Krieg und Frieden

Aus Weltliteratur

Krieg und Frieden ist ein vierteiliger historischer Roman des russischen Schriftstellers Lew Tolstoi. Er erschien zuerst 1868/69 in Moskau und gilt als eines der bedeutendsten Werke der Weltliteratur. Das Buch wurde mehrfach verfilmt.

Zu Inhalt und Bedeutung des Romans (Überblick)

Der Roman wurde weltberühmt, weil er wie in einem Brennglas eine ganze Epoche (die napoleonische Zeit von 1805 bis 1812) aus russischer Sicht, hauptsächlich aus Sicht des russischen Adels, in einzigartiger Geschlossenheit darstellt.

Es wird fast ausschließlich aus der Perspektive einzelner russischer Adliger erzählt, die sich jeweils beeinflussen. Es werden Schlachten (beispielsweise die Schlacht bei Austerlitz oder die Schlacht von Borodino) beschrieben, wichtige historische Begebenheiten wie der Brand Moskaus im Jahr 1812, aber auch Teestunden, Bälle, Jagden, Konferenzen und Volksaufläufe. Dabei nimmt der Verfasser weitestgehend eine allgemeine Position ein, aus der er historische oder militärtheoretische Überlegungen anstellt. Viele Szenen, hauptsächlich die Diskussionen und Gespräche innerhalb der Adels- und Regierungskreise in St. Petersburg, sind auf Französisch geschrieben, da diese Sprache damals als vornehm galt.

Ursprüngliche Absicht Tolstois war es, einen Roman über den Dekabristenaufstand zu schreiben. Im Zuge seiner Recherchen über die Familien der Dekabristen konzentrierte er sich immer mehr auf die Napoleonischen Kriege, sodass der Aufstand nur noch im Epilog angedeutet wird. Auch Tolstois eigene Familiengeschichte, philosophische und geschichtswissenschaftliche Überlegungen und historische Anekdoten sind in das Werk mit eingebunden.

Der Roman betrifft indirekt auch gesellschaftliche Probleme, zum Beispiel den Gegensatz zwischen Adel und Geldadel, bzw. den zwischen ehelicher und unehelicher Geburt.

Entgegen einer weit verbreiteten Meinung spielt der Titel des russischen Originals trotzdem nicht mit der jetzigen Doppelbedeutung des russischen Wortes „мир“. Zur Zeit der Drucklegung des Buches wurde zwischen den Wörtern мiръ (Welt, Gemeinde, Gesellschaft; mit i geschrieben) und миръ (Frieden; mit и geschrieben) unterschieden, obwohl die Aussprache gleich war; in der Erstveröffentlichung wurde explizit миръ benutzt. Fest steht ferner, dass Tolstoi selbst den Titel als „La guerre et la paix“ ins Französische übersetzte.

Handlung (Details)

In Krieg und Frieden gibt es zahlreiche Handlungsstränge und 250 Hauptfiguren, auf die näher eingegangen wird. Der Roman spielt zwischen 1805, dem Beginn des dritten Koalitionskrieges gegen Frankreich und 1812, dem Jahr, in dem Napoleons Russlandfeldzug scheiterte.

In diesem Gesamtrahmen gibt es zwei Hauptpersonen, erstens den Fürsten Andrej Bolkónski und zweitens Pierre, den späteren Grafen Peter Besúchow, die im Laufe des Romans nach dem Sinn des Leben und ihrer Bestimmung suchen. Pierre kommt als ein Anhänger Napoleons aus dem Ausland zurück, wo ihn sein wohlhabender Vater hatte erziehen lassen. Sein Vater liegt im Sterben und wünscht sich, seinen unehelichen Sohn noch einmal zu sehen.

Pierre tritt in der Petersburger Gesellschaft zunächst sehr naiv auf, weshalb er recht bald nur noch belächelt wird. Er verkehrt mit den adeligen Lebemännern, wird wegen eines Streiches nach Moskau verwiesen und etabliert sich dort in der Gesellschaft. Hier trifft er wieder mit Andrej zusammen, der sich von seiner schwangeren Frau Lisa genervt fühlt und sich in seiner Freiheit durch den adeligen Klatsch und Tratsch eingeengt sieht, weshalb er in den Krieg gegen Frankreich ziehen will. Für die Zeit des Krieges schickt er seine Frau zu seinem pedantischen Vater aufs Land, der wegen seiner eisernen Disziplin und seines Agnostizismus auch „preußischer König“ genannt wird.

