Honoré de Balzac

Aus Weltliteratur

Honoré de Balzac (* 20. Mai 1799 in Tours; † 18. August 1850 in Paris) war ein französischer Schriftsteller.

Biographie

Honoré de Balzac 1842

Kindheit und Jugend

Honoré Balzac (so sein Geburtsname) war, da ein 1798 geborener Bruder schon im Säuglingsalter starb, ältestes Kind von Bernard-François Balzac, einem Bauernsohn aus dem südwestfranzösischen Département Tarn, und von Anne-Charlotte-Laure Sallambier, einer Pariserin aus gutbürgerlicher Familie. Der Vater, der es schon vor der Revolution vom Notariatsangestellten zum Sekretär eines hohen Beamten gebracht hatte, war nach 1789 Sekretär eines Marineministers und dann leitender Beamter in der Verwaltung der Revolutionsarmee geworden. Schon um 1780 hatte er seinen eigentlichen Namen Balssa französisiert zu Balzac, das er spätestens ab 1803 gern mit einem de verzierte. Erst 1797 hatte er mit 50 geheiratet. Die Mutter, eine offenbar hübsche und gebildete Frau, war bei ihrer Heirat 18. Sie gab den neugeborenen Honoré sowie danach auch seine 1800 und 1802 geborenen Schwestern zu Ammen in Pflege. 1807, einige Monate bevor sie einen offenbar außerehelich empfangenen Sohn zur Welt brachte, schickte sie ihren eben achtjährigen Ältesten in ein Internat der Oratorianer in Vendôme. Von dort wechselte er mit 13, sitzengeblieben und kränkelnd, in eine Pariser Schülerpension und besuchte, wiederum nur wenig erfolgreich, das Lycée Charlemagne. Insgesamt erlebte Balzac seine Kindheit und Jugend als freudlos und entwickelte einen tiefsitzenden Groll gegen seine Mutter.

1814 erhielt der Vater, der zuletzt in Tours Verwaltungschef des Krankenhauses und stellvertretender Bürgermeister gewesen war, einen guten Posten in Paris, und die Familie zog um in die Hauptstadt. Hier beendete Balzac 1816 seine Schulzeit und nahm ein Jurastudium an der Juristischen Hochschule (École de Droit) auf. Er besuchte jedoch auch Vorlesungen an der Pariser Philosophisch-philologischen Fakultät (Faculté des lettres) und am Collège de France und begann, nebenher philosophische Überlegungen zu Papier zu bringen. Ab 1817 arbeitete er zudem stundenweise als Hilfskraft, zunächst bei einem Anwalt (wo er den späteren Komödienautor Eugène Scribe als Kollegen hatte) und dann bei einem mit der Familie befreundeten Notar.

Die Anfänge als Schriftsteller und erste Schulden

Anfang 1819 legte er das „baccalauréat en droit“ ab, die Zulassungsprüfung für den letzten Studienabschnitt vor der „licence“, dem eigentlichen Abschluss. Nach Vorlesungsende im Sommer brach er jedoch das Studium ab, denn er hatte beschlossen, Schriftsteller zu werden. Nachdem sich der Vater bereit gefunden hatte, ihm zwei Probejahre zu finanzieren, zog Balzac in eine Mansarde und begann zu schreiben. Das Ergebnis war allerlei Feuilletonistisches und Lyrisches, Fragmente eines Opernlibrettos und einer Tragödie sowie vor allem ein Drama in Versen, Cromwell. Dieses rezitierte er 1820 vor der Familie (wo er inzwischen wieder wohnte) und einigen sachverständigen Freunden des Hauses, erntete aber nichts als Kritik. Er blieb trotzdem bei seinem Entschluss, wechselte allerdings das Genre und versuchte sich in Romanen.

1821 lernte er den schon erfahreneren Autor Auguste Lepoitevin kennen. Mit ihm zusammen und unter dessen Pseudonym „Viellerglé“ produzierte er in den Folgejahren mehrere Romane, versuchte es daneben aber auch mit eigenen, die er „Lord R'Hoone“ oder „Horace de Saint-Aubin“ zeichnete.

1822 machte er die Bekanntschaft der 45-jährigen Mme de Berny, die seine Geliebte wurde und ihm eine „éducation sentimentale“ angedeihen ließ. Sie blieb ihm bis kurz vor ihrem Tod 1836 als mütterliche Freundin verbunden.

