Starkregen und Hochwasser in Ostafrika
Einleitung
Durch eine starke Klimavariabilität leidet Ostafrika sowohl unter Dürren wie Überschwemmungen. Die sehr komplexe Topographie Ostafrikas mit Höhenunterschieden von über 5000 m hat sehr unterschiedliche Jahresniederschläge von 100 mm bis rund 2500 mm zur Folge. Davon ist vor allem die Landwirtschaft betroffen, die mit einem großen Anteil von 45% der wichtigste Wirtschaftssektor ist. Die landwirtschaftliche Produktion wird zu 90% durch Kleinbauern bestimmt, die oft wenig organisiert und informiert sind, und daher sehr empfindlich gegenüber klimatischen Änderungen sind.[1]
Ostafrika besitzt besonders in den äquatornahen Regionen entsprechend dem Höchststand der Sonne bzw. der Wanderung der Innertropische Konvergenzzone (ITCZ) zwei Regenzeiten, die sog. lange Regenzeit in den Monaten März bis Mai und die kurze Regenzeit von Oktober bis Dezember. Die Region ist vor allem bekannt für häufige Dürren. Beobachtungen zeigten eine zunehmende Trockenheit vom Ende der 1980er Jahre bis in die 2010er Jahre, mit geringeren Niederschlägen vor allem in der langen Regenzeit und einer Verkürzung der Regenperiode. Die Dürrehäufigkeit hat sich in den letzten zwei Jahrzehnten von einmal in 6 Jahren auf einmal in 3 Jahren verdoppelt, und die Dürren sind intensiver geworden. Zahlreiche Dürren traten während La-Niña-Ereignisse auf und waren mit einer anthropogen angetriebenen Erhöhung der Meeresoberflächentemperaturen im Indischen Ozean verbunden (s.u.).[2] In jüngster Zeit gab es in O-Afrika trockene Bedingungen mit Ernteverlusten, Hunger und Unterernährung vor allem in den Jahren 2011, 2016-2017 und 2020-2023.[3]
Die kurze Regenzeit hat seit den 1960er Jahren dagegen ein langanhaltendes feuchter Werden erfahren.[2] Dabei kam es in jüngster Zeit zu Starkregenereignissen mit verheerenden Überschwemmungen und Folgen für die Landwirtschaft, die Infrastruktur und menschliche Siedlungen sowie zahlreichen Todesopfern, so 2019 und 2023/24. Extreme Starkregen trafen die Region 2012, 2016 und 2018 aber auch in der langen Regenzeit. Beobachtungen zeigen für Ostafrika, besonders für die lange Regenzeit von März bis Mai, bisher einen zunehmenden Dürretrend, Klimamodelle projizieren dagegen infolge der globalen Erwärmung für die Zukunft insgesamt feuchtere Bedingungen und häufigere Starkregenfälle. Dieser Gegensatz ist als „ostafrikanisches Paradox“ bekannt[3] und macht eine Projektion der ostafrikanischen Niederschläge für die nächsten Jahrzehnte schwierig.
Antriebskräfte der Starkniederschläge
Die Niederschläge in Ostafrika sind einerseits durch regional Faktoren bestimmt, andererseits von Fernwirkungen abhängig. Die wichtigsten regionalen Feuchtigkeitsquellen sind der Viktoriasee und weitere Binnenseen sowie das Kongo-Becken mit seinen ausgedehnten tropischen Regenwäldern. Lokal werden die Niederschläge beeinflusst durch die großen Seen, die Gebirgszüge und die Vegetation. Die Gebirgszüge können z.B. die Strömungen feuchter Luftmassen blockieren.
