Corioliskraft
Anschauliche Erklärung
Sowohl im Ozean als auch in der Atmosphäre sind die Verhältnisse an einem bestimmten Ort oft stark davon geprägt, welche Strömungen (Winde oder Ozeanströmungen) dort vorherrschen. Die Ursache solcher Strömungen sind im wesentlichen Druckunterschiede, die durch verschiedene Temperaturen entstehen, im Fall des Ozeans auch durch den Einfluss des Windes an der Meeresoberfläche. Die großräumigen Strömungsmuster auf der Erde sehen jedoch völlig anders aus, als man es aus der Physik dieser antreibenden Kräfte erwarten würde. Warum zum Beispiel strömt die Luft nicht direkt vom hohen Druck zum tiefen in ein Tiefdruckgebiet hinein, sondern kreisförmig außen herum, wodurch es sich mehrere Tage lang halten kann? Oder warum strömt die warme Luft der Tropen in der Höhe nicht direkt in die Polarzone (stattdessen beobachten wir in unseren Breiten Westwinde)? Schließlich strömt die Luft ja auch sofort aus einem Luftballon heraus oder oben aus der Haustür, wenn es draußen kalt ist. Die Antwort ist darin zu sehen, dass die Erde sich dreht und daher eine Bewegung, die in Wahrheit geradeaus gerichtet ist, für einen Beobachter auf der Erde eine Kurve beschreibt.
Da man die Änderung (also auch die Richtungsänderung) einer Bewegung normalerweise auf eine Kraft zurückführt, heißt dieser Effekt "Corioliskraft". Es handelt sich aber eben nicht um eine Kraft im eigentlichen Sinn, sondern nur um einen Effekt, der durch ein rotierendes Koordinatensystem zustande kommt. Deshalb heißen solche Kräfte auch Scheinkräfte.
Die Corioliskraft wirkt im Gegensatz zur zweiten wichtigen Scheinkraft, der Zentrifugalkraft, nur auf Objekte, die sich selbst (innerhalb des rotierenden Systems) noch bewegen! Auf das stehende Wasser in einem See wirkt sie also z.B. nicht, wohl aber auf das Wasser, das sich in einer Meeresströmung bewegt. Da die Erde sich nur langsam dreht und sehr groß ist, ist die Corioliskraft auf der Erde nur dann relevant, wenn die Bewegung des Objekts auch langsam genug ist und sich über große Entfernungen erstreckt. Dies trifft auf die Hoch- und Tiefdruckgebiete der mittleren Breiten zu, auf die Westwinde der mittleren Breiten und große Ozeanströmungen, nicht jedoch auf die Verhältnisse in einer Badewanne oder einer Toilette. Da die Erde sich nicht nur um ihre Achse dreht, sondern auch noch gekrümmt ist, ist die Corioliskraft am Äquator zudem nicht vorhanden und wird in Richtung der Pole immer stärker. Angebliche Corioliseffekte in einer mit Wasser gefüllten Schüssel am Äquator sind daher wohl eher eine beliebte Touristenattraktion als ein seriöses physikalisches Experiment.
Die Luft im Einfluss eines Tiefdruckgebiets spürt also durchaus die Druckkraft in Richtung des Tiefs und bewegt sich dort hin, dabei dreht sich die Erde aber gleichzeitig immer ein Stück weg, so dass es seinem Ziel nie näher kommt. Erst durch die Reibung am Boden, die die Luft auf ihrem Weg bremst und somit auch die Corioliskraft verringert, kann sich das Tief auffüllen und abgebaut werden.
Physikalische Erklärung
Der physikalische Hintergrund der Corioliskraft ist die so genannte Drehimpulserhaltung. Der Drehimpuls ist eine Größe, die von der Geschwindigkeit des Objekts und seinem Abstand zur Achse, um die es sich dreht, abhängt. Da die Erdachse durch die Pole geht, ist dieser Abstand in den Polargebieten klein und am Äquator maximal. Auch die Drehgeschwindigkeit ist am Äquator maximal, an den Polen aber null. Das kann man sich zum Beispiel anhand einer Bahn für die Läufer in einem Stadion vorstellen: Alle Läufer drehen dieselbe Anzahl von Runden. Dabei müsste aber der äußerste Sportler wegen der Kurven einen weiteren Weg laufen als die anderen. Im Stadion wird das dadurch ausgeglichen, dass die Startpositionen versetzt sind (die äußeren Läufer also sozusagen einen Vorsprung bekommen). Da die Erde aber fest zusammenhängt, ist ihre Drehung überall gleich, nämlich eine Umdrehung pro Tag. Der Äquator ist aber viel länger als die anderen Breitenkreise, daher muss auch die Geschwindigkeit dort höher sein. Die Drehimpulserhaltung besagt nun, dass ein Objekt seinen Drehimpuls (wenn keine äußeren Einflüsse wirken) nicht ändert.