1823 versuchte sich Balzac erneut als Dramatiker mit dem Stück Le Nègre, das aber nicht angenommen wurde. Ein weiterer Ausflug in ein anderes Genre, das epische Gedicht Fœdora, wurde nicht fertig. Nebenher schrieb er Kritiken für das Feuilleton littéraire des jungen Publizisten Horace Raisson, mit dem zusammen er auch andere literarische Projekte verfolgte. Immerhin verdiente er inzwischen so viel, dass er in der Lage war, seinen Eltern 100 Franc Kostgeld monatlich zu zahlen, ein gewisses gesellschaftliches Leben zu führen und diese oder jene Reise zu den Landsitzen adeliger oder großbürgerlicher Gastgeber zu unternehmen.

Den erhofften Durchbruch als Autor schaffte er trotz seiner fleißig fortgesetzten Romanproduktion jedoch weiterhin nicht. Ende 1824 scheint er deshalb in eine Depression verfallen zu sein. Auch nachträglich haben seine Jugendwerke keine Geltung erlangt, obwohl er darin oft schon Themen behandelt, z.B. das Streben nach Anerkennung und Geld, und Typen gestaltet, z.B. den energiegeladenen jungen Aufsteiger, die später typisch für ihn waren.

Anfang 1825 lernte er über seine Schwester Laure in Versailles die Duchesse d’Abrantès kennen, die ein Verhältnis mit ihm einging und ihm Einblicke in die Welt des Adels verschaffte. Im August starb mit 23 seine jüngste Schwester, Laurence de Montzaigle, deren 1821 geschlossene Ehe unglücklich gewesen war. Im Herbst begann Balzac hieraufhin ein leicht zynisches und illusionsloses Ehehandbuch für noch ledige Männer: Physiologie du mariage, das er jedoch erst 1829 fertigstellte und anonym publizierte.

Ebenfalls 1825 versuchte sich Balzac als Compagnon eines Pariser Verlegers und gab je eine illustrierte und kommentierte Molière- und La Fontaine-Ausgabe heraus. Auf den Geschmack als Verleger gekommen, kaufte er 1826 mit Darlehen Mme de Bernys und vor allem seiner Mutter eine Druckerei, der er 1827 eine Letterngießerei angliederte. Schon 1828 jedoch (inzwischen herrschte Wirtschaftskrise) musste er Konkurs anmelden, die Gießerei an den Sohn Mme de Bernys abtreten und die Druckerei schließen. Er blieb lebenslang Schuldner seiner Mutter, die seinen Vater († 1829) und ihn selbst überlebte. Immerhin hatte er in seiner Eigenschaft als Verleger Kontakt zu mehreren Autoren der Schule der Romantiker erhalten, darunter Victor Hugo und Alfred de Vigny.

Die Zeit des Erfolgs

Honoré de Balzac: Büste von Rodin

Er konzentrierte sich nun wieder auf das Schreiben. 1829 hatte er endlich Erfolg mit Le dernier Chouan, ou La Bretagne en 1800 (später überarbeitet und umbenannt in Les Chouans, ou La Bretagne en 1799). Es ist ein historischer Roman nach der neuen Machart Walter Scotts, der mit einem jungen Adeligen als Protagonisten das tragische Ende eines der letzten königstreuen Widerständler gegen das Revolutionsregime schildert. Les Chouans war zugleich das erste Werk, das Balzac mit seinem Namen zeichnete. Diesem setzte er rasch ein „de“ voran, als ihm der Erfolg die Pariser Salons zu öffnen begann.

In den nächsten Jahren führte er eine äußerst vielfältige und bewegte Existenz. So gründete er 1830, im Jahr der Julirevolution, mit dem späteren Zeitungsmagnaten Girardin eine politische Zeitschrift. 1831 und nochmals 1832 erwog er, für ein Abgeordnetenmandat zu kandidieren, beschränkte sich dann aber auf eine Rolle als sehr aktiver Journalist, wobei er 1835 sogar Mehrheitsaktionär einer politischen und literarischen Zeitschrift wurde, die jedoch schon 1836 einging. Seine politische Position rückte in diesen Jahren deutlich nach rechts, denn 1832 hatte er, der pseudoadelige Bourgeois, über eine adelige Freundin, die Marquise de Castries, Anschluss an Kreise der Legitimisten gefunden, d.h. Adeliger aus meist alten Familien, die den 1830 zurückgetretenen Charles X weiterhin als legitimen König betrachteten und sich dem neuen „Bürgerkönig“ Louis-Philippe verweigerten.

Daneben war Balzac viel unterwegs, um Gast in den Sommerresidenzen vornehmer Leuten zu sein und/oder einer der zahlreichen, meist verheirateten Damen zu folgen, mit denen er Verhältnisse anstrebte oder unterhielt. Hierbei wurde er offenbar auch Vater außerehelich gezeugter Kinder, und zwar 1834 einer Marie du Fresnay und 1836 eines Lionel-Richard Guidoboni-Visconti.

