Jorge Luis Borges

Aus Weltliteratur
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Jorge Luis Borges (* 24. August 1899 in Buenos Aires; † 14. Juni 1986 in Genf, Schweiz) war ein argentinischer Schriftsteller, der phantastische Erzählungen, Essays und Gedichte verfasste. Borges gilt als als früher Wegbereiter der zeitgenössischen Postmoderne und als wichtiger Vertreter des lateinamerikanischen magischen Realismus.

Biographie

Jorge Luis Borges stammte aus einer wohlhabenden argentinischen Familie und wuchs in Buenos Aires auf. Sein Vater, Jorge Guillermo Borges (1873 - 1938), war Rechtsanwalt, Dozent für Philosophie und Psychologie sowie Verfasser eines Romans ("Der Caudillo", Palma de Mallorca: 1921), diverser Essays und Erzählungen, eines Dramas, einer Übersetzung von Fitzgeralds "Omar Khayyam" und mehrerer Gedichte. Im Elternhaus wurde Englisch und Spanisch gesprochen (Die Mutter des Vaters stammte aus Staffordshire), weshalb Borges bereits als Kind auch englische Bücher aus der mehrere tausend Bände umfassenden Bibliothek seines Vaters las. Seine Mutter, Leonor Acevedo de Borges (geb. Acevedo Haedo, 1876 - 1975), repräsentierte die spanische Seite in der Familie. Von Beginn an förderte sie die künstlerischen Interessen ihrer Kinder (Jorges Schwester Norah Borges wurde eine der bedeutendsten argentinischen Malerinnen). Ab 1914 verbrachte Borges sieben Jahre in der Schweiz, wo er unter anderem am Genfer Collège Calvin Deutsch, Latein und Französisch studierte, und unternahm Reisen nach Mallorca und auf das spanische Festland, wo seine ersten, größtenteils verschollenen Essays und Gedichte entstanden. 1921 kehrte Borges nach Buenos Aires zurück und schrieb Beiträge für zahlreiche Literaturzeitschriften. 1930 lernte Borges den Autor Adolfo Bioy Casares kennen, mit dem er sich befreundete und in den Folgejahren intensiv zusammenarbeitete. 1938 wurde er Bibliothekar einer Vorstadtbibliothek und schrieb in den folgenden Jahren die Erzählungen zu dem Band "Fiktionen", die ihn zum Begründer des magischen Realismus machten und seinen Ruhm begründeten. Wegen seiner kritischen Haltung zum Peronismus wurde er 1946 entlassen. Nach dem Sturz Perons 1955 wurde er zum Direktor der Nationalbibliothek ernannt, ein Amt, das er wegen zunehmender Erblindung und der Wiederwahl Perons 1973 niederlegte. 1985 zog er mit seiner Sekretärin, die er kurz darauf heiratete, nach Genf, wo er am 14 Juni mit nicht ganz 87 Jahren starb.

Werk

Jorge Luis Borges ist einem größeren Publikum durch seine phantastischen Erzählungen bekannt geworden. Er verfasste außerdem zahlreiche Gedichte, Essays, gab Bücherkataloge und Zitatsammlungen heraus und war als Übersetzer tätig. Darüber hinaus hat er unter den Pseudonymen B. Suarez Lynch und H. Bustos Domecq Werke veröffentlicht, die in Zusammenarbeit mit Adolfo Bioy Casares entstanden.

Borges gilt als Vorläufer der Postmoderne und ist einer der meistzitierten Autoren im Poststrukturalismus. Eines der Lieblingsstilmittel Borges' ist die Täuschung, das Spielen mit dem Leser, die Vermischung von Realität und Surrealität. Als Beispiel dafür kann die Erzählung Tlön, Uqbar, Orbis Tertius gebracht werden, in der sich verschiedene Realitätsebenen vermengen und einerseits real existierende Personen genannt und zitiert werden, andererseits aber auch nichtwirkliche Elemente eine große Rolle spielen. Dieser Umstand bringt Borges-Kommentatoren oft in Verlegenheit, denn es ist häufig nicht nachzuweisen, ob beispielsweise ein erwähnter Schriftsteller von Borges erfunden ist oder ob er real existiert hat, aber nur Borges selbst bekannt war.