Großräumig ist vor allem der Indische Ozean eine wichtige Feuchtigkeitsquelle.[3] Dabei spielt der Indian Ocean Dipole (IOD), eine Temperaturschwankung im Indischen Ozean ähnlich wie ENSO im Pazifik, eine wesentliche Rolle. Bei positiven IOD-Ereignissen erhöhen sich die Meeresoberflächentemperaturen im westlichen Indischen Ozean, und es kommt in Ostafrika zu intensiven Regenfällen, während der östliche Indische Ozean kühl und trocken ist (Abb. a). Positive IOD-Ereignisse verändern die Walker-Zirkulation durch eine Schwächung der Westwinde über dem Indischen Ozean und der absteigenden Luftmassen (Subsidenz) über Ostafrika. Stattdessen kommt es zu einer stärkeren Konvektion, d.h. zu aufsteigenden Luftmassen, über Ostafrika mit mehr Niederschlag und dem Risiko von Überschwemmungen. Durch einen El Niño kann die Wirkung eines positiven IOD noch verstärkt werden wie z.B. 1997. Aber es kann auch zu sehr starken Niederschlägen durch einen positiven IOD ohne einen El Niño kommen wie 2019.[4] Bei einem negativen IOD drehen sich die Verhältnisse um. Über Ostafrika werden Dürren begünstigt und über dem östlichen Indischen Ozean starke Niederschläge (Abb. b).
Einzelereignisse und deren Folgen
In der langen Regenzeit (MAM) 2012, 2016 und 2018 und in der kurzen Regenzeit (OND) 2019 und 2023 erfuhr die Region mehrere Starkregenereignisse mit verheerenden Folgen für die Landwirtschaft, die Infrastruktur, Siedlungen und das menschliche Leben.[3] Die kurze Regenzeit (Oktober-Dezember) 2019 war eine der niederschlagsreichsten in den letzten Jahrzehnten, wodurch infolge von Überschwemmungen und Erdrutschen nach Schätzungen 2,8 Mio. Menschen betroffenen waren und es zu Hunderten von Todesfällen kam. Die Folgen bestanden u.a. in Zerstörung von Gebäuden, Besitz, Ernten, Brücken, Straßen und Wegen sowie dem Verlust von Leben sowohl von Menschen wie Vieh.[5] Die hohen Niederschläge fielen vor allem in der kurzen Regenzeit, setzten sich aber auch in der langen Regenzeit von März bis Mai fort. Im Victoriasee-Becken kam es zu den höchsten Niederschlägen in den letzten drei Jahrzehnten, die den Seespiegel zwischen September 2019 und Mai 2020 um 1,44 m ansteigen ließen.[6]
Durch den Klimawandel ist dieses Ereignis fast zweimal so wahrscheinlich geworden im Vergleich zu einer Welt ohne anthropogene Erwärmung. Andererseits werden die Niederschläge in Ostafrika aber auch durch ENSO und den Indian Ocean Dipole (IOD) beeinflusst.[6] In jüngster Zeit wurden sie nur durch die Starkregen infolge eines intensiven El Niño im Jahr 1997 übertroffen. 2019 war jedoch nicht ein zusätzlicher El Niño der ausschlaggebende Faktor, sondern ein starker positiver Indian Ocean Dipole (IOD) mit ungewöhnlich warmen Meeresoberflächentemperaturen im westlichen Indischen Ozean vor der ostafrikanischen Küste.[5]
Von Ende Oktober 2023 an wurde die Region erneut von Starkregen mit Überflutungen heimgesucht. Die starken Niederschläge in der kurzen Regenzeit 2023 waren die stärksten oder zweitstärksten Niederschläge nach bisheriger Beobachtung. Die kurze Regenzeit wird stark von der positiven Phase des Indian Ocean Dipole beeinflusst. Ein Niederschlagsereignis wie in der kurzen Regenzeit 2023 kommt nach Untersuchungen der World Weather Attribution Initiative (WWA) im gegenwärtigen Klima einmal in 40 Jahren vor. Außerdem hat sich die Menge der Niederschläge durch die globale Erwärmung ungefähr verdoppelt. Unsicherheit bei den genauen Abschätzungen bestehen jedoch wegen fehlender Beobachtungsdaten.[7] 2024 setzten im März-April erneut starke Regenfälle ein mit über 200 Toten und 150.000 Vertriebenen allein in Kenia. In Tansania forderten die Starkniederschläge 155 Tote und 200.000 Betroffene, z.B. durch die Zerstörung von Wohngebäuden, Feldern, Brücken und Straßen.[3] Die Starkniederschläge setzten sich bis in den Mai 2024 hinein fort und wurden in Tansania und Kenia durch einen tropischen Wirbelsturm verstärkt, der weitere Todesopfer und Verletzte forderte.[8]