1832 trat brieflich die ukrainische Gräfin Eva Hanska mit ihm in Kontakt, die nach ihrem ersten Treffen im Winter 1833/34 in der Schweiz und einem weiteren Treffen 1835 in Wien eine wichtige Figur in seinem Leben wurde und ihn, nach ihrer Verwitwung 1841, 1850 schließlich auch heiratete.

Vor allem aber schrieb Balzac. Nach dem Erfolg der Chouans passabel bezahlt und zunehmend anerkannt, verfasste er Erzählungen und Romane, die in der Regel zunächst als Fortsetzungen in Zeitschriften herauskamen, ehe sie in Buchform erschienen. Schon früh entwickelte er die Gewohnheit, jeweils mehrere schon gedruckte Werke unter Gruppentiteln zusammengefasst nochmals zu vermarkten, so 1830 die zweibändigen Scènes de la vie privée (mit u.a. La Maison du chat qui pelote und Gobseck), 1831 die Romans et contes philosophiques (mit u.a. La Peau de chagrin), 1832 einen ersten Band Contes drôlatiques und 1833 die zweibändigen Scènes de la vie de Province (mit u.a. Eugénie Grandet).

Im Oktober 1833 schloss Balzac einen Verlagsvertrag, wonach er aus vorhandenen und noch zu schreibenden Werken eine drei mal vier, d.h. insgesamt zwölf Bände umfassende Sammlung von „Szenen“ zu erstellen hatte, die unter dem Generaltitel Études de mœurs au XIXe siècle erscheinen sollten. Noch 1833 lieferte er zwei Bände Scènes de la vie de province, 1834 begann er die Scènes de la vie parisienne.

Im selben Jahr 1834 hatte er beim Schreiben eines seiner besten Romane, Le Père Goriot, die Idee, die Figuren seiner bis dahin verfassten und der künftigen erzählenden Werke immer wieder neu auftreten zu lassen, um mit ihnen und um sie herum eine überschaubare Welt entstehen zu lassen. Wirklich schuf er so im Lauf der Zeit ein Universum von gut 2000 Figuren, die zugleich Repräsentanten der nachrevolutionären französischen Gesellschaft sein sollten und in der Tat eine plastische Vorstellung vom Leben zumindest der zeitgenössischen bürgerlichen und adeligen Schichten samt ihrer Domestiken vermitteln.

Im Sinne dieser Idee wählte Balzac, als er 1841 mit einer Verlegergruppe eine neue Gesamtausgabe seines vorhandenen und geplanten erzählerischen Œuvres vereinbarte und diese 1842 mit drei ersten Bänden eröffnete, den Obertitel La Comédie humaine. Hierbei sollten die einzelnen Romane und Erzählungen nicht nur zu Großgruppen zusammengefasst werden (Études philosophiques, Études analytiques und Études de mœurs), sondern auch noch zu Untergruppen (Scènes de la vie privée usw.).

Zur Verwirklichung dieses Projektes schrieb Balzac in den nächsten Jahren wie besessen. Sein infernalischer Arbeitsrhythmus (oft 15 bis 17 Stunden am Tag), den er wie symbolisch in einer Art Mönchskutte absolvierte, und sein enormer Kaffeeverbrauch wurden legendär.

Die außergewöhnliche Vitalität und Schaffenskraft Balzacs beschränkten sich im Übrigen nicht auf seine literarische Aktivität als Erzähler, Journalist und gelegentlicher (allerdings stets erfolgloser) Dramatiker. Vielmehr war er auch ein Lebemann, der trotz seiner ständig wachsenden Schulden einen luxuriösen Lebensstil mit Kutsche, guter Kleidung, eleganten Wohnungen und sogar einem Landsitz zu unterhalten versuchte und ein aufwändiges gesellschaftliches Leben pflegte. Auch hatte er bis ca. 1843 fast ständig Geliebte, wobei er es immer wieder schaffte, aufopferungswillige und oft auch zu finanziellen Hilfeleistungen bereite Frauen aus den besten Kreisen an sich zu binden. 1839 betätigte er sich als Vorsitzender des neugegründeten Schriftstellerverbandes.

