Klimaänderungen und Landwirtschaft Indien

Aus Klimawandel
Einsetzen von Reispflanzen nach dem Monsun in Tamil Nadu, Indien

Die Bedeutung des landwirtschaftlichen Sektors in Indien

Indien ist mit 1,46 Mrd. Einwohnern das bevölkerungsreichstes Land der Erde noch vor China[1] und stellt 17,7% der globalen Bevölkerung.[2] Die Landwirtschaft besitzt einen Anteil von 16,5% am Bruttosozialprodukt und beschäftigt 42,3% der arbeitenden Bevölkerung. Der landwirtschaftliche Sektor ist in den letzten drei Jahrzehnten um 3,2% jährlich gewachsen und damit fast doppelt so schnell wie die Bevölkerung mit 1,7%.[3] Die Wachstumsrate der landwirtschaftlichen Produktion war in dieser Zeit nahezu gleichbleibend, wogegen das Bevölkerungswachstum auf 1,1% pro Jahr zurückgegangen ist.[4]

Als Ergebnis hat sich Indien zu einem Agrar-Exportland entwickelt. Ein wesentlicher Grund ist die sog. Grüne Revolution, die wesentlich durch die weitreichende Anwendung von Bewässerung und den Einsatz von Dünge- und Pflanzenschutzmitteln angetrieben wurde.[3] Über 7% der indischen Nahrungsmittelproduktion werden inzwischen exportiert.[4] Dennoch leben in Indien mit fast 350 Mio. Menschen (2017) so viele unterernährten Menschen wie in keinem anderen Staat der Welt.[5] Der Anteil an der Gesamtbevölkerung wird auf 14% geschätzt.[4]

Reis ist das wichtigste Grundnahrungsmittel des Landes und nimmt 40-43% der Getreideanbaufläche ein, die hauptsächlich im Regenfeldbau bewirtschaftet wird. Ein Fünftel der globalen Reisernte stammen aus Indien, das nach China an zweiter Stelle der Reisproduktion steht.[5] Indien besitzt mit 44 Mio. ha die größte Reisanbaufläche in der Welt und mit 118 Mio. t nach China die zweitgrößte Produktion. Die Produktivität von Reis hat sich über die letzten 70 Jahre dank der Grünen Revolution und späterer Entwicklung von 21 Mio. t um 1950 auf 118 Mio t fast um das Sechsfache erhöht. Nach Reis ist Weizen in Indien die zweitwichtigste Anbaufrucht. Die Weizenproduktion lag 2020/21 bei 110 Mio. t und wurde auf 32 Mio. ha angebaut. Der Anbau konzentriert sich zu 92% auf fünf Staaten, Uttar Pradesh, Punjab, Haryana, Madhya Pradesh, Rajasthan und Bihar im Norden und Nordwesten Indiens. Die Produktion von Weizen in Indien ist eine Erfolgsgeschichte der Grünen Revolution und liegt heute ca. 15 Mal höher als in den 1970er Jahren. Weizen wird in Indien im Wintere von Mitte Oktober bis April angebaut, und zwar zu fast 90% auf bewässertem Land.[6]

Klimaänderungen und Landwirtschaft

Indien und seine Nachbarländer, die zusammen den südasiatischen Subkontinent bilden, sind durch ein tropisches bis subtropisches Klima bestimmt und stehen weitgehend unter dem Einfluss des südasiatischen Monsuns. Südasien gilt als eine der am stärksten durch den Klimawandel gefährdeten Regionen der Erde.[7] Die Jahresmitteltemperatur ist in Indien seit Anfang der 1970er Jahre um ca. 1 °C angestiegen, die Maximum- und Minimumtemperaturen in vielen Regionen sogar um 2 °C. Nach Modellprojektionen wird die Jahresmitteltemperatur des Landes bis 2080 um 3,3-4,8 °C zunehmen. Allein in Indien gab es zwischen 1970 und 2021 573 wetter- und klimabezogene Katastrophen, die 138.000 Menschenleben forderten. Dürren und Starkniederschläge waren die folgenreichsten Wetterextreme.[2]

Allerdings zeigt Indien nicht durchgehend eine Temperaturzunahme seit den 1950er Jahren. In einem Gebiet, das vom Nordosten des Landes bis nach Zentralindien reicht, zeigt sich je nach Jahreszeit auch eine Abkühlung, die im Nordosten während der Vormonsunzeit (April und Mai) bis -1,2 °C erreicht. Als Ursache wird eine durch anthropogene Emissionen bedingte Aerosolschicht über dem nördlichen Indischen Ozean und Südasien angenommen, die die Erdoberfläche gegen die solare Einstrahlung abschirmt und eine Abkühlung am Boden bewirkt.[8]