Folgen durch Landnutzungsänderungen
Auf Hochwasser haben nicht nur die meteorologischen Bedingungen, sondern auch die Landnutzungsänderungen einen entscheidenden Einfluss, wobei die wichtigsten Prozesse in der Waldvernichtung und der Verstädterung bestehen. In Kenia ist es von 2002 bis 2022 zu einer drastischen Reduzierung von 14% der Waldbedeckung gekommen,[3] in manchen Regionen des Landes sogar von über 40%.[9] Die Folgen waren eine weitreichende Bodenverdichtung auf landwirtschaftlichen Flächen durch Maschinen und Viehtritt, verbreitete Bodenerosion und als Folge die Abnahme der Wasseraufnahme. Das hat zu einem höheren Oberflächenabflusses geführt, zu höheren Spitzenabflüssen in den Flüssen und erhöhten Überschwemmungsrisiken. In Tansania lag die Waldvernichtung mit 20% 1990-2010 ähnlich hoch. Die dadurch bedingte verringerte Aufnahme der Wassermassen von Starkregen durch Landoberflächen haben ebenfalls das Hochwasserrisiko erhöht, besonders in urbanen Gebieten wie in der Hauptstadt Daressalam. Noch stärker war die Entwaldung in Burundi, wo nur 6,6% der ursprünglichen Waldbedeckung übrig gebliebene sind.[3]
Ostafrika besitzt außerdem eine der höchsten Urbanisierungsraten weltweit. Damit einher geht die Bildung von informellen Siedlungen, die häufig in durch Hochwasser gefährdeten Gebieten entstehen. In Kenia leben 51% der städtischen Bevölkerung, in Burundi 37% in solchen Ansiedlungen. Nahezu jede Hauptstaat der ostafrikanischen Staaten und andere größere Städte sind während der Starkregen 2023/24 in Teilen überflutet worden. Besonders betroffen waren die informellen Siedlungen, so etwa Kibera, Mukuru und Mathare in Nairobi, der Hauptstadt von Kenia. In Kibera etwa leben 200.000 Menschen in weniger als 30 m Entfernung von Gewässern, häufig in baufälligen Unterkünften, mit verfallenden Wegen, fehlenden oder schlecht gewarteten Abwassersystemen und schlechten Zugängen zu Trinkwasserquellen.[3]
Staaten wie Kenia, Tansania und Burundi ergreifen jedoch verschiedene Maßnahmen, um die wachsende Gefahr durch Überflutungen zu minimieren. Dazu gehören etwa die Errichtung von Dämmen an wichtigen Flussläufen, der Schutz von wichtigen Infrastrukturanalen wie Flughäfen oder Kampagnen zur Reinigung von Abflüssen in den informellen Siedlungen. Bei dem Erhalt von funktionierenden Abwassersystemen werden z.T. die betroffenen Gemeinden miteinbezogen. Ein weiteres Element sind überregionale Frühwarnsysteme, für die sich auch mehrere Staaten engagieren.[3] Auch auf dem Land gibt es z.B. in Kenia Initiativen zur Verhinderung von starken Abflüssen bei Starkregen, die zugleich der besseren Wasserversorgung von Anbaupflanzen, Weidetieren und Menschen dienen. So werden die aus Burkina Fasio im Sahel stammenden Zaï-Pflanzgruben propagiert oder Dämme und Wasserauffangbecken auf den Feldern errichtet, um den ungehinderten Abfluss bei heftigen Regenfällen einzudämmen und das wertvolle Wasser der Landwirtschaft zugutekommen zu lassen.[10]
Ausblick
