Aerosole und Extremereignisse
Einleitung
Aerosole sind bekannt als Gegenspieler der Treibhausgase. Während die durch den Menschen emittierten Treibhausgase als wichtigste Ursache des Klimawandels gelten, haben Aerosole ihn über Jahrzehnte um etwa ein Viertel verringert.[1] Nach Zheng et al. (2020) ist dadurch der Klimawandel bisher um etwa 40 Jahre verzögert worden.[2] Ohne den Aerosol-Effekt wäre die 1,5 °C Grenze zu einem „gefährlichen“ Klimawandel bereits vor einigen Jahren überschritten worden.[3] Da Aerosole nur eine sehr kurze Verweilzeit von einigen Tagen bis zu wenigen Wochen in der Atmosphäre besitzen, ist ihre regionale Verbreitung jedoch sehr heterogen, so dass ihre Wirkung in einigen Regionen deutlich höher, in anderen niedriger ausfallen kann.
Nach dem 2. Weltkrieg gab es zunächst einige Jahrzehnte lang einen starken Anstieg der Aerosolbelastung (vor allem von Sulfat-Aerosolen) in Europa und Nordamerika als Folge der rasanten Industrie- und Verkehrsentwicklung. Die zunehmende Aerosolbelastung erwies sich jedoch bald als ein Problem für die Gesundheit der Bevölkerung und wurde zudem für sauren Regen und Waldsterben verantwortlich gemacht. In Europa und den USA wurden seit den 1970er/1980er Jahren daher Maßnahmen ergriffen, die zu einer deutlichen Reduzierung der Schwefeldioxid-Emissionen führten, den Vorläufern von Sulfat-Aerosolen.[4] Im Gegensatz dazu haben Aerosol-Emissionen in China bis 2010 deutlich zu- und erst danach mehr und mehr abgenommen, während sich in Indien der Anstieg weiter fortgesetzt hat.[3] Seit den 2020er Jahren zeigt sich zunehmend die problematische Seite der Aerosolabnahme: Sie enthüllt die volle Wirkung der Treibhausgase. So wurden die beiden bisher wärmsten Jahre 2023 und 2024 auch auf die Abnahme der Aerosolbelastung zurückgeführt.[5]
Folgen der Aerosoländerungen
Sulfat-Aerosole entstehen hauptsächlich durch das Verbrennen fossiler Energien, also ähnlich wie Kohlendioxid, das wichtigste Treibhausgas. Das hat die paradoxe Konsequenz, dass je mehr die CO2-Emission zurückgehen, wozu sich die meisten Staaten der Erde bei dem Pariser Abkommen bekannt haben, um so stärker nimmt die Aerosol-Belastung ab. Nur hat das eine eine Abkühlung, das andere eine Erwärmung des Klimas zur Folge. Ein erfolgreicher Klimaschutz nach dem Szenario SSP1-1.9 würde nach Modellsimulationen bis 2050 den weiteren Temperaturanstieg durch Treibhausgase auf maximal 0,2 °C eindämmen, er würde aber gleichzeitig die Erwärmung durch eine abnehmende Aerosol-Konzentration um bis zu 2 °C stark erhöhen.[6]
Änderungen der Aerosol-Konzentration beeinflussen aber nicht nur das mittlere Klima, sondern auch extreme Wetterereignisse. Das vielleicht bekannteste Beispiel der Vergangenheit ist die große Sahel-Dürre in den 1970er und 1980er Jahren, der über 100.000 Menschen zum Opfer fielen. Als Hauptursache dieser vielleicht weltweit größten Dürre der jüngeren Geschichte gelten heute die zunehmenden Aerosolemissionen aus Europa und Nordamerika durch die schmutzige Industrie in den Nachkriegsjahrzehnten.[7] In jüngster Zeit wurden Extremereignisse eher mit einer Abnahme von Aerosolen in Beziehung gesetzt. Besonders sichtbar wurde das während der Corona-Pandemie, als viele Aktivitäten durch Lockdown-Maßnahmen oder andere Einschränkungen reduziert wurden. Das führte nicht nur zu sauberer Luft in manchen Ballungsräumen, sondern auch zu einer Intensivierung von extremen Wetterereignissen. So wurden die Rekordniederschläge in China 2020 auf die abrupte Reduktion der Emissionen von Aerosolen während der Corona-Pandemie zurückgeführt.[8] Ähnlich sind wohl auch die Erhöhung der Temperatur und die geringe Luftfeuchtigkeit, die 2020 starke Waldbränden in den westlichen USA bewirkt haben, teilweise durch die Abnahme von Aerosol-Emissionen bedingt.[9]
Die zukünftige Reduktion von Aerosolen wird signifikant zur Klimaerwärmung beitragen und die Häufigkeit und Stärke von Extremereignissen erhöhen. Die Auswirkungen von Aerosolen werden dabei nach Wang et al. (2023) bei weitem die der Treibhausgase übertreffen.[6]
Aerosole und Hitzewellen
Hitzewellen können durch zahlreiche Klimafaktoren beeinflusst werden wie Klimaschwankungen, großräumige Fernwirkungen, Änderungen der Zirkulation, Wechselwirkungen mit der Bodenfeuchtigkeit und anthropogene Antriebe. Bei letzteren sind die anthropogenen Aerosole der größte Unsicherheitsfaktor.[10] Aerosole haben die Zunahme der globalen Mitteltemperatur durch Treibhausgase um 30-50% reduziert und dabei auch die Häufigkeit und Stärke von Hitzewellen unterdrückt.[11] Das haben z.B. Untersuchungen für die extreme Hitzewelle in Europa 2003 gezeigt.[12] Bis in die 1990er Jahre haben Aerosole die Wirkung von Treibhausgasen maskiert, indem sie die Dauer von Hitzewellen um einen Tag/Jahrzehnt verkürzt und die Intensität um fast ein °C abgekühlt haben.[13] Regional war das besonders in Europa, Nordamerika und später in Ostasien der Fall.[14]