Währenddessen stirbt Pierres Vater, der den Zaren gebeten hat, seinen Reichtum Pierre vererben zu dürfen, der so, ohne sich groß in die Intrigen seiner näheren und geldgierigen Verwandtschaft einzumischen, ein beträchtliches Vermögen erhält, weshalb er seine Berufswahl weiter hinaufschiebt und sich um die schöne Hélène Kuragina kümmert, die er bald darauf heiratet.

In der Drei-Kaiserschlacht bei Austerlitz tritt der Oberbefehlshaber der Armee, Fürst Kutusow, der von Tolstoi idealisierte Lebenszüge trägt, das erste Mal auf. Seine Generäle führen stundenlange Debatten über mögliche Änderungen am Schlachtplan, bis er kurz nach Mitternacht aufsteht und meint, am besten für eine erfolgreiche Schlacht sei das Schicksal und guter Schlaf, weshalb er sich jetzt zu Bett begeben werde. Am Morgen der Schlacht will Kutusow sich Zeit lassen, die Armeen versammeln und gelassen abwarten, was passiert. Der ehrgeizige Zar befiehlt jedoch gegen den Rat Kutusows den Angriff, und die russischen Truppen werden aufgerieben. Fürst Andrej wird schwer verletzt und bereitet sich am Boden liegend und beim Anblick des ihm unendlich und wunderschön erscheinenden Himmels auf den Tod vor, wird jedoch „nur“ ohnmächtig und von Napoleon persönlich begnadigt.

Pierre nimmt seinen Jugendfreund Dolochow bei sich auf, der bald darauf ein Verhältnis mit seiner Frau, Hélène, eingeht. Der angetrunkene Pierre fordert Dolochow zu einem Duell heraus, stellt jedoch fest, dass er noch nie geschossen hat und bekommt den Ablauf erst unmittelbar vor dem Duell mitgeteilt. Er schießt Dolochow an, tötet ihn jedoch nicht. Im Glauben, zu sterben, bekennt Dolochow, dass er bei seiner Mutter und seiner Schwester den Ruf des lieben, ruhigen Sohnes hat, und verliert damit seine Fassade als draufgängerischer Säufer. Hélène wirft Pierre vor, er habe Dolochow nur erschießen wollen, weil er merkte, dass jener ein viel besserer Liebhaber sei. Pierre verlangt daraufhin die Annullierung der Ehe, wozu seine Frau aber nur unter hohen Geldzahlungen bereit wäre. Er jagt sie fort und verlässt selbst die Stadt. Pierre wird jetzt Freimaurer und engagiert sich eine Weile im Logenwesen, kann aber auch dort keinen befriedigenden Sinn auf seine Lebensfragen finden.

Während Andrejs Familie von dessen Tod ausgeht, bereitet sich seine Frau auf die Geburt seines Kindes vor. Im Augenblick der letzten Wehen kommt der tot geglaubte Andrej zurück und sieht sie im Kindbett sterben. Er lebt vorerst auf den Gütern seines Vaters und lernt die Tochter des Adelsmarschalls, Natascha Rostowa, kennen. 1807 wird der Frieden von Tilsit geschlossen und anlässlich des Friedens gibt der Zar einen Ball, zu dem auch die Rostows eingeladen werden. Auf diesem Ball tanzen Andrej und Natascha miteinander und verlieben sich. Andrej hält wenige Wochen später um Nataschas Hand an, doch hat er von seinem Vater die Auflage bekommen, dass die beiden ein Jahr lang Kontakt halten müssen, bevor sie sich öffentlich verloben dürfen. In dieser Zeit ist Natascha de facto ungebunden, und Andrej stellt es ihr frei, die Verlobung jederzeit zu lösen. Nach einigen Monaten lässt sich Natascha von Anatol Kuragin, dem Bruder von Pierres Frau Hélène, zu einer Entführung mit gemeinsamer Flucht überreden, an deren Ziel ihre Heirat stattfinden soll. Die geplante Affäre wird zwar im letzten Augenblick von Pierre verhindert, Nataschas Verlobung mit Andrej ist damit jedoch aufgelöst.

1812 findet Napoleons Russlandfeldzug statt und Andrej zieht erneut unter Kutusow in den Krieg.