Der Monsun ist der Hauptregenbringer der Region und hat im 20. Jahrhundert aufgrund der anthropogenen Aerosolbelastung abgenommen. Für das 21. Jahrhundert wird jedoch eine Zunahme erwartet, da die Aerosolemissionen durch die staatliche Gesundheitspolitik auch in Indien zurückgehen werden. Hitzewellen und Dürren werden jedoch nach Modellberechnungen häufiger und intensiver werden,[7] so dass Überschwemmungen, Dürren und Wassermangel die Ernährungssicherheit bedrohen werden, besonders in Indien und Pakistan.[9] In Südasien wird zudem ein verstärkter Land-Meer-Gegensatz die Sommerniederschläge verstärken, wodurch die Monsunniederschläge wahrscheinlich in Ost-, Südost- und Südasien wahrscheinlich zunehmen werden.[9]

Die Zunahme der Niederschläge in Südasien wird gegen Ende des 21. Jahrhunderts auf fast 30% im Vergleich zu der Zeit um 2000 geschätzt. Regional wird es jedoch Abnahmen im Westen (bes. Afghanistan, Pakistan und der Nordwesten Indiens) und stärkere Zunahmen im Osten geben. Auch für Bangladesch wird mit Abnahmen gerechnet. Die potentielle Verdunstung wird mit der steigenden Temperatur deutlich zunehmen, wodurch es zu Trockenheit trotz zunehmender Niederschläge kommen kann.[10] Historisch kam es in Südasien etwa fünfmal pro Jahr zu Dürreereignissen. Die Häufigkeit von Dürren wird sich nach Modellberechnungen bis zur Mitte des Jahrhunderts um 20% und mehr erhöhen, überraschenderweise aber bis zum Ende des Jahrhundert besonders bei hohen Emissionsszenarien wieder abschwächen. Eine ähnliche Entwicklung werden die von Dürren betroffenen Anbauflächen nehmen. Bis zur Jahrhundertmitte werden die Anbaugebiete, die von Dürren erfasst werden, gegenüber historischen Verhältnissen um ca. 50% zunehmen, bis Ende des Jahrhunderts aber wieder um ca. 10% abnehmen. Letzteres gilt vor allem für den Nordwesten Indiens sowie Teile Pakistans und Afghanistans.[10]

Von Dürren betroffene Agrarflächen in Südasien als Änderung zu 1995-2014 in % nach dem Szenario SSP5-8.5

Ein großes Problem sind neben der Wassernutzung (s.u.) Schädlinge und Krankheiten. Bereits in den letzten Jahrzehnten sind Heuschreckenschwärme Aus Afrika und dem Mittleren Osten bis nach Indien gelangt. Eine verlängerte Monsunzeit, wie sie möglicherweise in Zukunft zu erwarten ist, könnte die Heuschreckenplage weiter verstärken. Der Maisanbau ist durch den Heerwurm bedroht, Weizen im Westen Indiens durch den Echten Mehltau. Die Ernteverluste durch Pflanzenschädlinge lagen in den 1960er Jahren bei 7,2%, in den 2010er Jahren bei 16,8%.[11]

Bewässerung als Problem der Zukunft

Die Bewässerung ist eines der großen Zukunftsprobleme Indiens, dessen Landwirtschaft in seiner Abhängigkeit von der Grundwassernutzung an der Spitze der Welt steht. Indien besitzt etwa 155 Mio. ha Ackerland, wovon 142 Mio. ha tatsächlich genutzt werden. 28% davon befinden sich unter Bewässerung mit Grundwasser, 20% sind durch Oberflächenwasser bewässert und 51% sind Regenfeldbauflächen. Letztere sind besonders durch den Klimawandel und Dürren gefährdet.[3] Die Landwirtschaft ist der größte Verbraucher von Wasser und Land. Sie nutzt weltweit 70% des Wassers, in Indien sogar 80-90%. Die Wasserversorgung in Indien verschlechtert sich von Jahr zu Jahr. Ein Zeichen ist der Verbrauch von Grundwasser, dessen Niveau sich auf alarmierende Weise absenkt. Die Hälfte der Anbaufläche wird dennoch im Regenfeldbau betrieben.[4]