Die letzten Jahre

Spätestens 1843 und verstärkt 1844 bekam er aufgrund seiner ständigen Überanstrengung und seines exzessiven Kaffeeverbrauchs Gesundheitsprobleme. Er versuchte jedoch, sie mit Arbeit zu betäuben oder auf Reisen zu und mit Mme Hanska zu vergessen, die ab 1845 seine feste, allerdings niemals ständig mit ihm zusammenlebende Partnerin wurde. Mit ihr bereiste er in drei Sommern Frankreich, Deutschland, Italien und die Schweiz und bei ihr auf ihrem ukrainischen Schloss Wierzchownia bei Berdytschew (im damaligen Russischen Reich) verbrachte er den Winter 1847/48 und das ganze Jahr 1849. Seine Hoffnung, sich dort gesundpflegen zu lassen, erfüllte sich jedoch nicht. Er starb kurz nach seiner offenbar strapaziösen Rückreise nach Paris, nachdem er Mme Hanska im März 1850 noch geheiratet und zur Alleinerbin eingesetzt hatte.

Er wurde auf dem Pariser Friedhof Père-Lachaise beigesetzt. Die Trauerrede hielt Victor Hugo.

Die Aufnahme in die Académie française war Balzac trotz mehrerer Anläufe (zuletzt in Abwesenheit 1849) nicht vergönnt: Sein Stil, dem man in der Tat die Eile anmerkt, mit der er schrieb, galt bei der professionellen Literaturkritik der Zeit als unseriös und zu formlos. Immerhin wurde Balzac 1845 mit dem Kreuz der Ehrenlegion ausgezeichnet.

Aller Wahrscheinlichkeit nach bezog seine Witwe größere Einkünfte aus seiner Schriftstellerei als er zu seinen Lebzeiten selbst erzielt hatte. Er pflegte nämlich seine im Prinzip recht ordentlichen Honorare ganz erheblich dadurch zu schmälern, dass er auf den Korrekturfahnen (d.h. den Probeausdrucken) seiner Texte so viele Verbesserungen anbrachte, dass das Ganze jeweils neu gesetzt werden musste.

Schon zu Lebzeiten wurde Balzac mehrfach von Malern porträtiert. Auch Karikaturisten nahmen ihn häufig aufs Korn. Die bekannteste Darstellung ist wohl die Statue, die Auguste Rodin zwischen 1893 und 1897 schuf und die heute im Rodin-Museum in Paris zu sehen ist.

Werk

Die Comédie Humaine (Die menschliche Komödie) sollte Balzacs Lebenswerk werden, das er jedoch nicht mehr vollenden konnte. „Nur“ 91 der geplanten 137 Romane und Erzählungen vermochte er fertigzustellen.

Balzac verbindet die einzelnen Texte zu einem Zyklus, indem er viele Figuren mehrfach auftreten lässt. Mit dieser literarischen Innovation wollte er ein System schaffen, das seiner Intention entsprach, ein umfassendes (Sitten-)Gemälde seiner Zeit zu entwerfen: „Die Unermesslichkeit eines Planes, der zugleich die Geschichte und die Kritik der Gesellschaft, die Analyse ihrer Übel und die Erörterung ihrer Prinzipien umfasst, berechtigt mich, so scheint es mir, meinem Werk den Titel zu geben, unter dem es heute erscheint: ›Die menschliche Komödie‹.“ (Balzac, Vorrede zur menschlichen Komödie)

Bedeutung und Wirkung

Balzac gilt den Franzosen neben Molière und Victor Hugo als einer ihrer größten Autoren überhaupt und bildet, obwohl er eigentlich zur Generation der Romantiker zählt, mit dem 17 Jahre älteren Stendhal und dem 22 Jahre jüngeren Flaubert das Dreigestirn der großen französischen Realisten. Sein Hauptwerk ist der rund 90 Titel umfassende, aber unvollendete Zyklus La Comédie humaine (dt.: Die menschliche Komödie), dessen Romane und Erzählungen ein Gesamtbild der Gesellschaft im Frankreich seiner Zeit zu zeichnen versuchen. Balzacs Erzählweise gilt in der Literaturgeschichte als prototypisch für den traditionellen Roman „à la Balzac“, d.h. einen Roman mit interessanten, nicht eben Durchschnittstypen verkörpernden Protagonisten, einer interessanten und mehr oder minder zielstrebigen Handlung sowie einem eindeutigen Vorherrschen der auktorialen Erzählsituation.

Mit seiner ungeschminkten Darstellung der gesellschaftlichen Realität prägte Balzac Generationen nicht nur französischer Autoren und bereitete den Naturalismus vor.

Sein Prinzip der Verbindung einer ganzen Serie von Romanen durch ein System wiederkehrender Figuren wurde von Émile Zola in dessen Zyklus der Rougon-Macquart nachgeahmt.

Literatur

Weblinks


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