Die Niederschläge werden nach Modellsimulationen in den Kernländern Äthiopien, Kenia, Tansania und Uganda im 21. Jahrhundert in den feuchten Jahreszeiten zu- und in den trockenen Jahreszeiten abnehmen. Dabei überwiegen in den Modellen die Zunahmen. Die Jahresniederschläge werden bis in die 2050er Jahre im Vergleich zu 1981-2010 nach dem Szenario SSP5-85 um bis zu 29% zunehmen und bis in die 2080er Jahre um bis zu 35%. Nur der südliche Teil von Tansania zeigt eine leichte Abnahme. Anders als der beobachtete Trend nehmen die Niederschläge auch in der langen Regenzeit von März bis Mai zu. Dagegen setzt sich die während der letzten Jahrzehnte beobachtete Zunahme der Niederschläge während der kurzen Regenzeit auch in Zukunft fort. Auch die Niederschlagsextreme, Dürren wie Starkregen mit Überschwemmungen, werden sich nach Modellprojektionen in Anzahl und Intensität erhöhen.[1]
Nach Cai et al. (2018)[11] kommt es schon bei einer globalen Erwärmung um 1,5 °C gegenüber der vorindustriellen Zeit (1850-1900) zu doppelt so häufigen positiven IOD-Ereignissen. Bei hohen Klimaszenarien könnten die extremen positiven Indian Ocean Dipole Ereignisse während des 21. Jahrhunderts um fast das Dreifache zunehmen, von einmal in 17 Jahren auf einmal in 6 Jahren. Dabei muss in den Tropen damit gerechnet werden, dass die Clausius-Clapeyron-Regel, nach der der Wasserdampfgehalt der Atmosphäre bei einer Erwärmung um 1 °C um 7% zunimmt, übertroffen werden kann, wodurch beispiellose Extremniederschläge auftreten könnten.[4]
Einzelnachweise
- ↑ 1,0 1,1 Gebrechorkos, S.H., M.T. Taye, B. Birhanu et al. (2023): Future changes in climate and hydroclimate extremes in East Africa. Earth's Future, 11, e2022EF003011.
- ↑ 2,0 2,1 IPCC AR6 WGII (2022): Climate Change 2022: Impacts, Adaptation and Vulnerability. 9.5.5.2
- ↑ 3,0 3,1 3,2 3,3 3,4 3,5 3,6 3,7 3,8 Kimutai, J., C. Barnes, F. Masambaya et al. (2024): Urban planning at the heart of increasingly severe East African flood impacts in a warming world
- ↑ 4,0 4,1 MacLeod, D., Kolstad, E. W., Michaelides, K., & Singer, M. B. (2024): Sensitivity of rainfall extremes to unprecedented Indian Ocean Dipole events. Geophysical Research Letters, 51, e2023GL105258. https://doi.org/10.1029/2023GL105258
- ↑ 5,0 5,1 Wainwright, C.M., D.L.Finney, M. Kilavi et al. (2021): Extreme rainfall in East Africa, October 2019–January 2020 and context under future climate change. Weather. 76(1), 26–31. https://doi.org/10.1002/wea.3824
- ↑ 6,0 6,1 Pietroiusti, R., I. Vanderkelen, F.E.L. Otto et al. (2024): Possible role of anthropogenic climate change in the record-breaking 2020 Lake Victoria levels and floods, Earth Syst. Dynam., 15, 225–264, https://doi.org/10.5194/esd-15-225-2024
- ↑ Kimutai, J., C. Barnes, M. Zachariah et al., World Weather Attribution (WWA) (2023): Compounding natural hazards and high vulnerability led to severe impacts from Horn of Africa flooding exacerbated by climate change and Indian Ocean Dipole
- ↑ World Meteorological Organization, WMO (2024): Flooding worsens in East Africa
- ↑ Marie Mireille, N., M. Mwangi, K. Mwangi & M. Gathenya (2019): Analysis of Land Use Change and Its Impact on the Hydrology of Kakia and Esamburmbur Sub-Watersheds of Narok County, Kenya, Hydrology 6, no. 4: 86
- ↑ WFP (2018): Water Harvesting in Practice: Towards Building Resilient Livelihoods in Semi-Arid Zones. Field Practitioners Guide No. 2. Rural Resilience Programme, World Food Programme, Nairobi
- ↑ Cai, W., A. Santoso, G. Wang et al. (2014). Increased frequency of extreme Indian Ocean Dipole events due to greenhouse warming. Nature, 510(7504), 254–258
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