Mit dem Klimawandel wird der Wasserbedarf der Nutzpflanzen sowohl in der Monsun- als auch in der Wintervegetationsperiode ansteigen, da durch die höheren Temperaturen die Verdunstung und Transpiration der Pflanzen zunimmt. Dadurch geraten Pflanzen und der Boden in Wasserstress, worauf die Landwirte, soweit möglich, mit erhöhter Bewässerung reagieren. Der Wasserstress erhöht sich dabei durch die höheren Temperaturen stärker in der sommerlichen Monsun-Saison, der Reisanbauzeit, als in der Weizensaison im Winter. Ein Anstieg der Durchschnittstemperatur um 1°C hatte eine Verringerung der Grundwasserzunahme durch Niederschläge in der Monsunzeit um 25 cm und eine Erhöhung der Grundwasserentnahme im Winter 11 cm zur Folge.[12]

In Zukunft nehmen in Indien die Temperaturen und die Monsunniederschläge zu. Die Niederschläge im Winter werden dagegen zurückgehen, und ebenso wird die Nutzung von Grundwasser mit dem fallenden Grundwasserspiegel weniger werden. Höhere Temperaturen werden vor allem einen Rückgang der Niederschläge im Winter zur Folge haben, der die Zunahme der Monsunniederschläge übertreffen wird. Die Grundwasserpegel werden bis 2080 dreimal stärker fallen als die gegenwärtige Abnahmerate. Die Abnahme des Grundwassers wird sich auf den Nordwesten, Südwesten und einige Teile Zentralindiens erstrecken.[12]

Projektionen

Änderung der Reisernte in Nord- und Südindien in % - in Abhängigkeit vom Anstieg des CO2-Gehalts und der Temperatur.

Zahlreiche Modelluntersuchungen haben versucht, die Folgen einer Klimaerwärmung und Erhöhung der CO2-Konzentration auf die Ernte der wichtigsten Anbaufrüchte in Indien für das 21. Jahrhundert zu berechnen. Bei allen zeigen die Erhöhung des Kohlendioxidgehalts der Atmosphäre und die Zunahme der Temperatur gegensätzliche Effekte. So zeigen einige Modellrechnungen, dass eine Verdoppelung der CO2-Konzentration die Reisernte um 15 %, die Weizenernte um 28 % und die Sojaernte um 50 % erhöhen würde. Eine Temperaturerhöhung um 3 °C würde diesen positiven Effekt jedoch wieder aufheben. Der Grund liegt vor allem in der Verkürzung der Kornfüllungsphase. Ohne Berücksichtigung des CO2-Effekts würde schon eine Erwärmung um 2 °C genügen, um die Einnahmen in der Landwirtschaft um 8,4 % zu reduzieren.[13]

Dabei gibt es deutliche regionale Unterschiede zwischen Nord- und Südindien. Vor allem Südindien muss bei steigender Temperatur mit Ernteverlusten rechnen, die allerdings durch einen höheren CO2-Gehalt bis zu einem gewissen Grad wieder ausgeglichen werden können. So würde eine Temperaturzunahme um 3 °C in Südindien zu einer Reduzierung der Reisernte um 20 % führen, die nur kompensiert werden kann, wenn die CO2-Konzentration auf nahezu 650 ppm steigt. In Nordindien würde eine Temperaturerhöhung um 3 °C nur zu einem Ernteverlust von ca. 10 % führen. Und hier genügen schon 500 ppm CO2, um den Verlust wieder auszugleichen.[14]

Reis

Reis ist das Hauptnahrungsmittel in Indien. Die Verbesserungen im Reisanbau haben in Indien deutlich dazu beigetragen, die Armut und den Hunger in der indischen Bevölkerung zu reduzieren. Um dem wachsenden Bedarf durch die zunehmende Bevölkerung und die ökonomische Entwicklung zu begegnen, müsste die Produktion bis zur Mitte des Jahrhunderts in Indien wie in anderen Entwicklungsländern etwa verdoppelt werden. Auf diesem Hintergrund ist der Einfluss des Klimawandels auf die Reisproduktion von elementarer Bedeutung.

Der Klimawandel wirkt zum einen durch den CO2-Düngungseffekt auf die Reisernte. So könnte nach Freilandexperimenten eine Erhöhung der CO2-Konzentration auf 570 ppm zu einem Plus von 7-15 % bei der Reisernte führen. Eine deutliche Temperaturzunahme könnte diesen Effekt jedoch wieder aufheben. Auch Niederschlagsänderungen sind von Bedeutung.[15]

Die Ernten des bewässerten Reisanbaus werden nach Modellberechnungen bis Ende des Jahrhunderts um etwa 10 % durch den Klimawandel zurückgehen. Dabei sind die regionalen Unterschiede relativ groß. Die stärksten Verluste werden mit 23-30 % im trockenen Nordwesten erwartet, die geringsten im regenreichen Osten und Nordosten. Entscheidend ist dabei die Reaktion der Reispflanzen auf die höheren Temperaturen. Reis ist zwar als tropische Pflanze relativ gut an hohe Temperaturen angepasst. Die indischen Reissorten sind jedoch empfindlich gegenüber hohen Minimumtemperaturen von über 19 °C, hauptsächlich wegen einer reduzierten Verlagerung der organischen Stickstoff- und Kohlenstoffverbindungen in der Pflanze. Aber auch zu hohe Maximumtemperaturen, wie sie mit einem Anstieg um 4-5,3 °C vor allem für den Nordwesten Indiens projiziert werden, können die Reispflanzen unter Stress setzen.[15]