Seit den 1990er Jahren nimmt die Aerosolbelastung zunächst in Nordamerika und Europa immer mehr ab, seit 2010 auch in China. Das hat auch Auswirkungen auf die Wirkung von Treibhausgasen auf Hitzewellen, die zunehmend deutlicher hervortreten. Da die Aerosolkühlung mehr und mehr ausfiel, verlängerte sich die Dauer von Hitzewellen in diesen Regionen und die Intensität wurde stärker. Die Wirkung der abnehmenden Aerosol-Konzentration ist besonders dadurch bedingt, dass weniger Aerosole in der Atmosphäre weniger Wolken entstehen lassen. Dadurch kann die Solarstrahlung ungehinderter den Erdboden erreichen und die unteren Luftschichten aufheizen.[13]
Aus Umweltgründen wird die Aerosolbelastung auch zukünftig zurückgehen. Zusätzlich werden durch die Reduktion des Verbrauchs von Kohle, Öl und Gas weniger Aerosole in die Atmosphäre gelangen. Bei dem treibhausgasneutralen Szenario SSP1-1.9, das dem 1,5-Grad-Ziel des Pariser Abkommens entspricht, würde die CO2-Konzentration bis 2100 auf 400 ppm abnehmen. Zugleich würde die Emission von Schwefeldioxid, dem Vorläufergas der Sulfataerosole, um 90% zurückgehen. Die Temperatur würde sich nur noch sehr minimal durch die weiterhin emittierten geringen Mengen an Treibhausgasen erhöhen, regional maximal um 0,2 °C. Der weitgehende Wegfall der Aerosol-Kühlung würde dagegen eine globale Erwärmung von 2 °C in den mittleren bis hohen Breiten der Nordhalbkugel zur Folge haben.[6] Die Intensität der stärksten Hitzewellen könnte sich dadurch um 2-4 °C erhöhen. Die stärkere Reduktion der geographisch sehr heterogen verbreiteten Aerosole wird in Europa und China noch einmal 0,7 °China hinzufügen.[10]
Einzelnachweise
- ↑ IPCC AR6 WGI (2021): Climate Change 2021, WG I: The Earth’s Energy Budget, Climate Feedbacks, and Climate Sensitivity, Figure 7.7
- ↑ Zheng, Y., Davis, S.J., Persad, G.G. et al. (2020): Climate effects of aerosols reduce economic inequality. Nat. Clim. Chang. 10, 220–224
- ↑ 3,0 3,1 Quaas, J., H. Jia, C. Smith, A.L. Albright et al. (2022): Robust evidence for reversal of the trend in aerosol effective climate forcing, Atmos. Chem. Phys., 22, 12221–12239
- ↑ Persad, G., B.H. Samset and L.J. Wilcox et al. (2023): Rapidly evolving aerosol emissions are a dangerous omission from near-term climate risk assessments, Environmental Research: Climate 2, 3
- ↑ Jenkins, S., R. Grainger, A. Povey, A. Gettelman et al. (2022): Is Anthropogenic Global Warming Accelerating?, J. Climate, 1–43
- ↑ 6,0 6,1 6,2 Wang, P., Y. Yang, D. Xue et al. (2023): Aerosols overtake greenhouse gases causing a warmer climate and more weather extremes toward carbon neutrality. Nat Commun 14, 7257
- ↑ IPCC AR6 WGI (2021): Water Cycle Changes, 8.3.2.4.3
- ↑ Yang, Y., L. Ren, M. Wu et al. (2022): Abrupt emissions reductions during COVID-19 contributed to record summer rainfall in China. Nat. Commun. 13, 959
- ↑ Ren, L, Y. Yang, H. Wang et al. (2022): Widespread wildfires over the western United States in 2020 linked to emissions reductions during COVID‐19. Geophys. Res. Lett. 49, e2022GL099308
- ↑ 10,0 10,1 Zhao, A., Bollasina, M. A., & Stevenson, D. S. (2019): Strong influence of aerosol reductions on future heatwaves. Geophysical Research Letters, 46, 4913–4923. https://doi.org/10.1029/2019GL082269
- ↑ Persad, G.G., C. Cummins and J.W. Baldwin (2025): Anthropogenic aerosol changes disproportionately impact the evolution of global heatwave hazard and exposure, Environmental Research Letters 20, 8
- ↑ Péré, J.C., M. Mallet, V. Pont and B. Bessagnet (2011): Impact of aerosol direct radiative forcing on the radiative budget, surface heat fluxes and atmospheric dynamics during the heat wave of summer 2003 over Western Europe: a modeling study J. Geophys. Res. Atmos. 116 2011
- ↑ 13,0 13,1 Wei, J., W. Wang, A.J. Teuling et al. (2025): Reduced anthropogenic aerosols reveal increased heatwaves driven by climate warming. Earth's Future, 13, e2025EF006516
- ↑ Barriopedro, D., R. García-Herrera, C. Ordóñez et al. (2023): Heat waves: Physical understanding and scientific challenges. Reviews of Geophysics 61, e2022RG000780
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