Andrejs Vater wird senil und stirbt, während sein Sohn in der Schlacht bei Borodino verwundet wird. Pierre erlebt die Schlacht mit all ihren Schrecken als scheinbar „neutraler Zuschauer“. Obwohl Russland die Hälfte seiner Armee verliert und diese sich weiter zurückzieht, wird „Borodino“ als moralischer Sieg der Russen angesehen. Kutusow überlässt Moskau gegen den Willen seiner Generäle kampflos den Franzosen, die es undiszipliniert plündern, so dass an den verschiedensten Stellen Brände entstehen und nicht mehr gelöscht werden. Natascha Rostowa kümmert sich um die verletzten Soldaten und überwindet dadurch ihre Krankheit, auch, weil sie Andrej unter den Verletzten findet und er ihr kurz vor seinem Tod verzeiht.

Pierre wird in Moskau für einen Spion gehalten; dass er sogar plante, Napoleon zu ermorden, wissen die Franzosen nicht. Er entgeht nur knapp der Erschießung und wird als Kriegsgefangener von den Franzosen mitgeführt, als diese aus Moskau abziehen. In der Gefangenschaft freundet er sich mit seinem Mitgefangenen Platon Karatajew an, einem einfachen Soldaten bäuerlicher Herkunft. Durch diese Freundschaft kann Pierre neuen Mut schöpfen und findet endlich zu einem Frieden mit dem Leben - der naive, bauernschlaue Karatajew ist mit seinen "natürlichen" Ansichten ein rousseauscher Gegenpol zur sonst im Roman vorherrschenden Adelsklasse. Pierre wird nach tagelangen Märschen von den Russen befreit und trifft in Moskau, welches wieder aufgebaut wird, auf Natascha, für welche er seit dem ersten Treffen Gefühle hegt und um deren Hand er nun anhält.

In einem Epilog, der im Jahre 1819 spielt, wird die familiäre Situation von Pierre und Natascha geschildert; unzufrieden mit der politischen Situation beschließen Pierre und einige Freunde einen Aufstand, womit Tolstoi auf sein ursprüngliches Sujet zurückkommt.

Rezeption

Oper

Auf den 1938 ergangenen Vorschlag von Erwin Piscator hin komponierte der russische Komponist Sergei Prokofiew in den vierziger Jahren eine Oper Krieg und Frieden, die 1955 im damaligen Leningrad uraufgeführt wurde. Dies war 1973 auch die zuerst aufgeführte Oper an dem damals neu eröffneten, architektonisch berühmten Opernhaus in der australischen Stadt Sydney.

Verfilmungen/filmische Adaptionen

  • Krieg und Frieden (1956), ein amerikanischer Film mit King Vidor (Regie), Audrey Hepburn (Natáscha), Henry Fonda (Pierre, s.u.) und Mel Ferrer (Andrei): Die Darstellung der Natáscha durch Audrey Hepburn wurde allgemein gelobt, während die Besetzung der Rolle des jungen Pierre Besúchow (der als „Zuschauer“ unmittelbar in die Schlacht von Borodino, den Brand Moskaus und den Rückzug Napoleons hineingerät) durch Henry Fonda teilweise kritisch gesehen wurde. Das obligate Liebespaar wurde in diesem Film durch Audrey Hepburn und Mel Ferrer repräsentiert. An der Kinokasse hatte das Monumentalwerk wenig Erfolg und erhielt, obwohl es für Kostüme, Kamera und Regie nominiert war, keine Oscars.
  • Krieg und Frieden (1968), sowjetrussische Verfilmung desselben Stoffes unter der Regie von Sergej Bondartschuk – die bis heute in Bezug auf Kosten, Material und Statisten aufwändigste Verfilmung des Stoffes.
  • Die letzte Nacht des Boris Gruschenko (Originaltitel: Love and death) aus dem Jahr 1975, eine satirische Verfremdung des Romans Krieg und Frieden von und mit Woody Allen.
  • Krieg und Frieden als englische Fernsehserie (Time Life Films London,1972) in zwanzig Folgen, lief Anfang der 1970er Jahre in der ARD. Die Rolle des Pierre Besuchows spielte Anthony Hopkins. Regie führte John Davies.
  • Krieg und Frieden (2007), vierteilige europäische Filmproduktion. Regie: Robert Dornhelm.

Hörspiel

  • Krieg und Frieden (1967), Hörspiel des Rundfunks der DDR. Hörspielbearbeitung: Wolfgang Beck und Peter Goslicki; Übersetzung: Werner Bergengruen; Regie: Werner Grunow.

Weblinks


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