Verbleibendes CO2-Budget

Aus Klimawandel
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Auf der 21. Konferenz der Vertragsstaaten zur Klimarahmenkonvention der Vereinten Nationen (COP 21) im Dezember 2015 in Paris bekannten sich alle anwesenden 193 Vertragsstaaten der Welt zu dem Ziel, einen gefährlichen Klimawandel zu vermeiden. Konkret bedeutet das, die globale Erwärmung gegenüber dem vorindustriellen globalen Mittelwert auf deutlich unter 2 °C und möglichst sogar auf 1,5 °C zu begrenzen. Dieses Ziel kann nur durch eine drastische Reduzierung der anthropogenen Treibhausgasemissionen erreicht werden, vor allem von Kohlendioxid. Seit Beginn der Industrialisierung hat die Menschheit bereits 680 Gt C (2492 Gt CO2) durch Veränderung der Landnutzung und die Nutzung fossiler Brennstoffe in die Atmosphäre emittiert. Die entscheidende Frage lautet gegenwärtig: Wie viele Milliarden Tonnen Kohlendioxid darf die Menschheit noch emittieren, ohne die Grenze von 2,0 bzw. 1,5 °C bis zum Ende des 21. Jahrhunderts zu überschreiten.

In den letzten Jahren wurden dazu verschiedene Berechnungen publiziert. Der 1,5-Grad-Bericht des Weltklimarates IPCC von 2018 gibt die Emissionen seit Beginn der Industrialisierung (1850-1900) bis Ende 2017 mit 2200 Gt CO2 an. Bei einer weltweiten Kohlendioxidemission von 42 Gt CO2 pro Jahr betrug das verbleibende CO2-Budget zur Einhaltung der 1,5-Grad-Grenze (mit einer Wahrscheinlichkeit von 50%) von Anfang 2018 an gerechnet 580 Gt CO2 (158 Gt C). Dabei wurde als Basis eine historische Erwärmung von 0,87 °C angenommen (Mittel von 2006-2015 zu 1850-1900), so dass bis 1,5 °C noch eine zusätzliche Erwärmung von 0,63 °C möglich war.

Der drei Jahre spätere erschienene 6. Sachstandsbericht des Weltklimarates IPCC von 2021 (-> 5.5, Table 5.8) stellte fest, dass im Zeitraum 1850-2019 insgesamt bereits 2390 Gt CO2 (655 Gt C) emittiert wurden und die globale Erwärmung 1,07 °C erreicht hat. Um die zukünftige Erwärmung auf 1,5 °C zu begrenzen, dürften nach dieser neuen Berechnung ab 2020 nicht mehr als 500 Gt CO2 (140 Gt C) emittiert werden. Zwischen dem Sonderbericht zum 1,5-Grad-Ziel von 2018 und dem 1. Band des 6. Sachstandsberichts von 2021 hat es nicht nur eine weitere Erhöhung der globalen Mitteltemperatur von 0,2 °C gegeben, sondern es sind auch weitere 80 Gt CO2 emittiert worden. Die beiden Jahre zwischen dem neuen Ausgangspunkt der Berechnungen (Beginn von 2020) und dem des Sonderberichts (Beginn von 2018) haben also die noch zulässige Erwärmung von 0,63 °C auf 0,43 °C verringert und die noch erlaubten Emissionen von 580 auf 500 Gt CO2. Bei einer Fortsetzung der jährlichen Emissionen von etwa 40 Gt CO2 wäre das Budget von 2020 an gerechnet in 12,5 Jahren aufgebraucht.

Inzwischen sind weitere Berechnungen des verbleibenden Budgets erschienen, die nicht nur aktueller sind (mit dem Startpunkt Anfang 2023), sondern auch methodisch verbessert wurden. So kommt die aktuellste Kalkulation des Global Carbon Projekts auf ein verbleibendes Budget von 380 GtCO2 (105 GtC)[1] ab 2023, das bei den gegenwärtigen Jahresemissionen in 9 Jahren aufgebraucht wäre. Um das 2-Grad-Ziele einzuhalten wäre noch eine Emission von 1230 GtCO2 (335 GtC) möglich, die einer Zeit von 30 Jahren entsprechen würde (Abb. ).

Die Berechnungen des verbleibenden Kohlenstoff-Budgets sind jedoch unsicher und lückenhaft. So werden nur CO2-Emissionen (aus der Verbrennung fossiler Energieträger und der Landwirtschaft) berücksichtigt. Weder die weitere Zunahme der Nicht-CO2-Gase wie Methan oder Distickstoffoxid gehen in die Berechnung ein noch die Abnahme der anthropogenen Aerosolemissionen, die beide eine Erwärmung bewirken. Bisher hat der Abkühlungseffekt durch Aerosole ungefähr der Erwärmung durch die Nicht-CO2-Gase entsprochen. Das wird aber in Zukunft durch den Rückgang der Aerosolemissionen infolge der Gesundheitspolitik vieler Staaten immer weniger der Fall sein. Hinzu kommt, dass die Ableitung der Temperaturerhöhung aus den Emissionen es mit vielen komplexen Rückkopplungsmechanismen des Klimasystems zu tun hat. So verändern z.B. mehr Treibhausgase in der Atmosphäre und die damit verbundene Erwärmung die CO2-Aufnahme von Ozean und Landvegetation, was wiederum Rückwirkungen auf die atmosphärische Treibhausgaskonzentration und Temperatur hat.

Das Paris-Abkommen erfordert zudem Netto-Null-Emissionen in der zweiten Hälfte dieses Jahrhunderts. Noch bestehende Treibhausgasemissionen müssten dann durch Entnahme von Treibhausgasen aus der Atmosphäre ausgeglichen werden. Einige Emissionen wie Methan und Distickstoffoxid aus der Landwirtschaft oder bestimmte CO2-Emissionen lassen sich nicht oder nur schwer vermeiden. Hinzu kommt, dass auch die vermeidbaren Emissionen bis 2050 wahrscheinlich nicht genügend reduziert werden. Deshalb muss spätestens ab Mitte des 21. Jahrhunderts CO2 aus der Atmosphäre entnommen werden (IPCC 2022, WGI, Box 1.4). Die bisherigen Anstrengungen der wichtigsten staatlichen Emittenten lassen eine Erwärmung von eher 3 °C bis 2100 erwarten (IPCC 2022, WGIII), und auch die versprochenen Maßnahmen reichen für das 2°C-Ziel nicht aus.

  1. 1 Gt C = 1 Mrd. t C = 3,664 Gt CO2