Die Bibliothek von Babel
Die Bibliothek von Babel ist eine Erzählung von Jorge Luis Borges.
Die 1941 veröffentlichte Erzählung ist eine Spekulation über eine mögliche Welt, welche als eine Bibliothek aller möglichen Bücher dargestellt ist.
Diese Bücher, zufällig in der Bibliothek angeordnet, enthalten in der Mehrzahl für die Bewohner der Bibliothek unverständliche Texte.
Die Bibliothek wird als präexistent und unendlich dargestellt. Aufgrund dieser Unendlichkeit enthalte sie nach Ansicht des Erzählers alle Kombinationen der 26 (Borges spricht von 25, nämlich 22 Buchstaben, Semikolon, Punkt und Abstand) Buchstaben des lateinischen Alphabets, und damit als Teilmenge auch alle Texte aller auf diesem Alphabet basierenden Sprachen. Daraus resultiert die Tatsache, dass „Niemand eine Silbe zu artikulieren vermag, die nicht voller Zärtlichkeit und Schauer ist, die nicht in irgendeiner dieser Sprachen der gewaltige Name eines Gottes wäre.“ Es ist aufgrund der überwiegenden Menge der für die Bewohner nicht sinnvollen Bücher ein großes Glück, ein Buch mit auch nur einem für sie sinnvollen Satz zu finden.
Borges schildert weiterhin, wie verschiedene Bewohnergruppen der Bibliothek sich mit ihr auseinandersetzen: Es wurden und werden Sekten gegründet, von denen einige bis zur Vergötterung der meist nicht entzifferbaren Bücher gehen und andere zur Verbrennung der Bücher aufrufen, es gibt Wanderer, die die Bibliothek auf der Suche nach einem Buch mit der Antwort auf alle Fragen durchschreiten, es gibt Wissenschaftler, die sich mit der Struktur der Bibliothek befassen und viele mehr. In Borges’ Erzählung werden die Menschen in der Bibliothek alt, ohne eine Antwort gefunden zu haben auf das, was sie umgetrieben hat.
In dieser Geschichte spiegelt sich die für Borges typische Faszination des Unendlichen wieder; er spekuliert verschiedene Entstehungs- und Gliederungsmöglichkeiten der Bibliothek. Auch bedient er sich, wie in allen seiner Geschichten, der Mystifizierung, bringt also beispielsweise Zitate, die schwer verifizierbar sind und bei denen nicht klar ist, ob Borges die zitierte Person erfunden hat oder sie nur kaum jemandem außer Borges, der eine gewaltige Allgemeinbildung besaß, bekannt ist. So lautet eine Fußnote:
- „Letizia Alvarez de Toledo hat angemerkt, daß die ungeheure Bibliothek überflüssig ist; strenggenommen würde ein einziger Band gewöhnlichen Formats, gedruckt in Corpus neun oder zehn, genügen, wenn er aus einer unendlichen Zahl unendlich dünner Blätter bestünde. (Cavalieri sagte zu Anfang des Jahrhunderts, daß jeder feste Körper die Überlagerung einer unendlichen Zahl von Flächen ist.) Die Handhabung dieses seidendünnen Vademecums wäre nicht leicht; jedes anscheinende Einzelblatt würde sich in andere gleichgeartete teilen; das unbegreifliche Blatt in der Mitte hätte keine Rückseite.“
Diese Erzählung kann als Denkanstoß zu der Überlegung dienen, auf welche Art und Weise Sinnvolles und Unsinniges entsteht oder wahrgenommen wird. Wenn man die Größe der Bibliothek abschätzen wollte, käme man auf folgendes Ergebnis: bei einer runden Bibliothek würde der Durchmesser etwa m betragen. Also eine Eins mit 600.000 Nullen. Dagegen gibt sich das für uns sichtbare Universum mit einem Durchmesser von nur m relativ klein.
Folgendes Beispiel dient der Veranschaulichung, wieviele Bücher es benötigen würde um tatsächlich alle Bücher mit allen Kombinationen aller gebräuchlichen Zeichen der deutschen Sprache zu generieren:
Wir wollen uns hierbei an Jorge Luis Borges Auflistungen halten und lediglich die Sprache und somit die Anzahl der Zeichen ändern (Borges ist von 25 Zeichen [23 Buchstaben des lateinischen Alphabets plus . und ,] ausgegangen) da es ja ein veranschaulichendes Beispiel sein soll.
Als erstes eine Auflistung der gebräuchlichen deutschen Zeichen
A B C ff. = 26 Alphabet groß a b c ff. = 26 Alphabet klein Ä Ö Ü = 3 Umlaute groß ä ö ü = 3 Umlaute klein ß = 1 Leerzeichen . , ! ? = 5 Sonderzeichen standard " ' : ; - = 5 Sonderzeichen speziell ( ) [ ] = 4 Klammerungen 0..9 = 10 Ziffern ---- 83 Zeichen insgesamt
Wenn man, wie Borges schreibt, davon ausgeht, dass jedem Buch 410 Seiten zukommen und wiederum jede Seite 3.200 Zeichen (40 Zeilen zu je 80 Zeichen) umfasst, ergebe dies eine totale Anzahl von 1.312.000 Zeichen pro Buch, wodurch eine Berechnung der Möglichkeiten folgendermaßen aussehen würde:
m =
bei
x = Anzahl Zeichen/Buch n = Anzahl verwendbarer Zeichen m = Anzahl Möglichkeiten (Bücher)
also
m = = =
also die Anzahl der Bücher ist
2.865.431 mit weiteren 2.517.824 Ziffern dahinter.
Faszinierend ist, dass in dieser enormen Anzahl an Büchern jedes Buch der Vergangenheit wie der Zukunft, alles, was jemals - zumindest in der deutschen Sprache (natürlich auch in der englischen, da sie über kein ihr spezifisches [Sonder-]zeichen verfügt, das nicht in unserer Auflistung vorkommt) - geschrieben wurde und werden kann, enthalten ist. Also beispielsweise eine exakte Mischung aus dem Neuen Testament der Bibel und Friedrich Nietzsches Der Antichrist, die Zeitung von morgen, Tagebücher und vieles mehr. Natürlich erstrecken sich diverse Werke über mehrere Bücher, da man jedem Buch nur 410 Seiten zuteilt.
Der Verleger Franco Maria Ricci veröffentlichte ab 1975 in Italien unter der Leitung von Borges die Lieblingswerke des Autors als Literat und Leser ebenfalls unter dem Titel Die Bibliothek von Babel. Ab 1983 erschien diese Sammlung auch in Deutschland und wurde von Borges hier persönlich in der Edition Weitbrecht herausgegeben. Für jeden der 30 Bände dieser Sammlung von phantastischen Erzählungen aus aller Welt und mehreren Jahrhunderten schrieb Borges ein Vorwort. Bei der Büchergilde Gutenberg erschien ab 2007 eine Künstleredition in 30 Bänden. In der Bibliothek von Babel versammelt der argentinische Schriftsteller Jorge Luis Borges 30 Bände Phantastischer Literatur aus drei Jahrhunderten. Bernhard Jäger schuf für die Künstleredition Umschlagillustrationen in vielschichtiger Aquarelltechnik.
Dieser Artikel basiert auf dem Artikel Die Bibliothek von Babel aus der freien Enzyklopädie Wikipedia und steht unter der Lizenz „Creative Commons Attribution/Share Alike“. In der Wikipedia ist eine Liste der Autoren verfügbar. |