltliteratur

Milan Kundera (* 1. April 1929 in Brünn, Tschechoslowakei) ist einer der bekanntesten tschechischen Schriftsteller. Bekannt wurde er durch das dreibändige Prosawerk Das Buch der lächerlichen Liebe (1969). Das kommerziell erfolgreichste Buch Kunderas ist „Die unerträgliche Leichtigkeit des Seins“ (1982). Seit 1993 schreibt Kundera in französischer Sprache.

Leben

Tschechoslowakei

Kundera wurde 1929 in ein kultiviert-bürgerliches Umfeld der jungen Tschechoslowakei geboren; sein Vater Ludvík Kundera, ein Schüler von Leoš Janáček, war ein bekannter Pianist, Musikwissenschaftler und späterer Rektor der Musikhochschule in Brünn (1948 bis 1961). Sein Cousin ist der bekannte tschechische Schriftsteller Ludvík Kundera. Der Junge lernte bereits früh Klavierspielen; Musik zieht sich als Motiv und Strukturelement durch sein ganzes Werk. 1945 übersetzte der Gymnasiast ein Gedicht des russischen Dichters Wladimir Majakowski, das in der Zeitschrift Gong veröffentlicht wurde. Vermutlich unter dem Einfluss seines Cousins entstanden erste eigene lyrische Arbeiten; eine davon wurde 1946 in der Zeitschrift Mladé archy veröffentlicht.

Nach dem Krieg war Kundera zunächst Arbeiter und Jazzmusiker. 1948 schloss er das Gymnasium ab, trat wie viele seiner Altersgenossen in die kommunistische Partei ein und begann an der Prager Karls-Universität Musik und Literatur zu studieren, wechselte aber nach zwei Trimestern an die Filmakademie, wo er als Hauptfächer Regie und Drehbuch belegte. Um 1950 wurden er und ein weiterer Autor, Jan Trefulka, wegen "Machenschaften gegen die Partei" aus derselben ausgeschlossen, und Kundera musste sein Studium für zwei Jahre unterbrechen; Kunderas Roman Der Scherz (Žert, 1965/67) wurde von den Ereignissen dieser Zeit inspiriert. 1967 wurde Kundera wieder aufgenommen, jedoch 1970 endgültig aus der Partei ausgeschlossen.

Nach seinem Studium wirkte Kundera als Dozent für Weltliteratur an der Filmfakultät der Akademie der musischen Künste in Prag. In seinem 1953 erschienenen Debüt-Gedichtband Der Mensch: Ein weiter Garten (Člověk zahrada širá) setzte sich der Dichter kritisch mit der auch in der Tschechoslowakei offiziellen Doktrin des Sozialistischen Realismus auseinander, allerdings aus einer überzeugten kommunistischen Grundperspektive heraus. Das Gedicht "Erster Mai", das Kundera 1955 schrieb, ist eine durchgehend systemkonforme Hommage an den tschechischen Antifaschisten und Freiheitskämpfer Julius Fučík. Ein weiteres Grundmotiv Kunderas ist aber auch in diesem Werk präsent: die Kultur des mährischen Volkes wird als Symbol für nationale Werte und Patriotismus eingesetzt.

In dem Gedichtband Monologe von 1957 entfernt sich Kundera von der Politik und legt einen Schwerpunkt auf die zwischenmenschlichen Beziehungen – eine Sammlung voller intellektuell inspirierter Liebesgedichte.

Kundera war wie viele andere Künstler in den 1950er Jahren und zu Beginn der 60er noch relativ angepasst; er publizierte für verschiedene Literaturzeitschriften, unter anderem Literarni noviny und Listy vielbeachtete Essays über Avantgarde-Poesie. Erst der vierte tschechische Schriftstellerkongress im Jahr 1967 stellt einen Wendepunkt im tschechischen Kulturleben und einen Meilenstein in der Entwicklung des Prager Frühlings dar. Kundera wurde zur Galionsfigur einer Bewegung, die sich auflehnte und künstlerische Freiheit forderte.