Wenn sich also z.B. ein Luftpaket vom Äquator aus in Richtung Norden bewegt, bringt es eine hohe Geschwindigkeit von etwa 1670 km/h mit, wie sie am Äquator herrscht. In den mittleren Breiten ist die Geschwindigkeit der Erddrehung aber nur noch etwa 800 km/h, das heißt das Luftpaket ist plötzlich schneller als seine Umgebung geworden und wird daher auf seinem Weg nach Norden scheinbar nach rechts abgelenkt. Diese Erklärung allein beschreibt jedoch nur eine Corioliskraft, die genau halb so stark wie die beobachtete ist, wie man mathematisch zeigen kann. Der Grund liegt darin, dass für den Drehimpuls auch der Abstand von der Drehachse wichtig ist, und dieser wird zu den Polen hin immer kleiner, so dass das Luftpaket zusätzlich beschleunigt wird. Das ist derselbe Effekt wie bei einer Eiskunstläuferin, die ihre Arme anziehen muss, um sich schnell um sich selbst zu drehen. Je schmaler sie sich macht, desto schneller dreht sie sich. Streckt sie die Arme wieder aus, dreht sie sich sofort langsamer.
Der aufmerksame Leser wird bemerkt haben, dass dies nur eine Ablenkung für Bewegungen in Nord-Süd-Richtung erklärt. Warum also wird ein Luftpaket auch dann noch abgelenkt, wenn es sich in Ost-West-Richtung bewegt? Die Geschwindigkeit der Erde und der Abstand zur Drehachse bleiben dabei schließlich gleich. Der Grund ist in der zweiten wichtigen Scheinkraft zu finden: der Zentrifugalkraft. Da die Erde sich wie oben beschrieben schnell bewegt, sollten Objekte darauf eigentlich nach außen (also zum Äquator hin) geschleudert werden, wie die Fahrgäste in einem Auto, das schnell um die Kurve fährt. Als die Erde vor etwa 5 Milliarden Jahren entstand, formte sich daher auch etwas mehr Masse am Äquator und weniger in den Polargebieten. Das ist auch der Grund dafür, dass die Erde nicht genau rund, sondern abgeplattet ist. Der Erdradius (Abstand vom Erdmittelpunkt) ist an den Polen also geringer als am Äquator, und zwar etwa um 21 km. Für ruhende Objekte zeigt daher die Schwerkraft trotz der Zentrifugalkraft senkrecht zum Erdboden - der Erdboden steht nur sozusagen geringfügig schief, um die Zentrifugalkraft auszugleichen. Bewegt sich aber ein Objekt in Ost-West-Richtung, stimmt seine Geschwindigkeit nicht mehr mit der Geschwindigkeit der Erde überein und so ändert sich auch die Zentrifugalkraft. Für Bewegungen nach Osten wird sie größer (denn auch die Erde selbst dreht sich in Richtung Osten), also wird das Objekt dadurch zum Äquator hin gelenkt. Für Bewegungen nach Westen wird sie kleiner, so dass die Anziehungskraft der Erde überwiegt und das Objekt Richtung Pol zieht, wo der Abstand zum Erdmittelpunkt am geringsten ist. Die Richtungsänderung stimmt also mit dem Corioliseffekt überein. In der Meteorologie wird dieser Effekt der veränderten Zentrifugalkraft ebenfalls als Teil der Corioliskraft definiert, so dass nur eine "Kraft" berücksichtigt werden muss.
Unterricht
- Experiment:
- Sucht euch einen Spielplatz mit einem Kinderkarussell, und zwar möglichst ohne Sitze oder Stangen. Gelegentlich gibt es solche rotierenden Scheiben mit freier Oberfläche. Setzt euch auf das Karussell, lasst es jemand anderen schnell drehen und werft dann einen Ball geradeaus. Aus der Sicht des Beobachters, der euch Schwung gegeben hat, fliegt der Ball gerade, aus eurer Sicht fliegt er aber eine Kurve.
Der Effekt ist dabei so gut zu sehen, weil die Scheibe in dem Experiment sich viel schneller dreht als die Erde! Man sieht dort also nicht die Corioliskraft, die aus der Erddrehung resultiert, sondern die, die durch die Drehung des Karussells hervorgerufen wird. Daher ist sie so viel stärker.
- Geht in ein Museum, in dem ein so genanntes Foucaultsches Pendel aufgehängt ist.
Das ist ein Pendel, das immer in derselben Richtung schwingt, während sich die Erde darunter weg dreht. Es sieht also so aus, als würde das Pendel langsam die Richtung ändern. Natürlich dauert es sehr lange, bis man das erkennt, daher sind kreisförmig um das Pendel meist Gegenstände aufgestellt, die nach und nach davon umgestoßen werden.
- Einfache Experimente zur Corioliskraft Die Experimente vermitteln ein intuitives Verständnis über die ablenkende Kraft der Erdrotation (Universität Freiburg).
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