Die Erzählung "Die Bibliothek von Babel" inspirierte Umberto Eco zum Bauplan der Klosterbibliothek im Roman "Der Name der Rose". Der blinde Bibliothekar und Gegenspieler Williams von Baskerville, Jorge von Burgos, ist eine Reminiszenz an Jorge Luis Borges (Ickert, Klaus/Schick, Ursula; "Das Geheimnis der Rose entschlüsselt", München: 1986, S.54f). . Ebenso ist der Plot von "Tlön, Uqbar, Orbis Tertius" in Ecos "Das Foucaultsche Pendel" übernommen, wo eine fiktive Welt plötzlich in die Realität eingreift.

Borges' literarische Essays geben einen umfassenden und originellen Einblick in die Weltliteratur. Die Lyrik ist stark an antike Vorbilder angelehnt. Borges wählte für seine Werke immer eine kurze Form - wenige seiner Texte sind länger als zehn oder fünfzehn Seiten. Seine Prosa ist immer dicht, gewählt, treffend, stilistisch vornehm und ohne jedes überflüssige Wort. Trotz seiner umfassenden Bildung war Borges kein Snob. Er schätzte die Kriminalromane von Arthur C. Doyle ebenso wie William Shakespeares Dramen.

Das Gesamtwerk Borges ist, herausgegeben von Gisbert Haefs und Fritz Arnold, neu ins Deutsche übersetzt worden und im Hanser Verlag (bzw. Taschenbuchausgabe bei S. Fischer Verlag) erschienen. Eine Künstleredition der persönlichen Lieblingswerke von Jorge Luis Borges: "Die Bibliothek von Babel" erscheint bei der Büchergilde Gutenberg.

Bedeutung und Wirkung

Literarisch beeinflusst wurde Borges vor allem durch Franz Kafka und den argentinischen Schriftsteller Macedonio Fernández. Seine philosophischen Anschauungen, die dem erkenntnistheoretischen Idealismus verpflichtet sind und sich in seinen Erzählungen und Essays wiederfinden, bezog Borges vornehmlich von George Berkeley, David Hume und Arthur Schopenhauer. Jorge Luis Borges war Mitbegründer der "lateinamerikanischen Phantastik" und einer der zentralen Autoren der Zeitschrift "Sur", die sich dem kulturellen Austausch zwischen Lateinamerika und Europa widmete. Borges' Erzählband "Fiktionen", zu dem auch die bekannte Erzählung "Bibliothek von Babel" gehört, gilt als das wichtigste Werk der lateinamerikanischen Prosa im 20. Jahrhundert. Seine Erzählungen hatten einen großen Einfluss auf die Entwicklung der lateinamerikanischen Literatur, z.B. auf Julio Cortázar und Vargas Llosa.

Mit einiger Verspätung kam Borges Einfluss auch in Europa an. Umberto Eco betont die Geistesverwandtschaft mit Borges, dem er mit dem blinden Bibliothekar Jorge von Burgos in "Der Name der Rose" ein literarisches Denkmal setzte. Auch ist Borges Einfluss auf die französischen Philosophen der Postmoderne belegt. So beruft sich Michel Foucault auf Borges in seinem 1966 erschienen Werk "Die Ordnung der Dinge", dessen Entstehung er dem argentinischen Autor verdanke. Jacques Derrida und Gilles Deleuze bewunderten den Argentinier als Vorläufer postmoderner Theorie. Und Borges' "Bibliothek von Babel" gilt vielen als das Vorbild hypertextuell organisierter Literatur im Internet bzw. der Struktur des nichthierarchischen Internet überhaupt.

Unterricht

Literatur

Toro, Alfonso de (1999), „Das Jahrhundert von Borges: Der Postmoderne und Postkoloniale Diskurs von Jorge Luis Borges.“, in Akzente, Heft 4, August 1999, S. 323–339.

Weblinks


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