Der Scherz und die erste Geschichte des dreibändigen Buch der lächerlichen Liebe (Směšné lásky, geschrieben 1958, erschienen 1963, 1965 und 1968) erzählen von der Unmöglichkeit, die Wirklichkeit zu kontrollieren, und spiegeln damit Kunderas fundamentale Kritik am Totalitarismus. Das Buch der lächerlichen Liebe wurde später von Kundera als sein erstes "erwachsenes" Werk bezeichnet. Indem er in den sieben Kurzgeschichten von zwischenmenschlichen Beziehungen erzählt, entlarvt er gleichzeitig Begriffe wie Wahrheit und Lüge, Glaubwürdigkeit und Täuschung.

Der Einmarsch der sowjetischen Truppen und das Ende des Prager Frühlings beendeten auch die Phase der Presse- und Kulturfreiheit in der Tschechoslowakei. Der Stalinismus kam in Reinform zurück; Kunderas Lehrtätigkeit an der Filmhochschule wurde eingestellt, seine Bücher aus Bibliotheken entfernt und nicht mehr verlegt. In Das Leben ist anderswo (Život je jinde, 1969/70) sowie Abschiedswalzer (Valčík na rozloučenou, 1970/71) rechnet Kundera mit seiner kommunistischen Vergangenheit ab - er sah Abschiedswalzer, der zunächst den Titel Epilog trug, als seinen letzten Roman an. Da er inzwischen zur Persona non grata im tschechischen Kulturleben geworden und an eine Veröffentlichung in seiner Heimat sowieso nicht zu denken war, entstanden beide Bücher ohne Rücksicht auf Zensur und Politik - in völliger künstlerischer Freiheit und neuentdeckter sprachlicher Klarheit.

Frankreich

Die beiden Arbeiten waren zwar nicht die letzten Kunderas, aber seine letzten in der Tschechoslowakei. 1975 erhielt er einen Ruf als Dozent an die Universität Rennes und emigrierte daraufhin mit seiner Ehefrau nach Frankreich. Sein 1978 entstandener Roman Das Buch vom Lachen und Vergessen (Kniha smíchu a zapomnění), in dem Kundera erneut mit seiner kommunistischen Vergangenheit abrechnete, führte zum Entzug seiner tschechischen Staatsbürgerschaft.

Kundera zog 1978 nach Paris und nahm eine Dozentur an der Ecole des Hautes Etudes an - hier entstand 1982 der Roman, der ihn international bekannt machte: Die unerträgliche Leichtigkeit des Seins (Nesnesitelná lehkost bytí). 1981 nahm Kundera die französische Staatsbürgerschaft an.

Der 1990 entstandene Roman Die Unsterblichkeit (Nesmrtelnost) hat erstmals keine tschechischen Charaktere und Schauplätze; er wird als vorerst "französischster" Roman Kunderas angesehen. Dieser und der 1994 folgende Roman Die Langsamkeit (La lenteur), Kunderas erster in französischer Sprache, enthalten durchgängig Kritik an der westeuropäischen Zivilisation am Ende des 20. Jahrhunderts und prangern Künstlichkeit, Technokratie und Unmenschlichkeit an.

Kunderas zweiter in französischer Sprache geschriebener Roman Die Identität (L'Identité, 1995, erschienen 1998) ist wie Die Langsamkeit ein reifer Liebesroman, der den Wert der Liebe in einer feindseligen und primitiven modernen Welt heraushebt.

Die dritte Arbeit in seinem so genannten "französischen Zyklus", der im Jahr 2000 entstandene Roman Die Unwissenheit (L'ignorance), zeichnet sich wie seine Vorgänger trotz geringer Seitenzahl und weniger Charaktere durch eine dichte, hintergründige Erzählweise aus. Sie erzählt von den Missverständnissen und Paradoxa der Liebe und der Unmöglichkeit, zu seinen Wurzeln zurückzukehren.

Seit 1991 ist Kundera Mitglied des Lektorenkollegiums des Gallimard-Verlags in Paris. Er lebt zusammen mit seiner Frau Vera Hrabankova sehr zurückgezogen und gibt wenig von seinem Privatleben preis. Seit 1985 gibt er ausschließlich schriftliche Interviews, weil er sich oftmals falsch zitiert fühlte. Auch Übersetzungen seiner Romane ließ er überprüfen und überarbeiten. Der Lebenslauf auf den Klappentexten seiner letzten Romane beschränkt sich auf zwei Sätze: "Milan Kundera ist in der Tschechoslowakei geboren. Seit 1975 lebt er in Frankreich."

Werke


Weblinks

Milan Kundera Linksammlung auf dem Hamburger Bildungsserver


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