Beim Regenfeldbau, auf den 42 % der Reisanbaugebiete Indiens fallen, zeigen die Modelle eine relativ starke Reduktion der Reisernte bis 2020 um 6 %. In den folgenden Jahrzehnten wird jedoch mit einer relativ unbedeutenden Verringerung von weniger als 2,5 % gerechnet. Der Grund sind deutliche Zunahmen der Reisernte durch den Klimawandel von z.T. bis zu 20 % bis zum Jahrhundertende im Süden Indiens, die die Verluste in den übrigen Regionen z.T. ausgleichen. Der Süden erhält mit 400-800 mm gegenwärtig relativ mäßige Monsunniederschläge. Eine Erhöhung um 15-25 %, wie sie Modellprojektionen zeigen, bedeutet eine deutliche Verbesserung der Anbaubedingungen. Im Osten und Nordosten dagegen mit gegenwärtig schon über 1000 mm Niederschlägen während des Sommermonsuns führt eine Zunahme der Regenfälle um 10-35 % zu Ernteverlusten.[15]

Einzelnachweise

  1. Statista (2025): Die 20 Länder mit der größten Einwohnerzahl im Jahr 2025
  2. 2,0 2,1 Hussain, S., H. Ejaz, S. Pallavi et al. (2023): Navigating the impact of climate change in India: a perspective on climate action (SDG13) and sustainable cities and communities (SDG11), Frontiers in Sustainable Cities
  3. 3,0 3,1 3,2 FAO (2024): Country Programming Framework for India, 2023–2027
  4. 4,0 4,1 4,2 4,3 Chand, R., P. Joshi, S. Khadka, Hrsg. (2022): Indian Agriculture Towards 2030
  5. 5,0 5,1 Mohapatra, S., L. Wen, B. Sharp & D. Sahoo (2024): Unveiling the spatial dynamics of climate impact on rice yield in India, Economic Analysis and Policy 83
  6. Singh, S.K., S. Kumar, P.L. Kashyap et al. (2023): Wheat. In: Ghosh, P.K., A. Das, R. Saxena et al. (eds): Trajectory of 75 years of Indian Agriculture after Independence. Springer, Singapore
  7. 7,0 7,1 Abeysekara, W.C.S.M., M. Siriwardana & S. Meng (2024): Economic consequences of climate change impacts on South Asian agriculture: A computable general equilibrium analysis. Australian Journal of Agricultural and Resource Economics, 68, 77–100
  8. Ross, R.S., T.N. Krishnamurti, S. Pattnaik et al. (2018): Decadal surface temperature trends in India based on a new high-resolution data set. Sci Rep 8, 7452
  9. 9,0 9,1 IPCC AR6 WGII (2022): Asia, 10.3
  10. 10,0 10,1 Mondal, S.K., B. Su, J. Huang et al. (2024): Climate change will aggravate South Asian cropland exposure to drought by the middle of 21st century. Earth's Future, 12, e2023EF003872
  11. Aggarwal, P., J. Roy, H. Pathak et al. (2022): Managing Climatic Risks in Agriculture, in: Chand et al., Hrsg. (2022): Indian Agriculture Towards 2030
  12. 12,0 12,1 , N., D.B. Lobell, Balwinder-Singh et al. (2023): Warming temperatures exacerbate groundwater depletion rates in India.Sci.Advances 9
  13. R.K. Mall et al. (2006): Impact of climate change on Indian agriculture: a review, Climatic Change (2006) 78: 445–478
  14. R.K. Mall et al. (2006): Impact of climate change on Indian agriculture: a review, Climatic Change (2006) 78: 445–478
  15. 15,0 15,1 15,2 Soora, N.K., et al. (2013): An assessment of regional vulnerability of rice to climate change in India, Climatic Change, DOI 10.1007/s10584-013-0698-3


Klimadaten zum Thema

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Schülerarbeiten zum Thema

Schülerarbeiten zum Thema des Artikels aus dem Schulprojekt Klimawandel:

  • Indischer Sommermonsum Führt die Klimaerwärmung zur Unbewohnbarkeit von Teilen des indischen Sommermonsumgebietes? (Johanneum zu Lübeck, Lübeck)

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